Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung der durch den Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich notwendigen Gewinnkorrektur darf nicht berücksichtigt werden, daß das FA bei einem früheren Übergang vom Vermögensvergleich zur Überschußrechnung zu Unrecht eine Gewinnkorrektur unterließ und dieser Fehler der früheren Veranlagung nicht mehr berichtigt werden kann.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5
Tatbestand
Streitig war bei der Einkommensteuerveranlagung der steuerpflichtigen Eheleute für 1962, in welcher Höhe eine Korrektur des gewerblichen Gewinns durchgeführt werden mußte, weil der Steuerpflichtige am 1. Januar 1962 von der bisherigen Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zum Vermögensvergleich (§ 5 EStG) übergegangen war.
Der Steuerpflichtige ermittelte seinen gewerblichen Gewinn von der Währungsumstellung ab bis zum 31. Dezember 1954 durch Vermögensvergleich und ging am 1. Januar 1955 zur Überschußrechnung über. In der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1954 betrug der Überschuß der Passivwerte (Schulden) über die Aktivwerte (Warenbestand und Warenforderung) 11 574 ./. 3 816 = 7 758 DM. Diesen Überschuß nahm das FA bei der rechtskräftig gewordenen Einkommensteuerveranlagung 1955 nicht zum Anlaß einer Gewinnkorrektur.
Beim Übergang von der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung zum erneuten Vermögensvergleich am 1. Januar 1962 betrug der Überschuß der Aktivwerte gegenüber den Passivwerten 25 126 ./. 23 756 = 1 370 DM. Das FA erhöhte nunmehr unter Hinweis auf die Anordnung in den EStR Abschn. 19 und die Anlage 2 der EStR den Gewinn des Streitjahres 1962 um den Betrag, um den die Gewinne ab 1955 bis zur Auflösung der Aktivund Passivbestände in der Eröffnungsbilanz vom 1. Januar 1962 höher gewesen wären, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn in der Zwischenzeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1961 ebenfalls durch Vermögensvergleich ermittelt hätte. Diesen Betrag errechnete das FA aus der Summe der bezeichneten Unterschiede der Passiv- zu den Aktivwerten am 1. Januar 1962, also mit 7 758 + 1 370 = 9 128 DM.
Der Steuerpflichtige ist der Auffassung, daß die Korrektur des Gewinns 1962 sich auf den Betrag von 1 370 DM beschränken müsse, weil der jetzige Übergang zum Vermögensvergleich nur eine Gewinnminderung in der Folgezeit in Höhe von 1 370 DM herbeiführe und die Berücksichtigung von 7 758 DM eine unzulässige Nachholung der vom FA zu Unrecht unterlassenen Korrektur des Gewinns 1955 darstelle.
Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen blieben erfolglos. Das FG begründete seine Auffassung im wesentlichen wie folgt. Da das FA bei der Gewinnermittlung 1955 keine Korrektur durchgeführt habe, seien die am 1. Januar 1955 vorhanden gewesenen Bestände noch nicht ausgeglichen. Sie müßten deshalb beim Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich am 1. Januar 1962 berücksichtigt werden. Dieser Ermittlung der Gewinnkorrektur 1962 könne nicht entgegengehalten werden, daß die 1955 unterbliebene Korrektur im Jahr 1962 nicht nachgeholt werden dürfe, weil die Veranlagung 1955 rechtskräftig und die darauf beruhende Steuer verjährt sei. Die Gewinnkorrektur 1962 sei keine Nachholung und Berichtigung der Veranlagung 1955. Die während der Gesamtdauer eines Betriebes erzielten Gewinne müßten unabhängig von den jeweiligen Formen der Gewinnermittlung insgesamt gleichhoch sein. Das könne nur durch die vom FA vorgenommene Berechnung erreicht werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Steuerpflichtigen ist begründet.
Entschließt sich der Steuerpflichtige, von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen Gewinnermittlungsart überzugehen, oder wird er zu einem solchen Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich durch gesetzliche Vorschriften gezwungen, so haben es der RFH und ihm folgend der BFH in ständiger Rechtsprechung für erforderlich gehalten, durch Korrekturposten oder durch Korrektur des Gewinns im Übergangsjahr dafür Sorge zu tragen, daß dem Steuerpflichtigen durch diesen Übergang keine steuerlichen Nachteile, aber auch keine steuerlichen Vorteile entstehen, d. h., daß auf eine längere Zeitperiode gesehen die Gewinne versteuert werden, die bei einem konstanten Vermögensvergleich ausgewiesen worden wären. Auf diese Bedeutung und dieses Wesen der Gewinnkorrektur hat der erkennende Senat zuletzt im Urteil IV R 202/67 vom 28. Mai 1968 (BFH 92, 555, BStBl II 1968, 650) hingewiesen.
Dem FG und dem Steuerpflichtigen ist darin zu folgen, daß das FA beim Übergang von der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich zur Überschußrechnung am 1. Januar 1955 den damaligen Überschuß der Passivwerte über die Aktivwerte in Höhe von 7 758 DM durch eine Erhöhung des Gewinns 1955 um diesen Betrag hätte berücksichtigen müssen. Darüber, ob überhaupt der bisherigen Übung der Verwaltung und der sie billigenden Rechtsprechung folgend bei diesem Übergang sofort eine Gewinnkorrektur vorzunehmen ist oder ob es gerechtfertigt erscheint, mit dieser Korrektur bis zum erneuten Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich oder bis zur Betriebsaufgabe zu warten, gehen die Auffassungen im Schrifttum auseinander (vgl. z. B. Fenzel, DStR 1967, 121 und 151). Unzweifelhaft ist, daß der Steuerpflichtige in den auf den Übergang zur Überschußrechnung folgenden Jahren, also im Jahre 1955 oder später, Betriebsausgaben in Höhe von 7 758 DM doppelt abgezogen hat, weil sich damals wegen dieses Wechsels der Gewinnermittlung die Bezahlung der Schulden in Höhe von 11 574 DM als zusätzlicher Aufwand und die Veräußerung der Waren und die Einziehung der Warenforderungen mit zusammen 3 816 DM als zusätzlicher Ertrag auswirkten, während diese Vorgänge bei Fortsetzung der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich die Verlust- und Gewinnrechnung nicht berührt hätten. Eine Gewinnkorrektur am 1. Januar 1955 bedeutet also eine Vorverlagerung des sich erst bei der Auflösung der bezeichneten Aktiv- und Passivposten ergebenden Ertrages und Aufwandes. Diese Vorverlagerung rechtfertigt sich aber aus der Überlegung, daß sich die Auflösung der der Korrektur zugrunde liegenden Posten in der Bilanz vom 31. Dezember 1954 in der Regel schon dadurch im ersten Jahr der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung vollzieht, daß der Warenbestand veräußert, die Warenforderungen eingezogen und die Schulden bezahlt werden. Es kommt hinzu, daß eine Verschiebung der in jedem Fall notwendigen Gewinnkorrektur bis zu einem möglicherweise niemals eintretenden erneuten Übergang von der Überschußrechnung zum Vermögensvergleich oder bis zur Betriebsaufgabe in den Fällen zu schwer vertretbaren Härten führt, in denen die Aktivwerte der letzten Bilanz vor Übergang zur Überschußrechnung die Passivwerte erheblich übersteigen und damit in den meisten Fällen schon kurze Zeit nach dem Übergang zur Gewinnermittlung durch Überschußrechnung eine erhebliche Doppelbesteuerung bestimmter Vorgänge eintritt, die erst in einem Zeitpunkt ausgeglichen werden würde, der möglicherweise in sehr ferner Zukunft liegt.
Die entscheidende Frage ist nun, nach welchen Grundsätzen im Streitjahr 1962 die wegen der Rückkehr zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich erforderliche Gewinnkorrektur zu berechnen ist, inwieweit dabei abgeschlossene Vorgänge der Vergangenheit berücksichtigt werden dürfen und ob es deshalb gerechtfertigt erscheint, die im Jahre 1955 unterlassene Gewinnkorrektur bei der Ermittlung der nunmehr notwendigen Korrektur des Gewinns 1962 auszugleichen. Für die Auffassung des FG kann angeführt werden, daß die im Gesetz nicht geregelten Gewinnkorrekturen auf den oben entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung beruhen und daß wegen der bezeichneten Übergänge von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen Gewinnermittlungsart Beträge der Besteuerung nicht entgehen, aber auch nicht doppelt erfaßt werden sollen. Daraus könnte gefolgert werden, daß, wenn anläßlich eines solchen Übergangs eine Korrektur des Gewinns vorzunehmen sei, sie so berechnet werden müsse, als habe der Steuerpflichtige seine Gewinne stets durch Vermögensvergleich ermittelt und niemals die Art der Gewinnermittlung geändert.
Trotz dieser Überlegungen erscheint es dem Senat nicht gerechtfertigt, dabei auch solche Vorgänge in die Betrachtung und die Berechnung einzubeziehen, die viele Jahre zurückliegen, längst abgeschlossen sind, auf die jetzigen Bilanzposten keinen Einfluß mehr haben und damals in Widerspruch zu den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt worden sind. Es ist dem FG zwar zuzugeben, daß es sich dabei nicht um das Problem der unmittelbaren Berichtigung eines in einer früheren Veranlagung begangenen Fehlers oder der Nichtbeachtung der Grundsätze der Rechtskraft und der Verjährung handele, und daß weder frühere Veranlagungen wieder aufgerollt noch die Steuern für diese Veranlagungszeiträume geändert werden sollen. Denn es ist nur zu entscheiden, welche Vorgänge bei der nunmehr im Jahr 1962 vorzunehmenden Gewinnkorrektur zu berücksichtigen sind. Aus diesen richtigen Überlegungen des FG ergibt sich aber nicht zwangsläufig die vom FG gezogene Schlußfolgerung, daß die Tatsache der früher im Jahr 1955 unterlassenen Gewinnkorrektur jetzt eine entsprechend höhere Korrektur des Gewinns 1962 zur Folge habe. Denn gegen diese Einbeziehung weit zurückliegender Vorgänge bei der Gewinnkorrektur 1962 spricht entscheidend die Überlegung, daß im praktischen Ergebnis und wirtschaftlich betrachtet bei der Auffassung des FG ein im Jahr 1955, spätestens aber im Jahr 1956 abgeschlossener Vorgang nur deshalb bei der jetzigen Gewinnkorrektur berücksichtigt würde, weil das FA damals aus diesem Vorgang nicht die zutreffenden rechtlichen Folgerungen zog. Es kann aber nicht die Aufgabe der jetzt durch die Änderung der Gewinnermittlungsart notwendigen Gewinnkorrektur sein, Vorgänge früherer Veranlagungen nur deshalb in die Berechnung einzubeziehen, weil sie damals unrichtig, sei es zuungunsten, sei es zugunsten des Steuerpflichtigen, behandelt worden sind.
Die für einen bestimmten Zeitpunkt wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart notwendige Gewinnkorrektur darf also nur die Aktiv- und Passivwerte der Korrekturberechnung zugrunde legen, die in diesem Zeitpunkt vorhanden sind. Die Einbeziehung früherer Vorgänge ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn sie sich auf diese jetzt vorhandenen Werte nicht mehr auswirken können. Davon muß im vorliegenden Fall ausgegangen werden. Denn es erscheint ausgeschlossen, daß die am 1. Januar 1955 vorhandenen Aktiv- und Passivwerte nicht durch Veräußerung, Einziehung oder Bezahlung längst vor 1962 bei einer fingierten Bilanzierung nach dem 31. Dezember 1955 aus der Bilanz verschwunden wären. Deshalb kann die Auffassung des FG auch nicht mit der analogen Anwendung der Grundsätze des Bilanzzusammenhanges gerechtfertigt werden. Diese im Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965 (BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142) dargestellten Grundsätze stellen zwar den Gedanken der Erfassung des richtigen Gewinnes für einen längeren Zeitraum in den Vordergrund und lassen diese Zielsetzung durch das Institut der Verjährung nicht einschränken. Sie befassen sich aber nur mit der Bilanzierung (Berichtigung) identischer Aktiv- und Passivposten in der Eröffnungsbilanz oder in der Schlußbilanz eines bestimmten Veranlagungszeitraums, bezwecken aber nicht allgemein, einen in einer früheren rechtskräftigen Veranlagung durch unrichtige Beurteilung eines damals abgeschlossenen Vorgangs gemachten Fehler in einer späteren Veranlagung richtigzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 69118 |
BStBl II 1970, 745 |
BFHE 1970, 540 |