Leitsatz (amtlich)
Ist eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin an einer KGaA beteiligt, sind die ihr zustehenden Gewinnanteile und der Wert ihrer Beteiligung beim Gewerbeertrag bzw. beim Gewerbekapital nicht zu kürzen.
Orientierungssatz
1. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz, wonach eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags durchzuführen ist, soweit es, ohne diese Kürzung, zu einer Doppelerfassung kommt (vgl. BFH-Urteil vom 19.7.1971 I R 164/68).
2. Angesichts der besonderen handelsrechtlichen Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA hat der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet, ihn als (Mitunternehmer) Unternehmer zu behandeln. Er wird nur wie ein (Mitunternehmer) Unternehmer behandelt, indem seine Gewinnanteile und Vergütungen als gewerbliche Einkünfte erfaßt werden. Die im BFH-Urteil vom 4.5.1961 I 186/64 U beiläufig getroffene Aussage, daß das Steuerrecht die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Mitunternehmer ansehe, ist in diesem Sinne zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1984 I R 11/80).
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 2, § 12 Abs. 3 Nr. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsnachfolger der D-GmbH. Die D-GmbH war an der V-KGaA als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt. Eine Beteiligung am Grundkapital bestand nicht. Bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1969 und 1970 folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den eingereichten Steuererklärungen und kürzte den Gewerbeertrag um die Anteile am Gewinn der V-KGaA sowie das Gewerbekapital um den Wert der Beteiligung an der V-KGaA. Die Festsetzung der Steuermeßbeträge für die Streitjahre wurde gemäß § 100 Abs.2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig durchgeführt. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß eine Kürzung um die Gewinnanteile bzw. um den Wert der Beteiligung nicht in Betracht komme. Es änderte die Veranlagungen für die Streitjahre entsprechend.
Den Einspruch, mit dem sich der Kläger bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1969 und 1970 gegen diese Auffassung des FA wendete, wies das FA als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die eingelegte Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß eine Kürzung um die Gewinnanteile bzw. um den Wert der Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafterin einer KGaA sich zwar nicht ausdrücklich aus § 9 Nr.2 bzw. § 12 Abs.3 Nr.2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ergebe; sie sei aber entsprechend den genannten Vorschriften aus Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt.
Er beantragt unter Aufhebung des FG-Urteils und des geänderten Gewerbesteuermeßbescheids für 1969 und 1970 den vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid für 1969 für endgültig zu erklären und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für 1970 auf 34 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Gewerbeertrag der D-GmbH ist nicht um die Gewinnanteile aus der Beteiligung an der V-KGaA zu kürzen; das Gewerbekapital der D-GmbH ist nicht um die Beteiligung an der V-KGaA zu mindern.
2. Gemäß § 7 GewStG ist der Gewerbeertrag der D-GmbH der nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen ist. Zu diesem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb gehört auch der Anteil am Gewinn der V-KGaA. Er ist gemäß § 6 Abs.1 KStG a.F. Bestandteil des Einkommens im Sinne des KStG und gleichzeitig Gewinn aus Gewerbebetrieb. Nach § 6 Abs.1 KStG a.F. bestimmt sich, was als Einkommen gilt, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG). Einkünfte im Sinne des EStG aus Gewerbebetrieb liegen vor, weil gemäß § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) a.F. bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind.Die D-GmbH war zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet (§ 6, §§ 38 ff. HGB; § 13 Abs.3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--).
Der so ermittelte Gewinn ist nicht gemäß § 9 GewStG um den Gewinnanteil an der V-KGaA zu kürzen.
Eine Kürzung gemäß § 9 Nr.2 GewStG kommt nicht in Betracht; die V-KGaA ist keine "andere Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind". Dies ergibt sich aus § 2 Abs.2 GewStG; dort sind diesen "anderen Gesellschaften" in Nr.1 die Kapitalgesellschaften in Nr.2 gegenübergestellt, wobei --wie sich aus der Aufzählung in der Klammer ergibt-- zu den Kapitalgesellschaften die KGaA gehört.
Dem Kläger kann nicht in seiner Auffassung gefolgt werden, daß der persönlich haftende Gesellschafter nach seiner gesetzlichen Stellung einem Mitunternehmer gleichgestellt sei. Angesichts der besonderen handelsrechtlichen Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA hat der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet, ihn als (Mit-)Unternehmer zu behandeln (vgl. Barth, Der Betrieb --DB--, Beilage Nr.10/1961, 6). Die persönlich haftenden Gesellschafter werden nur wie (Mit-)Unternehmer behandelt, indem ihre Gewinnanteile und Vergütungen als gewerbliche Einkünfte erfaßt werden. Die im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.Mai 1965 I 186/64 U (BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418) beiläufig getroffene Aussage, daß das Steuerrecht die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Mitunternehmer ansehe, ist in diesem Sinne zu verstehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 8.Februar 1984 I R 11/80, BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381).
Die Ansicht des Senats führt im Streitfall insoweit zu einer Doppelbelastung, als bei der V-KGaA der Gewinnanteil der D-GmbH dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr.4 GewStG zur Ermittlung des Gewerbebetriebs hinzuzurechnen ist (vgl. hierzu Urteil in BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381). Aus dem Zweck der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr.4 GewStG läßt sich eine Kürzung bei der D-GmbH nicht ableiten. Mit § 8 Nr.4 GewStG soll erreicht werden, daß der Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA einmal der Gewerbesteuer unterliegt. Dazu bedurfte es einer Hinzurechnungsvorschrift, weil die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Einkommens der KGaA gemäß § 11 Nr.3 KStG a.F. abzugsfähige Ausgaben sind und bei dem persönlich haftenden Gesellschafter gemäß § 15 Nr.3 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung zwar zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb rechnen, jedoch nicht unbedingt der Gewerbesteuer unterliegen. Der Regelung liegt dabei die Annahme zugrunde, daß der persönlich haftende Gesellschafter nicht gewerbesteuerpflichtig ist (Urteile in BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381, und in BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418). Dies mag zwar für den Regelfall zutreffen. Der Fall, daß eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA ist, mag deswegen nicht in die Regelung einbezogen worden sein, weil es umstritten ist, ob eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA sein kann (vgl. Barz in Aktiengesetz, Großkommentar, 3.Aufl., 3.Bd., § 278 Anm.9). In dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften (BTDrucks 8/1347 S.23) war vorgesehen, den § 278 Abs.1 des Aktiengesetzes (AktG) durch einen Satz 2 zu ergänzen: "Persönlich haftender Gesellschafter kann nur eine natürliche Person sein." Dieser Gesetzesentwurf fand insoweit keine Berücksichtigung im AktG.
Ob es richtig ist, die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr.4 GewStG dann zum Zuge kommen zu lassen, wenn im Einzelfall der Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters bei diesem der Gewerbesteuer unterliegt, muß der Senat im Streitfall nicht entscheiden. Eine Kürzung gemäß § 9 GewStG kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Auffassung zuträfe, daß es bei der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr.4 GewStG für den Fall verbleibt, in dem die Gewinnanteile bei dem persönlich haftenden Gesellschafter der Gewerbesteuer unterliegen. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz, wonach eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags durchzuführen ist, soweit es, ohne diese Kürzung, zu einer Doppelerfassung kommt (vgl. BFH-Urteil vom 19.Juli 1971 I R 164/68, BFHE 106, 441, BStBl II 1972, 858).
Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr.2 a GewStG ist nicht anwendbar, weil die D-GmbH nicht am Grundkapital der V-KGaA beteiligt war.
3. Zum Gewerbekapital der D-GmbH gehört ihre Beteiligung an der V-KGaA. Gemäß § 12 Abs.1 GewStG gilt als Gewerbekapital der Einheitswert des gewerblichen Betriebsvermögens im Sinne des Bewertungsgesetzes (BewG), zu dem gemäß § 97 Abs.1 Satz 1 BewG die Beteiligung an der V-KGaA rechnet. Eine Kürzung gemäß § 12 Abs.3 Nr.2 bzw. § 12 Abs.3 Nr.2 a GewStG scheidet aus. Die Ausführungen unter 2. gelten insoweit entsprechend.
Fundstellen
Haufe-Index 60705 |
BStBl II 1986, 72 |
BFHE 145, 76 |
BFHE 1986, 76 |
DB 1986, 465-465 (ST) |
HFR 1986, 309-309 (ST) |