Leitsatz (amtlich)
Die in den BewRL angegebenen Werte (Abschn. 2.20 Tabelle L 30) für die Umrechnung des Mehrbestandes an Vieheinheiten auf der Grundlage des Futterbedarfs sind Rechtens. Ein Verstoß gegen Grundsätze der Verfassung liegt nicht vor.
Normenkette
BewG 1965/1974 § 27; BewG 1965/1974 § 36 Abs. 1; BewG 1965/1974 § 37 Abs. 1 S. 1; BewG 1965/1974 § 38 Abs. 2 Nr. 1; BewG 1965/1974 § 38 Abs. 2 Nr. 2; BewG 1965/1974 § 41 Abs. 2; BewG 1965/1974 § 51 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Zuschlags bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und der Beigeladenen (Ehefrau des Klägers) auf den 1. Januar 1974.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Klägers und seiner Ehefrau mit Wertfortschreibungsbescheid vom 10. April 1975 auf ... DM fest. Hierbei berücksichtigte er einen Zuschlag gem. § 41 des Bewertungsgesetzes (BewG) i. d. F. vom 26. April 1974 (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862) zum Einheitswert der landwirtschaftlichen Nutzung wegen verstärkter Tierhaltung. Das FA ging hierbei von dem in der Erklärung des Klägers zum Bewertungsstichtag angegebenen Bestand aus. Gegenüber dem gegendüblichen Viehbestand hat es beim Kläger eine Abweichung von 151,77 Vieheinheiten ermittelt. Das FA hat den Zuschlag mit dem kapitalisierten nachhaltigen Reinertrag je Vieheinheit nach Tabelle L 30 der Richtlinien des Bundesministers der Finanzen (BdF) für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL) unter Zugrundelegung eines Wertansatzes von 650 DM bemessen.
Auf den Einspruch hin ermäßigte das FA den Zuschlag durch Ansatz eines Wertes von nur 600 DM je Vieheinheit.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß die Ertragslage der Geflügelhalter erheblich ungünstiger als die Ertragslage anderer landwirtschaftlicher Tierhalterbetriebe sei. Bei der Einkommensteuer habe die Finanzverwaltung die ungünstige Ertragslage der Geflügelhalter in der Weise berücksichtigt, daß beispielsweise für die Wirtschaftsjahre ab 1972/1973 die Zuschläge für Legehennenhaltung nur 130 DM und damit weniger als 1/3 der Zuschläge bei sonstiger Tierhaltung von regelmäßig 400 DM je Vieheinheit betragen sollten. Die damit anerkannte geringere Ertragsfähigkeit bei der Legehennenhaltung sei auch bei der Einheitsbewertung zu berücksichtigen.
Der Kläger griff ferner die Richtigkeit des Umrechnungsschlüssels auf der Grundlage des Futterbedarfs an und bezog sich hierzu auf Stellungnahmen des zuständigen Fachverbandes sowie des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML). Der Kläger beantragte, den Zuschlag wegen verstärkter Tierhaltung auf der Grundlage eines Wertansatzes von höchsten 350 DM je Vieheinheitmehrbestand zu bemessen.
Das Finanzgericht (FG), das eine Auskunft des BdF eingeholt hatte, wies die Klage ab. Die Vorinstanz hielt die in Abschn. 2.20 Abs. 2 BewRL und den vom FA zugrunde gelegten Umrechnungsschlüssel für die Ermittlung des Zuschlages für den Mehrbestand an Vieheinheiten für zutreffend. Die Wertansätze der Tabelle L 30 BewRL beruhten auf umfangreichen Ertragserhebungen der Finanzverwaltung, so daß die dort festgelegten Wertansätze als gesichert angesehen werden könnten. Der hier in Betracht kommende Wertansatz von 650 DM bzw. der ermäßigte Wertansatz von 600 DM würden einen derart großen Unterschied zu den nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 ermittelten durchschnittlichen Reinerträgen von 1 200 DM aufweisen, daß die geltend gemachten wertmindernden Umstände als abgegolten angesehen werden könnten. An sich sei eine entsprechende Verringerung der tatsächlichen Steigerungsbeträge des Reinertrags bei der Bemessung des Zuschlags wegen verstärkter Tierhaltung nach § 41 Abs. 2 BewG nicht vorgesehen. Eine weitere Ermäßigung als 50 DM nach oben oder unten der in der Tabelle L 30 BewRL aufgeführten Werte sei nicht mehr zu vertreten. Nach der Auskunft des BdF habe der durchschnittliche Reinertrag je Henne bei Betrieben aus dem Bereich der Landwirtschaftskammer Hannover einen Betrag von 6,64 DM für die Jahre 1962/1963 und 1963/1964 ergeben, während der durchschnittliche Reinertrag aus den Wirtschaftsjahren 1964/1965 bis 1971/1972 immer noch bei 3,66 DM gelegen habe. Der im Streitfall angesetzte Zuschlag berücksichtige jedoch nur einen Reinertrag von 0,67 je Henne jährlich. Diese Differenz sei so erheblich, daß weitere Abschläge nicht mehr gemacht werden könnten. Eine evtl. ungünstigere Entwicklung in Bayern sei nicht entscheidungserheblich, weil nach § 27 BewG bei Wertfortschreibungen die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 zugrunde zu legen seien. Die geltend gemachten ungünstigen Betriebsergebnisse beim Kläger seien durch Schuldzinsen beeinflußt und deshalb nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht zu berücksichtigen. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß der Futterverbrauch nur einen Unkostenfaktor von vielen darstelle, so daß aus der Höhe des Futterbedarfs allein nicht auf die Höhe des Reinertrags geschlossen werden könne.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der Verletzung des § 41 Abs. 2 BewG und Verstoß gegen Denkgesetze gerügt werden.
Der Kläger macht wiederum geltend, daß die Umrechnung in Vieheinheiten auf der Grundlage des Futterbedarfs fehlerhaft sei. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, daß der Futterbedarf einer Vieheinheit Legehennen nur etwa die Hälfte des Futterbedarfs einer Vieheinheit Milchkuh ausmache. Die Vorinstanz habe diese Zusammenhänge außer acht gelassen und damit gegen Denkgesetze verstoßen. Neuere Untersuchungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft hätten bestätigt, daß auf eine Vieheinheit 100 Legehennen entfielen und nicht nur 50, wie in der Anlage 1 zum Bewertungsgesetz angegeben. Da davon auszugehen sei, daß der landwirtschaftliche Betrieb mit entlohnten fremden Arbeitskräften bewirtschaftet werde, müßten noch die Kostensteigerungen für fremde Arbeitskräfte mitberücksichtigt werden. Erträge, welche aus der eigenen Vermarktung der Eier entständen, könnten nicht in den Zuschlag wegen verstärkter Tierhaltung einbezogen werden. Der Kläger macht ferner geltend, daß sein Betrieb fern von Städten und Großsiedlungen liege.
Zur Begründung seines Antrags, wegen verstärkter Tierhaltung den Überbestand je Vieheinheit auf 350 DM zu begrenzen, führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch aus, daß bei den in Tabelle 30 BewRL aufgeführten Fällen die Löhne für den Betriebsinhaber und die Familienangehörigen nicht berücksichtigt seien. Das gelte auch für die vom BdF mitgeteilten Ertragswerte für 1958 bis 1963 und für 1964 bis 1974. Darüber hinaus sei der Unterschied bei der Ertragsfähigkeit der einzelnen Tierarten so groß, daß die in Tabelle 30 BewRL getroffene Regelung, für den Überbestand an Vieh nach durchschnittlichen Werten für alle Vieharten denselben Wert anzusetzen, gegen das Gesetz verstoße.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Bei der Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft mit landwirtschaftlicher Nutzung ist gem. § 36 Abs. 1 BewG der Ertragswert zugrunde zu legen, wobei von der Ertragsfähigkeit auszugehen ist. Der Ertragswert wird durch ein vergleichendes Verfahren ermittelt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Unterschiede der Ertragsfähigkeit der gleichen Nutzung werden durch Vergleich der Ertragsbedingungen beurteilt (§ 38 Abs. 1 BewG). Dabei sind gem. § 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG für die natürlichen Ertragsbedingungen und im Gesetz einzeln aufgeführte wirtschaftliche Ertragsbedingungen die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen. Für die hier nicht genannten wirtschaftlichen Ertragsbedingungen, insbesondere die Betriebsorganisation und die Betriebsmittel, sind die in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse maßgebend (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Weichen die tatsächlichen Verhältnisse bei einer Nutzung oder einem Nutzungsteil von den bei der Bewertung unterstellten regelmäßigen Verhältnissen der Gegend um mehr als 20 v. H. ab, so ist ein Abschlag oder Zuschlag am Vergleichswert zu machen, wenn die Abweichung eine Änderung des Vergleichswerts der Nutzung oder des Nutzungsteils um mehr als den fünften Teil, mindestens um 1 000 DM, oder um mehr als 10 000 DM, bewirkt (§ 41 BewG).
2. Im Streitfall wurde der gegendübliche Bestand mit 115 Vieheinheiten je 100 ha zugrunde gelegt. Bei den Ortsbewertungsstützpunkten war weder eine Zurechnung noch eine Abrechnung vom gegendüblichen Tierbestand gemacht worden. Der tatsächliche Tierbestand des Klägers übersteigt diesen gegendüblichen Bestand um 151,77 Vieheinheiten und liegt damit über 40 v. H. über dem gegendüblichen Tierbestand. Nach der Tabelle L 30 BewRL ist der Zuschlag für den Überbestand an Vieheinheiten mit 650 DM/Vieheinheit anzusetzen. Das FA hat diesen Wertansatz in der Einspruchsentscheidung wegen ungünstiger Preisverhältnisse um 50 DM ermäßigt.
3. a) Gegen diese Berechnung macht der Kläger zu Unrecht geltend, daß die in der Tabelle L 30 BewRL festgesetzten Wertansätze auf falscher Berechnungsgrundlage beruhten. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 1977 III R 13/75 (BFHE 123, 519, BStBl II 1978, 89) ausgeführt, daß die für die Bewertung nach altem Recht vorgezogene Anwendung des § 51 BewG 1965 nicht nur die Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Gewerbebetrieb betreffe, sondern daß diese Regelung sich auch auf die Bemessung des Zuschlags nach § 40 BewG 1934 ( = § 41 BewG 1965) auswirke. Die Umrechnung in Vieheinheiten erfolgt auf der Grundlage des Futterbedarfs der verschiedenen Zweige der Tierhaltung. Diese Berechnung ist im Gesetz selbst vorgesehen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 BewG). Eine Änderung der Berechnungsgrundlage könnte daher nur vom Gesetzgeber herbeigeführt werden. Eine Umrechnung nach dem individuellen Futterbedarf der einzelnen Vieheinheit kennt das Gesetz nicht. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, daß der Richtliniengeber von dieser Rechtslage ausging und die für die Abgrenzung landwirtschaftlicher von gewerblicher Tätigkeit getroffene Regelung auch bei der Bewertung eines Betriebs mit verstärkter Tierhaltung zugrunde gelegt hat. Ein Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze ist nicht zu erkennen.
Wie sich aus der vom FG eingeholten Auskunft des BdF ergibt, erfolgte die Ermittlung der Wertansätze je Vieheinheit der Tabelle L 30 BewRL auf der Grundlage von statistischem Urmaterial der Betriebsergebnisse der Wirtschaftsjahre 1958/1959 bis 1962/1963. Die Auswertung der Unterlagen ergab einen durchschnittlichen kapitalisierten Reinertrag je Vieheinheit des Mehrbestandes von rd. 1 200 DM. Zur Überprüfung der Angemessenheit der in Tabelle L 30 BewRL angesetzten Werte bezieht sich der BdF weiter auf die Auswertung von rd. 11 200 DM Betriebsabschlüssen aus zehn Wirtschaftsjahren, beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 1964/1965.
b) Nach den Ermittlungen des FG beträgt bei dem hier maßgebenden Wertansatz von 600 DM je Vieheinheit für den Legehennenbetrieb des Klägers der Reinertrag je Henne 0,67 DM. Damit liegt der durchschnittliche Reinertrag je Henne noch ganz erheblich unter dem Durchschnittsertrag der Wirtschaftsjahre 1962/1963 und 1963/1964 mit 6,64 DM und für die Wirtschaftsjahre 1964/1965 bis 1971/1972 mit 3,66 DM. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Werte des § 40 Abs. 2 BewG für je 100 Vergleichszahlen nicht den tatsächlich festgestellten Reinerträgen nach den Verhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 entsprechen, sondern daß die tatsächlichen Reinerträge im Hinblick auf die Ungewißheit der Auswirkungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Lohnentwicklung in der Landwirtschaft nur mit rund 50 v. H. angesetzt wurden (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 40 BewG Anm. 5). Selbst wenn man berücksichtigt, daß demgemäß auch bei der Bemessung der Zuschläge entsprechend § 41 Abs. 2 BewG die tatsächliche Steigerung der Ertragsfähigkeit durch Intensivtierhaltung nur mit 50 v. H. berücksichtigt werden darf, so bleibt ein so erheblicher Unterschied zwischen der tatsächlichen Reinertragssteigerung und dem Zuschlagssatz je Vieheinheit, daß die in den BewRL angegebenen Wertansätze durchaus angemessen sind. Im Hinblick auf die geringe Höhe des Wertansatzes kann dahingestellt bleiben, ob die Löhne für die Mitarbeit des Betriebsinhabers und seiner Familienangehörigen gesondert berücksichtigt wurden. Im übrigen läßt sich nicht generell feststellen, ob überhaupt ein ins Gewicht fallender Mehraufwand an Löhnen entsteht oder von welchem Umfang eines Überbestandes an Vieheinheiten sein etwaiger Mehraufwand berücksichtigt werden könnte. Da die Zuschläge - wie oben ausgeführt - nicht auf der individuellen Ertragsteigerung beruhen, sondern eine Schätzung der typisierten Ertragsteigerung sind, wären sie nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie außerhalb des Rahmens einer möglichen Schätzung lägen. Dies ist aber nach vorstehenden Ausführungen offensichtlich nicht der Fall.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch nicht berücksichtigt werden, daß für ertragsteuerliche Zwecke die Beträge je Vieheinheit von 400 DM auf 130 DM im Jahre 1972 herabgesetzt worden sind. Die Einkommensteuer geht von den Erträgnissen eines bestimmten Zeitabschnittes aus und muß diese Erträge in diesen Zeitabschnitten in ihrer tatsächlichen Höhe ermitteln und ansetzen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, daß die ungünstige Ertragsentwicklung in der Legehennenhaltung bereits 1967 eingesetzt habe. Diese Einwendungen sind unbeachtlich. Bei der Einheitsbewertung kommt es nur auf die Verhältnisse an einem bestimmten Stichtag unter Berücksichtigung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit aus der Sicht dieses Stichtags an. Soweit es sich, wie hier vorliegend, um Wertverhältnisse handelt, müssen diese vom Hauptfeststellungsstichtag 1. Januar 1964 unverändert übernommen werden (§ 27 BewG). Dies gilt auch dann, wenn sich diese Werte erstmals bei einer Fortschreibung auf den 1. Januar 1974 steuerlich auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 73374 |
BStBl II 1980, 90 |
BFHE 1980, 192 |