Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Ausbildung in hausfraulichen Arbeiten (Kochen, Zuschneiden, Nähen, Kinderpflege usw.) ist im Sinn des Grundsteuerrechts als Ausbildung für einen Beruf anzusehen.
Der Verzicht auf die Anerkennung durch die Landesregierung, daß der Benutzungszweck von Grundbesitz im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt, bezieht sich bei Gebietskörperschaften, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften usw. nicht nur auf Schulen und Erziehungsanstalten im engeren Sinne, sondern allgemein auf Unterrichts- und Erziehungseinrichtungen (z. B. auf Einrichtungen zur Abhaltung von Lehrgängen, Kursen usw.).
Normenkette
GrStG § 4 Ziff. 7; GrStDV §§ 10-11
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine religiöse Genossenschaft einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft, mit einem Teil ihres Grundstücks zur Grundsteuer heranzuziehen ist.
Das betreffende Grundstück wird in der Hauptsache als Provinzialmutterhaus für die Verwaltung der ... .... Ordensprovinz und als Heim für alte Ordensangehörige benutzt. Einige Räume des Hauses dienen zur Abhaltung von Kochkursen für berufstätige Mädchen. Es finden Morgen- und Abendkurse statt, die gewöhnlich einen Monat dauern. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 50 und 100. Es wird ein Entgelt erhoben.
Das Finanzamt hat den zur Abhaltung dieser Kurse benutzten Teil des Grundstücks als grundsteuerpflichtig angesehen und für ihn nach dem Stande vom 1. Januar 1954 einen Grundsteuermeßbetrag festgesetzt. Es ist der Auffassung, die hier in Betracht kommende Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 7 des Grundsteuergesetzes (GrStG) erfordere, daß der Grundbesitz für Zwecke der Erziehung und des Unterrichts benutzt werde. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn die Ausbildung für einen Beruf oder die Weiterbildung innerhalb eines Berufs, die in der Regel zu einem anerkannten Abschluß führe, erfolge. Die Unterrichtung von berufstätigen Mädchen durch Morgen- und Abendkurse im Kochen stelle keine Berufsausbildung, sondern lediglich eine ergänzende Ausbildung in hauswirtschaftlichen Dingen dar. Die Voraussetzung eines schulmäßigen Unterrichts im Sinne des § 4 Ziff. 7 GrStG liege somit nicht vor. Der Einspruch der Stpfl. hatte keinen Erfolg.
Auf die Berufung hin stellte das Finanzgericht den strittigen Grundstücksteil von der Grundsteuer frei. Die Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen: Es sei nicht zutreffend, daß als Unterricht nur die Ausbildung für einen Beruf oder die Weiterbildung innerhalb eines Berufs gelte. Auch die allgemeinbildenden Schulen dienten dem Unterricht, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob die Hausfrauentätigkeit als Beruf und die Ausbildung im Kochen als Berufsausbildung anzusehen ist. Im übrigen seien auch in Abschn. 43 Abs. 3 Nr. 6 der Grundsteuerrichtlinien (GrStR) die "Hauswirtschaftsschulen" bei den steuerbefreiten "Schulen" aufgeführt. Zweifel könnten nur in der Hinsicht bestehen, ob der Begriff "Unterricht" etwa eine schulmäßige Organisation und eine gewisse Eingliederung der Unterrichtsteilnehmer in diese Organisation erfordere, die bei "Kursen" verneint werden könnte. Eine solche Einschränkung sei jedoch dem GrStG nicht zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.
Nach § 4 Ziff. 7 GrStG ist Grundbesitz, der für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzt wird und nicht schon nach einer Vorschrift des § 4 Ziff. 1 bis 6 GrStG befreit ist, dann von der Grundsteuer befreit, wenn durch die Landesregierung anerkannt ist, daß der Benutzungszweck im Rahmen der öffentlichen Aufgabe liegt. Der Anerkennung bedarf es nicht bei Hochschulen und bei solchen Schulen und Erziehungsanstalten, deren Träger der Bund, ein Land, eine Gemeinde, eine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft, einer ihrer Orden, eine ihrer religiösen Genossenschaften, eine jüdische Kultusgemeinde oder einer ihrer Verbände ist. Die Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV) hat die Vorschriften über die Befreiung des Grundbesitzes, der für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts sowie der religiösen Unterweisung benutzt wird, in den §§ 11 bis 15 GrStDV zusammengefaßt (vgl. § 10 GrStDV).
Zum Unterricht rechnen - darin ist der Vorinstanz beizutreten - nicht nur die Fachschulen, die die Ausbildung für einen Beruf vermitteln oder erweitern, sondern auch die allgemeinbildenden Schulen. Hieraus ergibt sich jedoch nichts für die begehrte Steuerbefreiung. Der Senat ist der Auffassung, daß die Entwicklung dazu geführt hat, die Tätigkeit der Hausfrau als einen Beruf anzusehen (ß 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Demgemäß muß auch die Ausbildung in den hausfraulichen Arbeiten (Kochen, Nähen, Kinderpflege usw.) im Sinn des Grundsteuerrechts als Berufsausbildung angesehen werden. Davon gehen offenbar auch die GrStR aus, die in Abschn. 43 Abs. 3 Nr. 6 die Hauswirtschaftsschulen der religiösen Genossenschaften usw. neben den Fachschulen als grundsteuerfrei bezeichnen.
Die Befreiung von Grundbesitz, der für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzt wird, hängt - wie oben schon erwähnt ist - grundsätzlich von einer Anerkennung durch die Landesregierung ab, daß der Benutzungszweck im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt. Bei Gebietskörperschaften, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften usw. wird jedoch unterstellt, daß der Benutzungszweck des von ihnen für die bezeichneten Zwecke benutzten Grundbesitzes im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt. Aus dem Wortlaut der maßgebenden Vorschrift in § 4 Ziff. 7 Satz 2 GrStG könnte allenfalls geschlossen werden, daß sich der Verzicht auf die Anerkennung nur auf Schulen und Erziehungsanstalten bezieht. Eine solche Auslegung wäre jedoch zu eng. Das ergibt sich aus § 11 GrStDV. Nach dieser Vorschrift ist Grundbesitz, der von den in Betracht kommenden Gebietskörperschaften, Religionsgesellschaften usw. für die Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzt wird, beim Vorliegen der Eigentumsvoraussetzungen ohne Einschränkung von der Grundsteuer befreit. Demgemäß kann auch bei diesen Steuerpflichtigen kein Unterschied zwischen ausdrücklich als solche bezeichneten Schulen (z. B. Hauswirtschaftsschulen) einerseits und Einrichtungen zur Abhaltung von bloßen Lehrgängen, Kursen usw. andererseits gemacht werden. Der Verzicht auf die Anerkennung durch die Landesregierung, daß der Benutzungszweck von Grundbesitz im Rahmen der öffentlichen Aufgaben liegt, bezieht sich daher bei Gebietskörperschaften, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften usw. nicht nur auf Schulen und Erziehungsanstalten im engeren Sinne, sondern allgemein auf Unterrichts- und Erziehungseinrichtungen (z. B. auf Einrichtungen zur Abhaltung von Lehrgängen, Kursen usw.). Die Vorinstanz hat daher mit Recht den für die Abhaltung von Kochkursen benutzten Grundstücksteil von der Grundsteuer freigestellt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408380 |
BStBl III 1956, 28 |
BFHE 1956, 73 |
BFHE 62, 73 |