Leitsatz (amtlich)
Veräußert eine Partenreederei ihr einziges Schiff und löst sie sich danach auf (§ 506 Abs. 1 Satz 2 HGB), liegt eine Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs vor. Der Veräußerungsgewinn unterliegt dem ermäßigten Steuersatz auch soweit er auf Mitreeder entfällt, die anderweitig im Reedereiwesen tätig sind.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die drei Kläger und Revisionsbeklagten waren Mitreeder der Partenreederei MS ... Weitere Mitreeder waren eine GmbH und Co. KG und eine GmbH. Außerdem waren die Kläger an der Firma A (im folgenden A-Gesellschaft) beteiligt, die ebenfalls das Reedereigeschäft betrieb. Die Partenreederei veräußerte ihr einziges Schiff am 1. Juni 1967 und löste sich danach auf. Der Buchgewinn aus der Veräußerung des Schiffes betrug 956 767 DM und verteilte sich zu 151 677 DM auf den Kläger zu 1., zu 140 010 DM auf den Kläger zu 2. und zu 97 229 DM auf den Kläger zu 3.
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) lehnte es bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Partenreederei für 1967 ab, den o. a. Gewinn - soweit er auf die GmbH und die Kläger entfiel - als Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG festzustellen, Es begründete seinen Standpunkt damit, daß außer der GmbH und Co. KG alle ehemaligen Partenreeder weiterhin in der Seeschiffahrt tätig seien (die Kläger im Rahmen der A-Gesellschaft), und nach dem Urteil des BFH vom 13. Januar 1966 IV 76/63 (BFHE 84, 461, BStBl III 1966, 168) eine Betriebsfortführung anzunehmen sei.
Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG hat antragsgemäß auch für die Kläger Veräußerungsgewinne gemäß §§ 16, 34 EStG festgestellt, den Gesamtveräußerungsgewinn entsprechend erhöht und dargelegt (EFG 1971, 586): Die Partenreederel habe ihren Betrieb veräußert (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder - was die gleiche Rechtsfolge auslöse (Tarifbegünstigung nach § 34 EStG) - aufgegeben (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Das veräußerte Schiff sei die einzige wesentliche Geschäftsgrundlage der Partenreederei gewesen. Unerheblich sel, daß die Kläger im Rahmen der A-Gesellschaft weiterhin das Reedereigeschäft betrieben hätten. Das BFH-Urteil IV 76/63 stehe dieser Auffassung nicht entgegen; der BFH habe, anders als im vorliegenden Fall, zu beurteilen gehabt, ob die Veräußerung des einzigen Schiffes eines Einzelunternehmers eine Betriebsveräußerung sei.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung der §§ 16, 34 EStG. Es macht geltend: Ausgehend von der Bilanzbündeltheorie, wie sie insbesondere in § 6b EStG zum Ausdruck komme, sei es verfehlt, bei einer Personengesellschaft die Frage der Begünstigung des Veräußerungsgewinns aus einem gesamtbetrieblichen Aspekt zu sehen. Es komme darauf an, wie sich die Veräußerung für den einzelnen Mitunternehmer darstelle. Wenn dieser - wie die Kläger - noch in vielfältiger anderer Weise im Reedereiwesen tätig sei, bedeute die Veräußerung des einen Anteils bei Fortführung der übrigen Reedereibeteiligungen keineswegs die Aufgabe der bisherigen gewerblichen Tätigkeit. Die Aufdeckung der stillen Reserven sei vielmehr laufender Gewinn. Nur auf diese Weise könne eine Gleichbehandlung zwischen Einzelund Mitunternehmern erreicht werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Frage, ob ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG vorliegt, die einzelnen Mitunternehmer (Mitreeder) angeht (BFH-Urteil vom 29. September 1971 I R 161/68, BFHE 103, 177, BStBl II 1972, 118). Klageberechtigt sind die Mitreeder, für die das FA entgegen dem Antrag in der Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung keinen anteiligen Veräußerungsgewinn festgestellt hat, u. a. die drei Kläger (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Sie konnten den Feststellungsbescheid in (einfacher) Streitgenossenschaft angreifen (§ 59 FGO in Verbindung mit §§ 59, 60 ZPO).
Einer Beiladung anderer Personen bedurfte es nicht. Die Partenreederei war bereits vor Erlaß des Feststellungsbescheids aufgelöst, abgewickelt und daher nicht beiladungsfähig. Die beiden anderen Mitreeder sind durch das anhängige Verfahren nicht berührt, gleichviel ob für sie ein Veräußerungsgewinn festgestellt wurde (GmbH und Co. KG) oder die Feststellung eines Veräußerungsgewinns ebenfalls unterblieb (GmbH). Die von den Klägern begehrte Feststellung außerordentlicher Einkünfte unter entsprechender Kürzung ihres Anteils am laufenden Gewinn ist eine selbständige Nebenentscheidung, die zum Gegenstand eines besonderen Anfechtungsverfahrens gemacht werden kann (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973 121). Das ist hier geschehen. Die Gewinnfeststellung selbst ist mit Ablauf der Einspruchsfrist unanfechtbar geworden. Die Klage bleibt auch ohne Einfluß auf die für die GmbH und Co. KG festgestellten außerordentlichen Einkünfte oder auf die für die GmbH unterlassene Feststellung.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG für die Kläger Veräußerungsgewinne gemäß §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG festgestellt.
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielt werden. Der Gewerbebetrieb wird im ganzen veräußert, wenn sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Akt auf dem Erwerber übergehen. Die Annahme des FG, außer dem Schiff seien keine anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden gewesen, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den gesetzlichen Vorschriften über die Partenreederei, die sich stets nur auf ein Schiff erstrecken kann (§ 489 Abs. 1 HGB). Schiff und Zubehör sind "Kernbestandteil" des Reedereivermögens, während als übriges Reedereivermögen vor allem Kassenbestände, Bankguthaben und Forderungen - also die Reederei nicht charakterisierende Wirtschaftsgüter - in Betracht kommen (vgl. Wüstendorfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Aufl., S. 149).
Die Veräußerung des Schiffes am 1. Juni 1967 war sonach eine Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs. Ohne Bedeutung ist, daß die Partenreederei nach der Veräußerung fortbestand und sich die Auseinandersetzung hinsichtlich der Kaufpreisabwicklung und des übrigen Reedereivermögens noch bis in das Jahr 1968 hineinzog. Der Beschluß, daß Schiff zu veräußern, galt als Auflösungsbeschluß (§ 506 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Partenreederei trat damit in das Liquidationsverfahren ein (Prüssmann, Seehandelsrecht 1968, § 506 HGB Anm. D). Nach der entscheidenden Liquidationsmaßnahme, der Schiffsveräußerung, war die Reederei in ihrer ursprünglichen Form endgültig aufgegeben und ihre Auflösung nicht mehr aufzuhalten.
Der Hinweis des FA auf die Bilanzbündeltheorie geht fehl. Gleichviel wie man diese Theorie versteht, kann sie keinesfalls dazu führen, den Gewerbebetrieb der Partenreederei ganz oder teilweise mit dem Gewerbebetrieb der A-Gesellschaft zusammenzufassen. Daran ändert sich nichts, wenn in Fällen des § 6b EStG eine anteilige Übertragung stiller Reserven möglich sein sollte. Auch eine solche Übertragungsmöglichkeit ließe die Eigenständigkeit der beiden Gewerbebetriebe unberührt.
3. Das BFH-Urteil IV 76/63 steht nicht im Widerspruch zu der Auffassung des erkennenden Senats. Dieses Urteil beruht auf der Erwägung, daß § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anwendbar ist, wenn ein Unternehmer sämtliche wesentliche Gegenstände seines nicht ortsgebundenen Betriebs veräußert (z. B. das einzige Schiff seines Schiffahrtunternehmens) und im zeitlichen Zusammenhang einen gleichartigen Betrieb - wenn auch in anderer Rechtsform - neu aufbaut (z. B. Erwerb und Betrieb eines größeren Schiffs in Partenreederei); in diesem Fall werde das bisherige Unternehmen nicht beendet, sondern lediglich auf eine neue Grundlage gestellt.
Es kann zweifelhaft sein, ob - wie das FG annimmt - diese Rechtsprechung den vorliegenden Fall schon deswegen nicht trifft, weil das einzige Schiff einer Personengesellschaft - nicht eines Einzelunternehmers - veräußert worden ist. Der IV. Senat stellt offensichtlich auf die Fortführung eines gleichartigen Betriebs ab, unabhängig von der Rechtsform. Der erkennende Senat kann dahingestellt sein lassen, ob er der Auffassung des IV. Senats folgen könnte. Nach den Feststellungen des FG waren die Kläger bereits vor der Auflösung der Partenreederei an der A-Gesellschaft beteiligt. Sie verwandten den auf sie entfallenden Veräußerungserlös - anders als im Falle IV 76/63 - nicht dazu, ihre Beteiligung an der A-Gesellschaft zu erwerben. Der Veräußerungserlös ist auch nicht zu einer Verstärkung der Beteiligungen an der A-Gesellschaft verwandt worden. Sonach fehlt es an einer Fortführung der von den Klägern aufgelösten Partenreederei in der A-Gesellschaft.
Soweit das FA erstmals nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorträgt, die Kläger seien außer an der A-Gesellschaft "noch in vielfältiger anderer Weise im Reedereiwesen tätig", handelt es sich um neues - zudem verspätetes - tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 70311 |
BStBl II 1973, 219 |
BFHE 1973, 111 |