Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur AfA-Befugnis des Nießbrauchers bei Auswechslung des Grundstücks
Leitsatz (NV)
1. Verzichtet ein Vorbehaltsnießbraucher mit der Maßgabe auf sein Nutzungsrecht, daß der Grundstückseigentümer den Erlös aus dem Verkauf des belasteten Grundstücks -- neben eigenen Mitteln -- zum Erwerb eines anderweitigen Grundstücks verwendet und ihm hieran einen Quotennießbrauch einräumt, so ist der Nießbraucher nicht zur Vornahme -- anteiliger -- AfA auf die Anschaffungskosten des anderweitigen Grundstücks befugt.
2. Allerdings kann es sich bei dem Quotennießbrauch an dem anderweitigen Grundstück um ein (teil-)entgeltlich erworbenes Nutzungsrecht handeln, auf das der Nießbraucher AfA vornehmen kann.
3. Zur Berücksichtigung mündlicher Nebenabreden bei der Nießbrauchsvereinbarung.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 9 21; FGO § 76
Gründe
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (im folgenden: Tochter) ist die Tochter der Kläger und Revisionskläger zu 2 (im folgenden: Eltern).
Die Eltern hatten ihrer Tochter im Jahre 1973 Grundbesitz unter Nießbrauchsvorbehalt übereignet. Die Tochter hatte sich verpflichtet, den übertragenen Grundbesitz für die Dauer des Nießbrauchs der Eltern weder zu belasten noch zu veräußern; im Falle einer Verletzung dieser Verpflichtung waren die Eltern berechtigt, eine unentgeltliche Rückübertragung des Grundbesitzes zu verlangen. Im August 1983 veräußerte die Tochter einen Teil dieses Grundbesitzes. Die Eltern stimmten der Veräußerung mit privatschriftlicher Erklärung vom 30. September 1983 mit der Maßgabe zu, daß der Veräußerungserlös wieder in Immobilienbesitz angelegt werde, der eine Rendite abwerfe und an dessen Erträgen ihnen ein Nießbrauch in Höhe von 25 v. H. eingeräumt werde. Nachdem der Veräußerungserlös in Höhe von 405 500 DM vorübergehend auf einem auf den Namen des Ehemanns der Tochter lautenden Festgeldkonto angelegt worden war, erwarb die Tochter im Dezember 1983 ein Hausgrundstück. Soweit die Anschaffungskosten in Höhe von 721 226 DM den Erlös aus der Veräußerung des von den Eltern übertragenen Grundbesitzes überstiegen, finanzierte -- allein -- die Tochter diese durch die Aufnahme von Darlehen. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 14. Dezember 1983 räumte die Tochter den Eltern an diesem Grundstück einen lebenslänglichen Nießbrauch zu 1/4 ein, der anschließend im Grundbuch eingetragen wurde. In der Bewilligungsurkunde wies die Tochter darauf hin, daß auf diese Weise der ursprünglich an dem von den Eltern übertragenen Grundbesitz vorbehaltene Nießbrauch an dem erworbenen Hausgrundstück fortgesetzt werden solle.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus dem Hausgrundstück für das Jahr 1984 (Streitjahr) ermittelten die Kläger -- ausgehend von den Anschaffungskosten von 721 226 DM -- Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 13 994 DM und rechneten diese zu 3/4 der Tochter und zu je 1/8 den Eltern zu. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte lediglich die auf die Tochter entfallenden AfA; die Eltern hingegen seien nicht befugt, AfA geltend zu machen, da ihnen der Nießbrauch unentgeltlich zugewendet worden sei.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Da den Eltern ein unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch eingeräumt worden sei, stünden ihnen AfA weder auf die Anschaffungskosten des Hausgrundstücks noch auf ein Nutzungsrecht zu.
Mit der Revision rügen die Kläger zunächst eine Verletzung des § 7 EStG. Nach ihrer Ansicht sind die Eltern befugt, AfA auf die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten entsprechend ihrem Nießbrauch in Höhe von 25 v. H. geltend zu machen. Im Streitfall liege eine mittelbare Schenkung dieses Grundstücks im Sinne des Senatsurteils vom 15. Mai 1990 IX R 21/86 (BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67) vor; die Eltern hätten sich nämlich einen Nießbrauch an dem Verkaufserlös für den ursprünglich der Tochter geschenkten Grundbesitz vorbehalten und hierauf erst verzichtet, nachdem die Kläger gemeinsam die Verwendung des Erlöses für die Anschaffung des Hausgrundstücks beschlossen hätten und den Eltern hieran wiederum ein Nießbrauch bestellt worden sei. Darüber hinaus rügen die Kläger eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --); das FG habe der Vereinbarung vom 30. September 1983 die steuerrechtliche Anerkennung versagt, ohne zu untersuchen, inwieweit die schriftliche Rahmenvereinbarung durch mündliche Nebenabreden der Kläger ergänzt worden sei.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, daß für die Eltern AfA in Höhe von jeweils 1 749 DM als zusätzliche Werbungskosten berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Zu Recht hat es das FG allerdings abgelehnt, die von den Eltern beanspruchten anteiligen AfA auf die Anschaffungskosten des Gebäudes als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, da die Eltern insoweit weder Vorbehaltsnießbraucher sind, noch eine diesen in bezug auf die AfA- Berechtigung vergleichbare Rechtsstellung haben.
a) Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, daß er bürgerlich- rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigen tümer ist (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888).
Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung das Recht auf die Inanspruchnahme von AfA auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, sofern und soweit er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übereignete, und der nunmehr aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380).
Einem Vorbehaltsnießbraucher insoweit gleichgestellt hat der Senat einen Schenker, der mit seinen Mitteln den Kauf des von ihm im voraus bestimmten Grundstücks einem zu Beschenkenden ermöglicht, sich dabei ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehält und dieses anschließend zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt (Senatsurteil in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67).
Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs nutzt, ist nach Auffassung des BFH nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888).
b) Nach diesen Grundsätzen stehen den Eltern AfA auf die Anschaffungskosten des Gebäudes nicht zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob steuerrechtlich von dem Fortbestehen eines Vorbehaltsnießbrauchs ausgegangen werden kann, wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück getauscht und diesem an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird. Während sich zivilrechtlich der Nießbrauch an dem neuen Grundstück als Zuwendungsnießbrauch darstellt, setzt sich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorbehaltsnießbrauch an dem neuen Grundstück als Surrogat fort.
Im Streitfall liegt aber nicht lediglich der Tausch eines nießbrauchbelasteten Grundstücks vor. Vielmehr hat die Tochter den übertragenen Grundbesitz zunächst ver äußert. Anschließend hat sie das Hausgrundstück erworben; zur Finanzierung der Anschaffungskosten hat sie neben der Verwendung des ihr zustehenden Verkaufserlöses ein Darlehen aufgenommen. Damit haben auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht (mehr) die Eltern, sondern die Tochter die Anschaffungskosten des von ihr erworbenen Hausgrundstücks getragen.
Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Eltern die Anschaffungskosten mittelbar in der Weise getragen haben, daß sie den Erwerb des Hausgrundstücks durch die Tochter dadurch ermöglichten, daß sie auf ihren Vorbehaltsnießbrauch an dem der Tochter übertragenen Grundbesitz bzw. an dem betreffenden Veräußerungserlös verzichteten. Anders als in dem der Senatsentscheidung in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67 zugrundeliegenden Fall ist das Hausgrundstück nicht mit hierzu von den Eltern der Tochter zielgerichtet geschenkten Geldmitteln, sondern mit eigenen Mitteln der Tochter erworben worden.
2. Hingegen hält die Beurteilung des FG, den Eltern stünden auch keine AfA auf ein entgeltlich erworbenes Nutzungsrecht zu, der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Ein von dem Eigentümer eines Grundstücks dem Berechtigten eingeräumter Nießbrauch ist als entgeltlich anzusehen, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Nutzt der Nießbraucher das Grundstück zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so kann er auf das entgeltlich erworbene Nießbrauchsrecht AfA nach § 7 Abs. 1 EStG vornehmen, die nach der Dauer des Nießbrauchs zu bemessen ist (BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 12/72, BFHE 125, 528, BStBl II 1979, 38). Ist der Nießbrauch auf die Lebenszeit des Berechtigten eingeräumt, so sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs durch AfA auf die voraussichtliche Lebenszeit des Berechtigten zu verteilen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369; Tz. 28 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 15. November 1984, BStBl I 1984, 561). Entsprechendes hat zu gelten, wenn ein Nießbrauch teilentgeltlich eingeräumt worden ist.
b) Hiernach stehen den Eltern AfA auf das ihnen an dem von der Tochter angeschafften Grundstück eingeräumte Nießbrauchsrecht zu, wenn es sich hierbei um einen (teil-)entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch handelte und die Eltern als Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten.
Die hierzu notwendigen Feststellungen hat das FG nicht getroffen. Zu Recht rügen die Kläger, daß die Vorinstanz die der Nießbrauchseinräumung zugrundeliegende Vereinbarung vom 30. September 1983 steuerrechtlich nicht anerkannt habe und deshalb von einer Unentgeltlichkeit des Nießbrauchs ausgegangen sei, ohne zu prüfen, ob und inwieweit die schriftliche Rahmenvereinbarung der Kläger durch die -- von ihnen im finanzgerichtlichen Verfahren behaupteten -- mündlichen Abreden ergänzt und ausgefüllt worden sind (zur Notwendigkeit der Berücksichtigung mündlich getroffener Abreden vgl. Senatsurteil vom 10. August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137). Von Bedeutung dürfte im Streitfall insoweit insbesondere der von den Klägern geltend gemachte, vom FG in seiner Beurteilung jedoch nicht gewürdigte Umstand sein, daß die Eltern auf ihr Nießbrauchsrecht an dem ursprünglich der Tochter übertragenen Grundbesitz nur gegen Einräumung eines Nießbrauchs in Höhe von 25 v. H. an den Erträgen des Veräußerungserlöses verzichtet und damit auch für den Zeitraum bis zur Wiederanlage des Veräußerungserlöses ihre Interessen gesichert haben.
3. Die somit auf einem Verfahrensfehler beruhende Vorentscheidung ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zurückzuverweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst unter Berücksichtigung sämtlicher von den Klägern getroffenen Vereinbarungen zu prüfen haben, ob der Nießbrauch an dem Hausgrundstück den Eltern von der Tochter (teil-)entgeltlich zugewendet worden ist. Maßgebend für diese Beurteilung ist das Verhältnis des Werts der ursprünglichen Rechtsposition der Eltern an dem übertragenen Grundbesitz (Vorbehaltsnießbrauch, Veräußerungs- und Belastungsverbot sowie Rückübertragungsanspruch bei Verletzung dieser Verbote) zum Wert ihres Quotennießbrauchs an dem von der Tochter erworbenen Hausgrundstück.
Falls das FG aufgrund dieser Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, daß ein (teil-)entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch vorliegt, wird es zu prüfen haben, ob der Nießbrauch tatsächlich durchgeführt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. September 1985 IX R 62/83, BFHE 144, 446, BStBl II 1986, 12 m. w. N.) und die Eltern ihr Nießbrauchsrecht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt haben, sie insbesondere auch nach außen als Vermieter aufgetreten sind und die Mieterträge vereinnahmt haben (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 IX R 112/88, BFHE 171, 530, Der Betrieb 1993, 1906).
Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, daß im Falle eines (teil-)entgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs das Entgelt für die Einräumung des Nießbrauchs ggf. bei der Tochter als Einnahme bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332).
Fundstellen
Haufe-Index 65423 |
BFH/NV 1995, 771 |