Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) bei überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen.
Pachtet eine GmbH ihre Betriebsgrundstücke von einer Grundstücksgemeinschaft, die aus den Gesellschaftern der GmbH und dem Geschäftsführer der GmbH besteht, so kann bei enger Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen der Grundstücksgemeinschaft mit denen der GmbH die überlassung der Grundstücke an die GmbH als gewerbliche Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft zu beurteilen sein.
Normenkette
EStG §§ 15, 21/1; StAnpG § 1 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine Grundstücksgemeinschaft, hat im Frühjahr 1955 ein etwa 26.000 qm großes Grundstück in A erworben. An der Grundstücksgemeinschaft waren X zur Hälfte, Y und seine Ehefrau zu je ein Viertel beteiligt. Y ist im Jahre 1960 gestorben und von seiner Ehefrau beerbt worden. X und Frau Y besitzen auch je zur Hälfte die Anteile einer GmbH (GmbH). Diese Firma hatte ihren Betrieb bis 1949 ausschließlich in B. Dort besaß sie Betriebsgrundstücke von etwa 8,7 ha. Im Jahre 1950 begann sie auch die Produktion in A auf einem gepachteten Gelände. Diese Grundstücke erwarb im Jahre 1955 die Stpfl. und verpachtete sie an die GmbH für zunächst 50 Jahre. Die Höhe des Pachtzinses änderte sich mehrfach. Er sollte nach dem Pachtvertrag jeweils an die Wertveränderungen auf dem Grundstücksmarkt angepaßt werden und zwischen 6 und 8 v. H. betragen. Im Streitjahr 1959 zahlte die GmbH an Pachtzins insgesamt ... DM je zur Hälfte an X und die Eheleute Y. Davon entfielen auf das Jahr 1959 = ... DM und der Rest auf Nachzahlungen für die Jahre 1957 und 1958. Ab 1960 hätte sich bei einer Verzinsung von 6 v. H. und einem geschätzten Grundstückswert von ... DM ein Pachtzins von jährlich ... DM ergeben; die Stpfl. begnügte sich aber mit einem geringeren Pachtzins von etwa 4,5 v. H. des geschätzten Grundstückswerts. Die Pachtzinsen setzte die GmbH jeweils voll als Betriebsausgaben ab. Im Jahre 1959 riß die GmbH die auf dem Pachtgrundstück vorhandenen zwei Baracken (Sammelgaragen und Lagergebäude) ab. Als Entschädigung erhielt die Stpfl. von der GmbH ... DM für die Sammelgarage und ... DM für das Lagergebäude. Im Laufe der Jahre 1955 bis 1960 bebaute die GmbH nach und nach die gepachteten Grundstücke auf ihre Kosten. Am Ende des Streitjahres 1959 war die nördliche Hälfte des Grundstücks fast völlig bebaut, auf der südlichen Hälfte war ein Verwaltungsgebäude teilweise fertiggestellt und eine Fabrikationshalle im Bau begonnen. Nachdem das Werk in B Mitte 1958 verkauft worden war, verlegte die GmbH die gesamte Produktion nach A.
Das Finanzamt (FA) hat zunächst in einem einheitlichen Feststellungsbescheid für 1959 die Einkünfte der Stpfl. als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Auf Grund einer Betriebsprüfung bei der GmbH im Frühjahr 1962, die insbesondere das Verhältnis zwischen der Stpfl. und der GmbH ermittelte, erging auf Grund von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) der im vorliegenden Rechtsstreit umstrittene Gewinnfeststellungsbescheid. Dabei wurden die genannten Einkünfte als gewerbliche Einkünfte behandelt. Außerdem erfaßte das FA die für die zwei abgerissenen Baracken gezahlte Entschädigung als gewerblichen Veräußerungserlös und stellte in dem angefochtenen Feststellungsbescheid einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von ... DM fest. Dieser Gewinn wurde zur Hälfte X und zu je einem Viertel Y und seiner Ehefrau zugerechnet.
Die Sprungberufung der Stpfl. gegen diese einheitliche Gewinnfeststellung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte sie unter dem Gesichtspunkt der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Grundsätze über Betriebsaufspaltungen, bejahte ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG), lehnte aber ihre Anwendung im Streitfall ab, weil die Besitz- und die Betriebsgesellschaft nicht personengleich seien. Die mangelnde Identität der Gesellschafter der GmbH und der an der Grundstücksgemeinschaft beteiligten Personen werde auch nicht dadurch ausgeglichen, daß Y Geschäftsführer der GmbH und seine Ehefrau zu 50 v. H. an der GmbH beteiligt sei. Auch bei weiter Auslegung des Begriffs Betriebsaufspaltung liege hier zumindest ein Grenzfall vor, der unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung zugunsten der Stpfl. zu entscheiden sei. Selbst wenn man unterstelle, daß die Stpfl. das Grundstück von vornherein ausschließlich für Zwecke der GmbH erworben habe, könne dies nicht dazu führen, das Grundstück schon vom Erwerb an als wesentliche Grundlage des Gewerbebetriebs der GmbH anzusehen.
Das FA rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des geltenden Rechts und Verstöße wider den klaren Inhalt der Akten. Hinsichtlich der Identität der Gesellschaft widerspreche es der Lebenserfahrung, die Geschäftsführertätigkeit des Y bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verflechtung nicht zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Verflechtung der GmbH mit der Stpfl. sei auch durch die eheliche Lebensgemeinschaft der Eheleute Y gefördert worden. Der verpachtete Grund und Boden sei eine wesentliche Grundlage des Betriebes der GmbH. Daß der Kaufpreis, den die Stpfl. zu zahlen hatte, teilweise zinslos mit Mitteln der GmbH finanziert worden sei und daß der Pachtzins im Lauf der Jahre und der Anpassung an die Wertänderungen auf dem Grundstücksmarkt erheblich erhöht worden sei, bestätige die enge wirtschaftliche Verflechtung. Die Anteile der GmbH seien auch Teil des notwendigen Betriebsvermögens der Stpfl. Die bisher als Kapitaleinkünfte erfaßten Gewinnausschüttungen der GmbH seien laufender gewerblicher Gewinn der Stpfl. Laufender Gewinn sei auch der aus dem Verkauf der Baracken erzielte Gewinn, der zu Unrecht bei der einheitlichen Gewinnfeststellung als Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG behandelt worden sei.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage der Stpfl. als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das FG betrachtet die streitigen Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 EStG. Der Senat tritt dieser Beurteilung nicht bei. Daß der Vertrag, durch den die Stpfl. ihre Grundstücke der GmbH überlassen hat, als Pachtvertrag bezeichnet wurde, ist ohne Bedeutung für die steuerliche Behandlung der Einnahmen der Stpfl. aus diesem Vertrag. § 21 EStG enthält eine eigene Abgrenzung der Einnahmen, die dieser Einkunftsart zuzurechnen sind (Urteil des Senats VI 251/62 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 665, BStBl III 1963, 564; Lenski in Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, Bemerkung 1 zu § 21). So fallen die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von beweglichen Gegenständen nicht darunter, andererseits gehört der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus dazu. Für die steuerliche Behandlung der Einnahmen aus der Grundstücksüberlassung kommt es also darauf an, ob diese Einnahmen in die in § 21 EStG aufgezählten Gruppen von Einnahmen einzuordnen sind, oder ob sie - wie das FA annimmt - gewerbliche Einnahmen im Sinne von § 15 EStG sind.
Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß eine gewerbliche Betätigung der Stpfl. unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Betriebsaufspaltung nicht vorliegt. Eine solche wird angenommen, wenn ein bisher als Personengesellschaft betriebenes einheitliches Unternehmen in eine Grundstücks- und Besitzgesellschaft sowie in eine Betriebsgesellschaft aufgeteilt wird und dieselben Personen an beiden Gesellschaften im gleichen Verhältnis beteiligt sind (siehe z. B. Urteil des BFH IV 179/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 81, 40, BStBl III 1965, 261). Da die Stpfl. und die GmbH hier nicht aus einem einheitlichen Unternehmen hervorgegangen sind, liegt keine derartige Betriebsaufspaltung vor.
Wenn am Wirtschaftsverkehr teilnehmende Gesellschaften, Vereinigungen oder Gemeinschaften nicht aus einem bis dahin einheitlichen Unternehmen hervorgegangen sind, treffen die für Betriebsaufspaltungen maßgebenden Erwägungen nicht zu. In diesen Fällen spielt insbesondere die Behandlung von stillen Reserven bei der Besitzgesellschaft keine Rolle. Man kann hier überhaupt nicht von einer "Aufspaltung" sprechen. Es ist darum irreführend, Fälle dieser Art als "unechte Betriebsaufspaltungen" zu bezeichnen. überläßt eine Gesellschaft einer anderen für deren Betrieb wesentliche Betriebsgrundlagen, so kann nach der rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung dadurch eine so enge Verflechtung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen herbeigeführt werden, daß steuerlich eine gewerbliche Betätigung der Besitzgesellschaft anzunehmen ist (Urteil des BFH I 57/61 S vom 16. Januar 1962, BFH 74, 275, BStBl III 1962, 104). Es bestehen dann zwei Gewerbebetriebe nebeneinander, deren Gewinne selbständig zu ermitteln sind.
Das FG hat zwar zutreffend verneint, daß die GmbH und die Grundstücksgemeinschaft zusammen einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden. Zu Unrecht hat es aber eine eigene gewerbliche Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft abgelehnt. Daß die Grundstücksgemeinschaft nach bürgerlichem Recht das Fabrikgebäude an die GmbH verpachtet hat, bedeutet nicht, daß steuerlich die Gegenleistung der GmbH bei ihr ohne weiteres Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 EStG sind. Die Vermietung von Räumen ist zwar nur ausnahmsweise eine gewerbliche Tätigkeit, wie z. B. in den Urteilen I 53/60 S vom 17. Januar 1961 (BFH 72, 637, BStBl III 1961, 233) und IV 141/60 U vom 18. März 1964 (BFH 79, 373, BStBl III 1964, 367) dargelegt ist. Die Vermietung von Räumen ist aber wirtschaftlich anders zu beurteilen als die Verpachtung von Grundstücken, bei denen nach Lage und Beschaffenheit nur eine Verwendung für industrielle Zwecke in Betracht kommt. Durch den Vertrag zwischen der GmbH und der Stpfl. über die Verwendung der Grundstücke und vor allem nach ihrer tatsächlichen Benutzung ist eine so enge Verbindung zwischen dem Fabrikationsbetrieb der GmbH und den ihr überlassenen Grundstücken herbeigeführt worden, daß eine Lösung dieser Verbindung im Streitjahr nicht mehr möglich gewesen wäre. Das wird vor allem auch dadurch offenbar, daß kurze Zeit danach, nämlich im Jahre 1961, die Grundstücke an die GmbH veräußert wurden. Von Bedeutung ist auch, daß die Stpfl. den Kaufpreis für die Grundstücke teilweise mit zinslos von der GmbH zur Verfügung gestellten Mitteln aufgebracht hatte. Daß eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der GmbH und der Stpfl. von vornherein beabsichtigt war, zeigt schon die ungewöhnlich lange Vertragsdauer von zunächst 50 Jahren. Der GmbH wurde auch von Anfang an die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Gelände eingeräumt. Sie durfte die Baracken abreißen und das ganze Gebiet für ihre Zwecke bebauen. Die von der GmbH errichteten Gebäude waren im Streitjahr entweder schon errichtet oder im Bau soweit fortgeschritten, daß eine Verwendung der Grundstücke für andere Zwecke als die der GmbH nicht mehr möglich gewesen wäre. Nach dem Verkauf des Geländes in B im Jahre 1958 und der Verlegung der Produktion der GmbH nach A betrieb die GmbH ihre industrielle Fertigung ausschließlich auf den der Stpfl. gehörenden Grundstücken in Gebäuden, die sie zwar auf ihre Kosten errichtet hatte, die aber nach § 94 BGB im Eigentum der Stpfl. standen. Schließlich zeigen auch die Vereinbarungen über den Pachtzins, insbesondere die wiederholten änderungen und die Zahlung von unter dem eigentlich vereinbarten Pachtzins liegenden Beträgen, daß die an der GmbH und der Stpfl. beteiligten Personen keine Verpachtung der Grundstücke im üblichen Sinne wollen. So weitgehende änderungsmöglichkeiten wären zwischen fremden Unternehmen im Wirtschaftsleben undenkbar. Ebensowenig hätte ein fremder Pächter auf gepachtetem Grund so umfangreiche und kostspielige Bauten errichtet, die bürgerlich-rechtlich in das Eigentum des Verpächters übergingen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ist daher anzunehmen, daß zwischen dem Betrieb der GmbH und der Grundstücksnutzung von Anfang an eine enge Verflechtung beabsichtigt war und allmählich auch herbeigeführt wurde, so daß die Grundstücke in die wirtschaftliche Betätigung der GmbH völlig einbezogen wurden.
Es muß bei dieser Sachlage angenommen werden, daß alle Betätigungen des X und der Eheleute Y im Zusammenhang mit dem Grundbesitz das Ziel hatten, einer gewerblichen Gesamtbetätigung der Beteiligten zu dienen. Zur Vorbereitung der Produktion in A und im Zuge der späteren Verlegung der Fertigung nach A hatten die an der Stpfl. Beteiligten die Grundstücke in A erworben. Diese Grundstücke, bei deren Kauf die Vorverhandlungen mit dem Verkäufer übrigens die GmbH führte, kauften die Gesellschafter der GmbH mit einer Minderheitsbeteiligung des gleichfalls für die GmbH tätigen Y. Der Verkäufer des Geländes schloß den Kaufvertrag nur deshalb mit der Stpfl., weil er ihre Gesellschafter als identisch mit der GmbH ansah. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sind der Grundstückserwerb und die spätere Entwicklung bis zur Eigentumsübertragung der Grundstücke auf die GmbH im Jahre 1961 dahin zu würdigen, daß für die an der GmbH beteiligten und verwandtschaftlich verbundenen Personen der Erwerb und die Nutzung der Grundstücke als eine gewerbliche Betätigung neben dem Betrieb der GmbH war. Beide Betätigungen standen zwar bürgerlich- rechtlich selbständig nebeneinander. Wirtschaftlich dienten sie aber gemeinsam der von der GmbH betriebenen Produktion. Bei dieser Sachlage widerspräche es dem von den Beteiligten verfolgten wirtschaftlichen Zweck, wenn die Nutzung der für den Betrieb der GmbH unentbehrlichen Grundstücke bei der Stpfl. als Vermietung und Verpachtung im Sinn vom § 21 EStG behandelt würde. Die Nutzungsüberlassung an die GmbH ist vielmehr als eigene gewerbliche Betätigung der Stpfl. zu betrachten.
Die Vorentscheidung, die den Sachverhalt anders gewürdigt hat, war daher aufzuheben und die Sprungberufung der Stpfl., die nach dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung als Klage zu behandeln ist, als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412496 |
BStBl III 1967, 387 |
BFHE 1967, 319 |
BFHE 88, 319 |