Entscheidungsstichwort (Thema)
Option nach § 19 Abs. 4 UStG i. d. Fassung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung 1977 - EGAO -
Leitsatz (NV)
Die Option nach § 19 Abs. 4 UStG i. d. F. ab 1977 kann nicht mehr wirksam erklärt werden, wenn die erstmalige Steuerfestsetzung nicht mehr mit außergerichtlichen Rechtsbehelfen oder mit Rechtsbehelfen des Steuerprozesses angefochten werden kann.
Die rechtliche Zulässigkeit einer Änderung des Steuerbescheides hat auf die Optionsfrist keinen Einfluß.
Normenkette
UStG i. d. Fassung des EGAO 1977 § 19 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger wurde in den Streitjahren entsprechend seinen Steuererklärungen als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung vom 16. November 1973 (BGBl I 1973, 1682, BStBl I 1973, 694) - UStG - zur Umsatzsteuer veranlagt. Die Steuerbescheide für 1976 und für 1977 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Steuer betrug jeweils null DM. Der Kläger hat die Bescheide nicht angefochten.
Anläßlich einer Außenprüfung im zweiten Halbjahr 1980 stellte der Prüfer fest, daß der Kläger anstelle des Umsatzes seinen Rohgewinn als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer angemeldet hatte. 1981 änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für 1976 und 1977 und setzte die Steuer gemäß § 19 Abs. 1 UStG fest. Die Erklärung des Klägers vom 15. Oktober 1980, er optiere bezüglich des Jahres 1976 für die Regelbesteuerung gemäß § 19 Abs. 4 UStG, berücksichtigte das FA nicht. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger weiterhin die Berücksichtigung seiner Option für die Streitjahre und beantragte daher die Herabsetzung der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; es vertrat die Auffassung, eine Option sei nach § 19 Abs. 4 UStG - in der für beide Streitjahre geltenden Fassung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) - nicht mehr zulässig, wenn eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung unanfechtbar geworden sei.
Mit seiner Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung von § 19 Abs. 4 UStG und § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Aus § 164 Abs. 2 AO 1977 ergebe sich keine Beschränkung des Antragsrechts nach § 19 Abs. 4 UStG; die allgemeine Vorschrift der AO 1977 gehe § 19 Abs. 4 UStG vor.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Gemäß § 19 Abs. 4 UStG in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung bestand die Möglichkeit zur Option für die Regelbesteuerung bis zum zehnten Tag nach Ablauf des ersten Voranmeldungszeitraums des Kalenderjahres. Durch Art. 17 Nr. 8 EGAO 1977 vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694) erhielt § 19 Abs. 4 UStG eine neue Fassung. Danach kann die Option für die Regelbesteuerung ,,bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 1 und 4)" erklärt werden. Die Fassungsänderung ist gemäß Art. 102 Abs. 1 EGAO 1977 am 1. Januar 1977 in Kraft getreten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die geänderte Fassung Kleinunternehmern die Optionsmöglichkeit für jegliches Kalenderjahr eröffnete, dessen Steuerfestsetzung noch nicht unanfechtbar im Sinne der Neufassung des § 19 Abs. 4 UStG war. Denn selbst wenn die Neufassung auch für 1976 gälte, wäre die Optionserklärung des Klägers auch für 1976 verspätet gewesen.
Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 UStG n. F. ist die Option nur bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung möglich. Unanfechtbar ist eine Steuerfestsetzung, wenn sie nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§§ 347 f. AO 1977) oder mit Rechtsbehelfen des Steuerprozesses (§§ 40 f., 115 f. der Finanzgerichtsordnung - FGO -) angefochten werden kann. Unanfechtbarkeit bedeutet daher nicht, daß die Steuerfestsetzung nicht mehr geändert werden darf. Unerheblich ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Änderung eines formell bestandskräftigen Bescheides beruht. Der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 19. Dezember 1985 (V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420) entschieden, daß unter Unanfechtbarkeit im Sinne des § 19 Abs. 4 UStG n. F. die Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung zu verstehen ist. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Der Umstand, daß die Umsatzsteuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen worden sind, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar entfalten solche Bescheide, weil gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 die Steuerfestsetzung jederzeit aufgehoben oder geändert werden kann, ungeachtet ihrer Verbindlichkeit keine materielle Bestandskraftwirkung. § 19 Abs. 4 UStG, der allein bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der steuerpflichtige Kleinunternehmer für die Regelbesteuerung optieren kann, stellt jedoch nicht auf die materielle Bestandskraft ab, sondern auf die formelle Unanfechtbarkeit, die nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintritt. Die rechtliche Zulässigkeit der Änderung eines unanfechtbaren Steuerbescheides hat deshalb auf die Optionsfrist keinen Einfluß (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. September 1982 II R 48/81, BFHE 137, 86, BStBl II 1983, 164).
Fundstellen
Haufe-Index 415638 |
BFH/NV 1988, 601 |