Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Erfassung von Ausgleichszahlungen nach dem Personenbeförderungsgesetz
Leitsatz (NV)
Der Umstand, daß es für die Auszahlung des Ausgleichsbetrags eines Antrags bedarf, der nach Ablauf des Jahres zu stellen ist, in dem die Beförderungsleistung erbracht wurde, kann die Aktivierung nicht hindern.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 34 Abs. 1-2; PBefG § 45a Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt u.a. die Personenbeförderung im Linien- und Gelegenheitsverkehr. Als Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs erhält die Klägerin wegen der nicht kostendeckenden Beförderungsentgelte im Ausbildungsverkehr und bei der Beförderung Behinderter vom Bund und dem Land Niedersachsen Ausgleichszahlungen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und Schwerbehindertengesetz. Diese Ausgleichszahlungen werden auf Antrag gewährt, der bis zum 31. Mai des Folgejahres zu stellen ist (Ausschlußfrist). Für den Schülerverkehr bestimmt § 45a Abs. 2 Satz 1 PBefG einen staatlichen Ausgleich der Unterdeckung in diesem Bereich von 50 v.H. Die Unterdeckung wird nach einem in der Personenbeförderungsausgleichsverordnung vom 2. August 1977 (BGBl I 1977, 146) vorgegebenen Verfahren errechnet.
Für das jeweils laufende Ausgleichsjahr werden zum 15. Juli und 15. November Vorauszahlungen geleistet, die insgesamt 80 v.H. des Ausgleichsbetrags für das vorangegangene Jahr betragen. Im Streitjahr 1977 hatte die Klägerin bis zum 31. Dezember 1977 einen Betrag von 74 568 DM an Vorauszahlungen erhalten, den sie in der Bilanz 1977 passivierte.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) diesen Betrag zusammen mit dem 1978 ausgezahlten Restbetrag von 24 175 DM dem Betriebsergebnis des Jahres 1977 hinzu. Entsprechend verfuhr das FA in den Streitjahren 1978 bis 1980.
Nach erfolglosen Einsprüchen gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1980 erhob die Klägerin Klage. Sie ist der Ansicht, daß die Ausgleichszahlungen als Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem ermäßigten Steuersatz (§ 34 Abs. 1 und 2 EStG) zu versteuern seien. Solange die Ausgleichszahlungen noch nicht antragsgemäß bewilligt worden seien, sei gemäß dem Realisationsprinzip noch kein Wirtschaftsgut entstanden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 24 Nr. 1 a und 34 Abs. 2 EStG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG aufzuheben und unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1980 die Einkünfte für . . .festzustellen und dafür für . . . den begünstigten Steuersatz anzuwenden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat die streitigen Beträge zu Recht in den Jahren gewinnerhöhend berücksichtigt, denen sie wirtschaftlich zuzuordnen waren.
a) Das gilt zunächst einmal hinsichtlich der in den Streitjahren zugeflossenen Abschlagszahlungen. Es sind Betriebseinnahmen, sie haben das Betriebsvermögen vermehrt. Ein Anlaß zur Bildung eines Passivpostens ist nicht ersichtlich. In keinem Fall hat die Klägerin die Anzahlungen später zurückgezahlt. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß eine Verpflichtung zur Rückzahlung bestand oder daß aus sonstigen - auch tatsächlichen - Gründen am Bilanzstichtag mit einer Rückzahlung zu rechnen war. Es besteht auch kein Grund, die Abschlagszahlungen wie Anzahlungen zu passivieren (vgl. § 5 EStG i.V.m. § 151 Abs. 1 des Aktiengesetzes - AktG - a. F. - § 266 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches (HGB) -; zu den Voraussetzungen vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. November 1986 VIII R 322/83, BFHE 148, 513, 519, BStBl II 1987, 333), weil es sich nicht um Vorleistungen handelte. Das FG hat festgestellt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), daß zu den Bilanzstichtagen die Beförderungsleistungen, die dem Grunde und der Höhe nach Voraussetzung für die Ausgleichsansprüche der Klägerin waren, jeweils in vollem Umfang erbracht waren.
b) Das gilt aber auch für die Forderungen auf die restlichen Ausgleichsbeträge. Es widerspricht nicht dem Realisationsprinzip, sie gewinnerhöhend in den Streitjahren zu erfassen, in denen die sie auslösenden Beförderungsleistungen erbracht wurden.
Eine Forderung muß nicht fällig sein, um aktiviert werden zu können (BFH-Urteil vom 15. April 1970 I R 107/68, BFHE 99, 31, BStBl II 1970, 517 betreffend Bühnenvermittler). Auch der Umstand, daß es für die Auszahlung des restlichen Ausgleichsbetrags eines Antrags bedurfte, der nach Ablauf des Jahres gestellt wurde, in dem die Beförderungsleistungen erbracht worden waren, kann die Aktivierung nicht hindern. Der BFH hat Honorarforderungen für aktivierungspflichtig gehalten, bevor der Steuerpflichtige darüber Rechnungen erstellt hatte (Urteil vom 28. Januar 1960 IV 226/58 S, BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291 zu II.). Die von der Klägerin zu stellenden Anträge sind insoweit den Rechnungen vergleichbar. Der BFH hat entscheidend darauf abgestellt, ob der Steuerpflichtige alles zur Erbringung seiner Leistungen Erforderliche getan hat. Das ist hier der Fall. Alle wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für die Ausgleichsansprüche sind mit dem Erbringen der jeweiligen Beförderungsleistungen gesetzt worden. Damit hatte die Klägerin zu den Bilanzstichtagen wirtschaftlich ausnutzbare Vermögensvorteile erlangt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1984 I R 266/81, BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723), unabhängig davon, ob der Antrag und die förmliche Bewilligung durch die Behörden noch ausstand. Beides sind Voraussetzungen, die die Ausgleichsansprüche weder dem Grunde noch dem Wert nach beeinträchtigten. Nach dem Erkenntnisstand der Klägerin bei Aufstellung der Bilanzen waren die zu erwartenden Anträge entweder bereits gestellt oder die Antragstellung stand unmittelbar bevor; zu den Jahresenden war es jedenfalls nicht zweifelhaft, daß die Anträge gestellt würden (insoweit Unterschied zum BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 35/78, BFHE 126, 549, BStBl II 1979, 262). Es ist auch nicht festgestellt, daß der Geltendmachung der streitigen Beträge seitens der bewilligenden Behörden irgendwelche Hindernisse entgegengestanden hätten.
2. Das FG hat es auch zu Recht abgelehnt, die Ausgleichszahlungen gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG als außerordentliche Einkünfte dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Darüber war in diesem Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (BFH-Urteil vom 11. Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144,151, BStBl II 1985, 577 zu 2. b).
Der Senat läßt mit dem FG dahingestellt, ob es sich bei den Ausgleichszahlungen überhaupt um Entschädigungen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 a EStG handelt. Auch wenn dies zu bejahren wäre (vgl. aber BFH-Urteil vom 3. Juli 1986 IV R 109/84, BFHE 147, 157, BStBl III 1986, 806), so hätte dies nicht ohne weiteres die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zur Folge. Dies setzt nämlich darüber hinaus voraus, daß eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt, die sich bei anderem Geschäftsablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten (Urteil in BFHE 147, 157, BStBl II 1986, 806, m.w.N. der Rechtsprechung). Das ist bei den hier streitigen Ausgleichszahlungen offensichtlich nicht der Fall. Der Anspruch darauf ensteht jährlich und wird jährlich abgerechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 417095 |
BFH/NV 1990, 567 |