Leitsatz (amtlich)
Betreibt eine KG ein Bankgeschäft und unterhalten die Kommanditisten bei der KG privat Giro-, Festgeld- und Sparguthaben, so sind grundsätzlich auch die den Kommanditisten vergüteten Habenzinsen für diese Guthaben gemäß § 15 (Abs. 1) Nr. 2 Halbsatz 2 EStG als gewerbliche Einkünfte der Kommanditisten zu erfassen.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, betreibt eine Bank, Gesellschafter waren im Streitjahr 1959 neben mehreren Komplementären die Beigeladenen zu 1. bis 3. als Kommanditisten.
Sowohl die Komplementäre der Klägerin als auch die Beigeladenen zu 1. bis 3. unterhielten bei der Klägerin privat Giro-, Festgeld- und Sparguthaben in unterschiedlicher und im Laufe des Jahres wechselnder Höhe. Die Klägerin vergütete hierfür im Streitjahr Habenzinsen in Höhe von insgesamt 150 000 DM. Davon entfielen
a) auf den Beigeladenen zu 1. 50 000 DM
b) auf den Beigeladenen zu 2. 7 000 DM
c) auf den Beigeladenen zu 3. 5 000 DM
62 000 DM
Bei der Ermittlung ihres Gewinns für das Streitjahr behandelte die Klägerin sowohl die den Komplementären als auch die den Beigeladenen zu 1. bis 3. vergüteten Habenzinsen als betrieblichen Aufwand. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Gewinnfeststellung 1959 die Auffassung, daß die den Gesellschaftern vergüteten Zinsen den Gewinn der Klägerin nicht mindern könnten, weil einkommensteuerrechtlich Schuldverhältnisse zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern grundsätzlich nicht anzuerkennen seien.
Der Einspruch war erfolglos. Das FA hielt daran fest, daß die Zinsen Vergütungen für die Hingabe von Darlehen i. S. von § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien.
Mit der Klage wandte sich die Klägerin nur noch dagegen, daß das FA die den Beigeladenen zu 1. bis 3., also den Kommanditisten der Klägerin vergüteten Habenzinsen gemäß § 15 Nr. 2 EStG dem Gewinn der Klägerin hinzugerechnet hat. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 79 (EFG 1979, 79) veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben, den Gewinn 1959 um 62 000 DM niedriger festzustellen und dem Beigeladenen zu 1. einen um 50 000 DM, dem Beigeladenen zu 2. einen um 7 000 DM und dem Beigeladenen zu 3. einen um 5 000 DM niedrigeren Gewinnanteil zuzurechnen. Die Klägerin rügt eine unrichtige Auslegung des § 15 Nr. 2 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die von der Klägerin den Beigeladenen zu 1. bis 3. vergüteten Habenzinsen sind gemäß § 15 Nr. 2 EStG als gewerbliche Einkünfte im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung für die Klägerin zu erfassen.
Gemäß § 15 Nr. 2 EStG (in der für das Streitjahr 1959 gültigen Fassung) gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb u. a. "die Gewinnanteile der Gesellschafter ... einer Kommanditgesellschaft ..." und "die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft ... für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat".
1. Nach dem Gesetzeswortlaut kann nicht zweifelhaft sein, daß die den Beigeladenen zu 1. bis 3. vergüteten Habenzinsen durch die Vorschrift des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfaßt werden.
Das FG hat insoweit ausgeführt, Einlagen auf Festgeldkonten und auf Sparkonten seien zivilrechtlich Darlehen. Auf Giroeinlagen seien zivilrechtlich gemäß § 700 Abs. 1 BGB (sog. uneigentliche Verwahrung) die Vorschriften des BGB über Darlehen anzuwenden. Der Begriff des Darlehens i. S. von § 15 Nr. 2 EStG umfasse in gleicher Weise Darlehen i. S. von § 607 BGB als auch Rechtsverhältnisse, auf die die zivilrechtlichen Bestimmungen über das Darlehen über § 700 BGB anzuwenden seien. Selbst wenn jedoch, soweit die Giroguthaben in Frage stehen, die Zinsen keine Vergütungen "für die Hingabe von Darlehen" wären, so wären sie doch Vergütungen "für die Überlassung von Wirtschaftsgütern" zur Nutzung.
Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Auch die Revision stellt nicht in Frage, daß eine (ausschließlich) auf den Wortlaut des Gesetzes gestützte Rechtsanwendung zu dem vom FG vertretenen Ergebnis führen muß.
2. Die Entstehungsgeschichte, die Systematik und der Zweck des Gesetzes, soweit diese hinreichend konkretisierbar sind, bieten keine rechtliche Handhabe, den durch den Wortlaut des Gesetzestextes fixierten Anwendungsbereich des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG - wie die Revision offenbar will - dahin einzuschränken, daß eine Zurechnung generell unterbleibt, wenn ein Kommanditist einer KG, die ein Bankgeschäft betreibt, bei dieser privat Giro-, Festgeld- und Sparguthaben unterhält und dafür Habenzinsen erhält.
a) Der Zweck des Gesetzes, Einzelunternehmer und Mitunternehmer "nach Möglichkeit" gleichzustellen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177), kann die von der Revision erstrebte Beschränkung des Regelungsbereichs des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nicht rechtfertigen; denn auch ein Einzelbankier, der mit eigenen Geldmitteln arbeitet, kann seinen gewerblichen Gewinn nicht um (fiktive) Habenzinsen für in seinem Bankbetrieb eingesetzte Geldmittel oder auch nur den Teil dieser Geldmittel, der nach bankenrechtlichen Kreditgrundsätzen nicht als haftendes Eigenkapital angesehen wird, mindern. Demgemäß kann der durch ein Rechenbeispiel belegte Einwand der Revision, die Anwendung des § 15 Nr. 2 EStG auf die für Guthaben der Kommanditisten vergüteten Habenzinsen mache die Hereinnahme von Kommanditistengeldern wirtschaftlich unsinnig, nicht überzeugen. Die Berechnungen der Revision - hier ungeprüft als richtig unterstellt - müßten in gleicher Weise Geltung beanspruchen für einen Einzelbankier, der mit eigenem Geld arbeitet. Im übrigen dürfte der wirtschaftliche Nutzen, den ein Kommanditist hat, der "seiner" Bank Geldmittel zur Verfügung stellt, - ebenso wie der wirtschaftliche Nutzen eines Einzelbankiers, der mit eigenen Mitteln arbeitet - sich nicht in den effektiv vergüteten Habenzinsen - bzw. beim Einzelbankier in fiktiven Habenzinsen - erschöpfen, sondern primär in dem Gewinn zu sehen sein, den der Bankbetrieb durch die Möglichkeit zu erhöhten Ausleihungen erzielt (auch wenn dieser "Nutzen" nicht nach der Höhe der Einlagen, sondern nach dem Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern zugute kommt).
b) Die Entstehungsgeschichte der Norm weist aus (siehe dazu bereits BFH-Urteil vom 28. Oktober 1964 IV 155/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 159/160 Spalte 2), daß die weite Wortfassung des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG primär den Sinn hat, die einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Vergütungen für Leistungen des Gesellschafters zugunsten der Geselischaft vom mehr oder weniger willkürlich wählbaren Schuldgrund (Gesellschaftsverhältnis oder sogenanntes Drittverhältnis) unabhängig zu machen. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, in den Anwendungsbereich des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG Habenzinsen für Giro-, Festgeld- und Sparguthaben einzubeziehen, die ein Kommanditist bei "seiner" ein Bankgeschäft betreibenden KG unterhält, sofern vorstellbar ist, daß die Unterhaltung derartiger Guthaben auch Gegenstand einer gesellschaftsrechtlichen Leistungspflicht eines Gesellschafters sein kann. Dies trifft im Streitfall offensichtlich zu. Denn so wie bei einer Kommanditgesellschaft, die ein Handelsunternehmen betreibt, die Gewährung von bestimmten Gesellschafterdarlehen (neben den Kommanditeinlagen) Gegenstand einer gesellschaftsrechtlichen Leistungspflicht sein kann, ist es auch bei einer KG, die ein Bankgeschäft betreibt, nicht ausgeschlossen, daß die Unterhaltung der in Rede stehenden Konten zum Gegenstand einer gesellschaftsrechtlichen Regelung gemacht wird.
c) Der Senat hält allerdings Fallgestaltungen für denkbar, die von der zu a) und b) beschriebenen Zielsetzung des Gesetzes her gesehen nicht mehr dem Regelungsbereich des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG zuzuordnen sind, etwa weil die Darlehnsgewährung und die Mitunternehmereigenschaft desjenigen, der das Darlehen gewährt, nur zufällig und vorübergehend zusammentreffen und demgemäß jeglicher wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Darlehnsgewährung und Mitunternehmerverhältnis ausgeschlossen erscheint. Zu denken ist etwa daran, daß der Kommanditist einer KG einen Dritten beerbt, der bei der KG ein Sparguthaben unterhalten hat, und der Kommanditist dieses Guthaben alsbald nach dem Erbfall auflöst. So ist der Streitfall jedoch offensichtlich nicht gelagert.
d) Der Senat hat im Streitfall nicht darüber zu befinden, ob und ggf. inwieweit § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG auch den gewerblichen Kreditverkehr zwischen einer Personengesellschaft und deren Gesellschafter erfaßt (vgl. insoweit, jedoch nur für die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens, BFH-Urteil vom 14. März 1969 III R 108/67, BFHE 95, 546, BStBl II 1969, 480).
2. Der erkennende Senat braucht im Streitfall nicht abschließend zu prüfen und zu entscheiden, ob, wie der I. Senat in seinen Urteilen vom 23. Mai 1979 I R 163/77 (BFHE 128, 213, BStBl II 1979, 757) und I R 56/77 (BFHE 128, 505, BStBl II 1979, 763) für Tätigkeitsvergütungen und für Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung ausgeführt hat, § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG allgemein nur solche Vergütungen (also auch Vergütungen für die Hingabe von Darlehen) erfaßt, die "durch das Gesellschaftsverhältnis (Mitunternehmerverhältnis) veranlaßt" sind, und zwar in dem Sinne, daß die durch die Vergütungen honorierten Leistungen "bei wirtschaftlicher Betrachtung als Beitrag zur Erreichung und Verwirklichung des Gesellschaftszwecks anzusehen sind" (BFHE 128, 213/224, BStBl II 1979, 757/762 Spalte 2), und ob demgemäß das FA im Einzelfall in tatsächlicher Hinsicht jeweils nachweisen muß, daß die fraglichen Vergütungen das Entgelt für Leistungen des Gesellschafters sind, die zur Förderung des Gesellschaftszwecks erbracht werden.
Denn auch wenn hiervon auszugehen sein sollte, könnte dies der Revision im Streitfalle nicht zum Erfolg verhelfen.
Der I. Senat erachtet die Vergütungen und die ihnen entsprechenden Leistungen des Gesellschafters u. a. dann "durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt", wenn "die nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern auf einem schuldrechtlichen Vertrag (sog. Drittverhältnis) beruhenden Leistungen des Gesellschafters gegen besondere Vergütungen ... der Sache nach der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dienen" (BFHE 128, 213, 225, BStBl II 1979, 757/763, Nr. 5 Buchst. b).
Diesem Erfordernis ist im Streitfalle genügt. Gesellschaftszweck einer KG, die ein Bankgeschäft betreibt, ist u. a. , gewinnbringend Gelder auszuleihen. Diesen Zweck kann die KG um so besser verwirklichen, je mehr Mittel ihr zur Ausleihung zur Verfügung stehen. Demgemäß ist die Hingabe von Darlehen an die KG (in der Form der Unterhaltung von Giro-, Festgeld- und Sparguthaben) eine Leistung, die mindestens auch der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dient. Wenn, wie offenbar auch die Revision annimmt, Gesellschafterdarlehen bei einer KG, die ein Handelsunternehmen betreibt, der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dienen und demgemäß von § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfaßt werden, so kann für Gesellschafterdarlehen bei einer KG, die ein Bankgeschäft betreibt, nichts anderes gelten. Die Revision hat keine für die einkommensteuerrechtliche Wertung relevanten Unterschiede aufgezeigt.
3. Zu Unrecht macht die Revision schließlich geltend, die unterschiedliche Behandlung der Leistungsbeziehung zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern einerseits und einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter andererseits verletze den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes. Wie der Senat in seinem Urteil vom 14. Dezember 1978 IV R 98/74 (BFHE 127, 45, BStBl II 1979, 284) dargelegt hat, gebietet es der Gleichheitsgrundsatz nicht, daß Personenhandelsgesellschaften und ihre Gesellschafter und Kapitalgesellschaften und ihre Gesellschafter einkommensteuerrechtlich und gewerbesteuerrechtlich gleichbehandelt werden.
Anmerkung: Die Zahlenangaben wurden verändert.
Fundstellen
Haufe-Index 73459 |
BStBl II 1980, 275 |
BFHE 1980, 502 |