Leitsatz (amtlich)
Der von einem Schausteller angeschaffte Spezialwohnwagen ist investitionszulagebegünstigt.
Normenkette
BerlinFG § 19
Tatbestand
Umstritten ist, ob der von einem Schausteller angeschaffte Spezialwohnwagen investitionszulagebegünstigt ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte ist Schausteller. Er betreibt einen Barwagen, einen Imbißstand, eine Braterei und eine ... Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG. Im Jahre 1971 erwarb er einen Wohnwagen mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und Korridor. Der Wohnwagen wiegt etwa 16 t. Er kann nur durch eine Zugmaschine, nicht von dem PKW des Klägers fortbewegt werden. Die Anschaffungskosten des Wohnwagens betrugen einschließlich 4 v. H. Selbstverbrauchsteuer ... DM. Der Kläger aktivierte den Wohnwagen als Betriebsvermögen und beantragte die Gewährung einer Investitionszulage. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Wohnwagen gehöre zu den Wirtschaftsgütern des notwendigen Privatvermögens und sei deshalb nicht zulagefähig. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage mit den in den EFG 1973, 418, abgedruckten Gründen statt und verpflichtete das FA, dem Kläger Investitionszulage zu gewähren.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt Verletzung des § 19 des BerlinFG (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1017) i. V. m. §§ 4 Abs. 1 , 5 Abs. 1 und 12 Nr. 1 EStG. Es ist der Auffassung, daß der Wohnwagen notwendiges Privatvermögen des Klägers sei. Der Wohnwagen werde nämlich sowohl zu betrieblichen als auch zu Wohnzwecken genutzt. Wohnen sei aber eine Angelegenheit der privaten Lebensführung. Da nicht leicht nachprüfbar festzustellen sei, in welchem Umfang der Wohnwagen zu Wohnzwecken und in welchem Umfang er betrieblich genutzt werde, sei er dem notwendigen Privatvermögen zuzurechnen. Gegen eine ausschließlich betriebliche Nutzung des Wohnwagens spreche auch seine Größe und Ausstattung. Für die vom Kläger angegebene betriebliche Nutzung hätte auch ein kleiner und nicht so aufwendig ausgestatteter Wohnwagen genügt. Dieser Umstand sei bei der Feststellung des Verwendungszweckes des angeschafften Wirtschaftsgutes von Bedeutung.
Wenn das FG meine, die Anschaffung des Wohnwagens sei deshalb betriebsbedingt, weil die verschiedenen Wirtschaftsgüter des Klägers auf den jeweiligen Festplätzen eine Bewachung geraten erscheinen ließen und sich dafür das Schlafen in einem Wohnwagen anbiete, so verstoße es dabei gegen die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze. Niemand könne nämlich - zumal noch nach einem langen Arbeitstag - schlafen und dabei gleichzeitig verschiedene Wagen, die verteilt auf einem großen Festplatz stehen, bewachen.
Das FA meint ferner, der Wohnwagen sei im übrigen schon deshalb nicht zulagefähig, weil nach § 19 Abs. 2 BerlinFG Personenwagen grundsätzlich von der Investitionszulage ausgeschlossen seien. Der Grund für diese Regelung sei darin zu sehen, daß Personenwagen nach der Lebenserfahrung in mehr oder weniger großem Umfang auch zu Privatfahrten genutzt werden. Das gleiche treffe auch bei Wohnwagen zu.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 19 Abs. 1 und 2 BerlinFG können Unternehmer i. S. des § 2 UStG 1967, die in Berlin (West) einen Betrieb haben, für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage erhalten, die 10 v. H. der Anschaffungskosten beträgt. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Voraussetzungen vorliegen. Der Kläger ist Unternehmer i. S. des § 2 UStG 1967. Bei dem Wohnwagen handelt es sich um ein neues abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens und nicht, wie das FA meint, um notwendiges Privatvermögen, das bei der Gewinnermittlung außer Betracht zu bleiben hat.
Dem FA ist darin zuzustimmen, daß ein Wohnwagen im Regelfall zum Privatvermögen zu rechnen ist, weil das "Wohnen" im allgemeinen zur privaten Lebensführung gehört. Wie der I. und der IV. Senat des BFH in ihren Urteilen vom 9. Oktober 1974 I R 129/73 (BFHE 114, 202, BStBl II 1975, 172) und vom 12. Juni 1975 IV R 159/74 (BFHE 116, 270, BStBl II 1975, 769) entschieden haben, sind jedoch Fälle denkbar, in denen das Wohnen in einem Wohnwagen betriebsbedingt sein kann. Dann nämlich, wenn das Wohnen eine so enge Verbindung zum Betrieb hat, daß ihm betrieblicher Charakter zukommt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Schaustellunternehmer in unmittelbarer Nähe seiner Betriebseinrichtungen einen Wohnwagen bewohnt, weil dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist. Dies gilt im besonderen Maße, wenn der Wohnwagen außerdem noch anderweitig betrieblich genutzt wird. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für den Streitfall an. Der VI. Senat des BFH hat zwar in seiner zu § 19 BHG 1964 ergangenen Entscheidung vom 17. Mai 1968 VI R 196/67 (BFHE 92, 380, BStBl II 1968, 566) die Ansicht geäußert, daß ein Wohnwagenanhänger wohl zum notwendigen Privatvermögen zu rechnen sei, auch wenn der Eigentümer als Unternehmer ihn überwiegend auf Geschäftsreisen als Wohn- und Unterkunftsraum verwende. Diese Auffassung bindet den erkennenden Senat schon deshalb nicht, weil es sich seinerzeit nicht wie im Streitfall um einen Spezialwohnwagen gehandelt hatte und weil die jetzt zur Entscheidung anstehende Frage seinerzeit nicht entscheidungserheblich war.
2. Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß die Anschaffung und Nutzung des Wohnwagens durch die betrieblichen Verhältnisse des Schaustellergewerbes des Klägers begründet gewesen sei. Die Art der Tätigkeit des Klägers erfordere dessen Anwesenheit tagsüber. Darüber hinaus werde der Wohnwagen noch anderweitig betrieblich genutzt, wie etwa zum Abpacken der Ware, zu Verhandlungen mit Lieferanten usw. Die Anwesenheit des Klägers auf den Festplätzen während der Nacht diene der Bewachung der dort befindlichen Wirtschaftsgüter, die einen beträchtlichen Wert aufwiesen. Eine Bewachung durch andere Personen als den Kläger erfolge in den weitaus meisten Fällen nicht.
Wenn das FG bei dieser Sachlage zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Anschaffung des Wohnwagens durch den Kläger betrieblich bedingt sei und der Aufnahme des Wohnwagens in das Betriebsvermögen des Klägers nichts entgegenstehe, so ist das nicht zu beanstanden.
3. Der Einwand des FA, das FG habe bei seiner Entscheidung gegen allgemeine Erfahrungssätze und gegen die Denkgesetze verstoßen, ist unbegründet. Das FG hat zwar in seiner Vorentscheidung ausgeführt, die Übernachtung in einem Wohnwagen diene der "Bewachung" der auf dem Festplatz befindlichen Wirtschaftsgüter des Klägers. Der Senat versteht die Ausführungen des FG nicht im Sinne eines dauernden aktiven Bewachens, wie es beispielsweise von eigens dafür bestelltem Wachpersonal auf laufenden Kontrollgängen ausgeführt wird, sondern im Sinne eines Beaufsichtigen. Hierfür kann aber bereits die bloße Anwesenheit des Klägers genügen. Im übrigen schließt das Schlafen während der Nacht nicht aus, daß der Kläger erforderlichenfalls Kontrollgänge macht oder auf andere Weise Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung seiner auf dem Festplatz befindlichen Vermögenswerte ergreift.
4. Das FG hat im Streitfall zu Recht die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG nicht angewandt. Danach wird für Personenkraftfahrzeuge - und nicht Personenwagen wie das FA meint - eine Investitionszulage nur gewährt, wenn sie im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich der Beförderung von Personen gegen Entgelt dienen oder an Selbstfahrer vermietet oder für Fahrschulzwecke verwendet werden.
Was unter Personenkraftfahrzeugen i. S. des Berlinförderungsgesetzes zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Nach der Entscheidung des BFH vom 23. August 1966 I 134/64 (BFHE 87, 198, BStBl III 1967, 66) gehören zu den Personenkraftfahrzeugen i. S. des dem § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG entsprechenden § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 grundsätzlich Kraftfahrzeuge, die objektiv nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern. Hierzu rechnet ein Wohnwagen schon deshalb nicht, weil er objektiv nach Bauart und Einrichtung nicht geeignet und bestimmt ist, Personen zu befördern. Der Wohnwagen ist darüber hinaus auch kein Kraftfahrzeug; denn das Wesen eines Kraftfahrzeugs besteht im maschinellen Antrieb (vgl. § 1 Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes, § 4 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung).
Das FA beruft sich zur Begürndung seiner Auffassung, daß Wohnwagen von der Gewährung der Investitionszulage ausgeschlossen seien, auf den Umstand, daß nach der Lebenserfahrung auch Wohnwagen in mehr oder weniger großem Umfang zu Privatfahrten genutzt würden. Der Senat hält demgegenüber den Wortlaut des § 19 Abs. 2 BerlinFG hinsichtlich der nichtzulagefähigen Fahrzeuge für eindeutig. Weder aus dem Berlinhilfegesetz noch aus dem Berlinförderungsgesetz selbst oder seiner Entstehungsgeschichte ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Investitionszulage über den Kreis der Personenkraftfahrzeuge hinaus hat ausschließen wollen.
Soweit in der Entscheidung VI R 196/67 eine andere Auffassung vertreten wird, ist der Senat an sie schon deshalb nicht gebunden, weil dort die im vorliegenden Streitfall zu entscheidende Frage nicht entscheidungserheblich war.
5. Der Kläger hat dementsprechend einen Anspruch auf Investitionszulage in der vom FG festgesetzten Höhe. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72347 |
BStBl II 1977, 566 |
BFHE 1978, 219 |