Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerhaftung
Leitsatz (NV)
Bei nicht korrekter Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung durch die GmbH kommt eine Haftung des Geschäftsführers für den Steuerausfall nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung und zusätzlich in Höhe etwa vereitelter Verrechnungs-/Aufrechnungsmöglichkeiten des FA mit/gegen Vorsteueransprüche(n) der GmbH in Betracht.
Zur Ermittlung des anteiligen Haftungsbetrages.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69, 71; UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 18 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, der Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) war. Die GmbH erhielt von der A und B-GbR (GbR) den Auftrag zur Durchführung von Bauarbeiten an einem Wohnungsbauprojekt in X zu einem bestimmten Pauschalpreis. Nach der Vereinbarung konnten Abschlagsrechnungen nach einem besonderen Zahlungsplan unter gesondertem Umsatzsteuerausweis gestellt werden. Grundlage für den Zahlungsplan war der jeweilige Baufortschritt der Objekte. Die GmbH hatte Zahlungseingänge ab Juli 1987. Nachdem A als Gesellschafter aus der GbR ausgeschieden war, teilte die GmbH dem B im Oktober 1987 den Grad der Fertigstellung mit und forderte Ende Oktober 1987 in einer Rechnungszusammenstellung nach Abzug geleisteter Abschläge eine Restzahlung an. Ohne daß die Bauarbeiten zu Ende geführt wurden, erstellte die GmbH im November 1987 Schlußrechnungen für jede der Wohneinheiten unter gesondertem Umsatzsteuerausweis.
Das im August 1988 von einem Gläubiger der GmbH beantragte Konkursverfahren wurde mangels einer die weiteren Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
In der Zeit von Dezember 1988 bis April 1989 fand bei der GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1988 statt. Diese ergab, daß die Buchführung für 1987 und 1988 unvollständig gewesen sei und die Angaben in den Voranmeldungen 1987 und 1988 zum Teil nicht mit der Buchführung übereinstimmten. Von Juli 1987 bis November 1987 hätte die Auftraggeberin Abschlagszahlungen in Höhe von 600 000 DM geleistet. Ausgangsrechnungen seien lediglich in einer Höhe von 60 000 DM gebucht worden. Weitere Abschlagszahlungen seien nicht umsatzversteuert worden. Der Prüfer stellte daher aus dem Bauvorhaben eine Mehrwertsteuer von 14 % aus 500 000 DM fest. Aus dem von der Staatsanwaltschaft im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gegen die Klägerin und ihren Ehemann in Auftrag gegebenen Gutachten der X- GmbH ergab sich, daß sich die Liquiditätslage der GmbH ab September 1987 deutlich verschlechterte und daß sie ab 30. November 1987 objektiv zahlungsunfähig war.
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm den Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH für rückständige Umsatzsteuern in Höhe von 80 000 DM in Haftung. Dieser Haftungsbetrag setzt sich aus dem bereits von der Betriebsprüfung erfaßten, noch rückständigen Betrag zuzüglich eines nicht von der Betriebsprüfung erfaßten Betrages zusammen. Für die Einzelheiten wird auf die Vorentscheidung Bezug genommen.
Das Finanzgericht (FG) setzte den Haftungsbetrag unter Änderung der Verwaltungsentscheidungen auf ... DM herab. Im übrigen wies es die Klage als unbegründet ab. Es führte u. a. aus, das FA habe den Ehemann der Klägerin in dieser Höhe zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 Satz 1, § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen. Als Geschäftsführer der GmbH hätte der Ehemann der Klägerin deren steuerliche Pflichten erfüllen müssen. Dieser Verpflichtung sei der Ehemann der Klägerin nicht nachgekommen, weil er trotz Erteilung der Einzelschlußrechnungen mit Umsatzsteuerausweis, die in die Gesamtschlußrechnung vom ... November 1987 Eingang gefunden hätten, nicht gemäß § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bis zum 10. Tag nach Ablauf des Kalendermonats (Voranmeldungszeitraum) eine Voranmeldung hinsichtlich der noch nicht versteuerten Umsätze für den Voranmeldungszeitraum abgegeben habe. Die Frage, ob die einzelnen Teilleistungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG schon zu einem früheren Zeitpunkt hätten versteuert werden müssen, könne dahinstehen. Die Versteuerung von Teilleistungen sei nur in vier Fällen durchgeführt worden. Die Umsatzsteuer für das gesamte Bauvorhaben sei jedoch spätestens im November 1987 mit Erteilung der Schlußrechnungen entstanden.
Der Einwand der Klägerin, für einen steuerlichen Laien sei angesichts des Wortlauts von Abschn. 178 Abs. 1 Nr. 1 Satz 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) nicht klar gewesen, daß die Umsatzsteuer für das Bauvorhaben im Dezember 1987 habe erklärt werden müssen, überzeuge nicht. Die GmbH habe nach objektiven Kriterien nicht mehr davon ausgehen können, das Bauprojekt noch zu Ende zu bringen. Sie hätte deshalb die daraus resultierende Umsatzsteuer in Höhe von mindestens ... DM als Umsatzsteuer November 1987 zum 10. Dezember 1987 anmelden müssen. Der Ehemann der Klägerin habe diese ihm als Geschäftsführer der GmbH obliegende Pflicht zumindest grob-fahrlässig verletzt. Denn er habe nach den Umständen davon ausgehen müssen, daß die Bauarbeiten endgültig beendet waren.
Der Ehemann der Klägerin habe eine weitere Pflichtverletzung begangen, indem er die Umsatzsteuer im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (10. Dezember 1987) und danach nicht abgeführt habe.
Die Pflichtverletzung des Ehemanns der Klägerin sei jedoch in Anwendung der auch hier anzuwendenden Adäquanztheorie nur für einen beim FA entstandenen Schaden in Höhe von ... DM kausal gewesen. Wäre die Umsatzsteuer November 1987 in Höhe der Steuerschuld von mindestens ... DM und nicht nur als Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von ... DM angemeldet worden, hätte das FA ab Fälligkeit am 10. Dezember 1987 mit folgenden von der GmbH als Vorsteuer geltend gemachten Beträgen aufrechnen können:
Umsatzsteuer
11/87
. . . DM
Umsatzsteuer
12/87
. . . DM
Umsatzsteuer
1/88
. . . DM
Umsatzsteuer
2/88
. . . DM
Umsatzsteuer
3/88
. . . DM
Umsatzsteuer
4/88
. . . DM
Umsatzsteuer
5/88
. . . DM
. . . DM
Bei korrekter Anmeldung der Umsatzsteuervorauszahlung November 1987 hätte das FA diese Beträge nicht ausgezahlt. In dieser Höhe sei daher das pflichtwidrige Nichtanmelden der Umsatzsteuer November 1987 kausal für den dem FA entstandenen Schaden.
Ein über diesen Betrag hinausgehender Schaden sei durch das zumindest grob-fahrlässige Verhalten des Ehemanns der Klägerin nicht adäquat kausal verursacht worden. Das FA hätte auch bei rechtzeitiger Anmeldung der Umsatzsteuer November 1987 keinen höheren Zahlungsbetrag als den durch die Verrechnung von der GmbH erhalten können, weil die GmbH spätestens ab November 1987 massive Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe. Auf die Differenz zwischen dem mit dem Haftungsbescheid geforderten Betrag und dem fiktiven Verrechnungsbetrag entfalle keine Tilgungsquote. Denn aus dem herangezogenen Liquiditätsgutachten der X- GmbH ergebe sich für den haftungsrelevanten Zeitraum (Dezember 1987 bis Juli 1988) jedenfalls durchschnittlich keine über 50 % hinausgehende Liquiditätsquote.
Gegen dieses Urteil haben das FA und die Klägerin Revision eingelegt.
Das FA erstrebt mit seiner Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und die Klageabweisung. Hilfsweise beantragt es, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Zur Begründung führt es aus: Das FG habe zu Unrecht die Verpflichtung des Geschäftsführers zur anteiligen Tilgung der Steuerschuld gegenüber der Verrechnungsmöglichkeit des FA mit den angemeldeten Vorsteuerbeträgen für subsidiär gehalten. Beide Schadensfolgen -- Nichtzahlung der Umsatzsteuer trotz teilweiser Zahlungsfähigkeit und unterbliebene Verrechnung -- seien aber nebeneinander eingetreten. Es sei davon auszugehen, daß die GmbH im Dezember 1987 zu 60 % zahlungsfähig gewesen sei. Die Klägerin trage im Hinblick auf etwaige tatsächliche Unklarheiten bei Ermittlung der Tilgungsquote die Feststellungslast, weil sich der Haftungsanspruch auch aus § 71 AO 1977 ergebe.
Das FG habe auch zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH nach § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verpflichtet gewesen sei, wegen dauernder Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH Konkurs anzumelden. Hätte er dies getan, wäre die Umsatzsteuerforderung des FA aufgrund des Konkursvorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) voll getilgt worden. Außerdem liege ein zusätzlicher Schaden in der falschen Anmeldung und Auszahlung des Guthabens für November 1987 in Höhe von ... DM, weil insoweit die Haftungsforderung bereits gemindert gewesen sei.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Sie hält allenfalls eine Haftungsquote von 21,6 % für berechtigt.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren -- die Aufhebung des Haftungsbescheides i. d. F. der Einspruchsentscheidung -- weiter.
Sie macht mit ihrer Revision geltend, das FG habe den Begriff des durch die Pflichtverletzung verursachten Schadens i. S. von § 69 AO 1977 verkannt. Zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Erfolgseintritt (Nichtfestsetzung der Steueransprüche) müsse eine haftungsbegründende Kausalität bestehen. Zusätzlich müsse eine haftungsausfüllende Kausalität vorliegen. Diese sei hier nicht gegeben, weil die GmbH als Steuerschuldnerin ohnehin zahlungsunfähig gewesen sei und sie die Umsatzsteuer November 1987 bei Fälligkeit und in den Folgemonaten deshalb nicht hätte zahlen können. Die Verrechnungsmöglichkeiten des FA hätten sich erst nachträglich ergeben. Durch die nachträglich angefallenen rechtmäßigen Steuererstattungsansprüche sei kein Steuerausfall (Schaden i. S. von § 69 AO 1977) entstanden. Deshalb fehle es insoweit an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Erfolgseintritt und Schaden. Die angefallenen Vorsteuerüberschüsse hätten in die Vergleichsrechnung zur Ermittlung der anteiligen Tilgungsquote einbezogen werden müssen. Dabei seien alle Verbindlichkeiten des Steuerschuldners gleich zu behandeln; Umsatzsteuerschulden seien nicht vorrangig zu tilgen. Im Streitfall wäre auf das FA keine Quote mehr entfallen, weil die GmbH zahlungsunfähig gewesen sei.
Das FA hat bezüglich der Revision der Klägerin keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionsverfahren werden nach § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
A.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, daß das FA den Ehemann der Klägerin zu Recht für Umsatzsteuer 1987 der GmbH in Höhe von ... DM gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 in Anspruch genommen hat, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
1. Das FG hat ohne Rechtsfehler ausgeführt, daß der Ehemann der Klägerin dem Grunde nach gemäß §§ 34, 69 AO 1977 für die Umsatzsteuerschulden der GmbH haftet, weil er als Geschäftsführer der GmbH zumindest grob-fahrlässig seine steuerlichen Pflichten verletzt hat. Eine Pflichtverletzung des Ehemanns der Klägerin ist mit dem FG jedenfalls darin zu sehen, daß er als Geschäftsführer der GmbH nicht dafür gesorgt hat, daß in der Umsatzsteuervoranmeldung für November 1987, die am 10. Dezember 1987 abzugeben war, die Umsätze aus dem Bauvorhaben in X, soweit sie nicht schon vorher versteuert waren, erklärt wurden.
Keinen Bedenken begegnen die -- auch mit der Revision nicht angegriffenen -- Ausführungen der Vorinstanz darüber, daß die GmbH mit Erteilung der Einzelschlußrechnungen im November 1987, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde und die Eingang in die ihrem Auftraggeber erteilte Schlußrechnung vom ... November 1987 gefunden haben, zur Anmeldung der noch nicht versteuerten Umsätze verpflichtet gewesen ist.
Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ging die GmbH im November 1987 davon aus, daß sie das Bauvorhaben in X wegen fehlender Aussicht auf Erfüllung durch den Auftraggeber nicht zu Ende bringen werde. Damit ist die Umsatzsteuer hinsichtlich der erbrachten Teilleistungen, für die die Schlußrechnungen erteilt wurden, spätestens im Voranmeldungszeitraum November 1987 gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entstanden (vgl. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 28. Februar 1980 V R 90/75, BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535; Abschn. 178 Abs. 1 Nr. 1 Satz 10 UStR). Mit der für November 1987 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG abzugebenden Voranmeldung hätten daher die noch nicht versteuerten Umsätze für das Bauprojekt in X spätestens angemeldet werden müssen. Die Vorauszahlung der angemeldeten Umsatzsteuer für die noch nicht versteuerten Umsätze wäre gemäß § 18 Abs. 1 Satz 5 UStG zum gleichen Zeitpunkt fällig gewesen.
2. Der Senat zweifelt auch nicht daran, daß der Ehemann der Klägerin seine ihm als Geschäftsführer der GmbH obliegende Pflicht zur Voranmeldung der betreffenden Umsätze zumindest grob-fahrlässig verletzt hat. Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob der Ehemann der Klägerin -- wie das FA meint, das FG aber nicht festgestellt hat -- darüber hinaus eine vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO 1977) begangen hat und deshalb auch eine Haftung nach § 71 AO 1977 in Betracht kommt.
3. a) Die Vorinstanz hat ferner richtig ausgeführt, daß eine Haftung nach den §§ 34, 69 AO 1977 voraussetzt, daß zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität besteht. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Haftung nach den genannten Vorschriften. Ziel der Haftung ist es danach, Steuerausfälle auszugleichen, die durch schuldhafte Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO 1977 genannten Personen verursacht worden sind. Eine Haftung kommt dann in Betracht, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dies gilt nicht nur im Falle der Nichterfüllung einer Steuerschuld (§ 69 Satz 1 Alternative 2 AO 1977), sondern -- wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat -- auch im Fall der Verletzung von Steuererklärungspflichten (vgl. BFH-Urteile vom 2. März 1993 VII R 90/90, BFH/NV 1994, 526-- 528, und vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678).
Durch die Abgabe der unvollständigen Umsatzsteuervoranmeldung ist dem FA mindestens ein Schaden durch die Auszahlung der in den Voranmeldungszeiträumen November 1987 bis Mai 1988 angemeldeten Vorsteuern in der vom FG festgestellten Höhe von ... DM entstanden.
Die Kausalität richtet sich wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der sog. Adäquanztheorie. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Sofern -- wie im Streitfall -- ein Unterlassen in Betracht kommt, muß, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, daß der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen dazu nicht (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 1992 VII R 13/92, BFHE 170, 295, BStBl II 1993, 471, 472 m. w. N.).
b) Hinsichtlich der ausgezahlten Vorsteuern für den Voranmeldungszeitraum November 1987 in Höhe von ... DM ergibt sich der adäquate Kausalzusammenhang schon aus folgendem. Die Voranmeldungspflicht für den Voranmeldungszeitraum November 1987 umfaßt neben der Anmeldung der Vorsteuern auch die Anmeldung der Umsatzsteuern für den betreffenden Zeitraum. Es handelt sich insofern um eine einheitliche Pflicht, die zur Sicherung der Zahlung der für den Voranmeldungszeitraum entstandenen Umsatzsteuern als Ergebnis des bereits in der Anmeldung vorzunehmenden Ausgleichs zwischen Vorsteuern und Umsatzsteuern dient. Bei korrekter Erfüllung der Voranmeldungspflicht durch Anmeldung der noch nicht versteuerten Umsätze für das Bauvorhaben in X wären in der Anmeldung die Vorsteuern in Höhe von ... DM in der Weise berücksichtigt worden, daß sie gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Umsatzsteuer abgesetzt und deshalb nicht gesondert ausgezahlt worden wären. Deshalb besteht hinsichtlich der insoweit vereitelten Verrechnung zu Recht eine Haftung des Geschäftsführers für den vom FA wegen der unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldung ausgezahlten Betrag von ... DM (vgl. zur Haftung für den nach § 37 Abs. 1 AO 1977 bestehenden Erstattungsanspruch BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488). Insoweit greift auch der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung für den Geschäftsführer nicht, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt.
c) Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der unkorrekten Umsatzsteuervoranmeldung November 1987 und dem eingetretenen Schaden besteht aber auch in Höhe der für die Voranmeldungszeiträume Dezember 1987 bis Mai 1988 ausgezahlten Vorsteuern. Es mag zwar sein, daß der GmbH insoweit -- wie die Klägerin meint -- berechtigterweise Vorsteuererstattungsansprüche zustanden. Darauf kommt es aber in diesem Zusammenhang nicht an. Hätte nämlich die GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für November 1987 richtig abgegeben, dann hätte für das FA die Möglichkeit bestanden, mit dem dann für November 1987 fälligen Umsatzsteuervorauszahlungsanspruch gegen die Vorsteuererstattungsansprüche der GmbH aufzurechnen (§ 226 AO 1977) und damit für eine Erfüllung der Umsatzsteuerschulden im Wege der Aufrechnung (§ 47 AO 1977) zu sorgen (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1989 VII R 34/87, BFH/NV 1990, 618 m. w. N.). Die Verpflichtung zur rechtzeitigen und richtigen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung dient auch dazu, dem FA diese Möglichkeit hinsichtlich künftiger Erstattungsansprüche zu sichern, von der es -- wie das FG festgestellt hat -- auch Gebrauch gemacht hätte.
Der Senat hat bereits entschieden, daß ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Steuererklärungspflicht und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) auch dadurch begründet sein kann, daß durch die unterlassene oder verspätete Steueranmeldung eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit des FA vereitelt worden ist (BFH-Urteile vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 10, und in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678). Dies muß erst recht dann gelten, wenn durch eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung bewirkt wird, daß das FA in der Zukunft nicht mit der Umsatzsteuerforderung gegen Vorsteuererstattungsansprüche aufrechnen kann.
Auf die Zahlungsfähigkeit der GmbH kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht an, weil die Aufrechnungsmöglichkeit des FA unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der GmbH bestanden hätte. Daher kann auch eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger insoweit nicht in Betracht kommen (vgl. Senat in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 10). Denn eine solche Haftungsbeschränkung wäre nur damit zu rechtfertigen, daß die in der nicht korrekten Abgabe der Anmeldung liegende Pflichtverletzung wegen nur eingeschränkter Zahlungsfähigkeit der GmbH nicht im vollen Umfang für den Steuerausfall kausal sein könne; sie gilt danach nicht bei Aufrechnungs- oder Vollstreckungsmöglichkeiten des FA, die unabhängig von der Liquiditätslage der GmbH bestehen.
4. Da die Klägerin somit mindestens mit dem vom FG festgesetzten Betrag von ... DM haftet, kann ihre Revision keinen Erfolg haben.
B.
Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat rechtsfehlerhaft die Möglichkeit verneint, daß über den sich aus der vereitelten Verrechnung mit angemeldeten (Oktober 1987) bzw. der vereitelten Aufrechnung gegen angemeldete Vorsteuern ergebenden Schadensbetrag von ... DM hinaus ein weiterer Schaden durch die zumindest grob- fahrlässige Pflichtverletzung des Ehemanns der Klägerin adäquat kausal verursacht sein kann. Da das FG insoweit -- von seinem Standpunkt aus zu Recht -- keine abschließenden Feststellungen zur Höhe eines weiteren Schadens getroffen hat, ist die Sache nicht spruchreif. Sie ist daher unter Aufhebung der Vorentscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Der über den Betrag von ... DM hinausgehende Schaden ergibt sich daraus, daß der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH außer der unkorrekten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung nicht dafür gesorgt hat, daß die an sich fällige Umsatzsteuervorauszahlung von der GmbH geleistet wurde (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO 1977). Auch insoweit besteht bei Verletzung der Pflicht zur korrekten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Nichtzahlung der bei ordnungsgemäßer Anmeldung an sich fälligen Umsatzsteuervorauszahlung in dem Umfang, in dem eine gleichmäßige Erfüllung der Vorauszahlungsschulden und der übrigen Schulden der GmbH in dieser Höhe möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Urteile in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, und vom 12. Juli 1988 VII R 4/88, BFHE 154, 206, BStBl II 1988, 980).
Der infolge der Nichtzahlung der an sich fälligen Umsatzsteuern entstandene Schaden kann neben dem durch die Vereitelung der Verrechnung bzw. Aufrechnung entstandenen Schaden geltend gemacht werden, soweit er nicht schon durch den darauf entfallenden Betrag abgedeckt ist. Beide Schadensbeträge gehen nicht -- wie das FG meint -- in der Weise ineinander auf, daß ein Haftungsanspruch nur in Höhe des Betrages besteht, der sich infolge der vereitelten Verrechnung bzw. Aufrechnung ergibt, wenn der nach der anteiligen Tilgungsquote ermittelte Haftungsbetrag nicht darüber hinausgeht.
Der Senat hat hinsichtlich vereitelter Vollstreckungsmöglichkeiten durch Nichtabgabe von Steuererklärungen entschieden, daß sich insoweit der zu ersetzende Haftungsschaden nach dem Umfang der vereitelten Vollstreckungsmöglichkeiten richtet und daß insoweit die Anwendung des zur Haftung nach den §§ 34, 69 AO 1977 entwickelten Gedankens der Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger eingeschränkt wird (BFH in BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678). Diese Einschränkung muß -- wie bereits erwähnt -- erst recht im Falle vereitelter Verrechnungen bzw. Aufrechnungsmöglichkeiten gelten. Die Einschränkung bedeutet aber nicht nur eine Erweiterung des Haftungsumfangs hinsichtlich des infolge der Nichtzahlung entstandenen Schadens bis zur Höhe der vereitelten Verrechnung bzw. Aufrechnungsmöglichkeiten. Da die durch die Vereitelung der Verrechnung bzw. Aufrechnung und durch die Nichtleistung des geschuldeten Steuerbetrages eingetretenen Schäden auf die Verletzung unterschiedlicher Pflichten zurückzuführen sind (Nichtabgabe der richtigen Voranmeldung und Nichtzahlung der geschuldeten Steuer), besteht vielmehr neben der Haftung im vollen Umfang wegen Vereitelung der Verrechnung bzw. Aufrechnungsmöglichkeit die nach den Grundsätzen der anteilmäßigen Gläubigerbefriedigung zu bemessende Haftung wegen der Nichtzahlung der verbleibenden Umsatzsteuerschuld.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden, soweit das FG bei der Berechnung des Haftungsumfangs neben dem aus der Vereitelung der Verrechnungs-/Aufrechnungsmöglichkeiten entstandenen Schaden nicht auch den weiteren Schaden berücksichtigt hat, der adäquat kausal entstanden ist, weil die GmbH die an sich fällige Umsatzsteuervorauszahlung nicht geleistet hat, obwohl sie dazu nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung aller Schulden in der Lage gewesen wäre.
2. Das FG hat -- von seinem Standpunkt aus zutreffend -- keine abschließenden tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, inwieweit die GmbH im Haftungszeitraum zur gleichmäßigen Erfüllung der Vorauszahlungsschulden und ihrer übrigen Gläubiger in der Lage war.
a) Zwar hat das FG ausgeführt, daß sich nach dem beigezogenen "X-Gutachten" für den haftungsrelevanten Zeitraum aufgrund der Liquiditätsversion 1 eine Liquiditätsquote von ca. 40 % und nach der Liquiditätsversion 2 eine solche von ca. 45 %, jedenfalls durchschnittlich keine über 50 % hinausgehende Liquiditätsquote, ergeben hätte. Daraus ist aber keine eindeutige Feststellung des FG darüber zu entnehmen, ob und in welchem Umfang eine gleichmäßige Tilgung der spätestens am 10. Dezember 1987 an sich fällig gewesenen Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von ... DM und der übrigen Schulden der GmbH in diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre; zumal es an anderer Stelle des Urteils heißt, daß sich aus dem Gutachten ergebe, die GmbH sei ab November 1987 objektiv zahlungsunfähig gewesen. Der Umfang, in dem eine gleichmäßige Befriedigung aller Schulden zum maßgebenden Zeitpunkt oder später möglich gewesen wäre, braucht zwar nur überschlägig ermittelt zu werden. Das Gericht muß jedoch eine bestimmte nachvollziehbare Verhältniszahl feststellen, aus der sich ergibt, in welchem Verhältnis die gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Haftungszeitraum zu den geleisteten Zahlungen stehen. In diesem Verhältnis hätte nach korrekter Anmeldung der Umsatzsteuer auch die Umsatzsteuervorauszahlung geleistet werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172). Sofern die Haftung -- mangels nicht erweislichen Vorsatzes -- nur auf die §§ 34, 69 AO 1977 gestützt werden kann, trägt das FA grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der zu ermittelnden Grundlagen für die Festsetzung der Haftungsquote (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1989 VII R 81/87, BFHE 157, 315, BStBl II 1990, 357; vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657).
Das FG wird diese Feststellungen nachzuholen haben.
b) In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß bei der Ermittlung des anteiligen Haftungsbetrages konkursrechtliche Gesichtspunkte, die eine bestimmte Rangfolge bei der Befriedigung der Verbindlichkeiten, insbesondere auch einen Vorrang für die Befriedigung von Steuerforderungen vorschreiben (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 KO), nicht zu berücksichtigen sind. Denn diese Vorschriften gelten ausdrücklich nur für Konkursforderungen, d. h. erst ab Eröffnung des Konkursverfahrens (vgl. BFH-Urteile in BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172, und vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776).
Selbst wenn der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gemäß § 64 GmbHG verpflichtet gewesen wäre, die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu beantragen, käme nicht deswegen die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Rangfolge bei der Befriedigung von Konkursforderungen nach § 61 KO für die Bemessung seiner anteiligen Haftung in Betracht (a. A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 1993 9 K 112/89 in Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 75). Das folgt schon daraus, daß die Konkursantragspflicht des Geschäftsführers der GmbH nach § 64 GmbHG keine steuerliche Pflicht i. S. des § 34 AO 1977 ist, deren Verletzung in diesem Zusammenhang allein erheblich sein könnte, sondern es sich dabei um eine allgemeine handelsrechtliche Pflicht des Geschäftsführers der GmbH handelt. Die Verletzung einer handelsrechtlichen Pflicht kann aber eine Haftung nach den §§ 34, 69 AO 1977 nicht begründen (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 34 AO 1977 Rz. 39), noch kann sie deren Umfang in irgendeiner Weise beeinflussen. Aus dem Urteil des BFH in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 läßt sich nichts anderes entnehmen. Darin wird nur ausgeführt, bis zu welchem Zeitpunkt von dem Geschäftsführer der GmbH die angemessene Tilgung der Umsatzsteuerschulden der GmbH verlangt werden kann.
c) Außerdem wird das FG auch zu überprüfen haben, ob der von ihm zugrunde gelegte Haftungszeitraum zutreffend ist. Zu diesem Haftungszeitraum ist das FG gekommen, weil es nicht abschließend entschieden hat, ob die GmbH verpflichtet gewesen wäre, für die von ihr angeforderten Abschlagszahlungen (gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) schon zu einem früheren Zeitpunkt als November 1987 entstandene Umsatzsteuer in dem betreffenden Voranmeldungszeitraum anzumelden und am 10. des folgenden Kalendermonats zu zahlen. Falls sich die Möglichkeiten der GmbH zur gleichmäßigen Befriedigung ihrer Gläubiger in dem Zeitraum zwischen der Rechnungsstellung für die jeweiligen Abschlagszahlungen und dem 10. Dezember 1987 entscheidend verschlechtert haben sollten, wäre nicht erst auf den letzteren Zeitpunkt und die Zeit danach abzustellen, sondern müßte auch der davorliegende Zeitraum als Haftungszeitraum berücksichtigt werden (zur Bestimmung des maßgebenden Zeitpunkts vgl. Senatsurteil in BFHE 154, 206, BStBl II 1988, 980). In bezug auf den danach maßgebenden gesamten Haftungszeitraum wäre dann festzustellen, in welchem Umfang die GmbH bei pflichtgemäßem Verhalten ihres Geschäftsführers in Anbetracht der auf ihre Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen durchschnittlich zur gleichmäßigen Befriedigung des FA neben den übrigen Gläubigern verpflichtet gewesen wäre. Bei der anzustellenden Vergleichsrechnung sind freilich die ausgezahlten Vorsteuerbeträge nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie einen von dieser Vergleichsrechnung unabhängigen Haftungsbetrag darstellen.
Fundstellen