Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Verwirklichung des Tatbestandes der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, wenn nur ein Miteigentümer vermietet
Leitsatz (NV)
Bei der Prüfung, ob Miteigentümer den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung gemeinschaftlich verwirklicht haben, reicht es nicht aus, auf das ggf. nur intern wirkende Einverständnis eines Miteigentümers mit der Verwaltung durch den anderen abzustellen; maßgeblich ist, dass beide Miteigentümer durch den Mietvertrag berechtigt und verpflichtet werden.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 99 Abs. 3, § 743 Abs. 1, § 744 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr früherer Ehemann (der Beigeladene) erwarben 1980 als Miteigentümer zu je 1/2 ein Mehrfamilienhaus. Dessen Verwaltung übernahm von Anfang an der Beigeladene. Er schloss die Mietverträge ab und vereinnahmte die Mieten, an denen er die Klägerin mit einem monatlichen Betrag von 900 DM beteiligte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) rechnete der Klägerin Einkünfte aus der Vermietung des Hauses zur Hälfte zu und stellte sie u.a. für das Streitjahr (1991) gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen gesondert und einheitlich fest.
Gegen den Feststellungsbescheid legte die Klägerin mit dem Begehren Einspruch ein, ihr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines klageabweisenden Urteils aus, der Klägerin sei das Verhalten des Beigeladenen zuzurechnen, denn sie sei auch nach der Scheidung damit einverstanden gewesen, dass der Beigeladene allein das Mietshaus verwalte.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihr seien keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzurechnen, weil der Beigeladene allein und im eigenen Namen gehandelt habe und nur er aus den abgeschlossenen Mietverträgen berechtigt und verpflichtet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1991 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung führt es aus, bei Grundstücksgemeinschaften seien die Einnahmen und Werbungskosten grundsätzlich und auch im Streitfall nach Miteigentumsanteilen aufzuteilen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat der Klägerin zu Unrecht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne ausreichende Feststellungen zugerechnet.
1. Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen; er muss Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag sein (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82; vom 17. Dezember 1996 IX R 30/94, BFHE 182, 170, BStBl II 1997, 406; vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615). Festzustellen, wer den Tatbestand der jeweiligen Einkunftsart erfüllt hat, ist vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte (BFH-Urteil in BFHE 190, 82).
Bei Miteigentümern muss dementsprechend zunächst geprüft werden, ob diese z.B. ein Gebäude oder einen Gebäudeteil gemeinschaftlich vermietet und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht haben. Einer Vereinbarung zwischen Miteigentümern, wonach z.B. lediglich ein Miteigentümer das betreffende Wirtschaftsgut zum Zwecke der Vermietung nutzen soll, kann in diesem Zusammenhang dann Bedeutung zukommen, wenn aufgrund der Vereinbarung tatsächlich nur der eine Miteigentümer vermietet. In diesem Fall stellt sich die Frage nach der Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte nicht mehr, weil nur der eine Miteigentümer alleine den ―objektiven― Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 190, 82).
2. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Maßstäben.
Das FG hat der Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet, aber nicht entschieden, ob überhaupt die äußeren Merkmale einer Vermietertätigkeit i.S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gegeben waren.
Für eine Zurechnung der Tätigkeit des Beigeladenen reicht es nicht aus, wenn das FG auf ein auch nach der Scheidung fortwirkendes Einverständnis der Klägerin mit der alleinigen Verwaltung durch den Beigeladenen abstellt. Denn aus ihrer Zustimmung mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes allein kann man nicht folgern, sie sei auch im Außenverhältnis gegenüber den Mietern berechtigt und verpflichtet worden.
Das FG hat nicht geprüft, ob die Klägerin zusammen mit dem Beigeladenen Vermieterin z.B. dadurch geworden war, dass der Beigeladene im Rahmen seiner Verwaltung des Hauses zugleich im Namen der Klägerin aufgetreten ist. Diese Feststellungen wird das FG nachholen müssen. Gelangt es dabei zu dem Ergebnis, der Beigeladene habe nicht in offener Stellvertretung für die Klägerin gehandelt, wird es weiter zu prüfen haben, ob der Beigeladene als mittelbarer oder verdeckter Vertreter angesehen und sein Verhalten der Klägerin steuerrechtlich zugerechnet werden kann. Das dürfte der Fall sein, wenn der Beigeladene mit Wissen und Wollen der Klägerin die Mietverträge abgeschlossen und durchgeführt hat und jedenfalls auch auf ihre Rechnung tätig geworden ist (vgl. dazu das BFH-Urteil in BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615). In diesem Zusammenhang wird es darauf ankommen, auf welcher Rechtsgrundlage der Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen auf Zahlung von 900 DM beruht. Die Klägerin trägt wirtschaftlich die Rechte und Pflichten der Mietverhältnisse nur dann, wenn sie an den Risiken beteiligt ist, die sich aus der Vermietung ergeben. Daran fehlt es, wenn sich ihr Anspruch auf Zahlung eines monatlich festliegenden Betrages richtet, den der Beigeladene unabhängig vom jeweils erwirtschafteten Mietertrag zahlen muss. In diesem Fall kann auch eine Vereinbarung infolge der Scheidung gegeben sein, so dass die Einnahmen bereits aus diesem Grund nicht durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlasst wären (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 IX R 68/89, BFHE 170, 134, BStBl II 1993, 434).
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang ermitteln müssen, wer tatsächlich Träger von Rechten und Pflichten aus den Mietverträgen war.
Fundstellen
Haufe-Index 846328 |
BFH/NV 2002, 1556 |