Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein steuerbegünstigter Rettungserwerb im Sinn des § 9 Abs. 1 GrEStG liegt nicht vor, wenn die Grundpfandgläubigerin eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, Erwerber des Grundstücks aber ein Gesellschafter ist.
Ist Gläubigerin des Grundpfandrechts eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, so wird ein Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft erst dann Grundpfandgläubiger im Sinn des § 9 Abs. 1 GrEStG, wenn ihm das Pfandrecht rechtswirksam abgetreten worden ist.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 1, § 9/4, § 9/5; StAnpG § 11 Ziff. 5
Tatbestand
der Beschwerdeführer (Bf.) erwarb das in Betracht kommende Grundstück durch Zuschlagsbeschluß vom 12. Dezember 1951. Auf dem Grundstück war zugunsten einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, bestehend aus dem Bf. und dem Rechtsanwalt Dr. X., eine Hypothek von 10.000 DM eingetragen. Im Einspruchsverfahren machte der Bf. geltend, daß die Voraussetzungen für einen steuerbegünstigten Rettungserwerb im Sinne des § 9 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gegeben seien. Der Einspruch war erfolglos, weil der Grundpfandgläubiger und der Erwerber des Grundstücks nicht als personengleich angesehen wurden.
Im Berufungsverfahren führte der Bf. aus, daß ausschließlich er der Gläubiger des Grundpfandrechts gewesen sei. Er und der Rechtsanwalt Dr. X seien zugleich in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Gläubiger einer Hypothek auf einem anderen Grundstück des Voreigentümers gewesen, die ebenfalls über 10.000 DM lautete. Um zwischen den Gesellschaftern klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, sei im Mai 1951 vereinbart worden, daß er, der Bf., die Hypothek auf dem hier in Betracht kommenden Grundstück und Rechtsanwalt Dr. X. die Hypothek auf dem anderen Grundstück übernehmen solle. Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht war der Ansicht, daß die in Betracht kommende Hypothek dem Bf. nicht abgetreten worden sei.
Mit der Rechtsbeschwerde weist der Bf. darauf hin, daß es einen Grundsatz der Publizität bei Auflösung von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts nicht gebe. Jede Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern einer solchen Gesellschaft bestehe in der Vereinbarung, die Gesellschaft solle nicht fortbestehen, und in der Aufteilung des Gesellschaftsvermögens.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Ein steuerbegünstigter Rettungserwerb im Sinn des § 9 Abs. 1 GrEStG liegt, wie der Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, nur dann vor, wenn "der Grundpfandgläubiger" das zur Rettung seines Rechts mit dem Pfandrecht belastete Grundstück in der Zwangsversteigerung erwirbt. Im vorliegenden Fall waren jedoch Grundpfandgläubiger und Erwerber des Grundstücks nicht personengleich.
Dazu sei ergänzend ausgeführt: Der Reichsfinanzhof hat, soweit das GrEStG 1927 in Betracht kam, gleichfalls die Auffassung vertreten, daß die Steuervergünstigung nur gelte, wenn Erwerber und Grundpfandgläubiger dieselbe Person seien; auf das Urteil II A 372/32 vom 20. September 1932 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1932 S. 1038) wird Bezug genommen. Unwesentlich erscheint, daß in dem dort entschiedenen Fall die Gesellschaft das für den Gesellschafter mit einem Grundpfandrecht belastete Grundstück erwarb, der Sachverhalt also umgekehrt lag als der hier gegebene. Siehe auch Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Auflage, 1936, S. 350, und Jahn, Das Grunderwerbsteuergesetz, 1936, S. 242. Entsprechendes muß für das inzwischen in Kraft getretene GrEStG 1940 gelten, da die Vorschriften beider Gesetze insoweit inhaltlich nicht voneinander abweichen.
Allerdings ist im § 11 Ziff. 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) bestimmt, daß Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten so zugerechnet werden, wie wenn diese nach Bruchteilen berechtigt wären. Daraus könnte gefolgert werden, daß auch die in Betracht kommende Hypothek jedem Hypothekengläubiger zu einem Bruchteil zugerechnet werden müßte, und daß das Grundstück zur Rettung eines solchen Bruchteils erworben wurde. § 11 StAnpG gilt jedoch, wie die Eingangsworte zu dieser Vorschrift ergeben, nur dann, wenn "nichts anderes bestimmt ist". Eine abweichende Regelung besteht aber für die Grunderwerbsteuer. Wie der Reichsfinanzhof durch Urteil Gr.S. 4/22 vom 9. April 1923 (Slg. Bd. 12 S. 76) und später in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (so z. B. durch die Urteile II A 320/25 vom 10. Juli 1925, Slg. Bd. 17 S. 40, und II A 409/33 vom 18. Mai 1934, Slg. Bd. 36 S. 151, RStBl 1934 S. 957), ist die Gesamthand für die Grunderwerbsteuer 1927 - ähnlich einer juristischen Person - als selbständiger Rechtsträger anzusehen. Diese Betrachtungsweise gilt nicht nur, soweit zu beurteilen ist, wem das Eigentum an einem Grundstück zusteht, sondern auch dann, wenn es darauf ankommt, wem ein Grundpfandrecht gehört (vgl. dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 301/35 vom 5. Juni 1936, RStBl 1936 S. 748). Die angeführte Rechtsprechung betrifft zwar das GrEStG 1927; die gleichen Grundsätze müssen aber für das jetzt anwendbare GrEStG 1940 gelten, da die Gründe, die zu jener Rechtsprechung geführt haben, unverändert fortbestehen.
Eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GrEStG ist somit nicht erfüllt.
Andererseits kann das Vorbringen des Bf., daß die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vor der Zwangsversteigerung aufgelöst und die Hypothek im Wege der Auseinandersetzung von ihm übernommen sei, nicht als begründet anerkannt werden. Zutreffend ist, daß die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts registergerichtlich nicht eingetragen wird und deshalb durch Vereinbarung der Gesellschafter aufgelöst wird, ohne daß darüber eine Veröffentlichung stattfindet. Nach § 730 Abs. 2 BGB gilt die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts trotz der Auflösung als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Im Falle der Auflösung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts tritt also nicht sofort eine Vollbeendigung der Gesellschaft ein; vielmehr ist die Gesellschaft bis zur Durchführung der Auseinandersetzung als Auseinandersetzungsgesellschaft anzusehen (vgl. dazu Palandt, BGB, 15. Auflage, 1956, Vorbemerkung vor § 723 - S. 584 -).
Im vorliegenden Fall konnte die Auseinandersetzung nur in der Weise durchgeführt werden, daß dem Bf. die in Betracht kommende Hypothek rechtswirksam abgetreten wurde. Das Finanzgericht hat diese Rechtsgrundsätze keinesfalls verkannt. Insbesondere hat es festgestellt, daß eine förmliche Abtretung in dem vorstehend bezeichneten Sinn nicht stattgefunden hat. Ein Rechtsirrtum ist nicht ersichtlich; ein Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten liegt nicht vor. Auch der Bf. hat nicht behauptet, daß eine dahingehende Abtretung vorgenommen wurde.
Sonstige Gründe, die die Rechtsbeschwerde rechtfertigen können, sind aus den Akten nicht zu entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 408522 |
BStBl III 1956, 285 |
BFHE 1957, 229 |
BFHE 63, 229 |