Leitsatz (amtlich)
Werden von dem Konkursverwalter Wirtschaftsgüter, für die Investitionszulage gewährt worden ist, vor Ablauf von drei Jahren aus dem Anlagevermögen einer Westberliner Betriebstätte (der Konkursmasse) veräußert, so bildet der Anspruch des FA auf Rückzahlung der Investitionszulage eine Masseschuld, für die der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben ist.
Normenkette
BHG 1964 § 19; KO § 14 Abs. 1, § 146 Abs. 5
Tatbestand
Das FA hatte der GmbH in Berlin in den Jahren 1964 bis 1966 für die Beschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Investitionszulagen gewährt. Über das Vermögen der GmbH wurde am 1. September 1967 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde als Konkursverwalter eingesetzt. Am 5. September 1967 gab er den Betrieb der GmbH auf und veräußerte danach das gesamte bewegliche Anlagevermögen. Der größte Teil dieser Wirtschaftsgüter wurde an ein Unternehmen im Schwarzwald veräußert.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 1967 forderte das FA Investitionszulagen in Höhe von insgesamt rd. 22 790 DM für diejenigen begünstigten Wirtschaftsgüter zurück, die vor der Veräußerung noch nicht drei Jahre zum betrieblichen Anlagevermögen der GmbH gehört hatten. Im Rückforderungsbescheid vertrat das FA die Auffassung, daß der Rückzahlungsanspruch zu den Massekosten gehöre.
Mit seinem Einspruch macht der Kläger geltend, daß der Rückforderungsanspruch nicht zu den Massekosten gehöre. Die Rückforderung der Investitionszulagen beruhe auf einem Schadensersatzanspruch, weil die GmbH die Verpflichtung zum dreijährigen Verbleib der Wirtschaftsgüter in einem Anlagevermögen in Berlin nicht eingehalten habe. Das Ausscheiden aus dem Anlagevermögen sei eine unmittelbare Folge des Konkurses gewesen. Schadensersatzansprüche gehörten zu den Konkursforderungen. Im übrigen könne die Feststellung, die Rückforderungsansprüche gehörten zu den Massekosten, nicht in einem Rückforderungsbescheid, sondern nur in einem Streitverfahren vor den ordentlichen Gerichten getroffen werden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger des weiteren geltend, daß das FA die Rückforderungsansprüche zur Konkurstabelle als Konkursforderungen hätte anmelden müssen. Es handele sich hier um Konkursforderungen, weil die Investitionszulagen von vornherein unter der auflösenden Bedingung der dreijährigen Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Berliner Betriebes gegeben worden seien. Masseverbindlichkeiten lägen nicht vor, weil die Ansprüche weder aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters noch durch die Verwertung der Konkursmasse entstanden seien; vielmehr handle es sich um Verbindlichkeiten, die die absonderungsberechtigte Bank, der die Wirtschaftsgüter zur Kreditsicherung übereignet gewesen seien, durch deren Verwertung habe entstehen lassen.
Das FG hielt den Finanzrechtsweg nach § 19 Abs. 8 BHG 1964 i. d. F. des § 164 Nr. 3 FGO vom 6. Oktober 1965 (BGBl I 1965, 1477, BStBl I 1965, 564) für gegeben. Es wies die Klage als unbegründet ab und führte u. a. aus: Der Rückforderungsanspruch sei nach § 19 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BHG 1964 mit dem Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb in Berlin entstanden, d. h. im Streitfall nach der Konkurseröffnung am 1. September 1967 und spätestens Ende September 1967. Im Hinblick darauf, daß die Wirtschaftsgüter nach § 19 BHG drei Jahre nicht nur zum Betrieb in Berlin (West), sondern zugleich zum Anlagevermögen eines Betriebes gehören müßten, um den Zulageanspruch zu verwirklichen, müsse im Auslegungswege bereits das Ausscheiden aus dem Anlagevermögen den Rückforderungsanspruch entstehen lassen. Zur Zeit der Konkurseröffnung hätten sich alle fraglichen Wirtschaftsgüter als bewegliches Anlagevermögen im Betrieb der GmbH in Berlin befunden. Sie wären auch am 5. September 1967 bei der Einstellung des Betriebes noch vorhanden gewesen und nach dieser Maßnahme als Umlaufvermögen zu betrachten. Spätestens mit der Veräußerung an einen westdeutschen Betrieb seien diese Wirtschaftsgüter am 22. September 1967 aus dem Betrieb in Berlin ausgeschieden.
Mit der Revision rügt der Konkursverwalter insbesondere, daß das FG den Finanzrechtsweg bejaht hat. Er hält für die Entscheidung den Rechtsweg nur zu den ordentlichen Gerichten für gegeben. Er meint, kompetent zur Entscheidung darüber, was Massekosten, Masseschulden, bevorrechtigte oder gewöhnliche Konkursforderungen seien, seien allein die ordentlichen Gerichte. Dies folge aus der systematischen Einordnung des Konkursrechts in das Zivilrecht. Im Gegensatz zum allgemeinen Zwangsvollstreckungsverfahren sei es Zweck des Konkursverfahrens, eine billige und innerhalb der von der KO geschaffenen Rangordnung gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen. Welchen Status die einzelnen Gläubiger hätten, ob sie der Staat oder nur ein einfaches Privatsubjekt seien, spiele keine Rolle. Die Rangordnung: Massegläubiger, bevorrechtigte Konkursgläubiger, einfache Konkursgläubiger beruhe nicht auf Statuserwägungen. Diese Gleichordnung würde beeinträchtigt, wenn einem Gläubiger wie hier dem Staat, ein Privileg zugebilligt würde, das nicht aus der Konkursordnung folge und keinem anderen Gläubiger sonst zustehe, nämlich selbst zu bestimmen, in welcher Rangfolge seine Forderungen aus der Konkursmasse zu befriedigen seien, vorweg oder nur im Verhältnis zu den Ansprüchen anderer konkurrierender Gläubiger. Auch ein einfacher Gläubiger könne seine Forderung als Masseforderung geltend machen. Lehne der Konkursverwalter aber ab, sie als solche zu befriedigen, so müsse er die Initiative ergreifen und auf Zahlung aus der Masse klagen. Er müsse also das ordentliche Gericht zur Entscheidung anrufen. Dieses Verhältnis würde umgekehrt, billigte man der Steuerbehörde zu, in einem vollstreckbaren Bescheid selbst zu bestimmen, welche ihrer Forderungen Massekosten seien. Die Eigenschaft einer Forderung als Masseforderung nehme nicht an dem hoheitlichen Charakter der Forderung teil. Sie bestimme nur, in welchem Verhältnis zu anderen Gläubigern, denen gegenüber der Staat keine hoheitlichen Befugnisse habe, die Forderung zu befriedigen sei. Die Situation sei die gleiche wie im Fall des Konkursvorrechtes nach § 61 KO. Hierzu habe der BFH entschieden, daß nicht der Steuerrechtsweg, sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben sei, die Steuerbehörden also nicht befugt seien, in ihren Festsetzungsbescheiden mit vollstreckbarer Wirkung zu bestimmen, welche ihrer Forderungen Masseforderungen seien und welche nicht (BFH-Urteil VI 13/64 S vom 29. Juni 1965, BFH 82, 678, BStBl III 1965, 491).
Hilfsweise rügt die Revision, daß die Rückforderungsansprüche Massekostenforderungen seien. Eine Forderung, die vor Konkurseröffnung begründet worden sei, könne keine Massekostenforderung sein. Der Rückforderungsanspruch nach § 19 BHG sei ein bedingter Anspruch, der im Augenblick der Auszahlung der Investitionszulage unter der aufschiebenden Bedingung begründet worden sei, daß die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre in einem Berliner Betrieb verblieben. Nach § 19 Abs. 5 BHG sei der Rückforderungsanspruch von der aufschiebenden Bedingung des Fortschaffens der Wirtschaftsgüter von Berlin abhängig. Damit sei die Rückforderung der Investitionszulagen schon im Augenblick der Zahlung der Zulagen begründet, so daß sie nicht als Massekosten, sondern nur als Konkursforderung geltend gemacht werden könnten. Folge man dieser Auffassung nicht, dann wäre der Rückforderungsanspruch spätestens mit Eintritt der Umstände begründet, die zwangsläufig und unausweichlich zur Eröffnung des Konkursverfahrens geführt hätten. Das sei die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners.
Das FA verweist in seiner Stellungnahme, mit der es beantragt, die Revision abzuweisen, auf das Urteil des Senats VI R 46/68 vom 24. Mai 1968 (BFH 92, 396, BStBl II 1968, 473), nach dem für den Rückforderungsanspruch maßgebend das Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Anlagevermögen des Betriebes sei. Das sei hier am 5. September 1967 mit der Aufgabe des Geschäftsbetriebes durch den Konkursverwalter geschehen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat den Finanzrechtsweg mit Recht für gegeben erachtet. Der Einwand des Klägers, daß zur Entscheidung darüber, was Massekosten und Masseschulden seien, die ordentlichen Gerichte ebenso kompetent seien wie für die Beurteilung des Vorrechts von Konkursforderungen, trifft nicht zu. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob nach Inkrafttreten der mit der FGO neu eingeführten Vorschrift des § 226a AO noch an dem Urteil des erkennenden Senats VI 13/64 S vom 29. Juni 1965 (a. a. O.) festgehalten werden kann, daß für die Entscheidung über das Vorrecht auch einer steuerlichen Konkursforderung die ordentlichen Gerichte zuständig seien (vgl. auch den Beschluß des BGH I AZR 324/70 vom 22. Januar 1971, HFR 1971, 169). Im Streitfall hat das FA den Kläger als Konkursverwalter aus einer Masseforderung in Anspruch genommen. Massegläubiger werden von den für Konkursgläubiger geltenden Einschränkungen nicht betroffen. Wird eine Forderung als Masseforderung im Sinne des § 57 KO geltend gemacht, so findet insbesondere auch § 14 Abs. 1 KO keine Anwendung, der für die Dauer des Konkursverfahrens Zwangsmaßnahmen gegen die Konkursmasse ausschließt (vgl. Kommentar zur Konkursordnung, Lent bei Jaeger, 8. Aufl., § 14 Tz. 7, und Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Becker-Riewald-Koch, 9. Aufl., Bd. IV nach § 381 Anm. 9 (1), ferner Entscheidung des Reichsgerichts VI 526/04 vom 26. Juni 1905, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 61 S. 259 [261]).
Das FG hat im Streitfall auch zutreffend das Vorliegen eines Masseanspruchs bejaht. Der Rückforderungsanspruch wäre eine Konkursforderung nur dann, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter bereits vor der Konkurseröffnung aus dem Anlagevermögen ausgeschieden wären. Das ist hier aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BHG entsteht der Rückforderungsanspruch mit dem Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Anlagevermögen. Bei dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ist für die Rechtsauffassung des Klägers, bereits bei Konkurseröffnung hätten bedingte Rückforderungsansprüche des FA bestanden, die mit der Gewährung der Investitionszulagen unter einer aufschiebenden Bedingung begründet worden seien, kein Raum. Auch durch die Übereignung der streitigen Wirtschaftsgüter zur Sicherheit an einen Gläubiger ist kein Rückforderungsanspruch des FA vor Konkurseröffnung entstanden. Durch die Sicherungsübereignung hatte sich an ihrer Zugehörigkeit zum Anlagevermögen des Betriebsinhabers nichts geändert, weil nach § 11 Nr. 1 StAnpG, der hier nach § 19 Abs. 7 BHG eingreift, diese Wirtschaftsgüter weiterhin dem "Veräußerer" zuzurechnen waren. Daran, daß die hier vorliegenden Verbindlichkeiten erst durch die Versilberungshandlungen des Klägers in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter ausgelöst worden sind, kann nach dem Urteil des Senats VI R 46/68 vom 24. Mai 1968 (a. a. O.) schon deshalb kein Zweifel bestehen, weil er die Wirtschaftsgüter nach außerhalb verkauft hat, während eine Veräußerung zum Übergang in das Anlagevermögen eines anderen Westberliner Betriebes unschädlich gewesen wäre und das Entstehen des Rückforderungsanspruches nicht ausgelöst hätte. Bei dieser Rechtslage läßt es der Senat dahingestellt, ob bereits die Betriebseinstellung durch den Konkursverwalter zu einem Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Anlagevermögen und damit zur Entstehung des Rückforderungsanspruchs geführt hätte. Sind aber die Verbindlichkeiten erst durch die Handlungen des Klägers entstanden, so handelt es sich um Masseschulden im Sinne des § 59 Nr. 1 KO (und nicht um Massekosten im Sinne des § 58 Nr. 2 KO).
Fundstellen
Haufe-Index 69497 |
BStBl II 1971, 582 |
BFHE 1971, 339 |