Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbteilserwerb als entgeltlicher Erwerb von Mitunternehmeranteilen
Leitsatz (NV)
1. Der Erwerb von Erbanteilen durch einen Miterben gegen Zahlung von Abfindungen an die weichenden Miterben ist einkommensteuerrechtlich als entgeltlicher Erwerb von Mitunternehmeranteilen zu beurteilen, wenn zum Nachlaß ein gewerbliches Unternehmen gehört.
2. Das gilt auch, wenn der Miterbe die Erbanteile nicht aufgrund eines Kaufvertrags mit den übrigen Miterben, sondern durch Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber einem Dritten (§ 2035 BGB) erwirbt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16; BGB § 2034 ff.
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) betrieb bis zu seinem Tode am . . . 1979 auf dem Grundstück S-Straße in A. ein . . . unternehmen. Er wurde von der Klägerin zur Hälfte und von seinen beiden Töchtern, den Stieftöchtern der Klägerin, zu je einem Viertel beerbt. Die Klägerin führte das . . . unternehmen bis zum 20. Juni 1981 als Einzelunternehmen fort. Die bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden ihr bei der Besteuerung allein zugerechnet.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Oktober 1980 verkauften die Töchter des Erblassers ihre Erbteile zum Kaufpreis von je 90 000 DM an den Kaufmann Y (Erwerber) in B. In § 2 dieses Vertrages wurde zugleich der dingliche Übergang der Erbteile auf den Erwerber vereinbart.
Mit Schreiben an den Erwerber vom 17. Dezember 1980 übte die Klägerin ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nach §§ 2034 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus. Das Angebot des Erwerbers vom 30. Januar 1981 auf Übertragung der Erbteile nahm die Klägerin am 9. Februar 1981 an.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 24. August 1981 veräußerte die Klägerin das Unternehmen zum 30. Juni/1. Juli 1981 an den Kaufmann Z gegen Zahlung eines Betrages von 200 000 DM für die Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens sowie gegen Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten in Höhe von 32 622,91 DM. Das zu einem Drittel betrieblich genutzte Grundstück S-Straße wurde an den Käufer des Betriebs langfristig vermietet.
Die Buchwerte der vom Käufer übernommenen Aktiva betrugen nach der Schlußbilanz auf den 30. Juni 1981 110 776,33 DM. Der Verkehrswert des bebauten Grundstücks S-Straße war durch ein auf das Jahr 1979 bezogenes Gutachten auf 380 000 DM festgestellt worden. Aufgrund dieser - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Wertansätze errechnete die Klägerin in ihrem Schreiben an den Beklagten und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) einen Aufgabegewinn für den betrieblich genutzten Teil des Grundstücks S-Straße in Höhe von 86 167 DM und einen Veräußerungsgewinn für die übrigen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens von 121 846,58 DM. Nach Abzug der Veräußerungskosten von 4 616,25 DM ergab sich ein Veräußerungsgewinn von 203 397,33 DM.
Die Klägerin beantragte, diesen Betrag um den Teil des von ihr gezahlten Kaufpreises für den Erwerb der Erbteile ihrer Stieftöchter zu kürzen, der auf die zum Nachlaß gehörigen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entfällt. Diesen Anteil ermittelte die Klägerin aus einer Gegenüberstellung des Verkehrswertes des gesamten Nachlasses (nach ihren Angaben: 612 622,91 DM) und des Verkehrswertes des Unternehmens (nach ihren Angaben: 359 289,67 DM); daraus ergab sich ein Anteil der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens am gesamten Nachlaß von 58,65 v. H. Der Veräußerungsgewinn von 203 397,33 DM sei somit um den Betrag von 105 570 DM (58,65 v. H. von 180 000 DM) zu vermindern und auf 97 827 DM festzustellen. Das FA folgte dem nicht, sondern stellte den Veräußerungsgewinn in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 1981 auf 203 397 DM fest.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat Klage erhoben, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Es stellte den Veräußerungsgewinn antragsgemäß auf 97 827 DM fest und führte aus, das FA habe bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu Unrecht die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Erwerb der Erbteile ihrer Stieftöchter unberücksichtigt gelassen. Die Buchwerte des Betriebsvermögens hätten sich vor der Veräußerung um den Betrag von 105 570 DM erhöht. Um diesen Betrag sei der Veräußerungsgewinn niedriger festzustellen.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 16 Abs. 2 und 4, § 5 EStG).
Entscheidungsgründe
Der erkennende Senat hat durch Beschluß vom 18. Oktober 1988 in dieser Sache den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) angerufen; auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Der Große Senat hat durch Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) über die Vorlage entschieden; auf den Inhalt des Beschlusses GrS 2/89 wird gleichfalls Bezug genommen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Ermittlung des streitigen Veräußerungsgewinns im finanzgerichtlichen Urteil ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs ist dem vereinbarten Veräußerungspreis der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Veräußerung gegenüberzustellen. Der Wert des Betriebsvermögens ist nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Bezugnahme auf §§ 4 Abs. 1, § 5 EStG bedeutet, daß die allgemeinen steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften auch bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu beachten sind (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1980 I R 119/78, BFHE 133, 22, BStBl II 1981, 460). Die Wertansätze in der Schlußbilanz auf den 30. Juni 1981 entsprechen diesen Vorschriften nicht, weil die Anschaffungskosten, die die Klägerin für den Erwerb der Anteile der Töchter des Erblassers am Betriebsvermögen aufgewendet hat, bei der Bewertung der aktiven Bilanzposten nicht berücksichtigt wurden.
2. Der Annahme eines entgeltlichen Erwerbs steht nicht entgegen, daß die Klägerin die Erbanteile der übrigen Miterbinnen im Zusammenhang mit der Auflösung der Erbengemeinschaft erworben hat. Der BFH ist bisher allerdings in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß Erbfall und Erbauseinandersetzung einkommensteuerrechtlich eine Einheit bilden. Geldabfindungen, die der Übernehmer eines zum Nachlaß gehörigen Betriebs an weichende Miterben leistete, wurden ebenso wie der Erbfall der Privatsphäre zugeordnet und deshalb weder als Anschaffungskosten beim übernehmenden Miterben, noch als Veräußerungserlös beim weichenden Miterben angesehen (vgl. die Nachweise im Beschluß des erkennenden Senats vom 19. Oktober 1988 VIII R 172/85 unter B.II.2.). Diese Rechtsauffassung hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) aufgegeben. Die Erbauseinandersetzung wird nunmehr auch einkommensteuerrechtlich als selbständiger Rechtsvorgang beurteilt. Abfindungszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung und Aufwendungen für den Erwerb des Erbteils eines Miterben führen beim Leistenden grundsätzlich zu Anschaffungskosten.
Besonderheiten sind zu beachten, wenn zum Nachlaß ein gewerbliches Unternehmen gehört. Dieses wird Gesamthandsvermögen der Erben; die Erbengemeinschaft ist nach dem Erbfall Träger des Unternehmens. Auch in steuerrechtlicher Hinsicht wird das Unternehmen nach dem Erbfall von den Miterben betrieben; sie sind seitdem Mitunternehmer i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Übernimmt einer der Miterben die Anteile der übrigen gegen Zahlung einer Abfindung, so ist dieser Vorgang einkommensteuerrechtlich nach den Grundsätzen zu beurteilen, die für die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gelten. Anschaffungskosten und Veräußerungsgewinn errechnen sich wie bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 843).
3. Diese Grundsätze gelten auch für den Streitfall, obwohl die Klägerin die Erbanteile nicht unmittelbar aufgrund eines Kaufvertrags mit den Miterbinnen, sondern durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts (§§ 2034 ff. BGB) erworben hat. Hätte die Klägerin ihr Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB ausgeübt, bevor die Töchter des Erblassers ihre Erbanteile auf den Erwerber dinglich übertragen hatten, so hätte sie aufgrund eines Kaufvertrags mit den veräußernden Miterbinnen erworben (§ 505 Abs. 2 BGB). Nach der dinglichen Übertragung der Erbanteile auf den Erwerber konnte sie das Vorkaufsrecht nur noch diesem gegenüber ausüben (§ 2035 Abs. 1 BGB). Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts entstand zwischen ihr und dem Erwerber ein gesetzliches Schuldverhältnis, das diesen zur Übertragung der Erbanteile auf die Klägerin verpflichtete, während diese dem Erwerber einen etwa bereits gezahlten Kaufpreis zu erstatten hatte (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 8. Mai 1952 IV ZR 163/51, BGHZ 8, 85). Bei Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 2035 BGB sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtsgeschäftlichen Wirkungen im Verhältnis zwischen dem dritten Erwerber und dem Vorkaufsberechtigten in gleicher Weise eintreten, wie wenn das Vorkaufsrecht noch gegenüber dem veräußernden Miterben hätte ausgeübt werden können: Der Erwerber scheidet mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 2035 Abs. 1 BGB aus dem Kaufvertrag aus. Er wird so behandelt, als habe er den Kaufvertrag über den Erbanteil von vornherein als Geschäftsführer ohne Auftrag im Interesse des vorkaufsberechtigten Miterben abgeschlossen (BGHZ 8, 85, 91). Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist es deshalb einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung, daß die Klägerin die Erbanteile der Töchter des Erblassers nicht unmittelbar von diesen, sondern von einem Dritten erworben hat.
4. Die Gewinnermittlung des FG entspricht nicht den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, die für das vorliegende Verfahren bindend ist (§ 11 Abs. 5 FGO).
Das FG hat bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Buchwerte des Betriebsvermögens in der Bilanz zum 30. Juni 1981 um den als Kaufpreis für die Anteile der Miterbinnen an den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ermittelten Betrag von 105 570 DM erhöht. Es hat dabei nicht berücksichtigt, daß die Klägerin ihre Aufwendungen für den Erwerb der Mitunternehmeranteile der Miterbinnen nur insoweit als Anschaffungskosten bei den bilanzierten Wirtschaftsgütern aktivieren darf, als ihre Zahlungen den Buchwert der erworbenen Anteile im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile auf die Klägerin übersteigen (BFH Urteile vom 12. Juni 1975 IV R 129/71, BFHE 116, 335, BStBl II 1975, 807; vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, BStBl II 1979, 302). Nur ein etwaiger Mehrbetrag ist bei den bilanzierten Wirtschaftsgütern, die stille Reserven enthalten, hinzuzuaktivieren. Das finanzgerichtliche Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.
5. Der erkennende Senat ist mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im finanzgerichtlichen Urteil nicht in der Lage, den Veräußerungsgewinn der Klägerin selbst festzustellen. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen nachholen wird.
a) Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist zu beachten, daß die beiden Töchter des Erblassers nach dem Erbfall als Mitunternehmerinnen zu je 1/4 am Kapital des Unternehmens beteiligt waren. Die Beteiligten haben allerdings in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH die Klägerin als Alleininhaberin des Betriebs behandelt und ihr allein die nach dem Erbfall erzielten Gewinne zugerechnet. Diese Zurechnung ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zu entscheiden ist nur über die Höhe des von der Klägerin erzielten Veräußerungsgewinns (zum Begriff des Streitgegenstandes im Gewinnfeststellungsverfahren vgl. das Senatsurteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). Nur zum Zweck der zutreffenden Ermittlung dieses Veräußerungsgewinns sind die Kapitalkonten der beiden Miterbinnen im Zeitpunkt des Erbfalls zu ermitteln und auf den Zeitpunkt des dinglichen Übergangs der Anteile auf die Klägerin (8. Februar 1981) fortzuentwickeln.
Ergeben die Feststellungen des FG, daß der Kaufpreis für die veräußerten Anteile der Miterbinnen am Betriebsvermögen deren Kapitalkonten im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt, so ist der Mehrbetrag als Anschaffungskosten für die Anteile der weichenden Miterbinnen an den stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Die auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebs fortentwickelten Buchwerte des Betriebsvermögens sind zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem Veräußerungspreis von 200 000 DM gegenüberzustellen.
b) Die Berechnung des Veräußerungsgewinns ist nach folgendem Schema vorzunehmen:
Veräußerungsgewinn 203 397,33
+ Veräußerungskosten 4 616,25
Summe 208 013,58
hiervon entfallen auf
1/3 zum Betriebsvermögen gehörendes Gebäude restliches Betriebsvermögen
86 167,00 121 846,58
gemeiner Wert Grundstück
= 380 000 davon 1/3 126 666,66 Veräußerungserlös 200 000,00
errechneter Buchwert 40 499,66 78 153,42
Buchwert insgesamt 118 653,08
1/3 Grundstück 40 499,66 KapKonto Klägerin 59 326,54
restl. Aktiva 110 776,33 KapKonto Tochter 1 29 663,27
KapKonto Tochter 2 29 663,27
Schulden 32 622,91
151 275,99 151 275,99
Die Klägerin hat die Erbteile im Wert von 290 000 DM (2 x 1/4 von 580 000 DM) für 180 000 DM erworben. Hiervon entfallen 56,32 v. H. (= 101 376 DM) auf die Mitunternehmeranteile der Töchter.
Anschaffungskosten pro Mitunternehmeranteil 50 688,00
./. Buchwert je Anteil 29 663,27
Veräußerungsgewinn je Anteil 21 024,73
Der Veräußerungsgewinn entspricht dem Betrag, um den die Buchwerte des Betriebsvermögens aufzustocken sind. In gleicher Höhe mindert sich der Veräußerungsgewinn von 203 397,33 DM.
In diesem Schema ist der Senat aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen, daß zwischen dem Zeitpunkt des Übergangs der Erbanteile auf die Klägerin und dem der Betriebsveräußerung der Wert des Betriebsvermögens unverändert geblieben ist. Die Berechnung beruht ferner auf der Annahme, daß alle Miterbinnen im Zeitraum zwischen Erbfall und Erbteilsveräußerung Entnahmen jeweils im Verhältnis ihrer Erbquoten getätigt haben und daß sie entsprechend diesem Verhältnis am laufenden Gewinn des Betriebs zu beteiligen waren. Sollten sich diese Annahmen als unzutreffend erweisen, sind die Kapitalkonten entsprechend zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 417721 |
BFH/NV 1991, 738 |