Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Passivposten in der Bilanz einer Kapitalgesellschaft höher sind als die Aktivposten, kann sich ein ausschüttungsfähiger Gewinn ergeben. Der Gewinnverteilungsbeschluß kann sich nur auf den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinn beziehen, nicht dagegen auf das steuerliche Einkommen.
Ist die Kapitalgesellschaft nach dem Schluß des Rechnungsjahres ohne Liquidation umgewandelt worden, so kann der Gewinnverteilungsbeschluß auch noch nach der Umwandlung gefaßt werden.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3
Tatbestand
Die steuerpflichtige GmbH war im Veranlagungszeitraum eine Einmann-GmbH und ist im Jahre 1959 in eine Einzelfirma ihres alleinigen Gesellschafters umgewandelt worden. Sie hat am 20. Dezember 1958 einer namentlich aufgeführten Reihe ihrer Mitarbeiter, darunter auch ihrem alleinigen und geschäftsführenden Gesellschafter und dessen im Betriebe tätigen Ehefrau, eine Versorgungszusage gegeben. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung für die Zusage an den Gesellschafter und die Ehefrau nicht an, da insoweit keine ernsthafte Verpflichtung vorliege. Außerdem versagte es den niedrigeren Steuersatz für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen (ß 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG 1958), weil ein Reingewinn im handelsrechtlichen Sinne nicht vorhanden sei. Nach § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) könne nur der sich nach der jährlichen Bilanz ergebende Reingewinn verteilt werden. Reingewinn sei der überschuß der Aktivposten über die Passivposten; hier seien die Passiva höher als die Aktiva. Ein Gewinn, dessen Verteilung hätte beschlossen werden können, liege darum nicht vor.
Nach erfolglosem Einspruch, mit dem die Nichtanerkennung der Pensionsrückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mehr bestritten wurde, hat das Finanzgericht die Pensionszusage an die Ehefrau als echte Verbindlichkeit anerkannt und den ermäßigten Steuersatz für das gesamte steuerliche Einkommen gewährt. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts rügt unrichtige Rechtsanwendung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Ehefrau unstreitig Arbeitnehmerin der GmbH ist und die steuerliche Anerkennung der ihr gegebenen Pensionszusage nicht unter Berufung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs I 11/58 S vom 5. Mai 1959 und I 4/59 S vom 4. August 1959 (BStBl 1959 III S. 369 und 374, Slg. Bd. 69 S. 286 und 299) versagt werden kann. Die bezeichneten Urteile beziehen sich nur auf Pensionszusagen an den Gesellschafter-Geschäftsführer; gleiche Grundsätze können nicht auf die Angehörigen des Gesellschafters übertragen werden. Das Finanzamt verkennt, daß auch im Falle des Urteils I 4/59 S a. a. O. der Pensionsberechtigte Gesellschafter war, während im vorliegenden Falle die pensionsberechtigte Ehefrau nicht Gesellschafterin ist. Das Geschäft ist darum auch nicht ihr Werk, das sie mit ihrem Ehemann begonnen hat und "bis zum Lebensende fortgesetzt hätte". Insofern ist die Rb. unbegründet.
Wegen des von der Vorinstanz angewandten Steuersatzes ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Ermäßigung des Steuersatzes ist nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG 1958 auf berücksichtigungsfähige Ausschüttungen beschränkt. Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind nach § 19 Abs. 3 KStG 1958 die auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen. Die Ermäßigung der Körperschaftsteuer wird von den Ausschüttungen abhängig gemacht, die auf Grund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommen werden.
Dem Bf. kann nicht zugegeben werden, daß ein ausschüttungsfähiger Reingewinn nur vorliegen kann, wenn sich ein überschuß der Aktiven über die Passiven ergibt. Nach § 30 GmbHG darf zwar das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden, andernfalls solche Zahlungen der Gesellschaft erstattet werden müssen. Das besagt aber noch nicht, daß sich nicht aus dem laufenden Geschäft, z. B. durch Verminderung der überschuldung, ein bilanzmäßiger Gewinn ergeben kann, der durch die gemäß § 41 Abs. 2 GmbHG aufzustellende Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen wird. Ein solcher Gewinn kann durch die Handelsbilanz ausgewiesen und an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Eine Ausschüttung bedarf eines Gewinnverteilungsbeschlusses. Dem Bf. kann nicht in der Ansicht beigetreten werden, ein rechtsgültiger Beschluß bestehe nicht, weil z. Z. des Beschlusses vom 15. September 1959 die Bilanz noch nicht aufgestellt gewesen sei und zur Zeit des Beschlusses vom 26. Januar 1960 die GmbH nicht mehr bestanden habe. Zum mindesten der Beschluß vom 26. Januar 1960 ist bedenkenfrei, weil es der GmbH auch im Falle der liquidationslosen Umwandlung nicht verwehrt werden kann, einen Beschluß über die Verteilung des bis zur Umwandlung angefallenen Gewinnes zu befinden. In einem solchen Falle wird die Feststellung des Gewinnes und seine Verteilung stets nach dem Umwandlungszeitpunkt liegen.
Ein Gewinnverteilungsbeschluß kann sich aber stets nur auf den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinn beziehen. Dieser Gewinn ist nicht identisch mit dem steuerlichen Begriff des Einkommens, das allein schon durch die Zu- und Abrechnungen der §§ 11 und 12 KStG vom handelsrechtlichen Gewinn abweicht. Der auszuschüttende Gewinn kann nur der Handelsbilanz entnommen werden, der im vorliegenden Falle 35 773,81 DM beträgt. Die Vorinstanz hat zwar zutreffend ausgeführt, daß außer dem bilanzmäßigen Reingewinn auch Reserven ausgeschüttet werden können, wenn sie zuvor aufgelöst und versteuert worden sind; davon kann hier keine Rede sein. Der Gewinnverteilungsbeschluß kann sich auch auf vorgetragene Gewinne beziehen, sofern solche in der Bilanz ausgewiesen sind (vgl. Hillert in "Der Betriebs-Berater" 1955 S. 411; Luedtke in Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A 1956 S. 85; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 KStG, Anm. 21). Gewinnvorträge finden sich in der hier maßgeblichen Bilanz zum 31. Dezember 1958 nicht, so daß sie auch nicht in die Beschlußfassung aufgenommen sein können.
Die Vorinstanz irrt darum, wenn sie meint, die Einhaltung der formalen Vorschriften sei eine genügende Voraussetzung für die Anerkennung des begünstigten Steuersatzes und beziehe sich auf das gesamte, der Veranlagung zugrunde gelegte Einkommen der Steuerpflichtigen. Außer den Zurechnungen durch Zahlung der Körperschaftsteuer hat das Finanzamt im vorliegenden Falle auch verdeckte Gewinnausschüttungen dem Bilanzgewinn hinzugerechnet, die nicht zum ausschüttungsfähigen Gewinn gehören. Verteilt werden kann nur der in der Handelsbilanz ausgewiesene Gewinn. Da auch die Einspruchsentscheidung in dieser Beziehung einen abweichenden Standpunkt vertritt, ist auch sie aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück; dieses hat die Handelsbilanz auf ihren Reingewinn hin zu prüfen und die Veranlagung unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze zu berichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 410810 |
BStBl III 1963, 303 |
BFHE 1963, 834 |
BFHE 76, 834 |
DStR 1962/63, 495 |