Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt eines obligatorischen Nutzungsberechtigten in bestehende Mietverträge nur durch Vereinbarung mit Zustimmung der Mieter
Leitsatz (NV)
Wird an einem vermieteten Grundstück ein obligatorisches Nutzungsrecht eingeräumt, so tritt der Nutzungsberechtigte in bestehende Mietverträge nur ein, wenn er sie durch Vereinbarung unter Zustimmung der Mieter übernimmt.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft, an der K und J beteiligt sind. Ursprünglich war deren Vater R Eigentümer eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus in Oschersleben bebauten Grundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom Juni 1991 übertrug R mit Zustimmung der Beigeladenen (seiner Ehefrau und Mutter von K und J) das Grundstück an K und J im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und behielt sich daran den Nießbrauch vor. Das Grundstück war bis zu diesem Zeitpunkt von einer VEB Gebäudewirtschaft der ehemaligen DDR als Treuhänder verwaltet worden. K, der die Verwaltung des Grundstücks übernehmen sollte, hatte den Mietern bereits im Frühjahr 1991 mitgeteilt, dass Mieten ab Juli 1991 auf ein Konto des R überwiesen werden sollten. R starb noch im Juni 1991.
Im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs war das Erdgeschoss an einen gewerblichen Mieter vermietet. Der Mietvertrag war im März 1991 von R abgeschlossen worden. Die beiden Wohnungen waren noch vom VEB an private Mieter vermietet worden. Die bestehenden Mietverträge wurden fortgeführt.
Mit privatschriftlichem Vertrag vom 1. Juli 1991 räumten K und J der Beigeladenen ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein, das aber nicht im Grundbuch eingetragen wurde. Die Beigeladene hatte danach alle Aufwendungen zu tragen, die mit dem Grundstück im Zusammenhang standen. K und J sollten die Beigeladene bei der Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten unterstützen. Dabei entstehende Kosten sollten erstattet werden. Die bestehenden Mietverträge wurden weder mit der Beigeladenen als Vermieterin neu abgeschlossen noch wurde der Eintritt der Beigeladenen in diese Mietverträge gegenüber den Mietern schriftlich angezeigt. Einer der Mieter, der die Miete für Juli 1991 noch auf das alte Konto überwiesen hatte, wurde von K auf die neue Kontoverbindung hingewiesen; als Inhaberin des Kontos war die Beigeladene angegeben. Die Kontoauszüge wiesen K, der die Verwaltung des Grundstücks übernommen hatte, als Empfänger und die Beigeladene als Inhaberin aus. K hatte zum Zwecke der Verwaltung Kontovollmacht; er führte den gesamten Schriftverkehr mit den Mietern, der Gemeinde, den Versorgungsunternehmen, der Bank, der Versicherung und den Handwerkern. Sämtliche Rechnungen lauteten auf K. Die Beigeladene bestritt vom Konto auch private Ausgaben. Im Oktober des Streitjahres (1994) schloss die Beigeladene nach dem Tod einer Mieterin einen neuen Mietvertrag ab.
Sie erklärte auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und zwar im Streitjahr 19 862 DM. Dieser Erklärung folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht, weil der Nießbrauch mangels Eintragung nicht wirksam bestellt worden sei. Das FA rechnete der Klägerin die von der Beigeladenen erklärten Einkünfte zu. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage trug sie vor, bereits im Jahr 1991 seien die Mieter mündlich durch K darüber informiert worden, dass Vermieterin nunmehr die Beigeladene gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1435 veröffentlichten Urteil gelangte das FG zu dem Ergebnis, unabhängig davon, ob alle Mieter dem Vertragsübergang auf die Beigeladene zugestimmt hätten, seien die Einkünfte ab Juli 1991 der Beigeladenen zuzurechnen. Das FG unterstellte zugunsten des FA als wahr, dass auch bei Vernehmung der Mieter als Zeugen nicht eindeutig feststellbar sein würde, ob die Mieter dem Vertragsübergang zugestimmt hätten. Von entscheidender Bedeutung sei für die Vorinstanz, dass das Konto, auf welches die Mieteinnahmen geflossen seien, unabhängig von der Verwaltungsbefugnis des K nicht nur der Beigeladenen zuzurechnen gewesen sei, sondern dass diese auch private Ausgaben über dieses Konto bestritten habe. Überdies sei der einzige nach der Grundstücksübertragung abgeschlossene neue Mietvertrag von der Beigeladenen abgeschlossen worden.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf eine Verletzung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützt. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat die Vermieterstellung der Klägerin mit unzutreffenden Erwägungen in Abrede gestellt und damit § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verletzt.
a) Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen und Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl II 2004, 898, m.w.N.). Auch demjenigen können Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zugerechnet werden, der ein schuldrechtliches Nutzungsrecht am Grundstück hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 25. April 1995 IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122).
Im Streitfall war zunächst R Vermieter und blieb dies auch nach Übertragung des Grundstücks auf K und J; denn er hatte sich einen Nießbrauch vorbehalten (§§ 577, 571 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- a.F., vgl. §§ 566, 567 BGB n.F.). Mit seinem Tod erlosch dieses Recht (§ 1061 Satz 1 BGB) und die Vermieterstellung ging auf die Eigentümer des Grundstücks, auf K und J über (§ 1056 Abs. 1 i.V.m. § 571 BGB a.F., vgl. § 566 BGB n.F.). Hier verblieb sie zunächst; denn mit der Begründung eines schuldrechtlichen Nießbrauchs zugunsten der Beigeladenen tritt diese nicht kraft Gesetzes in die Vermieterstellung ein. § 577 BGB a.F. (entspricht § 567 BGB n.F.) gilt nur für den Fall eines dinglichen Nießbrauchrechts (BFH-Urteil vom 26. April 1983 VIII R 205/80, BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502). Unabhängig davon, ob man bei einem dinglichen Nießbrauch steuerrechtlich zusätzlich noch ein Auftreten als Vermieter für geboten erachtet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Februar 1994 IX R 141/90, BFH/NV 1994, 866), ist dies jedoch zivilrechtlich und wirtschaftlich für den obligatorischen Nießbraucher erforderlich, damit dieser in die --eine Zurechnung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bedingende-- Vermieterstellung eintritt. Der schuldrechtlich zur Nutzung Berechtigte wird Vermieter nur durch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, d.h. durch eine Vereinbarung unter Zustimmung der Mieter (BFH-Urteil in BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 21 Rn. 60; Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 21 Rz. 34; aus dem zivilrechtlichen Schrifttum vgl. statt aller Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl., § 398 Rn. 38, m.w.N. auf die zivilrechtliche Rechtsprechung). Es reicht hierfür nicht aus, wenn der Mieter die Miete auf ein Konto des Nutzungsberechtigten überweist (BFH-Urteil vom 14. März 1989 IX R 107/85, BFH/NV 1989, 694).
b) Nach diesen Maßstäben konnte das FG nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Beigeladene als schuldrechtliche Nutzungsberechtigte in die Vermieterstellung der Klägerin eingetreten ist. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, dass das Konto, auf das die Mieten geflossen sind, der Beigeladenen zuzurechnen ist. Zwar hat die Beigeladene im Streitjahr selbst einen Mietvertrag abgeschlossen. Insoweit ist nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene Vermieterin mit der Folge, dass ihr auch die Einkünfte zuzurechnen sind. Das gilt aber nicht für die bei der Bestellung des Nießbrauchs bereits bestehenden Mietverträge. In diese konnte die Beigeladene nur eintreten, indem sie die Verträge rechtsgeschäftlich übernahm. Das FG hat aber nicht festgestellt, ob es zu einer dafür notwendigen Vereinbarung unter Zustimmung der Mieter gekommen ist, weil es rechtsirrtümlich nur auf das Innehaben des Mieten-Kontos abgestellt hat. Die vom FG hervorgehobene Absicht des K und des J, ihre Mutter, die Beigeladene, zu versorgen, ist als Argument für deren Vermieterstellung ebenfalls unergiebig, könnte es doch auch für nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbare Unterhaltsleistungen sprechen.
2. a) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das angefochtene Urteil aufzuheben; die Sache noch nicht spruchreif. Das FG wird in einer weiteren Verhandlung und Entscheidung der Frage nachzugehen haben, ob eine Vertragsübernahme unter Zustimmung der Mieter tatsächlich durchgeführt wurde. Hier wird es zu berücksichtigen haben, dass sich in den FG-Akten fotokopierte Urkunden befinden, nach denen einige Mieter der Vertragsübernahme bereits im Jahr 1991 zugestimmt haben. Das FG wird gegebenenfalls die Mieter als Zeugen hören müssen.
b) Das FA hat seine Revision ausdrücklich auf das Streitjahr 1994 beschränkt. Das bedeutet aber nicht, dass die ebenfalls im Betreff des angefochtenen Urteils genannte einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften des Jahres 1999 nun bestandskräftig wäre. Denn das FG hatte die diesbezüglichen Klageverfahren zwar verbunden; das angefochtene Urteil enthält auch Formulierungen (z.B. "in den Streitjahren"), die auf ein weiteres Streitjahr als das Jahr 1994 hindeuten. Indes haben das FG ebenso wie die Beteiligten in der Folge das (anhängige) Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1999 übersehen. Die Klägerin hat im Klageverfahren nur noch beantragt, den Feststellungsbescheid vom 28. Oktober 1996 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 1998 aufzuheben, die beide lediglich das Streitjahr 1994 betreffen. Auch das FG hat mit der Aufhebung dieser Verwaltungsakte nur über das Streitjahr 1994 entschieden. Damit steht eine Entscheidung für das Jahr 1999 noch aus. Der BFH muss mithin das angefochtene Urteil entsprechend dem Revisionsantrag nicht nur in Bezug auf das Streitjahr 1994 aufheben. Weil das FG nur über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Jahres 1994 entschieden hat, ist das Urteil ohne Einschränkung aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 1571995 |
BFH/NV 2006, 2046 |