Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuervergünstigung des § 1 Ziff. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 19. Juni 1958 (GVBl Nordrhein-Westfalen 1958 S. 282, BStBl 1958 II S. 105) wird nicht dadurch verbraucht, daß derjenige, der ein unbebautes Grundstück im Sinn des § 1 Ziff. 1 a. a. O. erwirbt und darauf grundsteuerbegünstigte Wohnungen errichtet, im Anschluß daran stirbt und ein Alleinerbe oder Miterben an seine Stelle treten. Unter einem "ersten Erwerb" im Sinn des § 1 Ziff. 5 a. a. O. ist ein Erwerb durch Erbfolge nicht zu verstehen.

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; nordrhein-westfälisches Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 19. Juni 1958 (GVBl Nordrhein-Westfalen 1958 S. 282, BStBl 1958

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; GrEStWGNW 1/1; GrEStWGNW 1/5

 

Tatbestand

Der Bg. erwarb durch Vertrag vom 9. Mai 1959 von der Erbengemeinschaft E. ein Grundstück, das im Jahre 1955 von dem Erblasser mit einem Eigenheim bebaut worden war.

Streitig ist, ob die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 19. Juni 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen - GV NW - 1958 S. 282, BStBl 1958 II S. 105) auf den Erwerbsvorgang anwendbar ist. § 1 Ziff. 1 und 5 dieses Gesetzes lautet:

Von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz vom 29. März 1940 (RGBl I S. 585) in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Grunderwerbsteuergesetzes und zur Aufhebung von Vorschriften über die Wertzuwachssteuer vom 28. April 1953 (GS NW S. 610) sind ausgenommen:

Der Erwerb eines unbebauten Grundstücks oder eines Grundstücks mit zerstörten Gebäuden zur Errichtung eines Gebäudes, dessen anrechenbare Grundfläche aller Räume (Wohn- und Nutzfläche) zu mehr als 66 2/3 vom Hundert auf Wohnungen und Wohnräume entfällt, die nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 25. August 1953 (BGBl I S. 1047) grundsteuerbegünstigt oder nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (BGBl I S. 523) öffentlich gefördert oder als steuerbegünstigt anzuerkennen sind. ....;

.....

.....

.....

Der erste Erwerb eines den Erfordernissen der Ziff. 1 entsprechenden Wohnhauses oder einer Wohnung durch eine Person, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zur eigenen Nutzung als Eigentumswohnung übernimmt, wenn der Erwerb innerhalb von zwölf Jahren nach der Gebrauchsabnahme erfolgt;

..... Das Finanzamt verneinte die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 5 a. a. O. und zog den Bg. unter Zugrundelegung der Gegenleistung zur Steuer heran. Das Finanzamt ist der Ansicht, der Erwerbsvorgang vom 9. Mai 1959 könne nicht mehr als erster Erwerb eines Eigenheims innerhalb von zwölf Jahren nach der Gebrauchsabnahme angesehen werden. Wie oft ein Wohnhaus Gegenstand von Erwerbsvorgängen gewesen sei, richte sich allein danach, wie oft Tatbestände des § 1 GrEStG erfüllt worden seien. Dem Erwerb des Bg. sei hier der Erwerb der Erbengemeinschaft vorangegangen. Daß dieser Eigentumsübergang gemäß § 3 Ziff. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen sei, ändere an der Beurteilung nichts.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurden die Einspruchsentscheidung sowie die Steuerfestsetzung aufgehoben und der Bg. von der Steuer freigestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist ohne Erfolg.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, was unter einem "ersten Erwerb" im Sinn des § 1 Ziff. 5 a. a. O. zu verstehen ist, insbesondere - was das Finanzgericht verneint -, ob darin auch der Erwerb durch Erbfolge zu erblicken ist.

Nach der Regelung im GrEStG ist unter einem "Erwerb" auch ein Erwerb durch Erbfolge zu verstehen. Dies folgt zweifelsfrei aus § 3 Ziff. 2 GrEStG. Dort ist bestimmt, daß der "Grundstückserwerb" von Todes wegen von der Besteuerung ausgenommen ist. Eine solche Regelung setzt voraus - darin ist dem Finanzamt zuzustimmen -, daß im Sinn des GrEStG ein Erwerbsvorgang gegeben ist. Daß auch im Streitfall der Grundstückserwerb durch die Erbengemeinschaft nach § 3 Ziff. 2 GrEStG steuerbefreit war, ist unbestritten.

Der Vorgang der Weiterveräußerung eines Eigenheims usw. durch einen Alleinerben oder die Miterben desjenigen, der das Eigenheim usw. errichtet hat, ist im § 1 Ziff. 5 des Gesetzes vom 19. Juni 1958 nicht erwähnt. Mangels abweichender Regelung wäre somit auch in dem Erwerb durch Erbfolge ein "erster Erwerb" zu erblicken, so daß die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 5 a. a. O. auf Grund der Erbfolge verbraucht wäre.

Ein derartiges Ergebnis, das dem Wortlaut des § 1 Ziff. 5 a. a. O. entsprechen würde, wird jedoch offenbar dem Sinn und Zweck dieser Befreiungsvorschrift nicht gerecht. Anzunehmen ist, daß an den hier streitigen Sachverhalt bei Schaffung des Gesetzes nicht gedacht war. Im Grunderwerbsteuerrecht hat der Erwerb durch Erbfolge seit jeher eine Sonderbehandlung erfahren. Hingewiesen sei auf § 6 Abs. 4 GrEStG ("- im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger -"), auf § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG ("wenn der Erwerber oder sein Erbe"), sowie auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 106/26 vom 13. April 1926 (Mrozek-Kartei, GrEStG 1919 § 23 Abs. 1 a Nr. 3 Rechtsspruch 7 Steuer und Wirtschaft 1926 Nr. 328), wonach die Erstattungsvorschrift des § 23 GrEStG 1919 (= § 17 GrEStG 1940) auch dann anwendbar ist, wenn der Veräußerer oder der Erwerber verstorben ist und an dessen Stelle die Erben getreten sind. Im Rückerstattungsrecht ist eine Steuerbefreiung dann gegeben, wenn das Grundstück an die Erben des Verfolgten zurückerstattet wird (Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., 1960, Anhang Textziffer 43). überhaupt vermochte der Senat keinen Fall festzustellen, in dem grunderwerbsteuerlich eine Schlechterstellung deshalb eintrat, weil an die Stelle des ursprünglich Begünstigten seine Erben traten. Der Erbe setzt vielmehr grunderwerbsteuerlich die Rechtsstellung fort, die der Erblasser innehatte, und zwar unabhängig davon, ob eine gesetzliche Regelung ausdrücklich getroffen wurde oder nicht. Demgemäß ist der streitige Erwerbsvorgang, soweit die Anwendung der Befreiungsvorschrift in Betracht kommt, so zu behandeln, wie wenn der Bg. das Grundstück nicht bereits von der Erbengemeinschaft, sondern noch von dem Erblasser unmittelbar erworben hätte. Hätte die Absicht bestanden, eine Regelung zu treffen, die von dem vorstehend dargestellten allgemeinen Grundsatz abweicht, so wäre erforderlich gewesen, es im § 1 Ziff. 5 a. a. O. ausdrücklich zu bestimmen.

Hiernach ist es zulässig, die Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 5 a. a. O. auch dann noch anzuwenden, wenn der Erbe stirbt und durch einen neuen Erben ersetzt wird und auch dieser Erbe stirbt und wiederum durch einen anderen Erben ersetzt wird usw. Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts kann nicht anerkannt werden, daß darin ein vom Gesetz nicht gewolltes Ergebnis zu erblicken ist.

Nach alledem war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410166

BStBl III 1961, 475

BFHE 1962, 576

BFHE 73, 576

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