Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf jährliche überschüsse aus einem Grundstücke ist auch bei dinglicher Sicherung obligatorisch und nicht nießbrauchsähnlich.
Sowohl bei der Bewertung eines solchen obligatorischen Anspruches als auch bei der Bewertung eines Nießbrauches - und zwar entgegen der bisherigen Rechtsauffassung - ist kein allgemeiner Rechtssatz anzuerkennen, daß für das Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstande steuerlich kein höherer Wert anzusetzen sei, als für den Gegenstand selbst (Einheitswert).
Der nach § 17 Abs. 3 BewG zu ermittelnde zukünftige Jahreswert muß vom Stichtage her gesehen geschätzt werden.
Normenkette
BewG § 16 Abs. 1, § 16/2, § 14/1, § 14/2, § 17 Abs. 3, § 15/3, § 67/1/4, § 110/1/4
Tatbestand
Streitig ist, wie hoch ein Anspruch auf die Hälfte der Reinerträge eines Grundstückes zu bewerten ist.
Die Bgin. ist mit ihrem Bruder Erbin ihrer verstorbenen Eltern; nach dem Testament sollten u. a. die Grundstücke ihrem Bruder zufallen und sie selbst mit einem Viertel an den Erträgnissen und einem etwaigen Verkaufserlöse beteiligt sein. Durch Vertrag vom 22. August 1954, dem nach der Behauptung der Bgin. ein ähnlicher vom 29. November 1950 vorausging, vereinbarten die Bgin. und ihr Bruder schriftlich, daß alle überschüsse der dem Bruder gehörigen Grundstücke diesem und der Bgin. bis zu deren Ableben je zur Hälfte zustehen. Zur Sicherung der Ansprüche der Bgin. hatte der Bruder eine Sicherungshypothek zum Höchstbetrage von 25.000 DM an den Grundstücken zu bestellen. Nach dem Vertrage tritt die Neufassung, die der bisherigen Handhabung entspräche, an die Stelle des behaupteten Vertrages vom 29. November 1950, der sich nach der Angabe der Bgin. nur in wenigen Punkten von dem neuen Vertrage unterschieden habe.
Das Finanzamt setzte bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1953 den Anspruch der Bgin. auf 50 % der Einkünfte aus den Grundstücken als Recht auf wiederkehrende Nutzungen nach § 67 Ziff. 4 BewG gemäß § 16 BewG nach dem Lebensalter der Bgin. fest. Es errechnete den Jahresdurchschnitt aus den Erträgnissen der Jahre 1953 bis 1955 auf 55.838 DM und kam auf einen Vermögenswert von 670.056 DM.
Die Bgin. wandte, ohne die Berechnung im einzelnen zu beanstanden, ein, der Anspruch sei besonderer Art, durch den der Bgin. wirtschaftlich und tatsächlich ein Nießbrauch zugebilligt sei, und könne nicht über dem für den Eigentümer des Grundstücks maßgeblichen Werte (Einheitswert) liegen (Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 181/53 U vom 28. August 1954, BStBl 1954 III S. 330, Slg. Bd. 59 S. 309). Bei dem Eigentümer sei das Grundstück mit 695.200 DM Einheitswert - 495.171 DM Hypotheken und Lasten = 200.029 DM angesetzt worden. Dieser Betrag stelle auch für ihr Nutzungsrecht den Höchstwert dar.
Das Finanzamt beruft sich demgegenüber auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 38/55 S vom 4. November 1955 (BStBl 1955 III S. 371, Slg. Bd. 61 S. 447), wonach der Grundsatz, daß das Nießbrauchsrecht an einem Wirtschaftsgute nicht höher bewertet werden könne als das betreffende Wirtschaftsgut selbst, nicht sinngemäß für die Bewertung des obligatorischen Anspruches auf Leistung eines Anteiles am Reingewinn gelte.
Eine Kürzung des Einheitswertes um die auf dem Grundstück ruhenden Schulden sei in keinem Falle gerechtfertigt.
Das Finanzgericht gab der Berufung zum Teil statt. Es legte die vertragliche Vereinbarung, nach der tatsächlich bereits am 1. Januar 1953 verfahren worden sei, zugrunde und führte aus: Es handle sich um eine unmittelbar mit dem Grundstücke in Verbindung stehenden, dinglich gesicherten Anspruch auf die Hälfte der Grundstückseinnahmen, der als nießbrauchähnliches Recht anzusehen sei. Der Wert eines solchen Rechtes könne nicht über dem Werte des genutzten Wirtschaftsgutes liegen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 43/42 vom 19. März 1942, RStBl 1942 S. 542, und das oben angegebene Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. August 1954). Oberste Begrenzung stelle der Einheitswert des Grundstückes dar. Allerdings dürften nicht die Schulden abgezogen werden, da der Einheitswert nicht dem gemeinen Werte entspreche. Demgemäß sei das Nutzungsrecht der Bgin. mit dem halben Einheitswerte = 347.600 DM anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Finanzgericht.
Zutreffend hat das Finanzamt den Anspruch der Bgin. auf die Hälfte der überschüsse als Recht im Sinne der §§ 16, 17, 67 Ziff. 4 (seit 1. Januar 1957 § 67 Abs. 1 Ziff. 4) BewG bewertet. Dagegen sind die Ausführungen, es handle sich nicht um einen obligatorischen Anspruch, sondern um ein nießbrauchsähnliches Recht, rechtsirrig. Durch den Vertrag vom 22. August 1954, der wegen der bereits früheren tatsächlichen Handhabung auch für die Verhältnisse am 1. Januar 1953 zugrunde gelegt werden kann, wurde der Bruder in seinen Eigentums- und Verfügungsrechten nicht beeinträchtigt; die Bgin. erhielt lediglich gegen ihn einen obligatorischen Anspruch auf Zahlung. Die Eintragung einer Sicherungshypothek spricht nicht für, sondern gegen einen Nießbrauch. Somit ist für den Grundgedanken, den bei Bewertung eines Nießbrauches die von der Bgin. angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs herausstelle, daß nämlich das Nutzungsrecht als Teilrecht des Eigentums keinen höheren Wert als das Eigentum selbst haben könne, kein Raum. Es greifen vielmehr die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs III 38/55 S vom 4. November 1955 (a. a. O.) Platz, wonach das Recht auf wiederkehrende obligatorische Leistungen bei der Kapitalisierung keine Höchstgrenze in dem steuerlichen Werte des Wirtschaftsgutes (Einheitswert) findet, aus dem der Schuldner die wiederkehrenden Leistungen erwirtschaftet. Eine solche Begrenzung gibt es nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates keinesfalls für die Bewertung des Anspruchs eines nur obligatorisch Berechtigten gegen den Eigentümer (Betriebsinhaber) auf Leistung eines Anteiles am Reingewinne (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 163/59 U vom 19. April 1962, BStBl 1962 III S. 270, Slg. Bd. 75 S. 1).
Darüber hinaus hält der Senat aber auch nicht mehr die Rechtsprechung über die Begrenzung der Bewertung eines Nießbrauches durch den Einheitswert des Wirtschaftsgutes (Grundstückes) aufrecht. Es kann aus dem BewG kein allgemeiner Rechtsgrundsatz abgeleitet werden, daß für ein Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstande steuerlich kein höherer Wert anzusetzen sei als für den steuerlichen Wert des Gegenstandes selbst. Das Grundstück und der Anspruch auf die (Hälfte der) überschüsse sind zwei verschiedene Wirtschaftsgüter, die verschiedenen Vermögensarten angehören (Grundvermögen - sonstiges Vermögen) und nach verschiedenen Bewertungsgrundsätzen zu bewerten sind (Einheitswert - gemeiner Wert). Für Forderungen gibt es keine Einheitswertfeststellung, auch nicht in der Form einer Höchstgrenze, zumal alsdann § 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz über die Wertverhältnisse beim Grundbesitz auf Forderungen ausgedehnt würde.
Die von der Bgin. begehrte weitere Begrenzung durch Kürzung des Einheitswertes um die Schulden ist nach früherer und jetziger Rechtsprechung unrichtig, wird im übrigen auch von der Bgin. im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht.
Somit ist im Grundsätzlichen die vom Finanzamt vertretene Auffassung über die Bewertung des Anspruches der Bgin. zutreffend. Trotzdem erfolgt zur Nachprüfung des Jahreswertes der Nutzungen und der Leistungen nach § 17 Abs. 3 BewG Zurückverweisung an das Finanzgericht. Das Ziel dieser Bewertung ist, die zukünftigen Nutzungen für die auf den Stichtag folgenden Jahre zu schätzen (Hinweis auf das oben angegebene Urteil des Bundesfinanzhofs III 163/59 U, insbesondere auf die vier letzten Absätze).
Die Bgin. hat infolge ihrer im Ergebnis weiterreichenden Auffassung betreffend Begrenzung des Kapitalwertes durch den gekürzten oder ungekürzten Einheitswert des Grundstückes die zahlenmäßige Berechnung des Finanzamts im einzelnen nicht angegriffen. Es ist jedoch mit dem Grundsatz der Schätzung, gesehen vom Stichtage des 1. Januar 1953 aus, nicht vereinbar, den Ablauf der nachfolgenden drei Jahre abzuwarten und der Bewertung den Durchschnitt der dreijährigen Erträgnisse an Stelle der in § 17 Abs. 3 BewG vorgesehenen Schätzung zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 410891 |
BStBl III 1963, 434 |
BFHE 1964, 310 |
BFHE 77, 310 |