Leitsatz (amtlich)
1. Ein eingetragener Erbbauzinsanspruch ist ein Grundpfandrecht i. S. des § 19 Abs. 4 GrEStG Berlin.
2. Ein Grundpfandgläubiger, der das Meistgebot abgibt, erwirbt ein Erbbaurecht nicht zur Rettung seines Rechtes, wenn er das Meistgebot für Rechnung einer GmbH & Co. KG abgibt, an der er mehrheitlich beteiligt ist, und das Meistgebot sein Grundpfandrecht nicht abdeckt.
Normenkette
GrEStG 1940 § 9; GrEStG Berlin § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin gab im Versteigerungstermin, betreffend die Zwangsversteigerung eines Erbbaurechts, am 17. Januar 1978 das Meistgebot ab.
Eigentümerin des Grundstücks, an dem das Erbbaurecht 1969 bestellt worden war, ist die Klägerin. Erbbauberechtigte war eine von der Klägerin, ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter gegründete GmbH & Co. KG (KG I) gewesen. Unstreitig war die Klägerin bei Abgabe des Meistgebots an dieser KG nicht mehr beteiligt.
Obwohl die Sicherung des Erbbauzinses durch Eintragung einer Reallast vereinbart worden war, wurde eine Reallast erst am 25. März 1976, nach der am 26. Januar 1976 erfolgten ersten Beschlagnahme des Erbbaurechts, in das Grundbuch eingetragen.
Vor dem Versteigerungstermin gründete die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn am 12. Januar 1978 eine weitere GmbH & Co. KG (KG II), an deren Vermögen sie zu 99 v. H. beteiligt war. Einziger Zweck dieser Gesellschaft war der Erwerb des Erbbaurechts. Einen Tag vor dem Versteigerungstermin vereinbarte die Klägerin mit dieser KG II die Abtretung ihrer Rechte aus dem Meistgebot für den Fall, daß sie Meistbietende bleiben würde.
In dem Versteigerungstermin erklärte der die Klägerin vertretende Rechtsanwalt nach Abgabe des Meistgebots, daß die Klägerin das Recht aus dem Meistgebot an die am 12. Januar 1978 gegründete KG II abgetreten habe. Der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin dieser KG erklärte, daß diese die Verpflichtung aus dem Meistgebot übernommen habe. Demgemäß wurde das Erbbaurecht der KG II zugeschlagen.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte durch Steuerbescheid vom 22. September 1978 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Das FA war der Meinung, daß eine Befreiung gemäß § 19 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nicht in Betracht komme, weil kein Erwerb zur Rettung eines Grundpfandrechtes vorliege.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Grunderwerbsteuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe das Meistgebot abgegeben, um ihren Erbbauzinsanspruch zu retten.
Es beständen auch keine Anhaltspunkte i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Zwar sei die Reallast erst am 25. März 1976 in das Grundbuch eingetragen worden. Es sei aber schon 1969 vorgesehen gewesen, diese Eintragung vorzunehmen. Die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, daß die späte grundbuchliche Sicherung auf ein Versehen des amtierenden Notars zurückzuführen sei. Aus diesen Gründen könne in der späten Eintragung der Reallast kein Anhalt i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG gesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Die Klägerin war zwar im Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebots Grundpfandgläubigerin i. S. des § 19 Abs. 4, 5 GrEStG; denn ihr stand der Erbbauzinsanspruch zu, auf den (nach seiner Eintragung in das Grundbuch) die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Reallasten entsprechende Anwendung fanden (§ 9 der Verordnung über das Erbbaurecht) und auf den deshalb auch § 19 Abs. 4 GrEStG entsprechend anwendbar war. Sie hat aber nicht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 GrEStG erfüllt. Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert schon daran, daß die Klägerin das Erbbaurecht für Rechnung der KG II ersteigert (vgl. hierzu den Vertrag vom 16. Januar 1978) und durch das Meistgebot auch ihren Erbbauzinsanspruch nicht ausgeboten hat. Sie hat somit den Wert des Erbbauzinsanspruchs durch die Abgabe des Meistgebots nicht retten können.
2. Ein Erwerb zur Rettung des Erbbauzinsanspruchs kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Klägerin an der KG II maßgebend beteiligt ist und somit gesamthänderische Miteigentümerin des Erbbaurechts geworden ist. Denn eine KG ist grunderwerbsteuerrechtlich entsprechend den Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts ein von ihren Gesellschaftern zu unterscheidender besonderer Rechtsträger (vgl. z. B. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, BStBl II 1975 391). Für einen Rettungserwerb i. S. des § 19 Abs. 1 GrEStG reicht es deshalb nicht aus, wenn ein Erbbaurecht von einer Gesamthand ersteigert wird, an der der Grundpfandgläubiger beteiligt ist, oder wenn es von dem Grundpfandgläubiger für Rechnung der Gesamthand ersteigert wird.
3. Es ist auch nicht denkbar, den Fall im Ausmaß der Beteiligung der Klägerin an der KG II so zu behandeln, als habe sie das Erbbaurecht insoweit für eigene Rechnung ersteigert und in diesem Ausmaß einen Rettungserwerb durchgeführt. Im Rahmen des § 19 GrEStG ist es nicht möglich, einer Gesamthand insoweit die Grundpfandgläubigereigenschaft eines Gesellschafters zuzuordnen und umgekehrt.
Begünstigt wird durch § 19 GrEStG nur der Grundpfandgläubiger, der zur Rettung des Wertes seines Grundpfandrechts ersteigert. Den Wert seines Grundpfandrechts kann er nur retten, wenn er das Grundstück für eigene Rechnung ersteigert und sich damit die Möglichkeit erhält, den Wert seines untergegangenen Grundpfandrechts durch Verwertung des Grundstücks später zu realisieren oder wenn er das Grundstück für fremde Rechnung zu einem Meistgebot ersteigert, das unmittelbar zu einer Realisierung des Wertes seines Grundpfandrechts führt. Beide Möglichkeiten sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die der Klägerin verbliebene Möglichkeit, den Wert der ausgefallenen Erbbauzinsansprüche ggf. über einen Verkauf ihres Gesellschaftsanteils zu realisieren, reicht für die Annahme eines Rettungserwerbs nicht aus, wie auch § 19 Abs. 2 GrEStG zeigt. Eine Nachversteuerung findet danach nur bei einer Weiterveräußerung des ersteigerten Grundstücks statt, nicht aber bei der Verfügung über den Anteil an einer Personengesellschaft, für deren Rechnung jemand als Grundpfandgläubiger ein Grundstück ersteigert.
Das Urteil des erkennenden Senats vom 28. Januar 1981 II R 146/75 (BFHE 133, 83, BStBl II 1981, 484) steht der vorstehend vertretenen Auffassung nicht entgegen. Dieser Fall lag besonders. Dort hätte jeder einzelne der verschiedenen Teilgläubiger, die sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen hatten, das Erbbaurecht allein zur Rettung seines Teilrechts ersteigern können. Unter diesen besonderen Umständen war es gerechtfertigt, die gemeinsame Abgabe des Meistgebots durch die Teilgläubiger als Gesellschafter einer GbR als Rettungserwerb anzuerkennen. Denn alle Gesellschafter dieser GbR waren ihrerseits Grundpfandgläubiger. Diese Voraussetzung wäre z. B. dann nicht mehr erfüllt gewesen, wenn die Teilgläubiger sich zu einer GmbH & Co. KG zusammengeschlossen hätten und diese das Meistgebot abgegeben hätte oder aber wenn die Teilgläubiger in Bruchteilsgemeinschaft für Rechnung der GmbH & Co. KG das Meistgebot abgegeben hätten.
4. Keiner Entscheidung bedarf es unter diesen Umständen, ob überdies im vorliegenden Fall auch Anhaltspunkte i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vorliegen.
Die vom FG hilfsweise erwogene Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG kommt nicht in Betracht. Im Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebots war die Klägerin unstreitig nicht mehr an der KG I beteiligt.
Fundstellen
Haufe-Index 74505 |
BStBl II 1983, 141 |
BFHE 1982, 94 |