Leitsatz (amtlich)
Die "Räumungsentschädigung", die eine Stadt auf Grund einer schriftlichen Vereinbarung an den Mieter von zum Abbruch vorgesehenen Geschäftsräumen für die vorzeitige Räumung und die Aufgabe des noch laufenden Mietvertrages zur Abgeltung aller mit der Freimachung der bisherigen Mieträume zusammenhängenden Ansprüche zahlt, ist nicht Schadensersatz, sondern steuerbares Entgelt.
Normenkette
UStG § 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) hatte vormals ihre Geschäftsräume auf einem Grundstück der Stadt H inne, mit der sie einen bis zum 31. Dezember 1971 laufenden Mietvertrag geschlossen hatte. Da nach dem Aufbauplan der Stadt und dem hierzu aufgestellten Durchführungsplan das von der Steuerpflichtigen innegehabte Geschäftsgrundstück wegen der Anlage neuer Straßenzüge zum Abbruch vorgesehen war, kam es zwischen der Steuerpflichtigen und der Stadt H (Finanzbehörde) zu Verhandlungen, die am 10. Mai 1960 zu folgender Vereinbarung führten:
"Als Entschädigung für die vorzeitige Räumung und die Aufgabe des an sich noch bis zum 31.12.1971 laufenden Mietvertrages gewährt die Finanzbehörde zur Abgeltung aller mit der Freimachung der bisherigen Mieträume zusammenhängenden Ansprüche den Herren A und B eine Entschädigung von 400 000 DM."
Das FA unterwarf den im Jahre 1960 ausbezahlten Entschädigungsbetrag der Umsatzsteuer. Einspruch und Berufung (jetzt Klage) blieben ohne Erfolg. Das FG hat den streitigen Betrag als Entgelt für eine sonstige Leistung der Steuerpflichtigen angesehen, die in der vorzeitigen Aufgabe ihrer Geschäftsräume bestehe. Es hat sich für seine Auffassung auf das Urteil des BFH V 268/58 vom 1. Dezember 1960 (HFR 1961, 139) bezogen.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt die Steuerpflichtige, sie von der Umsatzsteuer für den Entschädigungsbetrag freizustellen. Sie bezieht sich ihrerseits auf das BFH-Urteil V 216/60 vom 28. Februar 1963 (HFR 1963, 419).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Die Entgeltlichkeit einer Leistung bestimmt sich grundsätzlich nach Umsatzsteuerrecht. Die Entscheidung darüber, ob es sich bei einer Entschädigungszahlung um nichtsteuerbaren Schadensersatz handelt, hängt allein davon ab, ob die Zahlung der Summe mit einer Leistung der Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht; es handelt sich also um eine Frage des Leistungsaustausches. Im Streitfall hat die Stadt auf Grund der Vereinbarung vom 10. Mai 1960 eine "Entschädigung" gezahlt. Diese Verbeinbarung war demnach die Rechtsgrundlage des Anspruches. Damit ist die Wechselbeziehung zwischen der Freimachung der Mieträume und der Zahlung der Entschädigung augenscheinlich. Ein Leistungsaustausch ist zu bejahen (vgl. insbesondere das Urteil des erkennenden Senats V 268/58 vom 1. Dezember 1960, a. a. O.).
Die Berufung der Steuerpflichtigen auf das Urteil V 216/60 vom 28. Februar 1963 (a. a. O.) geht fehl. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt liegt in verschiedener Hinsicht anders. Einmal handelte es sich um dem gesetzlichen Mieterschutz unterliegende Baulichkeiten, zum anderen hatte die Steuerpflichtige jenes Rechtsstreits nach §§ 1, 4 des Mieterschutzgesetzes (MSchG) ein Mietaufhebungs- und Räumungs-Urteil erstritten; das Mietverhältnis ist also nicht auf Grund eines Vertrags, sondern durch Richterspruch aufgehoben worden. Die Steuerpflichtige kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe eine Enteignung und vorzeitige Besitzeinweisung durch Richterspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen weder rechtlich noch tatsächlich mit Aussicht auf Erfolg verhindern können; ein Rechtsmittel ihrerseits hätte lediglich eine überflüssige Inanspruchnahme der ohnehin überlasteten Gerichte bedeutet.
Die Umsatzsteuer knüpft an den tatsächlichen Geschehensablauf an, demzufolge die Entschädigungszahlung im Streitfall auf einer Vereinbarung beruht. Vor allem übersieht die Steuerpflichtige, daß die Freistellung der Steuerpflichtigen im Falle des Urteils V 216/60 auf den rechtlichen Besonderheiten des Mieterschutzrechts beruht; denn nach § 4 Abs. 3 MSchG ist nicht für die Räumung und Herausgabe der Mieträume etwas gezahlt worden, sondern lediglich für die wirtschaftlichen Nachteile, die der Mieter durch den Verlust der Räume erlitten hat. Diese Verpflichtung zur Räumungsentschädigung war erst durch den Richterspruch begründet worden (vgl. Roquette, Mieterschutzgesetz, München 1956, § 4, Randziff. 49). In einem solchen Falle fehlt es aber, wie der Senat im Urteil V 216/60 (a. a. O.) ausgeführt hat, an der Wechselbeziehung der beiderseitigen Leistungen. Im Streitfalle läßt sich auch gar nicht absehen, in welcher Höhe der Steuerpflichtigen ggf. eine gerichtliche Entschädigung zugesprochen würde.
Hiernach war die Revision mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 386 |
BFHE 1969, 306 |