Leitsatz (amtlich)
Gegen den Bescheid, mit dem das FA das Bestehen einer Im Konkursverfahren geltend gemachten Steuerforderung und den Zeitpunkt Ihrer Fälligkeit festgestellt hat, ist der Finanzrechtsweg gegeben.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; AO § 226a; GVG § 16; GG Art. 101
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger ist Konkursverwalter in dem am 27. Januar 1969 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen des Baugeschäftsinhabers T. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) meldete mit Schreiben vom 18. Februar 1969 u. a. die Forderung einer Umsatzsteuerabschlußzahlung für den Veranlagungszeitraum 1966 in Höhe von … DM zur Konkurstabelle an und beanspruchte für sie das Vorrecht nach § 61 Nr. 2 der Konkursordnung (KO). Im Prüfungstermin bestritt der Kläger diesen Anspruch mit der Begründung, die Forderung sei länger als ein Jahr seit Konkurseröffnung, nämlich schon seit dem 31. Dezember 1966, fällig. Der Beklagte stellte darauf durch Bescheid vom 16. Mai 1969 lest, daß die Forderung als Konkursforderung bestehe und zum 7. März 1968 fällig geworden sei. Mit Bescheid vom 15. Februar 1971 änderte das FA die Feststellung über den Fälligkeitstag auf den 27. Januar 1969 (Tag der Konkurseröffnung) ab, da der Steuerpflichtige behauptet halte, einen Umsatzsteuerbescheid für 1966 nicht erhalten zu haben, und das FA die Versendung des Bescheids aus seinen Akten nicht nachzuweisen vermochte.
Der Kläger erhob am 3. Juni 1969 Sprungklage gegen den ursprünglichen Bescheid und erklärte nach Erlaß des Änderungsbescheids, daß er diesen gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens mache.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Entgegen der Revisionsrüge des Klägers hatte das FG keinen Anlaß, die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben als sie feststellen, daß die Forderung der Abschlußzahlung eine Konkursforderung sei. Diese Feststellung ist, da sie bereits durch die Eintragung in die Konkurstabelle mit Wirkung eines rechtskräftigen Urteils getroffen worden war (§ 145 Abs. 2 KO), ohne eigene rechtliche Wirkung; sie hat – wie das FA zutreffend ausführt – nur deklaratorische Bedeutung. Da sie der Kläger sachlich nicht leugnet und in der Klagebegründung auf diesen Ausspruch nicht eingegangen ist, konnte das FG die rechtliche Prüfung vernachlässigen. Den ausdrücklichen Klageantrag, die hier behandelte Feststellung in den Bescheiden aufzuheben, hätte das FG mangels Rechtsschutzbedürfnissen als unzulässig abweisen müssen.
2. Auch die weitere Rüge, das FG habe die Feststellung des Fälligkeitstags auf den 27. Januar 1969 durch besonderen Verwaltungsakt rechtsirrig für zulässig erachtet, ist unbegründet. Nach dem durch § 162 Nr. 39 FGO in die AO eingefügten und am 1. Januar 1966 (§ 184 Abs. 1 FGO) in Kraft getretenen § 226 a AO ist das FA nach Geltendmachung einer Steuerforderung im Konkurs verpflichtet, „erforderlichenfalls … den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit durch schriftlichen Bescheid festzustellen”. Diese Verpflichtung ist aktuell, wenn wie im vorliegenden Fall der Konkursverwalter das vom FA gemäß § 61 Nr. 2 KO beanspruchte Konkursvorrecht einer angemeldeten Steuerforderung mit der Begründung bestreitet, die Steuerschuld sei schon länger als ein Jahr vor der Eröffnung des Konkurses fällig geworden und erfülle deshalb nicht die Voraussetzungen des § 61 Nr. 2 KO. An der Befugnis des FA zur Feststellung des Fälligkeitszeitpunkts kann deshalb kein Zweifel bestehen.
Die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken rechtfertigen keine andere Entscheidung: Es kann nicht die Auswirkung eines auf dieser Bestimmung fußenden Verwaltungsakts sein, daß der Steuerpflichtige seinem gesetzlichen Richter (Art. 101 des Grundgesetzes – GG –, § 16 GVG) entzogen wird. Denn die Vorschriften über den gesetzlichen Richter können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – (vgl. z. B. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 25 S. 336, 346, mit weiteren Nachweisen) nicht verletzt sein, wenn für die Bestimmung des Gerichts allgemeine gesetzliche Normen maßgebend sind. § 226 a AO hat zudem als eine Regelung für das Verwaltungsverfahren keine unmittelbare Bedeutung zur Bestimmung des gesetzlichen Richters. Die Anwendung der Vorschrift gibt lediglich dem Verwaltungsakt die Natur einer „Abgabenangelegenheit” und bildet damit eine tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Es steht dem Gesetzgeber frei, solche Voraussetzungen zu schaffen.
Nach der erwähnten Vorschrift ist der Finanzrechtsweg gegeben „in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden … verwaltet werden”. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Streitigkeit über einen Verwaltungsakt ist öffentlich-rechtlicher Art und die Umsatzsteuer, über deren Fälligkeit das FA eine Feststellung getroffen hat, unterliegt der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes (Art. 105 Abs. 2 Nr. 1, Art. 108 Abs. 1 GG).
Schließlich kann dem strittigen Verwaltungsakt nicht deshalb der Charakter einer der Abgabe betreffenden Angelegenheit fehlen, weil der festgestellte Zeitpunkt der Fälligkeit Bedeutung hat für die Frage, ob das vom FA geltend gemachte Konkursvorrecht einer Steuerforderung besteht. Denn gerade als bloße Voraussetzung und als eine von mehreren Voraussetzungen für die Entstehung des Konkursvorrechts – eine andere Voraussetzung ist beispielsweise die ordnungsmäßige Anmeldung – kann diese Eigenschaft der Forderung dem Konkursvorrecht nicht gleichgestellt werden. Der Gesetzgeber hat mit der neu geschaffenen Vorschrift des § 226 a AO für den wichtigsten Streitpunkt in den Prozessen über das Konkursvorrecht der Finanzverwaltung den Finanzrechtsweg sichergestellt. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der einer solchen Regelung zuwiderläuft. Die Neuregelung muß sogar als rechtspolitisch im Sinne der rechtsstaatlichen Ordnung des GG begrüßenswert erscheinen, weil sie der immer noch nicht beendigten Rechtsunsicherheit über den richtigen Rechtsweg bei Streit über das Konkursvorrecht (vgl. dazu Beschluß des Bundesgerichtshofs I ARZ 324/70 vom 22. Januar 1971, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 55 S. 224) für den Bereich der Abgabenangelegenheiten weitgehend den Boden entzieht (vgl. dazu: Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., Anm. 8 Abs. 4 nach § 381 AO).
Der Rechtsweg der Finanzgerichtsbarkeit ist deshalb gegeben. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu dem den Finanzrechtsweg ausschließenden Urteil des Bundesfinanzhofs VI 13/64 S vom 29. Juni 1965 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 82 S. 678, BStBl III 1965, 491), da dieses Urteil das Konkursvorrecht einer Steuerforderung zum Gegenstand hat, während es im vorliegenden Fall – wie schon betont – um eine Voraussetzung für die Entstehung des Konkursvorrechts geht.
3. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA den Fälligkeitszeitpunkt der Konkursforderung mit dem Tag der Konkurseröffnung, dem 27. Januar 1969, richtig festgestellt hat.
Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, die im Revisionsvorbringen gegen die Institution des Konkursvorrechts bei Abgabenforderungen geltend gemacht werden (Verstoß gegen Art. 3 und 20 GG), kann, wie das FG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, nicht eingegangen werden; Der Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß die Entscheidung zum vorliegenden Fall über den Anspruch des FA auf das Konkursvorrecht keine Bestimmung trifft, sondern lediglich eine Voraussetzung für diesen Anspruch klarstellt.
Für die Frage, ob der 27. Januar 1969 zutreffend als Zeitpunkt der Fälligkeit festgestellt wurde, sind daher die Vorschriften des Steuerrechts maßgebend. Danach ist eine Steuerforderung zu dem Zeitpunkt fällig, in dem sie zu entrichten ist (§ 3 Abs. 2 StAnpG). Nach § 13 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1951 in Verbindung mit § 210 b Abs. 1 AO wird der Unternehmer nach Ablauf des Kalenderjahrs zur Umsatzsteuer durch schriftlichen Bescheid veranlagt und hat den Unterschiedsbetrag, um den die Steuerschuld nach dem Bescheid die Vorauszahlungsschuld übersteigt (Umsatzsteuerabschlußzahlung) binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten. Im vorliegenden Fall hat der Steuerpflichtige, wie das FG festgestellt hat, den Umsatzsteuerbescheid 1966 vor Konkurseröffnung nicht erhalten. Da die Umsatzsteuerabschlußzahlung aber gleichwohl (kraft Gesetzes) entstanden war (§ 3 Abs. 1 StAnpG), war hinsichtlich dieses Betrags eine betagte Forderung gegeben, die gemäß § 65 Abs. 1 KO mit dem Tag der Konkurseröffnung, hier dem 27. Januar 1969, als fällig anzusehen ist.
Die Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 514905 |
BFHE 1972, 419 |