Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Schaufensteranlage und die Beleuchtungsanlage zum Schaufenster eines Ladengeschäfts ist - auch bei Neubauten - eine gesonderte AfA zuzulassen, wenn sie von dem Gebäude klar abgrenzbar sind, einen eigenen Rentabilitätsfaktor darstellen und somit nach der Gesamtheit der tatsächlichen Umstände bei wirtschaftlicher Betrachtung ein selbständiges Wirtschaftsgut gegeben ist.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige betreibt einen Groß- und Einzelhandel; er ist im Handelsregister eingetragen. Im Jahre 1956 errichtete er einen gemischtgenutzten Neubau, der neben mehreren Wohnungen ein großes Ladengeschäft mit Nebenräumen umfaßt. Der Neubau ist zu 35 v. H. als Betriebsvermögen ausgewiesen. Für die Jahre 1956 und 1957 nahm er die erhöhte Absetzung gemäß § 7 b EStG für das Gebäude in Anspruch. Auf Grund der Feststellungen anläßlich einer Betriebsprüfung hielt das Finanzamt jedoch die Voraussetzungen des § 7 b EStG nicht für gegeben. Es wurde eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1 v. H. festgesetzt. Die Steuerbescheide für die Jahre 1956 und 1957 sind rechtskräftig.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1958 spaltete der Steuerpflichtige aus dem bisherigen Bilanzansatz "Neubau" die Schaufensteranlage, die Beleuchtungsanlage für die Schaufenster, eine im Laden befindliche Treppe sowie ein Galeriegeländer ab und wie sie als "Gebäudezubehör" aus. Für die Benutzung dieser Güter im Jahre 1958 setzte er einen Betrag ab, der ungefähr einer Nutzung von zehn Jahren ab 1. Januar 1958 entspricht.
Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung für 1958 nur eine einheitliche AfA für den bisherigen Bilanzansatz "Neubau" in Höhe von 1 v. H. anerkannt. Die Sprungberufung des Steuerpflichtigen hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht hat es für zulässig erachtet, die Schaufensteranlage und die Beleuchtungsanlage für die Schaufenster getrennt auszuweisen und mit 10 v. H. jährlich abzusetzen. Mit der Rb. verficht der Vorsteher des Finanzamts den Standpunkt, bei einem Neubau sei die gesonderte Aktivierung bestimmter Einrichtungen zwecks schnellerer Abschreibung nicht zulässig, vielmehr könne die AfA für den Neubau nur einheitlich sein; jedenfalls dürfe der Steuerpflichtige nicht die Bilanzierungsmethode wechseln.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG 1957, der inhaltlich mit § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG 1958 übereinstimmt (zur Abgrenzung vgl. Art. 5 Abs. 4 des Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958, BGBl 1958 I S. 473 - BStBl 1958 I S. 412, und § 52 Abs. 2 EStG 1958), ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei der Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA). Die Absetzung bemißt sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG). Jedes Wirtschaftsgut unterliegt als solches einer einheitlichen AfA; Teile eines Wirtschaftsguts können nicht rascher abgeschrieben werden, weil sie sich schneller abnutzen. Das gilt auch für Gebäude. Ein Gebäude ist grundsätzlich ein einheitliches Wirtschaftsgut; einzelne Gebäudeteile können in aller Regel nicht als besondere Wirtschaftsgüter ausgewiesen und einer besonderen AfA unterworfen werden. Doch schließt dieser Grundsatz nicht schlechthin aus, daß für wirtschaftlich klar abgrenzbare Teile eines Gebäudes, die zum Betriebsvermögen gehören und eine wesentlich geringere wirtschaftliche Nutzungsdauer haben als die anderen Gebäudeteile, eine getrennte AfA berechnet wird (Urteil des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 316, Slg. Bd. 63 S. 306), sofern diese Teile bei wirtschaftlicher Betrachtung ausnahmsweise wegen ihres eigenen Nutzwerts als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind. Selbst wenn solche Wirtschaftsgüter im bürgerlich-rechtlichen Sinne wesentliche Bestandteile eines Gebäudes werden (§ 94 Abs. 2 BGB) und nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB) ist damit allein nicht gesagt, daß sie nur einheitlich mit dem Gebäude abgeschrieben werden dürfen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/56 U vom 14. August 1956, BStBl 1956 III S. 321, Slg. Bd. 63 S. 322), wie ja auch die AfA von Gebäuden, die nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind, nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Grundstückswert selbst keiner AfA zugänglich ist.
Ist ein von dem Gebäude klar abgrenzbares, bei wirtschaftlicher Betrachtung einen eigenen Rentabilitätsfaktor darstellendes, selbständiges Wirtschaftsgut eines Betriebsvermögens gegeben, so muß für dieses auch eine selbständige AfA zugelassen werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es unerheblich, ob ein solches Wirtschaftsgut schon beim Neubau oder erst bei einem Umbau oder Wiederaufbau mit dem Gebäude verbunden worden ist; diese Umstände mögen allenfalls bei der tatsächlichen Würdigung, ob ein Gegenstand für die AfA als selbständiges Wirtschaftsgut anzusehen ist, eine Rolle spielen. Etwas anderes ist auch den von dem Bf. angeführten, oben bereits erwähnten Urteilen des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli 1956 und I 82/56 U vom 14. August 1956 nicht zu entnehmen; dasselbe gilt für das Urteil IV 428/60 S. vom 23. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 187, Slg. Bd. 78 S. 485). Die Besonderheiten dieser Entscheidungen lagen vielmehr in der Abgrenzung des Begriffs der "Anschaffungs- oder Herstellungskosten" bei Umbauten; sie erlauben nicht den Schluß, daß in einen Neubau eingefügte Wirtschaftsgüter unter keinen Umständen einer selbständigen AfA zugänglich seien. Dementsprechend werden auch die in einen Fabrikneubau fest eingefügten Maschinen gesondert ausgewiesen und abgeschrieben.
Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob in dem Neubau des Steuerpflichtigen die Schaufensteranlage und die Beleuchtungsanlage, die je für voraussichtlich zehn Jahre nutzbar sind, im Verhältnis zu dem Gebäude (mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von hundert Jahren ein selbständiges Wirtschaftsgut darstellen. Diese Frage ist zu bejahen. Je nach den tatsächlichen Umständen können auch Schaufensteranlagen und Schaufensterbeleuchtungsanlagen für die AfA als selbständige Wirtschaftsgüter angesehen werden (vgl. für einen allerdings besonders gelagerten Fall das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 123/63 U vom 31. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 555). Das Finanzgericht hat - für diesen Rechtszug bindend (§ 296 Abs. 1 AO) - festgestellt, daß die Schaufensteranlage und die Beleuchtungsanlage für die Schaufenster von dem übrigen Gebäude in tatsächlicher Hinsicht klar abgegrenzt sind, der Ausführung nach der Mode unterliegen und durch ihre Erneuerung der Zustand des Gebäudes nicht berührt wird; diese tatsächlichen Feststellungen hat der Bf. nicht beanstandet. Schaufensteranlage und Beleuchtungsanlage können daher im gegebenen Fall als Teile eines Betriebsvermögens mit eigenem (werbendem) Nutzwert getrennt ausgewiesen werden.
Somit fragt sich lediglich, ob die für die Jahre 1956 und 1957 vorgenommene Bilanzierung dieser Gegenstände in dem einheitlichen Posten "Neubau" zu einer gleichen Behandlung im Jahr 1958 zwingt. Das ist indessen nicht der Fall. Der getrennte Ausweis der Schaufenster- und Beleuchtungsanlage entspricht eher den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Aus der Bilanzierung für die Jahre 1956 bis 1957 hatte sich bislang nur ergeben, daß der Steuerpflichtige in diesen Jahren bloß 2 v. H. der Anschaffungskosten absetzen konnte; dagegen sind die Anlagen bislang noch nicht erneuert und demzufolge auch keine Erneuerungskosten als Erhaltungsaufwand abgezogen worden. Die bisherige Verbuchung hatte ebenso wie deren änderung im Jahre 1958 einen wirtschaftlich einleuchtenden Grund: Der Steuerpflichtige hatte zunächst für den Neubau die Vergünstigung des § 7 b EStG 1955/1957 in Anspruch genommen. Hätte er damit Erfolg gehabt, wäre der getrennte Ausweis der Schaufenster- und Beleuchtungsanlage für die erste beiden Jahre ohne Bedeutung, für die folgenden von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen. Nachdem aber für das Gebäude nur eine lineare Absetzung von 1 v. H. im Jahr zugelassen war, durfte das den Steuerpflichtigen zum getrennten Ausweis der kurzlebigeren Wirtschaftsgüter veranlassen.
Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411598 |
BStBl III 1965, 291 |
BFHE 1965, 123 |
BFHE 82, 123 |
BB 1965, 529 |
DB 1965, 689 |
DStR 1965, 303 |