Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einer entgeltlichen Pkw-Vermietung zwischen nahen Angehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Umsatzsteuerrechtlich können entgeltliche Vermietungsleistungen zwischen nahen Angehörigen nicht deswegen ,,nicht anerkannt" werden, weil sie zwischen Fremden anders vereinbart worden wären (sog. Fremdvergleich) oder weil der Vermieter sein Ziel auch auf einem anderen ,,natürlichen und direkten Weg" hätte erreichen können (§ 42 AO 1977).

2. Die Höhe des Entgelts in solchen Fällen ist gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 zu prüfen.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 10 Abs. 5, 4, §§ 15, 19 Abs. 3 a. F

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete für das zweite Kalendervierteljahr 1985 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 3 900 DM und zugleich abziehbare Vorsteuerbeträge von 8 016,71 DM an. Die angemeldeten Umsätze ergaben sich (nur) aus der Vermietung eines Pkw zu einem Mietentgelt von 1 300 DM/Monat. Bis zum 31. Dezember 1985 vermietete die Klägerin den Pkw ihrem Bruder, der im Streitjahr einen Gewerbebetrieb unterhielt. Das Fahrzeug wurde am 2. April 1985 in dessen Namen zugelassen. Der Vorsteuerbetrag ergab sich nach den Feststellungen aus der ,,an die Klägerin" gerichteten Rechnung der . . . für den Pkw und für dessen Überstellung. Diese Rechnungen trugen zusätzlich den Vermerk: ,,best. f. Fa. F & Co." bzw. ,,Versand an: Fa. F & Co.". An dieser Firma war die Klägerin mit 10 v. H. des Stammkapitals beteiligt. Ab Januar 1986 vermietete die Klägerin den Pkw an diese Gesellschaft. Die Klägerin finanzierte den Erwerb des Pkw durch ein Darlehen einer Bank in Höhe von . . . DM zu einem Zinssatz von . . .v. H. Darlehensnehmerin war die Klägerin. Die Bank erhielt des Pkw zur Sicherheit übereignet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Festsetzung der errechneten negativen Umsatzsteuerschuld in Höhe von ./. 7 907,50 DM ab. Unter Berufung auf das Finanzgericht (FG) Münster, Urteil vom 21. Februar 1985 V 5906/83 U, (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 522) führte es aus, Pkw-Mietverträge zwischen nahen Angehörigen würden nicht anerkannt, wenn die Vermietung die einzige Unternehmertätigkeit des Vermieters und der Pkw für eine unselbständige Tätigkeit des Mieters bestimmt sei.

Nach erfolglosem Einspruch beantragte die Klägerin mit der Klage, das FA zur Festsetzung des angemeldeten negativen Umsatzsteuerbetrags zu verurteilen. Sie machte geltend, der Pkw sei ihrem Bruder nicht zur Nutzung im Rahmen unselbständiger, sondern gewerblicher Tätigkeit überlassen worden. Den Pkw habe sie gekauft. Der Vermerk betreffend die Fa. F auf den Rechnungen habe Zwecken der innerbetrieblichen Provisionsabrechnung beim Lieferanten gedient. Den Kredit der Bank habe sie als ehemalige Angestellte besonders zinsgünstig erhalten. Im übrigen komme es für die Wirksamkeit des Mietvertrags auf ihr Eigentum nicht an. Ihr Recht zur Gebrauchsüberlassung ergebe sich aus dem Recht zum Besitz und der Eigentumsanwartschaft gemäß der Sicherungsabrede mit der Bank. Die Eintragung im Kfz-Brief weise nur den Halter auf, der in der Tat ihr Bruder gewesen sei. Diese Gestaltung sei gewählt worden, um die Klägerin von den mit der Fahrzeughaltung verbundenen Haftungsverpflichtungen freizustellen.

Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist in EFG 1987, 432 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Sie trägt u. a. vor: Das FG räume zwar ein, sie habe in der Absicht gehandelt, unter Ausnutzung ihrer Möglichkeiten einen zinsbegünstigten Kredit zu erhalten, diesen gewinnbringend einzusetzen und dadurch dem Unternehmen ihres Bruders die Anschaffung und Nutzung eines Pkw zu ermöglichen, wobei der Eigengewinn den Wert des Pkw nach Ablauf der Mietzeit und der Vorteil des Bruders im begünstigten Mietzins und Liquiditätsgewinn habe liegen sollen. Das Gericht verkenne jedoch grundlegend die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Rechtsgeschäfte, soweit es anschließend ausführe, sie, die Klägerin, hätte die geltend gemachte wirtschaftliche Zielsetzung ebensogut durch eine Weitergabe des Darlehens an den Bruder erreichen können.

Weiter führt die Klägerin die Gründe an, aus denen nach ihrer Auffassung das vom FG als natürlich und naheliegend vorgeschlagene Rechtsgeschäft zu ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen führe und sich mit den zu beurteilenden Verträgen nicht vergleichen lasse.Die Auffassung des Gerichts, daß der Mietvertrag nicht verkehrsüblichen Leasingverträgen entspreche, weil von den Parteien die Gefahr der zufälligen Unmöglichkeiten nicht abbedungen worden sei, stehe nicht im Einklang mit dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien und den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Auch der vereinbarte Mietzins, den sie, die Klägerin, von ihrem Bruder 1985 erhalten habe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände und im Hinblick auf die Verteilung der Risiken angemessen gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zur Festsetzung des vorangemeldeten negativen Umsatzsteuerbetrags von ./. 7 470,71 DM zu verurteilen.

Das FA tritt der Revision entgegen. Es hält die Anwendung des § 42 AO 1977 durch das FG für zutreffend. Es hält ferner an seiner Auffassung fest, daß Verträge zwischen nahen Angehörigen zu Bedingungen abgeschlossen werden müßten, wie sie auch unter fremden Dritten üblich seien, also auch von verständigen Geschäftspartnern in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung gewählt worden wären. Die Vertragsgestaltung zwischen der Klägerin und ihrem Bruder weiche erheblich von üblichen Miet-(Leasing-) Verträgen ab. Der Mietzins liege unter dem Monatsbetrag, der bei einem gleichwertigen Pkw als monatliche Leasingrate zu zahlen wäre. Eine solche liege bei ca. 1 650 DM. In der Regel habe der Leasingnehmer darüber hinaus im voraus eine Mietsonderzahlung zu erbringen. Dadurch erziele die Klägerin eine wesentliche geringere Miete als unter fremden Dritten üblich. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Bruder sei geschlossen worden, um in den Genuß des Vorsteuerabzugs und der Steuervergünstigung des § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) bezüglich der Mieteinnahmen zu kommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das Urteil des FG war aufzuheben, weil die allein auf § 42 AO 1977 gestützte Begründung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Das FG hat sich im wesentlichen der Auffassung des FG Münster (Urteile vom 16. Januar 1985 V 4602/84 U, EFG 1985, 521; und Folgeurteilen in EFG 1985, 522 und 637) angeschlossen. Es ist davon ausgegangen, die Klägerin hätte ihr Ziel auch auf einem anderen, ,,natürlichen und direkten Weg" erreichen können.

Der Senat ist dieser Anwendung des § 42 AO 1977 in seinem Urteil vom 13. Juli 1989 V R 8/86 (BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100) entgegengetreten. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.

2. Mangels Spruchreife kann der Senat nicht durcherkennen. Das FG hat aufgrund seines anderen rechtlichen Ausgangspunkts entscheidungserhebliche Umstände nicht ermittelt.

Das betrifft zum einen die Frage, ob die geltend gemachte Vorsteuer der Klägerin als Empfängerin der Autolieferung in Rechnung gestellt wurde. Zwar spricht nach den Feststellungen des FG manches dafür, daß diese Voraussetzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 erfüllt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 158). Das FG hat diese Frage offengelassen. Etwaigen Zweifeln dazu wird das FG nachzugehen haben. Zur - umsatzsteuerrechlich maßgeblichen - Durchführung der Mietvereinbarung der Klägerin mit ihrem Bruder hat sich das FG nicht geäußert; es hat diese offenbar unterstellt. Kein Kriterium für die Anerkennung eines durchgeführten Mietverhältnisses im Rahmen der Umsatzsteuer ist allerdings der vom FG erwähnte sog. Fremdvergleich (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913). Daß die Klägerin das vereinbarte Mietentgelt von ihrem Bruder tatsächlich nicht erwartet hätte oder nicht erhalten hat, ist offenbar nicht fraglich. Der Vortrag der Klägerin, sie habe die Mietzahlungen tatsächlich erhalten, ist unwidersprochen geblieben.

Nicht geprüft hat das FG aufgrund seiner anderen Beurteilung insbesondere die vom FA angeschnittene Frage der Höhe der zwischen der Klägerin und ihrem Bruder vereinbarten und gezahlten Mietentgelte. Wie der Senat in dem bereits erwähnten Urteil in BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100, unter II. 3. ausgeführt hat, ist diese Frage anhand der sog. Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 zu prüfen. Maßgeblich sind nach dem Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich die ,,bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten", nicht aber sog. marktübliche Preise. Sollten die Kosten über dem vereinbarten Mietzins und zudem über einem feststellbaren marktüblichen Entgelt liegen, so könnte die Einlassung so verstanden werden, daß das FA zugunsten der Klägerin das niedrigere marktübliche Entgelt ansetzen wollte. Dabei darf allerdings nicht undifferenziert auf sog. übliche Leasingraten für vergleichbare Pkw zurückgeriffen werden, wie das FA dies offenbar macht. Es darf vielmehr nicht außer acht gelassen werden, inwieweit die jeweiligen Vermietungs- bzw. Leasing-Leistungen sich inhaltlich decken. Dazu hat die Klägerin geltend gemacht, die von ihr geringer angesetzte Miete beruhe u. a. darauf, daß sie - aufgrund der Eintragung des Bruders als Kfz-Halter - von vornherein keine Haftungsverpflichtungen aus der Fahrzeughaltung übernommen (und damit über die Miete abgewälzt) habe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417053

BFH/NV 1991, 129

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