Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, in welcher Höhe Kosten der Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort in den Zollwert einzubeziehen sind, wenn die Ware mit LKW durch ein Transportunternehmen durchgehend vom ausländischen Versandort über den Einfuhrort hinaus bis zum inländischen Bestimmungsort befördert wurde, die Fracht für die Gesamtstrecke aber nicht besonders berechnet, sondern die Ware zu einem Festpreis (einschließlich Beförderungskosten) frei Bestimmungsort verkauft wurde.
Normenkette
ZG 1939: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 53 b; WertZO 1957: § 9 S. 2; AO § 217
Tatbestand
Streitig ist der Zollwert für Vollmilchpulver, das die Klägerin im Jahre 1960 laufend aus Osterreich eingeführt hat. Die österreichische Verkäuferin lieferte jeweils frei Bestimmungsort. Die hierbei entstandenen inländischen Frachtkosten ergaben sich nicht aus ihren Rechnungen, sondern wurden von der Klägerin bei einem Teil der Einfuhren mit den seinerzeit geltenden Frachtsätzen des Reichskraftwagentarifs (RKT), im übrigen mit 4 DM/100 kg angemeldet. Die Zollwerte wurden auf der Grundlage der Rechnungspreise unter Abzug dieser inländischen Frachtkosten festgestellt.
Auf Grund von Ermittlungen der Zollfahndungsstelle im Jahre 1961 kamen die Zollstellen zu der Überzeugung, daß der tatsächliche inländische Frachtsatz für fast alle Einfuhrpartien 4 DM/100 kg brutto betragen hatte und lediglich bei Lieferungen in den norddeutschen Raum ein Frachtsatz von 6 DM/100 kg brutto berechnet worden war. Weiter wurde nach den Ausführungen in der Vorentscheidung festgestellt, daß das Zollamt (ZA), bei dem die Klägerin die inländischen Frachten stets mit 4 DM/100 kg angemeldet hafte, die Fracht nicht nach dem Bruttogewicht, sondern nach dem Nettogewicht berechnet hatte, und daß bei zwei Einfuhren die Zollstellen einen Frachtbetrag berücksichtigt hatten, der sowohl unter den angemeldeten als auch unter den bei einem Prachtsatz von 4 DM/100 kg entstandenen Frachtkosten lag.
Das Hauptzollamt (HZA) erließ daraufhin am 17. Dezember 1962 einen Steuerbescheid, in dem die unter Zugrundelegung eines Frachtsatzes von 4 DM bzw. 6 DM/100 kg brutto nach Auffassung der Zollbehörden tatsächlich entstandenen inländischen Frachtkosten den bei den jeweiligen Verzollungen von den Rechnungspreisen abgesetzten Frachtkosten gegenübergestellt wurden. Danach war ein Betrag von insgesamt 9 750,08 DM über die nach Ansicht der Zollbehörden tatsächlich entstandenen inländischen Frachtkosten hinaus von den Rechnungspreisen als nicht zum Zollwert gehörende Inlandstracht in Abzug gebracht worden. Hierfür forderte das HZA 20 % Zoll (Tarifnr. 04.02 A des Deutschen Zolltarifs – DZT – 1960) und 4 % Ausgleichsteuer, also insgesamt 2 418 DM Eingangsabgaben nach.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Berufung führte zur Aufhebung des Steuerbescheids vom 17. Dezember 1962 und Freistellung der Klägerin.
Mit seiner Revision beantragt das HZA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage – früher Berufung – abzuweisen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Zur Begründung wird vorgetragen, daß die Berechnung des Inländischen Frachtanteils im Streitfalle nach den Sätzen des RKT unzulässig sei und den Bestimmungen der §§ 53, 53 b ZG 1939 widerspreche. Der Preis frei Bestimmungsort sei auf den Preis zu berichtigen, der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Verkäufer die Ware im Einfuhrort geliefert und die Lieferungskosten bis zu diesem Ort getragen hätte. Dieser Preis könne nicht dadurch gefunden werden, daß vom Preis frei Bestimmungsort die Frachtkosten für die Inlandstrecke abgesetzt würden, die sich bei Anwendung des RKT ergäben. Das Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) schreibe zwar die Anwendung der Sätze des RKT für die innerdeutsche Beförderungsstrecke auch für ausländische Frachtführer vor. Das rechtfertige aber noch nicht die Unterstellung, daß die Frachtsätze des RKT auch in jedem Falle angewendet würden und die Inlandsfracht wertzollrechtlich als in dieser Höhe tatsächlich entstanden angesehen werden müßte. Wenn der Frachtführer sich für die Inlandstrecke nach dem RKT richte, könne er zum Ausgleich für diese verhältnismäßig hohen Frachtbelastungen den Frachtsatz für die Auslandstrecke bis weit unter den Satz senken, den er verlangen müßte, wenn er die Ware nur bis zum Einfuhrort befördern würde. Im Streitfalle müsse vom Preis frei Bestimmungsort die Gesamtfracht abgesetzt werden. Diese müsse notfalls geschätzt werden. Dem so erhaltenen Ab-Werk-Preis sei die Fracht für die Auslandstrecke hinzuzuschlagen. Wenn sichere Anhaltspunkte für die tatsächliche Höhe der Inlandsfracht vorlägen, könne sie auch unmittelbar vom Preis frei Bestimmungsort abgesetzt werden. Im Streitfalle seien sichere Anhaltspunkte für die tatsächliche Höhe der Inlandsfracht vorhanden. Die Aufstellung der Zollfahndungsstelle über die zwischen dem Ömolk und der Klägerin durch Vermittlung des Cif-Agenten W vereinbarten Inlandsfrachtsätze seien nach Geschäftsunterlagen der Klägerin gefertigt worden, die der Inhaber der Klägerin seinerzeit den Beamten der Zollfahndungsstelle selbst zur Verfügung gestellt habe.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, dem HZA die Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen und die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Verkäuferin der Ware habe ihren Spediteuren für die Transportstrecke in Deutschland Frachten nach dem Bahntarif bezahlt, der dem RKT entspreche. Das sei damit die Effektivfracht. Sie entspreche der Höhe nach der Normalfracht. Nur darauf komme es an. Das HZA bestreite nicht, daß die Anwendung der Frachtsätze des RKT für die deutsche Beförderungsstrecke zwingend und unter Strafandrohung vorgeschrieben sei. Wenn das HZA die Anwendung der Frachtsätze des RKT als Unterstellung ansehe und offenbar das Gegenteil unterstellen wolle, dann unterstelle es damit einen ständigen Rechtsbruch. Ob der Frachtführer, der sich für die Inlandstrecke nach dem RKT richte, den Frachtsatz für die Auslandstrecke unter seinen Normalpreis für die Auslandstrecke senken könne, sei unerheblich. Es könnten auch Kostenermäßigungen wertzollrechtlich anerkannt werden, die nicht handelsüblich seien, also hinsichtlich der Frachtkosten auch der Anteil für die Auslandstrecke. Für die österreichische Strecke sei aber ebenfalls nach dem Bahntarif gezahlt worden.
Die Behauptung des HZA, die effektiven Frachten hätten 4 DM oder 6 DM betragen, widerspreche jeder Lebenserfahrung. Die Aufstellung der Zollfahndungsstelle über die angeblichen Effektivfrachten ergäbe, daß in einigen Fällen für weitere Strecken geringere Frachten gegolten haben sollen als für kürzere Strecken. Es gäbe keinen Spediteur, bei dem die Fracht – d. h. die absolute Summe, nicht der km-Satz – mit zunehmender Entfernung billiger werde. Das wäre aber der Fall, wenn die Aufstellung der Zollfahndungsstelle vom 27. Oktober 1961 richtig wäre. Aus den Geschäftsunterlagen der Klägerin ergäbe sich nicht, daß die Inlandsfrachten in den hier in Rede stehenden Fällen 4 bzw. 6 DM/100 kg betragen hätten. Der Steuerbescheid vom 17. Dezember 1962 beziehe sich u. a. auf Ausgleichsteuer, Insoweit sei er schon nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) VII 156/65 vom 11. Juli 1968 aufzuheben. Es liege insoweit auch ein Verstoß gegen das GATT, gegen den Gleichheitssatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Vorinstanz geht offenbar davon aus, daß die Waren durch Frachtführer befördert worden sind.
Nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 ZG 1939 (in der Passung des Dritten Zolländerungsgesetzes vom 9. August 1956) – BGBl I, 735 – ist bei der Feststellung des Normalpreises zu unterstellen, daß der Verkäufer alle Kosten zu tragen hat, die sich auf den Verkauf und auf die Lieferung der Ware bis zum Hafen oder Ort der Einfuhr beziehen. Das gleiche gilt auch dann, wenn nach § 53 b ZG 1939 vom Rechnungspreis als Bemessungsgrundlage ausgegangen wird. In § 9 Satz 2 der Wertzollordnung (WertZO) 1957 vom 7. März 1957 (BGBl I 1957, 174) ist dazu bestimmt, daß diese Kosten in der tatsächlich entstandenen Höhe in den Normalpreis einzubeziehen sind. Wie der Senat in seinem Urteil VII 14/60 U vom 17. Mai 1961 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 73 S. 354 – BFH 73, 354 –, BStBl III 1961, 394) entschieden hat, sind, wenn eine Ware durch einen Transportunternehmer mit LKW durchgehend vom ausländischen Versandort über den Ort der Einfuhr hinaus bis zum inländischen Bestimmungsort befördert worden ist, die sich auf die Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort beziehenden Kosten zu ermitteln, wobei von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles auszugehen ist, d. h. den für die tatsächlich zurückgelegte Strecke entstandenen Lieferungskosten. Sie sind der Norm entsprechend aufzuteilen, d. h. es ist festzustellen, welcher Teil der Gesamtkosten auf die Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort entfällt. Hätte im Lieferland Österreich ein verbindlicher Tarif bestanden, wären die Beförderungskosten für die Auslandstrecke nach diesem Tarif zu berechnen gewesen. Wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, kann die Ermittlung der Beförderungskosten für die Auslandstrecke aber nicht in der Weise geschehen, daß von den Gesamtkosten diejenigen Kosten abgesetzt werden, die sich ergeben, wenn für die Beförderung auf der Inlandstrecke das nach dem RKT zu fordernde Entgelt berechnet wird. Ein solcher Abzug der auf Grund des inländischen Tarifs für eine Teilstrecke errechneten Kosten würde zu einer Verzerrung der Kosten für die Auslandstrecke, die mit dem inländischen Tarif nichts zu tun haben, führen und nicht die in Wirklichkeit auf die ausländische Strecke entfallenden Kosten ergeben.
Der Senat sieht keine Veranlassung, von den in dem vorgenannten Urteil enthaltenen Grundsätzen abzuweichen. Der Hinweis der Vorinstanz, daß der RKT für das Beförderungsentgelt auch maßgebend ist, wenn Güter durch ausländische Kraftfahrzeuge im Inland befördert werden, kann nicht durchgreifen, weil im Hinblick auf die RKT-Frachtsätze möglicherweise für die Auslandstrecke so geringe Frachtkosten berechnet werden, daß sie nicht mehr den tatsächlichen Kosten entsprechen. Da es um die Ermittlung der Kosten für die Auslandstrecke geht, kann es nicht entscheidend sein, wenn nach den bundesdeutschen Vorschriften eine freie Vereinbarung des Beförderungsentgelts für den deutschen Streckenanteil nicht möglich ist und von dem RKT abweichende Vereinbarungen nach § 134 BGB nichtig sind. Das gilt in gleicher Weise auch für die Fälle, in denen die Fracht für die Gesamtstrecke nicht besonders berechnet, sondern die Ware zu einem Festpreis frei Bestimmungsort einschließlich Beförderungskosten verkauft wurde. Anders liegt der Fall, wenn auch für die außerdeutsche Strecke die Sätze des RKT oder eines ihm entsprechenden Tarifs berechnet worden sind.
Da die Vorinstanz diese Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weshalb die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen war. Diese hat im Sinne der vorstehenden Ausführungen die für die Auslandstrecke tatsächlich angefallenen Beförderungskosten zu ermitteln, ggf. nach § 217 AO zu schätzen.
Für die Frage der Erhebung der Ausgleichsteuer können die Grundsätze des Urteils des erkennenden Senats VII 156/65 vom 11. Juli 1968 (BFH 92, 405, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1968 S. 518 – HFR 1968, 518 –, BZBl 1968, 1026 –) im Streitfall nicht zum Zuge kommen, da die Waren im Jahre 1960 eingeführt worden sind, Art. 95 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) aber nach Art. 95 Abs. 3 (a. a. O.) auf die bei Inkrafttreten dieses Vertrages in Geltung gewesenen Rechtsvorschriften erst mit dem Beginn der zweiten Stufe der Übergangszeit, d. h. ab 1. Januar 1962 anwendbar ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EGH –, Rechtssache 57/65 vom 16. Juni 1966, Rechtsprechung des EGH XII S. 257, 895).
Es liegt insoweit auch kein Verstoß gegen das GATT vor, weil dieses keine Rechtsnormen enthält, aus denen die Staatsbürger der Mitgliedstaaten unmittelbar Rechtsansprüche herleiten können (vgl. Urteil des BFH VII 43/60 S vom 26. Juli 1961, BFH 73, 399, BStBl III 1961, 411, BZBl 1961, 861). Es kann auch kein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland anerkannt werden, weil ein unterschiedlicher Sachverhalt gegeben ist, je nachdem, ob eine EWG-Ware oder eine Drittlandsware eingeführt wird. Es werden aber alle Einführer von EWG-Waren gleich behandelt, ebenso alle Einführer von Drittlandswaren. Der Senat vermag insoweit auch keine Gründe für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 514616 |
BFHE 1969, 566 |