Leitsatz (amtlich)
Veräußert der Erwerber eines steuerbegünstigten Eigenheimes dieses innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb weiter, so liegt darin eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 des Schleswig-Holsteinischen GrESWG.
Tatbestand
I. 1. Der Kläger und seine Ehefrau schlossen am 1. Oktober 1969 mit der Kommanditgesellschaft P einen notariell beurkundeten "Kaufvertrag". Danach "verkaufte" ihnen die Gesellschaft zu einem Festpreis von 155 000 DM ein etwa 450 qm großes Grundstück "mit dem darauf zu errichtenden Haus, nachfolgend Kaufgegenstand genannt". Die Gesellschaft einerseits sowie der Kläger und seine Ehefrau andererseits wurden in dem Vertrag als "Verkäufer" und "Käufer" bezeichnet. Nach § 2 Abs. 8 des Vertrages sollten andere als die in diesem Vertrag angeführten Leistungen von dem Verkäufer nicht erbracht werden. Die Kosten für etwaige Sonderwünsche der Käufer einschließlich der dadurch verursachten etwaigen Architektenleistungen sollten die Käufer allein tragen.
Das beklagte FA erhob zunächst gemäß § 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes i. d. F. vom 28. Juni 1962 - GrESWG - (GVBl 1962, 265) keine Grunderwerbsteuer; die zuständige Gemeinde hatte gemäß § 6 Abs. 4 GrESWG bescheinigt, daß das zu errichtende Gebäude grundsteuerbegünstigt sein werde.
2. Am 13. September 1972 veräußerten der Kläger und seine Ehefrau das bebaute Grundstück an ihren Sohn gegen Übernahme der Belastungen und Vorbehalt des Nießbrauches auf Lebenszeit. Daraufhin setzte das FA gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG mit zwei Bescheiden vom 6. Oktober 1972 gegen den Kläger und seine Ehefrau je 6 238,70 DM Grunderwerbsteuer einschließlich des Zuschlages nach § 7 Abs. 3 GrESWG fest.
Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Auch die Klage hat das FG abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet.
1. Mit der Veräußerung des Miteigentumsanteils des Klägers an seinen Sohn ist die Grunderwerbsteuer entstanden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG). Der Kläger und seine Ehefrau hatten durch den Vertrag vom 1. Oktober 1969 den grunderwerbsteuerbegünstigten Zweck verfolgt, ein steuerbegünstigtes Eigenheim zur eigenwohnlichen Nutzung oder Nutzung durch Angehörige zu erwerben. Diesen Zweck haben sie durch die Weiterveräußerung an ihren Sohn am 13. September 1972 vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Erwerb aufgegeben (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG); denn der Erwerb eines steuerbegünstigten "Eigenheims" nach § 2 Nr. 1 GrESWG setzte gemäß § 9 Abs. 1 des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes i. d. F. vom 1. September 1965 - II. WobauG - (BGBl I 1965, 1617) voraus, daß sie Eigentümer des Grundstückes wurden und bis zum Ablauf der Frist des § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG nicht den Entschluß faßten, dieses Eigentum aufzugeben (vgl. das Urteil vom 6. November 1974 II R 169/71, BFHE 113, 486, BStBl II 1975, 92).
Das Gesetz gibt keinen Anhalt dafür, daß trotz der eindeutigen Begriffsbestimmung des Eigenheimes der Entschluß zur Weiterveräußerung grunderwerbsteuerrechtlich unschädlich sein soll. Zwar heißt es in § 7 Abs. 2 GrESWG, daß die Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes durch den Rechtsnachfolger desjenigen, der die Steuerbefreiung in Anspruch genommen habe, nicht gegen den Rechtsvorgänger wirke. Das mag zu dem Schluß verleiten, ein Eigenheim könne ohne grunderwerbsteuerrechtliche Nachteile beliebig veräußert werden, sofern es nur weiterhin den Wohnzwecken des jeweiligen Eigentümers oder seiner Angehörigen diene. Ob die Verfasser des Gesetzes derartige Vorstellungen gehabt haben, ist nicht sicher. Die Begründung zu § 7 Abs. 2 GrESWG vom 12. August 1954 (Drucksache Nr. 603 des Schleswig-Holsteinischen Landtages, 2. Wahlperiode 1950 S. 14) hat folgenden Wortlaut:
"Der Abs. 2 stellt den Grundsatz auf, daß jeder nur für seine eigenen Handlungen einzustehen hat. Der Zwischenerwerber verliert daher die Steuerbefreiung nicht, wenn der ihm folgende Erwerber auf dem Grundstück Bauten errichtet, die nicht zum sozialen Wohnungsbau gehören, und ebenso verliert der Eigenheimer, der ein fertiges Haus erworben hat und es innerhalb der ersten 5 Jahre weiterveräußern muß, nicht deshalb die Steuerbefreiung, weil sein Rechtsnachfolger den Wohnraum zweckentfremdet."
Keine Unklarheiten und Bedenken bestehen insoweit, als mit diesen Ausführungen die Fälle des sogenannten Zwischenerwerbes angesprochen sind. Hier begünstigt das Gesetz abweichend von der Regel einen Erwerber ausdrücklich und lediglich zu dem Zweck, daß er das Grundstück an einen Dritten weiterveräußert, damit dieser den grundsteuerbegünstigten Wohnraum errichte (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrESWG). Ähnlich mögen die Fälle des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrESWG liegen. Zweifelhaft ist jedoch, ob in den weiteren Ausführungen der Gesetzesbegründung die Ansicht zum Ausdruck kommt, die Veräußerung eines Eigenheimes als solche sei steuerrechtlich unschädlich. Dagegen spricht die Formulierung, daß "der Eigenheimer" das erworbene Haus "weiterveräußern muß ". Offenbar sollte nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser eine zwangsweise Weiterveräußerung keine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes sein; dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob das im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist. Sollte jedoch dieser Teil der Begründung dahin zu verstehen sein, daß die Veräußerung eines Eigenheimes als solche nicht steuerschädlich sei, so wäre diese Ansicht der Verfasser des Gesetzes nicht im Gesetzestext zum Ausdruck gekommen und mit diesem sogar unvereinbar; denn bei einer solchen Auslegung des § 7 Abs. 2 GrESWG wäre die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG ohne erkennbaren Sinn. Schon § 7 Abs. 1 Nr. 3 GrESWG ordnet die Nacherhebung der Steuer an, wenn das Haus zu einem anderen als dem steuerbegünstigten Zweck verwendet wird. Dabei mag auch hier dahingestellt bleiben, ob die Begründung zu § 7 Abs. 1 Nr. 3, die spätere Vermietung eines zunächst von dem Erwerber persönlich bewohnten Eigenheimes an dritte Personen "im Laufe der fünf Jahre" sei unschädlich, mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 II. WoBauG zu vereinbaren ist, wonach eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt sein muß. Jedenfalls hätte es nicht der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 4 bedurft, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers die Veräußerung des Hausgrundstückes als solche steuerrechtlich unschädlich wäre; denn jede Zweckentfremdung des Wohnraumes mit oder ohne Eigentumswechsel am Grundstück wird bereits durch § 7 Abs. 1 Nr. 3 GrESWG erfaßt. § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG erweitert aber gerade über diesen Rahmen hinaus den Kreis der Nachversteuerungstatbestände; nach dieser Vorschrift wird der Erwerbsvorgang auch dann steuerpflichtig, wenn der steuerbegünstigte Zweck innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb in sonstiger Weise aufgegeben wird. In dieser "sonstigen Weise" gibt aber auch derjenige Grundstückserwerber den steuerbegünstigten Zweck auf, der den Entschluß faßt, das Haus nicht mehr zu Eigentum und daher nicht als Eigenheim zu behalten. Nach der Begründung des Gesetzes hat § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG "ebenfalls Fälle der Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes zum Gegenstand, und zwar diejenigen, die durch Ziff. 1-3 nicht erfaßt werden."
Es hätte dem Gesetzgeber freigestanden, der Vorschrift des § 2 Nr. 1 GrESWG einen anderen Inhalt zu geben, indem er statt des Begriffes "Eigenheim" das Wort "Wohnhaus" - nötigenfalls mit einer begrenzten Anzahl von Wohnungen - verwendete (vgl. z. B. Art. 1 Nr. 4 des Bayerischen GrESWG i. d. F. vom 16. Juli 1969 und § 1 Nr. 5 des Niedersächsischen GrESWG i. d. F. vom 17. Februar 1966). Da dies nicht geschehen ist, sind die Gerichte an den Inhalt des § 9 Abs. 1 II. WoBauG, der den Begriff des Eigenheimes definiert, gebunden. Die Vorschrift des § 2 Nr. 3 GrESWG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen der erste Erwerb eines Mehrfamilienhauses begünstigt wird, zeigt überdies, daß der Gesetzgeber des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau offensichtlich zwischen Eigenheimen und anderen Wohnhäusern unterschieden hat.
Auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 2 GrESWG berührt die vorstehenden Ausführungen nicht. Sie bedeutet nur, daß die Weiterveräußerung ohne vorangegangene Errichtung von Wohnungen in solchen Fällen unschädlich ist, in denen das Gesetz ausdrücklich den Erwerb eines Grundstückes zwecks Weiterveräußerung in unverändertem Zustand begünstigt (§ 1 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 GrESWG), sich ein Wechsel zwischen Gesamthandseigentum und Miteigentum bzw. Alleineigentum vollzieht (§§ 5 und 6 GrEStG) oder Miteigentümer eine Grundstücksfläche teilen (§ 7 GrEStG). Für Fälle der vorliegenden Art enthält sie daher keine Aussage.
Unerheblich ist es, daß im vorliegenden Falle die Weiterveräußerung nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei war. Das ändert nichts an dem Umstand, daß mit dieser Weiterveräußerung die Absicht des Klägers und seiner Ehefrau entfiel, das Grundstück weiterhin als Eigentum und damit als Eigenheim nach § 9 Abs. 1 II. WoBauG zu behalten. Auch hindert grundsätzlich der Umstand, daß eine Weiterveräußerung nach anderen Vorschriften steuerfrei ist, nicht die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer für den vorangegangenen Erwerbsvorgang (vgl. das Urteil vom 13. September 1972 II R 49/72, BFHE 107, 313, BStBl II 1973, 86).
2. Der Kläger ist der Ansicht, er und seine Ehefrau seien wirtschaftliche Bauherren des Gebäudes gewesen. Bei Abschluß des Vertrages vom 1. Oktober 1969 hätten sie noch Einfluß auf den Bau nehmen können und dies auch getan. Dadurch hätten sich die Baukosten um etwa 10 000 DM erhöht. Außerdem macht der Kläger geltend, daß wegen des vorbehaltenen Nießbrauches sein Sohn nicht das "Volleigentum" am Grundstück erhalten und es sich um eine vorweggenommene Erbfolge gehandelt habe. Keiner dieser Einwände ist begründet.
Mit dem Hinweis auf die Bauherrneigenschaft will der Kläger offenbar geltend machen, er und seine Ehefrau hätten ein unbebautes Grundstück erworben und mit der Errichtung des Hauses den steuerbegünstigten Zweck erfüllt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG). Der Vertrag vom 1. Oktober 1969 ist jedoch nach seinem eindeutigen Inhalt ein Kaufvertrag über das Grundstück mit einem zu errichtenden Gebäude. Der Begriff des Bauherrn, auf den sich der Kläger beruft, ist kein selbständiges Tatbestandsmerkmal der Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Nr. 4 GrESWG. Er ist nur ein Hilfsmerkmal zur grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung zivilrechtlich nicht eindeutig qualifizierbarer Verträge (Urteil vom 20. Februar 1974 II R 59/66, BFHE 112, 203, BStBl II 1974, 428). Angesichts des eindeutigen Vertrages vom 1. Oktober 1969 hat er daher im vorliegenden Fall keine Bedeutung. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, daß der Vertrag vom 1. Oktober 1969 abgeändert worden sei und er sowie seine Ehefrau im eigenen Namen und auf eigenes Risiko das Gebäude errichtet hätten. Daß sich durch Sonderwünsche der Bau um etwa 10 000 DM verteuerte und der Kläger und seine Ehefrau insoweit die betreffenden Handwerker unter Umständen unmittelbar beauftragten und bezahlten, entspricht der in § 2 Abs. 8 des Kaufvertrages enthaltenen Regelung über Sonderwünsche.
Ebenso ist unerheblich, daß der Kläger und seine Ehefrau sich bei der Weiterveräußerung den Nießbrauch vorbehalten haben. Der Vorbehalt einer solchen Nutzung zählt gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung, beseitigt also nicht die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und deren grunderwerbsteuerrechtliche Folgen im Rahmen des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau. Auch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 II. WoBauG stellt nur auf das Eigentum, nicht aber auf den Nießbrauch ab.
Auch der Umstand, daß der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn übertrugen, hat keinen Einfluß auf die Besteuerung. Selbst wenn man die Ansicht vertritt, daß der Übergang eines Grundstückseigentums kraft Erbfolge keine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes bedeute, würde das nicht zu einer Steuerbefreiung des Klägers aus dem Gedanken der vorweggenommenen Erbfolge führen. Die freiwillige Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes durch Weiterveräußerung des Grundstücks ist ebensowenig einem durch Tod bedingten zwangsweisen Übergang des Grundstückseigentums gleichzustellen, wie die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Grundstückes auf den künftigen Erben zu Lebzeiten des Erblassers eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG aus dem Gedanken der Erbfolge rechtfertigt (vgl. das Urteil vom 8. Dezember 1970 II R 26/67, BFHE 101, 312, BStBl II 1971, 255). Deshalb hat auch entgegen der Ansicht des Klägers die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 GrESWG i. d. F. vom 16. September 1974 (GVBl 1974, 353), wonach die Steuer nicht erhoben wird, "wenn ein Fall des § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes vorliegt". hier keine Bedeutung. Selbst wenn man den Sinn dieser erst am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen Vorschrift für den vorliegenden Fall berücksichtigen will, ändert das nichts an dem Entscheidungsergebnis; denn es liegt weder eine ganz oder teilweise grunderwerbsteuerfreie Schenkung noch - wie bereits ausgeführt - eine Erbfolge oder ein Fall vor, welcher grunderwerbsteuerrechtlich der Erbfolge vergleichbar wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 71729 |
BStBl II 1976, 165 |
BFHE 1976, 300 |