Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerpflicht des Entgelts zur Vermeidung eines bergrechtlichen Grundabtretungsverfahrens
Leitsatz (NV)
Erwirbt der Inhaber eines vor dem 3. Oktober 1990 erworbenen Bergwerkseigentums an den Kiesen und Kiessanden bestimmter Grundstücke nachträglich das Eigentum an den Grundstücken zu einem Kaufpreis hinzu, der teils auf den Grund und Boden und teils auf den Bodenschatz entfallen soll, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem gesamten Kaufpreis.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; BergG DDR § 3; BodSchVereinhG §§ 1, 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Jahr 1999 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 22 Abs. 2 Satz 5 des Bundesberggesetzes i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes Inhaberin des vor dem 3. Oktober 1990 begründeten Bergwerkseigentums X "für die Bodenschätze Kiese und Kiessande zur Herstellung von Betonzuschlagstoffen".
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 11. Mai 2001 erwarb sie ein Grundstück, auf das sich ihr Bergwerkseigentum erstreckte. In Abschnitt III des Kaufvertrags war bestimmt:
Der Kaufpreis beträgt 2,40 DM/qm (0,90 DM für Grund und Boden sowie 1,50 DM Substanzwert). Daraus ergibt sich ein Kaufpreis in Höhe von insgesamt 5 054 DM.
Daraufhin zog die zunächst zuständige Behörde die Klägerin durch Bescheid vom 18. September 2001 zu einer nach dem vollen Kaufpreis bemessenen Grunderwerbsteuer von 176 DM heran.
Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, als Bemessungsgrundlage nur von 0,90 DM/qm auszugehen, da der höhere Preis lediglich gezahlt worden sei, um ein langwieriges bergrechtliches Grundabtretungsverfahren zu vermeiden. Dieses zusätzliche Entgelt habe weder dem Erwerb der Bodenschätze noch dem Erwerb von Grund und Boden gedient und gehöre daher nicht zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Stattdessen sei auf den Verkehrswert der Grundstücke ohne Berücksichtigung des Bergwerkseigentums abzustellen. Zudem habe das zuständige Finanzamt (FA) in der Vergangenheit die Grunderwerbsteuer in vergleichbaren Fällen immer nur nach dem auf Grund und Boden entfallenden Teilbetrag bemessen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, auch der laut Kaufvertrag auf den Substanzwert entfallende Teilbetrag zähle zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung, da ihn die Klägerin erbracht habe, um das Grundstück zu erhalten. Die Absicht der Klägerin, Kosten und Zeit für ein aufwendiges bergrechtliches Grundabtretungsverfahren zu sparen, sei lediglich ein grunderwerbsteuerlich unbeachtlicher wirtschaftlicher Beweggrund.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18. September 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2002 aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das während des Revisionsverfahrens zuständig gewordene FA) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend den laut Vertrag auf den Substanzwert entfallenden Teil des Kaufpreises in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes.
a) Zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung zählt, was der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Februar 2004 II R 31/02, BFHE 204, 489, BStBl II 2004, 521; vom 2. Juni 2005 II R 6/04, BFHE 210, 60, BStBl II 2005, 651). Ausschlaggebend ist nicht, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben (vgl. BFH-Urteile vom 16. Februar 1994 II R 114/90, BFH/NV 1995, 65; vom 5. März 1997 II R 81/94, BFH/NV 1997, 613; in BFHE 210, 60, BStBl II 2005, 651). Das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sowie die für die Bemessung der Gegenleistung maßgebenden Motive und Erwartungen der Parteien sind dabei grundsätzlich nicht von Belang (vgl. Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 9 Rz 210; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 9 Rz 77).
Im Streitfall hat die Klägerin gemäß diesen Grundsätzen den vollen Kaufpreis für die Erlangung des Grundeigentums entrichtet. Dabei mag sie zwar einen höheren Kaufpreis bezahlt haben als dies ein unbeteiligter Dritter getan hätte, weil sie ein gesteigertes Interesse an dem Grundstück hatte und ein unter Umständen zeit- und kostenaufwendiges bergrechtliches Grundabtretungsverfahren vermeiden wollte. Dies betrifft jedoch die grunderwerbsteuerlich unbeachtlichen wirtschaftlichen Beweggründe für den Grunderwerb. Der höhere Preis diente insbesondere nicht dazu, eine weitere, über die Grundstücksverschaffung hinausgehende Leistung der Verkäuferin abzugelten. Die Verkäuferin ist keine neben die Grundstücksverschaffungspflicht tretende weitere Verpflichtung eingegangen.
b) Eine Verpflichtung der Verkäuferin, die Rechte an dem Bodenschatz zu übertragen, brauchte nicht begründet zu werden, da sie der Klägerin bereits zustanden. Gemäß § 3 des Berggesetzes der DDR vom 19. Mai 1969 (Gesetzblatt der DDR I 1969, Nr. 5, S. 29) zählten alle dort genannten mineralischen Rohstoffe zu den bergfreien Bodenschätzen. Diese Besonderheit galt nach Maßgabe der Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. a zum Einigungsvertrag (BGBl II 1990, 889, 1004) auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland fort. Die Aufhebung dieser Sonderregelung durch § 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15. April 1996 (BGBl I 1996, 602) ließ gemäß § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes bestehende Bergbauberechtigungen unberührt.
c) Grunderwerbsteuerrechtlich ist auch nicht von Bedeutung, dass bei einem bergrechtlichen Grundabtretungsverfahren der gemeine Wert des Grundstücks als Entschädigung festzusetzen gewesen wäre und die Klägerin auf diesem Weg unter Umständen preiswerter an das Eigentum an dem Grundstück hätte gelangen können. Ein Mehrpreis gegenüber dem gemeinen Wert spiegelte nur das besondere wirtschaftliche Interesse des Bergwerkseigentümers wieder.
2. Ebenso ist unbeachtlich, dass das früher zuständige Finanzamt nach dem Vortrag der Klägerin in der Vergangenheit stets den Teilbetrag für den Substanzwert bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage unberücksichtigt gelassen haben soll. Eine Selbstbindung der Verwaltung kommt nur im Rahmen der Anwendung von Ermessensvorschriften, nicht aber im Bereich der gebundenen Verwaltung in Betracht. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährt keinen Anspruch auf Beibehaltung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis (vgl. Klein/Gersch, AO, 9. Aufl., § 5 Rz 9; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 5 AO Rz 51; s. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1969 VIII C 104.69, BVerwGE 34, 278).
Fundstellen
Haufe-Index 2050900 |
BFH/NV 2008, 2060 |