Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenleistung bei Einräumung der Verwertungsbefugnis durch einen Leasingvertrag
Leitsatz (NV)
1. Die Voraussetzungen des §8 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. GrEStG 1983, wonach die Steuer nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen ist, wenn die Gegenleistung nicht zu ermitteln ist, liegen bei einem sog. Public-Leasing-Vertrag nicht vor, wenn alle Leistungen, die der Leasingnehmer nach dem Leasingvertrag zu erbringen hat, Gegenleistung für die Einräumung der Verwertungsbefugnis sind (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579).
2. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186).
3. Bei dem Tatbestand des §1 Abs. 2 GrEStG 1983 gehören zur Gegenleistung alle Leistungen, die aufgewendet oder empfangen werden, um die Rechte und Rechtspositionen in bezug auf ein Grundstück zu erlangen, die insgesamt als Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu werten sind (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 579).
4. Die von einem Leasingnehmer nach dem Leasingvertrag zu erbringenden Leistungen sind kausal mit dem Erwerb der Verwertungsbefugnis verknüpft, wenn dem Leasingnehmer die insgesamt als Verwertungsbefugnis i.S. des §1 Abs. 2 GrEStG 1983 zu wertenden Rechtspositionen nur wegen seines Leistungsversprechens eingeräumt wurden und der Leasingnehmer seinerseits die Verpflichtungen deswegen eingegangen ist, damit ihm die Verwertungsbefugnis am Grundstück übertragen wird.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 2 Nr. 1, §§ 9, 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X- KG (KG). Die KG hatte mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises K GmbH (W-GmbH) am ... einen notariell beurkundeten Vertrag geschlossen, der als Public- Leasing-Vertrag bezeichnet wurde. Der Vertrag hatte im wesentlichen folgenden Inhalt:
Die W-GmbH verpflichtete sich, auf einem von ihr zu erwerbenden Grundstück nach den Wünschen und Vorstellungen der KG gewerblich nutzbare Gebäude zu errichten. Für die Bauzeit übernahm die W-GmbH die Aufgaben des Bauherren. Während der vereinbarten Leasingdauer von 20 Jahren hatte sie der KG das Leasingobjekt zur uneingeschränkten Nutzung zu überlassen. Die KG sollte hinsichtlich des Grundstücks mit Abschluß des Leasingvertrags und hinsichtlich der Gebäude ab Beginn der Bauzeit wirtschaftliche Eigentümerin mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten sein. Sie hatte die Lasten und Gefahr sowie die Kosten für die Instandhaltung, Unterhaltung und Erneuerung des Objekts zu tragen.
Die KG verpflichtete sich zur Leistung einer einmaligen Sonderzahlung in Höhe von 2 v.H. der -- vorläufig mit ... Mio. DM veranschlagten -- Investitionskosten zuzüglich Umsatzsteuer. Ferner verpflichtete sich die KG zur Leistung einer sog. Vormiete, die bis zur Übergabe der Gebäude zu entrichten war. Ab Übergabe hatte die KG schließlich eine monatliche Leasingrate in Höhe von 0,84 v.H. der Investitionskosten zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Die Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten sollte unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Objekts 20 Jahre bestehen und nicht durch Schadensereignisse (z.B. Feuer, Sturm, höhere Gewalt) berührt werden. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags konnte die KG das Objekt lastenfrei zum Kaufpreis von 1 DM zu Eigentum erwerben. Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums wurde ihr die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bewilligt. Gegen Zahlung der Investitionskosten abzüglich Tilgungszahlungen hatte die KG das Recht, schon vor dem Ende der Laufzeit die Übertragung des Grundstücks und der Gebäude zu verlangen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) setzte gegen die KG durch Änderungsbescheid vom 7. Februar 1991 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest. Das FA ging dabei davon aus, daß sämtliche Zahlungen, die die KG nach dem Leasingvertrag zu erbringen hatte, zur Gegenleistung für die ihr eingeräumte Verfügungsmacht über das Grundstück gehörten.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und setzte die Grunderwerbsteuer auf ... DM herab. Das FG ging davon aus, daß die Grunderwerbsteuer gemäß §8 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das Urteil des FG beruht auf der Verletzung von §8 GrEStG 1983. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, im Streitfall sei die Grunderwerbsteuer gemäß §8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen, da eine Gegenleistung nicht zu ermitteln sei.
a) Das FG hat zutreffend angenommen, daß der Leasingvertrag vom ... nach §1 Abs. 2 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der KG wurde es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung i.S. des §1 Abs. 2 GrEStG 1983 ermöglicht, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Der KG, die nach dem Leasingvertrag wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks sein sollte, wurden alle mit dem Grundstück verbundenen wirtschaftlichen Vor- und Nachteile übertragen. Sie war zu einer uneingeschränkten und auch nicht durch Kündigung entziehbaren Nutzung des Objekts berechtigt und konnte aufgrund vertraglich eingeräumten und durch Vormerkung gesicherten Rechts auch eine Übereignung des Grundstücks verlangen und damit letztlich über das Grundstück nach ihrem Belieben verfügen.
b) Der Senat folgt jedoch nicht der Auffassung des FG, die Grunderwerbsteuer sei gemäß §8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen. Das FG hat zu Unrecht angenommen, eine Gegenleistung für die Einräumung der Verwertungsbefugnis sei nicht zu ermitteln, weil die nach dem Leasingvertrag zu entrichtenden Zahlungen sowohl für die Einräumung der Verwertungsbefugnis als auch für eine -- nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende -- (Vermietungs-)Leistung der W-GmbH geleistet würden und eine entsprechende Aufteilung der Zahlungen -- auch durch Schätzung -- nicht möglich sei. Eine solche Aufteilung ist jedoch nicht erforderlich. Denn alle Leistungen, die die KG nach dem Leasingvertrag zu erbringen hat, sind Gegenleistung i.S. von §9 GrEStG 1983 für die Einräumung der Verwertungsbefugnis (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Januar 1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579). Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Bei dem Tatbestand des §1 Abs. 2 GrEStG 1983 gehören zur Gegenleistung alle Leistungen, die aufgewendet oder empfangen werden, um die Rechte und Rechtspositionen in bezug auf ein Grundstück zu erlangen, die insgesamt als Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu werten sind (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 579). Im Streitfall trifft dies auf alle vom FA mit dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid erfaßten Leistungen zu, die die KG nach dem Leasingvertrag zu erbringen hat. Diese Leistungen sind kausal mit dem Erwerb der Verwertungsbefugnis verknüpft. Denn der KG wären die entsprechenden Rechtspositionen nicht ohne ihr Leistungsversprechen eingeräumt worden und sie ist ihrerseits diese Verpflichtungen deswegen eingeganen, damit ihr die Verwertungbefugnis am Grundstück übertragen wird.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig, da das FA zu Recht die Steuer nach §8 Abs. 1 GrEStG 1983 bemessen und alle nach dem Leasingvertrag von der KG zu erbringenden Leistungen als Gegenleistung i.S. des §9 GrEStG 1983 angesehen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 55260 |
BFH/NV 1999, 666 |
DStRE 1999, 347 |
HFR 1999, 391 |