Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter kann für Wassermesser einer gemeindlichen Wasserversorgungsanlage nicht in Anspruch genommen werden. Die Wassermesser gehören zur Sachgesamtheit "Versorgungsanlage".
Normenkette
EStDV § 7; EStG § 6/2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) für die Wassermesser, die sie in den vom 1. April bis 31. März laufenden Wirtschaftsjahren 1948/1949 bis 1950/1951 auf ihre Kosten angeschafft und in das Leitungsnetz eingebaut hat, Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter in Anspruch nehmen kann. Die Bfin. ist ein Wasserversorgungsunternehmen einer Gemeinde in Form eines Betriebs gewerblicher Art i. S. des § 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Die Preise für die einzelnen Wassermesser lagen jeweils unter 100 DM.
Die Vorbehörden haben die Bewertungsfreiheit abgelehnt. Das Finanzgericht ist der Meinung, daß die Wassermesser zusammen mit der Wasserversorgungsanlage eine Sachgesamtheit bildeten, weil sie nur im Rahmen dieser Anlage nutzbar seien. Sie stellten wesentliche Bestandteile der Leitungsanlage dar und seien mit dieser für die Dauer verbunden. Im übrigen könne Bewertungsfreiheit für den Veranlagungszeitraum II/1948 auch deshalb nicht in Anspruch genommen werden, weil es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehle.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, können in den Veranlagungszeiträumen 1949 und 1950 abnutzbare bewegliche Anlagegüter, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung voll abschreiben, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im neuen oder gebrauchten Zustand 500 DM nicht übersteigen (§ 7 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung - EStDV - vom 2. Juni 1949, Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 109, und EStDV i. d. F. vom 28. Dezember 1950, Bundesgesetzblatt 1951 I S. 22). Ob einzelne Gegenstände selbständig bewertet und nutzbar sind oder ob sie eine Sachgesamtheit bilden, die als Ganzes bewertet wird, ist in erster Linie nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung sieht in der Zusammenfassung von einzeln - käuflichen Gegenständen nicht schon dann eine Sachgesamtheit, wenn sie einem einheitlichen Zweck dienen. Entscheidend ist, ob die einzelnen Gegenstände infolge ihrer Vereinigung mit anderen Gegenständen wirtschaftlich als etwas anderes angesehen werden als vor der Vereinigung und ob die vereinigten Gegenstände deshalb als eine Einheit in Erscheinung treten (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 360/53 U vom 19. November 1953, Slg. Bd. 58 S. 271, Bundessteuerblatt 1954 III S. 18 und das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil I 133/56 U vom 5. Oktober 1956).
Der Senat stimmt der Auffassung des Finanzgerichts, daß die einzelnen Wassermesser zur Wasserversorgungsanlage gehören und mit ihr eine Sachgesamtheit bilden, im Ergebnis zu. Allerdings ist, wie die Bfin. zutreffend ausführt, die Tatsache, daß die Wassermesser, die im übrigen durch die Verbindung mit der Wasserleitung noch nicht wesentliche Bestandteile dieser Leitung i. S. des § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches werden, nur durch eine technische Verbindung mit dem Leitungsnetz ihren wirtschaftlichen Zweck erfüllen können, nicht von entscheidender Bedeutung. Denn viele Gegenstände des Betriebsvermögens können für sich allein dem Betrieb keinen Nutzen bringen, werden aber doch von der Verkehrsauffassung als selbständig bewertbare und nutzbare Wirtschaftsgüter angesehen. Deshalb bilden solche Meßgeräte, die jeweils nur zur Durchführung bestimmter Messungen in eine technische Verbindung mit anderen Gegenständen gebracht werden, z. B. der Luftdruckmesser bei einem Kraftwagen, selbständig bewertbare und nutzbare Wirtschaftsgüter, während andererseits Meßapparate, deren technische, der Messung dienende Verbindung für die Dauer berechnet ist, aber ohne wesentliche Beeinträchtigung auch gelöst werden kann, nach der Verkehrsauffassung in vielen Fällen als Teile einer Sachgesamtheit angesehen werden, z. B. der Dampfdruckmesser einer Dampfmaschine. Es kann der Bfin. zugegeben werden, daß es sich bei den Wassermessern deshalb um einen Grenzfall handelt, weil es auch Wasserversorgungsanlagen ohne Wassermesser gibt und weil die Fälle nicht selten sein mögen, in denen der mit der Leitung verbundene Wassermesser aus irgendwelchen Gründen wieder entfernt wird. Entscheidend ist für den Senat die Tatsache, daß die Wassermesser, auch wenn sie erst nachträglich in das Leitungsnetz eingebaut werden, in der Regel mit der Versorgungsanlage für die Dauer verbunden sind und daß es, von kleinen Gemeinden abgesehen, keine Wasserversorgungsanlagen gibt, bei denen nicht alle Beteiligten das Vorhandensein von Wassermessern als eine Voraussetzung sachgemäßer Benutzung der Leitung ansehen. Aus dieser Tatsache muß der Schluß gezogen werden, daß die Wassermesser in aller Regel einen so wichtigen und unentbehrlichen Teil der Gesamtanlage bilden, daß sie die Verkehrsauffassung als notwendigen Teil dieser Anlage ansieht und daß sie deshalb mit dieser eine Sachgesamtheit bilden. Die Wassermesser treten, sobald sie mit der Versorgungsleitung verbunden sind, als selbständige Teile der Versorgungsanlage nicht mehr in Erscheinung. Die Bfin. muß deshalb die angeschafften Wassermesser, soweit sie erstmalig in ein Leitungsnetz eingebaut werden, aktivieren.
Auf die Frage, ob die Bestimmung in Abschn. 50 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 von den Steuergerichten beachtet werden kann, braucht nicht eingegangen zu werden. Denn auch diese Bestimmung macht die Bewertungsfreiheit davon abhängig, daß das geringwertige Wirtschaftsgut einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 408602 |
BStBl III 1957, 7 |
BFHE 1957, 17 |
BFHE 64, 17 |