Leitsatz (amtlich)
Der ermäßigte Vergütungssatz von 1 % kommt nur bei einer Lieferkette Hersteller–Händler–Ausfuhrhändler in Betracht. Bei Einschaltung eines weiteren Zwischenhändlers ist Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von 4 % nach § 74 Abs. 2 Satz 1 zu gewähren.
Normenkette
UStG 1951 § 16 Abs. 1; UStDB § 74 Abs. 2 Nr. 4 i.d.F. der 8. UStDBÄndVO vom 7. Februar 1957
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin) beantragte für im November 1958 ausgeführten Hopfen Ausfuhrhändlervergütung, zunächst in Höhe von 2 %, während des Rechtsmittelverfahrens in Höhe von 4 %. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) gewährte lediglich eine Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von 1 % der Berechnungsgrundlage. Er vertrat dabei die Auflassung, daß die Einschaltung der Firma A als Vorlieferantin der Lieferfirma der Antragstellerin, der Firma B, nur zu dem Zweck geschehen sei, um die höhere Ausfuhrhändlervergütung zu erlangen, insoweit daher der Tatbestand des § 6 StAnpG erfüllt sei.
Die Berufung (Klage) hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Voraussetzungen des § 6 StAnpG und Sprach der Antragstellerin Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von 4 % nach § 74 Abs. 2 Satz 1 UStDB 1951 zu.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt das FA unrichtige Anwendung des § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB 1951 in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 (Bundesgesetzblatt I 1957 S. 6, BStBl I 1957, 131) – 8. UStDBÄndVO –. Es beruft sich dabei auf das Urteil des Senats V 133/63 U vom 20. Mai 1965 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 82 S. 517 – BFH 82, 517 –, BStBl III 1965, 433), wonach sich die Höhe der Ausfuhrhändlervergütung ausschließlich nach der Höhe der Umsatzsteuerbelastung der Lieferung des Herstellers an den Ausfuhrhändler richte.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde, die nunmehr als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO), hat keinen Erfolg.
1. Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 UStDB 1951 in der für den Streitfall maßgebenden Fassung beträgt der Vergütungssatz für die Ausfuhrhändlervergütung 4 % der Berechnungsgrundlage, soweit nicht – wie es in der genannten Vorschrift heißt – „in den nachstehend genannten Fällen etwas anderes bestimmt ist”. Aus dieser Wortfassung ergibt sich, daß der Vergütungssatz von 4 % immer dann anzuwenden ist, wenn nicht eine der Ausnahmen der Nrn. 1 bis 5 des § 74 Abs. 2 Satz 2 UStDB 1951 vorliegt. Der Höhe des regelmäßigen Vergütungssatzes liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Lieferung des Herstellers an den Ausfuhrhändler im Regelfall mit 4 % belastet ist und der Ausfuhrhändler von dieser Quote entlastet werden soll, um gegenüber den exportierenden Fabrikanten im Wettbewerb nicht benachteiligt zu sein (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – V 38/63 vom 22. April 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 446, und V 133/63 U vom 20. Mai 1965, a. a. O.).
Eine Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von 1 v. H. kommt nach § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB 1951 bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Betracht, die der Lieferer des Antragstellers nach § 4 Nr. 19 UStG 1951 steuerfrei erworben und an den Antragsteller zum ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. weitergeliefert hat. Der Senat hat in den oben angeführten Entscheidungen zum Vergütungssatz von 1 v. H. ausgeführt, die Höhe dieses Satzes trage offenbar dem Umstand Rechnung, daß die ausgeführte Ware möglicherweise mit einer Steuer von 1 v. H. dann belastet sei, wenn der Ausfuhrhändler selbst nicht unmittelbar von dem steuerfrei liefernden Hersteller, sondern über einen Großhändler bezieht oder beziehen müsse. Der Senat ist in beiden angeführten Entscheidungen davon ausgegangen, daß dem Vergütungssatz von 1 v. H. nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Lieferkette Hersteller–Großhändler–Ausfuhrhändler zugrunde liegt, wobei der Hersteller steuerfrei, der Großhändler aber zum ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. liefert.
Soweit das FA sich auf einzelne Ausführungen im Urteil V 133/63 U vom 20. Mai 1965 (a. a. O.) beruft, berücksichtigt es den Zusammenhang nicht, in dem diese Ausführungen stehen. Der Senat hat nämlich die Auffassung des FG, es müsse im Rahmen des Möglichen auf die tatsächliche Vorbelastung abgestellt werden, damit widerlegt, daß nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel nur die Rückzahlung in Höhe der einen Quote stattfinden soll, mit der die Lieferung vom Hersteller an den Ausfuhrhändler belastet ist.
Soweit allerdings im Anschluß an die Ausführungen zu § 74 Abs. 2 Nr. 3 UStDB 1951, frühere Fassung § 74 Abs. 2 Nr. 4 UStDB 1951, bemerkt ist, daß es für die Höhe des Vergütungssatzes gleichgültig sei, über wieviele Zwischenhändler der Exporteur die Ware bezogen habe, kann sich diese Bemerkung nur auf den regelmäßigen Vergütungssatz von 4 v. H. beziehen, wie sich auch aus dem letzten Satz des nachfolgenden Absatzes ergibt.
Das FA kann sich deshalb für seine Auffassung, daß nur eine Vergütung in Höhe von 1 v. H. zu gewähren sei, nicht auf das Urteil des BFH V 133/63 U vom 20. Mai 1965 (a. a. O.) berufen.
2. Die im vorliegenden Falle streitige Frage, ob der Vergütungssatz von 1 v. H. nach § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB 1951 auch dann anzuwenden ist, wenn der Hersteller an einen Zwischenhändler, dieser an einen weiteren Händler und erst dieser an den Ausfuhrhändler liefert, ist im Urteil des BFH V 133/63 U vom 20. Mai 1965 nicht entschieden worden. Die Entscheidung dieser Frage hängt ausschließlich davon ab, ob der Tatbestand des § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB 1951 erfüllt ist oder nicht. Wie bereits dargestellt, geht das Gesetz im Fall des § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB 1951 von der Lieferkette Hersteller–Großhändler–Ausfuhrhändler aus. Die Lieferkette des vorliegenden Falles lautet aber; Hersteller–Händler–Händler–Ausfuhrhändler. Über den im Gesetz vorgesehenen Zwischenhändler zwischen Hersteller und Ausfuhrhändler ist also noch ein weiterer Zwischenhändler eingeschaltet. Da diese Gestaltung von der Ausnahmeregelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UStDB nach deren eindeutigem Wortlaut nicht erfaßt wird, bleibt nichts anderes übrig, als den Regelsatz von 4 v. H. nach § 74 Abs. 2 Satz 1 UStDB 1951 anzuwenden. Dies widerspricht nicht, wie das FA anzunehmen scheint, dem Sinn der Regelung. Denn die Höhe des Vergütungssatzes stellt eine Pauschale dar, die der tatsächlichen Belastung nicht in jedem Falle zu entsprechen braucht.
Unter diesen Umständen ist daher die Auffassung in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. April 1957 betreffend 8. UStDBÄndVO, Abschn. B Nr. 40 Abs. 5 (BStBl I 1957, 235, 247), nicht zu beanstanden, wonach in Fällen der vorliegenden Art der Vergütungssatz von 4 % gewährt werden kann, wenn nicht die Einschaltung mehrerer Zwischenhändler als Tatbestand des § 6 StAnpG zu beurteilen ist. Hierzu hat das FG aufgrund eingehender Feststellungen die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen des § 6 StAnpG nicht vorliegen. Die Feststellungen des FG sind nicht gerügt. Der Senat ist daher daran gebunden. Die rechtliche Würdigung des FG ist insoweit nicht zu beanstanden. Im übrigen bat das FA die Auffassung des FG, daß im Streitfall die Einschaltung der Firma A als Zwischenhändler den Tatbestand des § 6 StAnpG nicht erfülle, auch nicht mehr angegriffen.
Fundstellen
Haufe-Index 514888 |
BFHE 1970, 206 |