Leitsatz (amtlich)
Stellt eine OHG Arbeitskräfte, die jederzeit zur Ausführung von Kundenaufträgen eingesetzt werden können, ihren Gesellschaftern für deren private Zwecke zur Verfügung, so liegt regelmäßig auch dann ein steuerbarer Umsatz der OHG vor, wenn eine Bezahlung durch die Gesellschafter nicht erfolgt.
Normenkette
UStG § 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1; UStDB § 10
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften seitens einer OHG an ihre Gesellschafter einen steuerbaren Umsatz darstellt.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Stpfl.), eine aus den Gesellschaftern X. H. und Y. H. (Sohn des X. H.) bestehende OHG, die ein Baugeschäft betreibt, führte im ersten Halbjahr 1958 auf einem dem Gesellschafter X. H. und seiner Ehefrau (bzw. den Eheleuten H. und ihrem Sohn Y. H.) je zur Hälfte gehörenden Grundstück Bauleistungen zur Errichtung eines gemischtgenutzten Mietwohnhauses aus. Die Bauleistungen (Lohnaufwendungen und lohnabhängige Fertigungsgemeinkosten) wurden von der Stpfl. dem Gesellschafter X. H. in Rechnung gestellt, nach der unbestrittenen Behauptung der Stpfl. von X. H. aber nicht bezahlt.
Das FA sah den Rechnungsbetrag als vereinnahmtes Entgelt an und zog ihn bei der Stpfl. zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), macht die Stpfl. geltend, das Grundstück, auf dem das Haus errichtet wurde, habe zur Hälfte den Eheleuten H., zur anderen Hälfte auf Grund eines rückwirkend am 1. Dezember 1957 in Kraft getretenen Vertrages vom 4. Juni 1958 deren Sohn Y. H. gehört. Die Stpfl. habe daher im Jahre 1958 die Bauleistungen an ihre beiden Gesellschafter erbracht. Ein Entgelt sei hierfür von keiner Seite gezahlt worden. Es habe auch niemand auf Gesellschaftsrechte verzichtet. Die Belastung des Privatkontos des Gesellschafters X. H. und die Gutschrift auf dem Erlöskonto der Firma habe nur bezweckt, den Gewinn des Jahres 1958 richtig zu erfassen. Buchungsvorgänge könnten die fehlende Entgeltvereinnahmung nicht ersetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Die Stpfl., die im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern ein gesondert zu beurteilendes Steuersubjekt ist, hat durch die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitskräfte beim Bau des Mietwohnhauses "sonstige Leistungen" i. S. des § 1 Nr. 1 UStG erbracht. Streitig ist nur, ob diesen Leistungen Gegenleistungen als Entgelt gegenüberstehen. Die Frage ist zu bejahen. Es ist mangels abweichender Feststellungen der Vorinstanzen davon auszugehen, daß der Gesellschafter X. H. die ihm für die Bauleistungen in Rechnung gestellten Beträge an die Stpfl. nicht bezahlt hat und daß auch keine Aufrechnung mit effektiv erzielten Gewinnen der Stpfl. stattgefunden hat. Richtig ist auch, daß einseitige Buchungen der Stpfl. fehlende Gegenleistungen nicht ersetzen können; denn es kommt bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Vorgängen allein auf die tatsächlich und wirtschaftlich gegebenen Verhältnisse an (vgl. Urteil des RFH V 339/34 vom 2. November 1934, RFH 37, 59, RStBl 1935, 310).
Die Gegenleistung, das Entgelt des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft, kann aber auch in einem Verzicht auf Gesellschaftsrechte bestehen. Zu den Gesellschaftsrechten gehört nach den §§ 120, 121 HGB der Anspruch auf Gewinn (vgl. Urteil des BFH V 42/58 U vom 23. Juli 1959, BFH 69, 316, BStBl III 1959, 379). Gibt eine OHG an ihre Gesellschafter Waren ab, so vermindert sich der mögliche Gewinn der OHG - gleichgültig, ob der Vorgang in ihren Büchern seinen Niederschlag findet oder nicht - um diejenigen Beträge, die die OHG durch den Verkauf der Waren an ihre Kunden (nach Abzug etwa noch entstehender Betriebsausgaben) hätte erlösen können. Die Gegenleistung der Gesellschafter besteht darin, daß sie mit der Schmälerung des Gewinns der OHG und infolgedessen mit der teilweisen Ablösung ihres Gewinnanspruchs (bzw. mit der Verringerung ihrer Kapitalkonten) einverstanden sind (vgl. Urteil des BFH V 269/58 vom 10. August 1961, HFR 1962, 67). Wirtschaftlich gesehen läuft es auf dasselbe hinaus, ob die Gesellschafter die entnommenen Waren bar bezahlen und dadurch eine Gewinnminderung vermeiden oder nicht bar bezahlen und dadurch eine Gewinnminderung und die damit verbundene Minderung ihres Gewinnanspruchs herbeiführen. Im ersten Falle besteht das Entgelt in der Barzahlung, im zweiten Falle im Verzicht auf einen Teil des Gewinnanspruchs.
Besteht die Leistung der OHG gegenüber ihren Gesellschaftern nicht in der Lieferung von Waren, sondern in der Überlassung von Arbeitskräften, so ist die Rechtslage unter der Voraussetzung, daß die Arbeitskräfte für die OHG einen jederzeit einsetzbaren, unmittelbare Werte schaffenden Faktor darstellen, nicht anders. Denn auch in diesem Falle wird dadurch, daß die Arbeitskräfte infolge ihres Einsatzes für private Zwecke der Gesellschafter für den Gewerbebetrieb der OHG ausfallen, der realisierbare Gewinn der OHG und der entsprechende Gewinnanspruch der Gesellschafter geschmälert. Dadurch, daß die Gesellschafter diese Folgen in Kauf nehmen, verzichten sie nach den Umständen des Falles auf die infolge der Abgabe der Arbeitskräfte an sie nicht erzielten Gewinnteile. Daß die Arbeitskräfte eines Baugeschäfts im Jahre 1958 bei der schon damals herrschenden Konjunktur im Baugewerbe bei der Ausführung von Kundenaufträgen jederzeit hätten eingesetzt werden können und mindestens die dem Gesellschafter X. H. berechneten Beträge eingebracht hätten, ist nicht zweifelhaft und wird von der Stpfl. auch nicht bestritten.
Es spielt für die Entscheidung keine Rolle, ob die Leistung der OHG nur gegenüber einem ihrer Gesellschafter oder gegenüber allen Gesellschaftern bewirkt wird. War zur Zeit der Errichtung des Wohngebäudes Y. H. (Sohn der Eheleute H. und Mitgesellschafter der Stpfl.) - wie die Stpfl. behauptet - zur Hälfte wirtschaftlicher Miteigentümer des Grundstücks, so wird dadurch die im Verzicht auf Gewinnansprüche zum Ausdruck kommende Entgeltleistung der Gesellschafter an die Gesellschaft noch deutlicher als in dem vom FA angenommenen Falle, daß zur fraglichen Zeit Y. H. noch kein wirtschaftliches Miteigentum an dem Grundstück zustand. Denn dann haben beide Gesellschafter, an die die Leistung der Stpfl. gerichtet war, unmittelbar Gegenleistungen bewirkt (vgl. den Satz 1 des § 10 UStDB), während im anderen Falle der Verzicht des Y. H. auf den ihm zustehenden Teil des Mehrgewinns erst auf Grund des Satzes 2 des § 10 UStDB (nach dem zum Entgelt auch gehört, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt) als Entgelt anzusehen ist.
Dem (nicht veröffentlichten) Urteil des Senats V 253/54 vom 22. Dezember 1954, auf das sich die Stpfl. beruft, lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort waren - im Gegensatz zum Streitfalle - durch die Leistung der Gesellschaft an die Gesellschafter (unberechnete Überlassung eines Pkw zu privaten Zwecken) keine besonderen (variablen) Kosten entstanden, die den Ertrag der Gesellschaft wirtschaftlich berührten. Auch das von der Stpfl. weiterhin angezogene Urteil des Senats V 85/59 U vom 19. Januar 1961 (BFH 72, 473, BStBl III 1961, 172) betrifft einen anderen Sachverhalt (nämlich die Frage, ob der Verbrauch von Treib- und Schmierstoff bei Privatfahrten mit einem überwiegend gewerblich genutzten Kraftwagen durch einen Einzelunternehmer als Eigenverbrauch zu versteuern ist).
Die Revision der Stpfl. war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen. Die Bestimmung des Streitwerts beruht auf § 140 Abs. 3 FGO.
Fundstellen
BStBl II 1968, 250 |
BFHE 1968, 550 |