Leitsatz (amtlich)
Bundesbeamte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die vom Bund ohne Gewährung von Dienstbezügen zur Dienstleistung bei der Europäischen Organisation für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern (ELDO) beurlaubt sind, sind nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und damit nicht prämienberechtigt im Sinne des SparPG und WoPG.
Normenkette
SparPG § 1; WoPG § 1; StAnpG § 14 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Beamter beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz. Seit dem 1. Januar 1966 ist er von dem Bundesminister für Verteidigung ohne die Gewährung von Dienstbezügen zur Dienstleistung bei der Europäischen Organisation für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern (ELDO) mit Sitz in Neuilly (Frankreich) beurlaubt. Der Kläger, der seit Dienstantritt bei der ELDO am 1. Januar 1966 in Frankreich wohnt, hat sich am 19. April 1966 von seinem letzten Wohnsitz in Deutschland polizeilich abgemeldet. Im Streitjahr 1968 hat der Kläger auf zwei am 21. Dezember 1965 abgeschlossene Bausparverträge 1 671,05 DM und auf einen am 22. Dezember 1965 abgeschlossenen Sparvertrag mit festgelegten Sparraten 1 608 DM einbezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es ab, die vom Kläger beantragten Wohnungsbau- und Sparprämien 1968 zu gewähren. Das FA begründete seine Entscheidung damit, daß der Kläger im Streitjahr nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte in der in der Deutschen Steuer-Zeitung, Ausgabe B (Eildienst) 1971 S. 55 (DStZ B 1971, 55) veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Die Gewährung von Prämien nach dem WoPG (SparPG) setze voraus, daß der Prämiensparer unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Der Kläger sei jedoch nicht unbeschränkt steuerpflichtig gewesen, da er im Streitjahr weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland gehabt habe und auch nicht Auslandsbeamter im Sinne des § 14 Abs. 2 des StAnpG gewesen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 14 Abs. 2 Satz 1 StAnpG. Unstreitig sei er Auslandsbeamter. Die Rechtsauffassung des FG, Voraussetzung für die unbeschränkte Steuerpflicht der Auslandsbeamten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und Berlin (West) sei das Vorhandensein einer inländischen öffentlichen Kasse, die die Bezüge der Auslandsbeamten bezahle, lasse sich weder aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 StAnpG noch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift begründen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 StAnpG seien alle Auslandsbeamten ohne Unterschied für die Zwecke der Einkommens- und Vermögensbesteuerung wie Personen zu behandeln, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Der wesentliche Inhalt des § 14 Abs. 2 Satz 1 StAnpG bestehe in der Fiktion eines inländischen gewöhnlichen Aufenthaltsortes für ausländische Beamte. Der Sitz der inländischen öffentlichen Kasse, die die Dienstbezüge des ausländischen Beamten zu zahlen habe, sei nur bedeutsam für die Frage, welcher Ort als der gewöhnliche Aufenthaltsort zu gelten habe. Diese Regelung sei von Bedeutung nur für die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Für die Auslandsbeamten, die ihre Dienstbezüge nicht oder nicht unmittelbar von einer inländischen öffentlichen Kasse erhielten, müsse notfalls im Wege der Analogie ein inländischer gewöhnlicher Aufenthalt bestimmt werden. Für die Auffassung des FG, § 14 Abs. 2 StAnpG beziehe sich nur auf Beamte, die im Dienst des deutschen Staates im Ausland tätig seien, gebe der Wortlaut des Gesetzes nichts her. Die Auffassung des FG, § 14 Abs. 2 Satz 1 StAnpG sei nur auf aktiv im Dienste deutscher öffentlicher Einrichtungen stehende Beamte anzuwenden, lasse sich aus dem Gesetz nicht belegen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung sowie die ablehnenden Bescheide des FA aufzuheben und die beantragte Prämie nicht aus den in den aufgehobenen Entscheidungen dargelegten Gründen zu versagen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 1 Nr. 1 WoPG 1960 (§ 1 Abs. 1 SparPG 1963) sind unter den dort näher bezeichneten weiteren Voraussetzungen nur unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige prämienberechtigt. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 EStG). Ohne Bedeutung ist - wie der Kläger zutreffend ausführt -, ob die unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zur Einkommensteuer (Lohnsteuer) herangezogen werden.
Nach den nicht angegriffenen und daher für den Senat verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger im Streitjahr im Inland weder einen Wohnsitz (§ 13 StAnpG) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 14 Abs. 1 StAnpG). Anders als etwa die Beamten und Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften - EG - (vgl. z. B. das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965, Kap. V, Art. 14, BGBl II 1965, 1482 ff., 1488) sind die Beamten und Bediensteten der ELDO einkommensteuerlich nicht auf Grund der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die ELDO vom 12. September 1966 in Verbindung mit dem Protokoll vom 29. Juni 1964 über die Vorrechte und Befreiungen der ELDO (BGBl II 1966, 787 ff.) wie unbeschränkt Steuerpflichtige zu behandeln.
Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines fiktiven Aufenthaltsorts im Sinne des § 14 Abs. 2 StAnpG hat das FG im Streitfall zu Recht verneint. Nach § 14 Abs. 2 StAnpG sind Auslandsbeamte u. a. für die Zwecke der Einkommensbesteuerung wie Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt an dem Ort zu behandeln, an dem sich die inländische öffentliche Kasse befindet, die die Dienstbezüge der Auslandsbeamten zu zahlen hat. § 14 Abs. 2 Satz 3 StAnpG umschreibt den Personenkreis, der zu den Auslandsbeamten im Sinne der Steuergesetze gehört. Danach sind Auslandsbeamten die unmittelbaren und mittelbaren Beamten u. a. des früheren Deutschen Reichs, die ihren Dienstort im Ausland haben. Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, daß § 14 Abs. 2 StAnpG einen Aufenthaltsort im Inland nur für solche Beamte fingiert, denen von ihrem deutschen Dienstherrn an einem Dienstort im Ausland ein Amt übertragen ist und die von einer inländischen öffentlichen Kasse ihre Dienstbezüge erhalten. Für diese Auffassung spricht zunächst der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 1 StAnpG, der davon ausgeht, daß die Auslandsbeamten im Sinne der Steuergesetze ihre Dienstbezüge von einer inländischen öffentlichen Kasse erhalten. Dies zeigt mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Regelung nur Beamte betrifft, die vom deutschen Staat und den anderen dort genannten Körperschaften besoldet werden. Im übrigen spricht auch die Verwendung des Begriffs "Dienstort" in Beziehung zum früheren Deutschen Reich dafür, daß § 14 Abs. 2 StAnpG eine Tätigkeit der Auslandsbeamten für den Bund, ein Land usw. voraussetzt. Denn Dienstort ist der Ort, der dem Amtsträger zur Ausübung seines Amtes zugewiesen ist (§ 73a Abs. 3 Nr. 2 AO). Ein vom Bund zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit in einer europäischen Organisation beurlaubter Beamter hat wohl im Verhältnis zu der betreffenden europäischen Organisation, nicht aber im Verhältnis zum Bund einen "Dienstort" im Sinne der Steuergesetze.
Diese aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 StAnpG folgende Rechtsauffassung steht auch mit dem Sinn und der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung in Einklang. § 14 Abs. 2 StAnpG, dem Inhalt nach bereits in § 2 Nr. 2 EStG 1925 (§ 2 Nr. 1b VStG 1925) enthalten, durchbricht das dem § 1 Abs. 1 EStG (§ 2 Nr. 1 EStG 1925, § 2 Nr. 1a VStG 1925) zugrunde liegende Territorialitätsprinzip für einen Personenkreis, bei dem die Fiktion eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland durch das besondere Pflicht- und Treueverhältnis auf Grund des Beamtenverhältnisses gerechtfertigt erscheint. Diese Voraussetzungen sind indes nur bei Beamten gegeben, die im Dienste des Bundes, eines Landes usw. deren Interessen im Ausland wahrnehmen und hierfür von einer inländischen öffentlichen Kasse besoldet werden.
Diese Auffassung verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG. Der Gesetzgeber hat den Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Auslandsbeamten in § 14 Abs. 2 StAnpG auf Grund der oben dargelegten Erwägungen in vertretbarer Weise abgegrenzt. Es ist nicht willkürlich, daß die unbeschränkte Steuerpflicht von Auslandsbeamten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nur angenommen wird, wenn die Beamten im Ausland für die Bundesrepublik Deutschland oder die in § 14 Abs. 2 StAnpG genannten Körperschaften tätig sind und von einer inländischen öffentlichen Kasse besoldet werden. Entgegen der Auffassung des Klägers hat diese Auslegung nicht zur Folge, daß neben den Auslandsbeamten im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 3 StAnpG eine Gruppe von Auslandsbeamten zweiter Klasse geschaffen wird. Der Senat verkennt nicht, daß etwa die Beamten der EG anders als die Beamten der ELDO in den Genuß von Wohnungsbau-Prämie und Sparprämie kommen können. Dies ist indes eine Folge zwischenstaatlicher Vereinbarungen, die für die Beamten und sonstigen Bediensteten der EG die Beibehaltung des nationalen Wohnsitzes fingieren. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß sich die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nur vorteilhaft auswirken, sondern auch mit steuerlichen Mehrbelastungen verbunden sein kann (Urteil des BFH vom 18. Dezember 1968 III 199/64, BFHE 95, 132, BStBl II 1969, 355).
Fundstellen
Haufe-Index 70786 |
BStBl II 1974, 230 |
BFHE 1974, 212 |