Leitsatz (amtlich)
Der VII. Senat des BFH teilt nicht die im Vorlagebeschluß des FG Düsseldorf vom 20. Juli 1981 II 91/81 (EFG 1982, 206) vertretene Auffassung, die Ermächtigungsvorschriften des § 158 Nr. 1 Buchst. b) bis d) StBerG verstießen gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und gegen das durch Art. 12 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit.
Normenkette
StBerG § 158 Nr. 1 Buchst. b, c, d; GG Art. 12, 80 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm im Jahre 1980 an der Steuerbevollmächtigtenprüfung teil. Im Anschluß an den mündlichen Teil der Prüfung am 2. Juni 1980 gab der Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Oberfinanzdirektion -- OFD --) dem Kläger bekannt, daß er die Prüfung nicht bestanden habe.
Mit der Klage rügte der Kläger das angewandte Bewertungsverfahren und die Bewertung einzelner Fehler der schriftlichen Arbeiten.
Das Finanzgericht (FG) Münster wies die Klage ab (Urteil vom 10. November 1981 Vll 3057/80 StB, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1982, 436).
Mit der Revision macht der Kläger geltend:
Das FG Düsseldorf habe im Vorlagebeschluß vom 20. Juli 1981 (EFG 1982, 206) zutreffend die Auffassung vertreten, die Ermächtigungsvorschrift des § 158 Nr. 1 Buchst. b), c) und d) StBerG sei mit Art. 80 GG unvereinbar. Die im angefochtenen Urteil vertretene gegenteilige Auffassung sei daher rechtsirrig.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die gegen den Bescheid der OFD vom 2. Juni 1980 erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Der vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für Steuerbevollmächtigte bei der OFD am 2. Juni 1980 dem Kläger erteilte Bescheid, er habe die Prüfung nicht bestanden, entsprach dem geltenden Recht.
1. Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 StBerG darf als Steuerbevollmächtigter nur bestellt werden, wer die Prüfung als Steuerbevollmächtigter bestanden hat oder von der Prüfung befreit worden ist. Durch § 158 StBerG wurde die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der Bundessteuerberaterkammer mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Bestimmungen zu erlassen
"1. über
a) ...
b) die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete, die schriftliche und die mündliche Prüfung,
c) ...
d) die Zusammensetzung des ... Prüfungsausschusses,
..."
Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht durch Erlaß der DVStB.
Die Prüfung als Steuerbevollmächtigter wird gemäß § 33 Abs. 1 DVStB vor einem bei der OFD gebildeten Prüfungsausschuß abgelegt. Die Vorschriften des § 33 Abs. 2 bis 6 DVStB regeln die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, die Prüfungsgebiete sowie die schriftliche und die mündliche Prüfung.
Die Bewertung der Prüfungsleistungen richtet sich gemäß § 33 Abs. 5 Satz 4 DVStB nach den Vorschriften des § 15 DVStB, die sechs Noten vorsehen und eine Bewertung mit halben Noten zulassen.
Die dem Kläger erteilten Noten führten für die schriftliche und die mündliche Prüfung zu Gesamtnoten (vgl. § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 3, § 33 Abs. 5 und 6 DVStB) von 4,16 und 4,5. Die durch 2 geteilte Summe dieser Gesamtnoten betrug 4,33. Da sie die Zahl 4,15 überstieg, war die Prüfung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2, § 33 Abs. 6 Satz 4 DVStB nicht bestanden. Dieses Ergebnis hat der Vorsitzende des Prüfungsausschusses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3, § 33 Abs. 6 Satz 4 DVStB dem Kläger zu Recht eröffnet.
2. Der erkennende Senat teilt nicht die vom Kläger unter Berufung auf den Vorlagebeschluß des FG Düsseldorf in EFG 1982, 206 vertretene Auffassung, die Ermächtigungsvorschriften des § 158 Nr. 1 Buchst. b) bis d) StBerG seien mit dem GG unvereinbar und deshalb nichtig; sie verstießen gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und gegen das durch Art. 12 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit. Zu der dem § 158 Nr. 1 Buchst. b) StBerG entsprechenden gleichlautenden Vorschrift des § 118 Nr. 1 Buchst. b) StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I 1961, 1301) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1104) hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 20. Juni 1978 VII R 1/78 (BFHE 125, 417, BStBl II 1978, 613) ausgeführt, die durch sie erteilte Ermächtigung werde nach Inhalt, Zweck und Ausmaß den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht. Durch Urteil vom 15. Oktober 1980 Vll R 27/80 (BFHE 131, 546, BStBl II 1981, 112) hat der erkennende Senat ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31. Januar 1980 II 144/78 StB (EFG 1980, 203) aufgehoben, in dem das FG unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerwG vom 1. Dezember 1978 7 C 68.77 (BVerwGE 57, 130) die Meinung bekundete, das StBerG sei insoweit nichtig, als Auswahl des Prüfungsstoffes und inhaltliche Ausgestaltung der Prüfungsbedingungen dem Verordnungsgeber überlassen worden seien; das sei verfassungswidrig, weil diese Regelungen in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) fielen und der Gesetzgeber selbst verpflichtet gewesen wäre, die Materie abschließend zu ordnen oder jedenfalls durch Leitentscheidungen nach Tendenz und Programm zu umgrenzen. Dazu hat der Senat im nicht veröffentlichten Teil seines Urteils ausgeführt:
"Das FG hat die von ihm zitierte Entscheidung des BVerwG (BVerwGE 57, 130) mißverstanden. Das BVerwG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Regelungen der Ausbildungsnote in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit fallen. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaube jedoch, wie das BVerwG fortfährt, berufsbeeinflussende Normierungen nicht nur durch förmliches Gesetz, sondern auch durch aufgrund eines solchen ergangene Rechtssätze, also durch Rechtsverordnungen. Welche berufsbeeinflussende Regelungen vom Parlament selbst getroffen werden müßten, folge aus dem Rechtsetzungsvorbehalt des Parlaments (Art. 20 Abs. 1 GG). Das Parlament müsse jedenfalls diejenigen Leitentscheidungen treffen, die die Regelungsbefugnis des zur weiteren Rechtsetzung ermächtigten Verordnungsgebers nach Tendenz und Programm umgrenzen und berechenbar machen (Beschluß des BVerfG vom 27. Januar 1976 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251 -- 265, 266 --). Was die vom FG angesprochene Auswahl des Prüfungsstoffes und der inhaltlichen Ausgestaltung der Prüfungsbedingungen betrifft, hat das BVerwG ausgeführt, daß beide Gegenstände maßgeblich vorentschieden werden durch die Ziele und den Inhalt der Berufsausbildung, zu deren Erfolgskontrolle die Prüfung diene. Deshalb bildeten Ziel und Inhalt der Berufsausbildung letztlich die Gegenstände, die dem Gesetzgeber zur eigenverantwortlichen Normierung durch statusbildende Berufsregelungen anheimgegeben seien.
Diesen Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt wird das Steuerberatungsgesetz gerecht. Ziel und Inhalt der Ausbildung zum Steuerbevollmächtigten kommen hinreichend in § 156 Abs. 1 und 2 StBerG zum Ausdruck. Insbesondere hat der Gesetzgeber in § 156 Abs. 2 StBerG unter Beachtung der Befugnisse der Steuerbevollmächtigten zur Hilfeleistung in Steuersachen (§ 1 Abs. 1 und 2, § 3 Nr. 1 StBerG) die schulmäßigen, ausbildungsmäßigen und praktischen Voraussetzungen festgelegt, die vor der Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu erfüllen sind. Damit aber hat der Gesetzgeber auch den Inhalt der Berufsausbildung zum Steuerbevollmächtigten abgesteckt. Dagegen unterliegt dem Parlamentsvorbehalt nicht die sich an Ziel und Inhalt der Ausbildung ausrichtende Auswahl des Prüfungsstoffes und die inhaltliche Ausgestaltung der Prüfungsbedingungen. Der Gesetzgeber konnte daher in § 158 StBerG die Bundesregierung ermächtigen, durch Rechtsverordnung Bestimmungen u. a. über die Durchführung der Prüfung, die Prüfungsgebiete sowie die schriftliche und die mündliche Prüfung zu erlassen."
An diesen Ausführungen hält der erkennende Senat fest.
Soweit das FG Düsseldorf in seinem Vorlagebeschluß die der Bundesregierung durch § 158 Nr. 1 Buchst. d) StBerG erteilte Ermächtigung, die Zusammensetzung des Zulassungs- und des Prüfungsausschusses zu regeln, als nach Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht hinreichend bestimmt ansieht, ist ihm entgegenzuhalten, daß bei der Auslegung der Ermächtigungsvorschrift auch der Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, zu berücksichtigen sind (vgl. Beschluß des BVerfG vom 12. November 1958 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274, 307). Die Zulassung zur Prüfung und deren Bestehen haben das Ziel, zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen qualifizierte Personen auszulesen. Daraus ergibt sich als Leitlinie für den Verordnungsgeber, die Ausschüsse so zusammenzusetzen, daß die Qualifikation solcher Personen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im wesentlichen durch Mitglieder der mit Steuersachen befaßten Verwaltung und der steuerberatenden Berufe beurteilt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 413706 |
BStBl II 1983, 348 |
BFHE 1982, 526 |