Leitsatz (amtlich)
Wird eine Teilfläche eines Grundstücks, dessen Erwerb gemäß § 1 Ziff. 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955 (LG) zunächst von der Besteuerung ausgenommen worden ist, vor Ablauf von fünf Jahren seit dem Erwerbsvorgang in unbebautem Zustand weiterveräußert, so liegt darin die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des § 8 Abs. 2 LG hinsichtlich des veräußerten Grundstücksteils.
Rheinland-pfälzisches Landesgesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14.
Normenkette
GrEStWGRP 1/1; GrEStWGRP 8/2
Tatbestand
Es ist streitig, ob in der vorzeitigen Weiterveräußerung einer unbebauten Teilfläche eines Grundstücks, dessen Erwerb gemäß § 1 Ziff. 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955 - LG - (GVBl 1955 S. 21, BStBl II S. 64) zunächst von der Besteuerung ausgenommen worden ist, die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des § 8 Abs. 2 LG liegt.
I. - Die Bgin. erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... September 1958 (Vertrag I) zwei Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 3.500 qm. Sie erklärte, daß sie beabsichtige, hierauf innerhalb von fünf Jahren steuerbegünstigte Wohnungen zu errichten. Etwa 700 qm der Gesamtfläche würden voraussichtlich bebaut, die restlichen 2.807 qm sollten als Hofräume, Hausgarten und Straße dienen. Das Finanzamt teilte der Bgin. demgemäß mit, daß vorerst von der Erhebung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Ziff. 1 LG abgesehen werden.
Durch Vertrag vom ... Januar 1961 (Vertrag II) verkaufte die Bgin. eine Teilfläche von rund 500 qm, die von den beiden durch Vertrag I erworbenen Grundstücken als neues Grundstück abgeschrieben worden war, in unbebautem Zustand zur Abrundung eines Nachbargrundstücks weiter. Daraufhin forderte das Finanzamt von der Bgin. für den Vertrag I eine der weiterverkauften Teilfläche entsprechende Grunderwerbsteuer zuzüglich Zuschlag nach, da hinsichtlich dieser Teilfläche der steuerbegünstigte Zweck im Sinne des § 8 Abs. 2 LG vorzeitig aufgegeben worden sei.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Berufung Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß Gegenstand der Besteuerung und entsprechend auch der Steuerbefreiung nicht das Grundstück als solches, ein Grundstücksteil oder gar ein Gebäude, Hofräume und Hausgarten, sondern nur der Rechtsvorgang des Kaufvertrages selbst sei. Einzige Voraussetzung für die Steuervergünstigung sei die Absicht der Bgin., auf den Grundstücken steuerbegünstigte Wohnungen zu errichten. Der steuerbegünstigte Zweck im Sinne des § 8 Abs. 2 LG könne also ebenfalls nur in der Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen, nicht etwa auch in der Umwandlung der zur Bebauung nicht benötigten Grundstücksteile zu Hofräumen und Hausgarten erblickt werden. Da die gesetzlich geforderte Absicht der Bgin. beim Abschluß des Vertrages I zweifellos vorgelegen habe, könne in der durch den Vertrag II bekundeten Absicht, die weiterveräußerte Teilgrundstücksfläche nicht als Hofraum oder Hausgarten für die noch zu errichtenden Wohnungen zu verwenden, nicht eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks gesehen werden. Die verbleibende Restfläche schließe die Errichtung eines Wohngebäudes mit 700 qm Grundfläche nicht aus; deshalb könne in der Weiterveräußerung der Teilfläche auch nicht die Aufgabe der Absicht erblickt werden, auf dem Grundstück steuerbegünstigte Wohnungen zu erstellen.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsauslegung des § 8 Abs. 2 LG. Da die Steuerbefreiung auf bestimmte Nutzungsarten der erworbenen Grundstücksfläche - mit einem bestimmten Verhältnis zwischen bebauter und unbebauter Fläche - beschränkt sei, müsse auch die Weiterveräußerung von Teilflächen insoweit als Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks betrachtet werden.
Entscheidungsgründe
II. -
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hatte Erfolg. Dem Finanzgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß auch bei Anwendung des LG Steuergegenstand nach dem insoweit maßgebenden § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG nur der Rechtsvorgang des Kaufvertrages selbst ist. Auch die Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 1 LG bezieht sich dementsprechend auf den Vorgang des Erwerbs des unbebauten Grundstücks in der Absicht, auf diesem Grundstück steuerbegünstigte Wohnungen zu errichten. Die hieran geknüpften Rechtsfolgerungen des Finanzgerichts vermag der Senat jedoch nicht zu teilen. Die Absicht zur Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen auf dem erworbenen Grundstück ist entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht die einzige Voraussetzung für die endgültige Steuerbefreiung (vgl. insoweit § 7 Abs. 1 Satz 2 LG), sondern nach der Natur der vorausgewährten Steuerbefreiung nur die erste Voraussetzung für die - zunächst vorläufige - Steuerbefreiung. Abgesehen davon, daß der Erwerber bereits hierfür versichern muß, daß er "das erworbene Grundstück zu dem begünstigten Zweck verwenden wird" (ß 7 Abs. 1 Satz 1 LG), ist die Steuer gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 LG nachzuerheben, wenn der Erwerber auf dem Grundstück nicht innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerbsvorgang steuerbegünstigte Wohnungen bezugsfertig errichtet bzw. wenn der steuerbegünstigte Zweck bereits vor Ablauf dieser fünf Jahre aufgegeben wird. Die endgültige Steuerbegünstigung hängt also - auflösend bedingt (ß 4 Abs. 1 StAnpG) - von der weiteren Voraussetzung ab, daß der steuerbegünstigte Zweck, nämlich im Streitfall die Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen auf dem erworbenen Grundstück, auch erfüllt und im Falle seiner Verwirklichung aufrechterhalten wird.
Nach Wortlaut, Sinnzusammenhang und Zweck des LG muß also davon ausgegangen werden, daß das ganze erworbene Grundstück dem steuerbegünstigten Zweck zugeführt werden muß, wenn die vorläufig gewährte Steuervergünstigung in vollem Umfang endgültig aufrechterhalten bleiben soll. Dies folgt auch daraus, daß es dem Gesetzgeber freistand, ein festes Verhältnis dafür festzulegen, in dem zur Belassung der vollen Steuerbefreiung künftig die unbebaute zu der bebauten Grundstücksfläche stehen darf (vgl. § 2 LG). Hierdurch hat das LG auch die unbebaute Grundstücksfläche nach Größe und Nutzungsart (Hofräume, Hausgarten) in die Zweckbindung einbezogen. Ebenso wie der das Zehnfache der bebauten Fläche übersteigende Teil der Grundstücksfläche als von vornherein zweckfremd der Besteuerung unterliegt, muß Steuerpflicht eintreten, wenn der Erwerber einen Teil der Grundstücksfläche vorzeitig im unbebauten Zustand weiterveräußert und sich selbst hierdurch freiwillig der Möglichkeit begibt, den steuerbegünstigten Zweck des Gesetzes zu erfüllen, also diesen Grundstücksteil der Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen mit dazugehörenden Hofräumen und Hausgarten zuzuführen.
Zutreffend hat der Vorsteher des Finanzamts noch darauf hingewiesen, die Auffassung des Finanzgerichts müsse dazu führen, daß beim Erwerb einer größeren Grundstücksfläche nur die für die Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen unentbehrliche Teilfläche zweckgebunden bebaut zu werden brauche, der größere Teil der Grundstücksfläche aber weiterveräußert werden könne, ohne daß insoweit Nachversteuerungspflicht entstünde. Zu einer solchen grunderwerbsteuerrechtlichen Begünstigung möglicher Bodenspekulation zwingt aber weder der Wortlaut des LG noch wäre sie mit dessen Zweck vereinbar, der gerade umgekehrt darin besteht, durch Steuererleichterungen den sozialen Wohnungsbau mit für breite Schichten des Volkes tragbaren Mieten zu fördern.
Da in der Weiterveräußerung des streitigen Grundstücksteils die vorzeitige Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des § 8 Abs. 2 LG erblickt werden muß, waren die Vorentscheidung aufzuheben und die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid des Finanzamts wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 411601 |
BStBl III 1965, 365 |
BFHE 1965, 328 |
BFHE 82, 328 |