Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Lohnsteuer-Haftungsschuld bei fehlgeschlagener Pauschalierung
Leitsatz (NV)
Liegen bei einer fehlgeschlagenen Pauschalierung keine Aufzeichnungen vor, die eine Berechnung der individuellen Lohnsteuerschuld der einzelnen Arbeitnehmer ermöglichen, so ist die auf die ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer, für die der Arbeitgeber haftet, mit dem (niedrigeren) Bruttosteuersatz und nicht mit dem (höheren) Nettosteuersatz zu schätzen.
Normenkette
EStG §§ 40a, 42d Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 162
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte in den Jahren 1977 bis 1984 als Aushilfslöhne deklarierte Beträge gemäß § 40 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal mit 10 v. H. lohnversteuert, obwohl für einen Teil der Zahlungen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Pauschalversteuerung nicht vorgelegen hatten. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung schätzte der Prüfer den diesbezüglichen Anteil auf 60 v. H. Nach seiner Ansicht waren diese Lohnaufwendungen der Regelversteuerung nach Steuerklasse VI mit einem Steuersatz von 28,5 v. H. zu unterwerfen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erließ gegenüber dem Kläger einen auf § 42 d EStG gestützten Haftungsbescheid.
Mit seinem Einspruch begehrte der Kläger, für 80 v. H. der als Betriebsausgaben anerkannten pauschal versteuerten Löhne die Pauschalversteuerung mit 10 v. H. zuzulassen. Außerdem meinte er, der vom Prüfer zugrunde gelegte Nettosteuersatz von 28,5 v. H. sei überhöht. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es bestätigte die Schätzung des FA, daß bei 60 v. H. der vom Kläger als Aushilfslohnzahlungen verbuchten Zahlungen die Voraussetzungen des § 40 a EStG nicht vorgelegen hätten. Es entschied jedoch, die Höhe der nachzufordernden Lohnsteuer sei insoweit herabzusetzen, als die nichtpauschalierungsfähigen Lohnaufwendungen an die ordnungsgemäß im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer geflossen seien. Insoweit könne die Lohnsteuer nicht unter Anwendung eines sogenannten Nettosteuersatzes ermittelt werden. Der Anteil des Gesamt betrages der nichtpauschalierungsfähigen Lohnaufwendungen, der den ständig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zugeflossen sei, sei auf ein Drittel, der dieser Nachforderung zugrunde zu legende Steuersatz sei auf 22 v. H. zu schätzen. Dies entspreche dem in den Jahren 1977 bis 1984 geltenden Eingangssteuersatz des Einkommensteuertarifs (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG).
Hinsichtlich der restlichen zwei Drittel der nichtpauschalierungsfähigen Aushilfslohnzahlungen hielt das FG die Anwendung des Nettosteuersatzes dem Grunde nach für gerechtfertigt. Diese Zahlungen seien an Teilzeitbeschäftigte geleistet worden, mit denen eine Pauschalversteuerung vereinbart gewesen sei, die nur daran gescheitert sei, daß die Beschäftigungs- und Verdienstgrenzen des § 40 a EStG überschritten seien. In einer solchen Pauschallohnvereinbarung liege zwar keine Nettolohnvereinbarung, weil der Kläger nur die pauschale Lohnsteuer, nicht aber die im Falle einer Regelversteuerung abzuführenden höheren Beträge zusätzlich zu dem ausgezahlten Nettolohn übernehmen wolle. Im Ergebnis sei der Kläger aber gleichwohl so zu behandeln, als habe er mit den Zahlungsempfängern einen entsprechend höheren Bruttolohn vereinbart. Denn es sei davon auszugehen, daß die Aushilfskräfte jedenfalls den mit dem Kläger ausdrücklich vereinbarten Stundenlohn ungekürzt ausgezahlt erhalten sollten und wollten. Die Anwendung des Nettosteuersatzes beruhe in diesem Falle nicht auf der Erwägung, daß der Kläger den Aushilfskräften zuviel ausgezahlt habe und die auf die ausgezahlten Beträge entfallende Lohnsteuer übernehme, sondern sie ziele unmittelbar auf den fiktiven Bruttolohn, der dem vereinbarten und ausgezahlten Nettolohn entspreche. Die Anwendung des Nettosteuersatzes sei damit lediglich eine Berechnungsmethode, um die auf den Bruttoarbeitslohn entfallende Lohnsteuer zu ermitteln.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts insoweit, als das FG die Anwendung des Nettosteuersatzes gebilligt hat.
Der Kläger beantragt, unter teilweiser Aufhebung der Vorentscheidung die Haftungssumme auf ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Haftungsschuld in dem mit der Revision beantragten Umfang. Entgegen der Auffassung des FG ist die Lohnsteuer, die auf die nichtpauschalierungsfähigen Lohnaufwendungen entfällt, insgesamt und nicht nur zu einem Drittel mit dem Bruttosteuersatz zu berechnen. Die Voraussetzungen für die Berechnung der Lohnsteuer mit dem höheren Nettosteuersatz liegen entgegen der Ansicht des FG auch insoweit nicht vor, als der Lohn an Teilzeitbeschäftigte gezahlt worden ist, die nicht dauernd im Betrieb des Klägers beschäftigt waren und mit denen eine Pauschalversteuerung vereinbart war.
Die Vorinstanz geht rechtsfehlerfrei von der Rechtsprechung des Senats aus, wonach die Vereinbarung eines Pauschallohnes nicht gleichzeitig hilfsweise die Vereinbarung eines Nettolohnes für den Fall umfaßt, daß die Pauschalierung fehlschlägt (vgl. Urteil vom 13. Oktober 1989 VI R 36/85, BFHE 158, 394, BStBl II 1990, 30). Die Auffassung des FG, im Streitfall sei der Kläger im Ergebnis so zu behandeln, als habe er mit den Aushilfskräften als Bruttolohn den Betrag vereinbart, der sich im Falle einer Nettolohnvereinbarung ergäbe, und deshalb sei die Schätzung der Lohnsteuer unter Anwendung eines Nettosteuersatzes insoweit zutreffend, entbehrt der Grundlage. Denn fest steht im Falle der fehlgeschlagenen Pauschalierung lediglich, in welcher Höhe den Arbeitnehmern tatsächlich Lohn zugeflossen ist. Da der Arbeitgeber trotz entsprechender gesetzlicher Verpflichtung von dem ausgezahlten Lohn keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hat, haftet er gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen gehabt hätte. Läßt sich die Höhe der einzubehaltenden Lohnsteuer nicht berechnen, weil der Arbeitgeber die gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht geführt hat und die Besteuerungsmerkmale der einzelnen Arbeitnehmer nicht zu ermitteln sind, so ist die Lohnsteuer gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen. Dieser Schätzung ist -- da im Falle der fehlgeschlagenen Pauschalierung eine hilfsweise Nettolohnvereinbarung oder hilfsweise Vereinbarung eines höheren Bruttolohnes nicht zu unterstellen ist -- der niedrigere Bruttosteuersatz und nicht der höhere Nettosteuersatz zugrunde zu legen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. Oktober 1993 VI R 26/92, BFHE 172, 472, BStBl II 1994, 197).
Fundstellen
Haufe-Index 420674 |
BFH/NV 1995, 783 |