Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Unbilligkeit. Schulden. Sonderzuwendung. Dynamik
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass der zum Ausgleich verpflichtete Ehegatte für die aus der Ehe stammenden hohen Verbindlichkeiten aufkommen muss, begründet i.A. nicht den Ausschlussgrund des § 1587c Nr. 1 BGB.
2. Zur Pension gezahlte Sonderzuwendungen sind volldynamisch, weshalb sie keiner Umrechnung bedürfen.
Normenkette
BGB § 1587b Abs. 2, § 1587c Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 24.09.1998) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 24. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511 EUR (= 1.000 DM)
Tatbestand
I.
Die am 18. Oktober 1974 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 09. Oktober 1995 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 29. August 1997 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 28. März 1998); es wurde festgestellt, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Während der Ehezeit (1. Oktober 1974 bis 30. September 1995; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2, BfA), und zwar die Ehefrau in Höhe von 120,02 DM und der Ehemann in Höhe von 414,60 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben sind für die Ehefrau ehezeitliche Anwartschaften auf eine Beamtenversorgung beim Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein (weiterer Beteiligter zu 1, LBesA) in Höhe von 1.321,04 DM monatlich festgestellt.
Das Amtsgericht hat entschieden, daß ein Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nrn. 1 und 3 BGB nicht stattfindet. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Antragsgegner gerügt, das Amtsgericht habe die Durchführung des Versorgungsausgleiches zu Unrecht ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht hat bei den weiteren Beteiligten zu 1 und 2 aktuelle Auskünfte über die Anwartschaften der Parteien eingeholt und den Versorgungsausgleich unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend geregelt, daß es im Wege des sogenannten Quasisplittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB zu Lasten der beamtenrechtlichen Versorgung der Ehefrau bei dem Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein auf dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der BfA Rentenanwartschaften von monatlich 513,23 DM, bezogen auf den 30. September 1995, begründet hat. Dabei ist es der Berechnung des weiteren Beteiligten zu 1 gefolgt, wonach sich die Anwartschaften der Ehefrau auf Beamtenversorgung aus einem volldynamischen Versorgungsteil in Höhe von monatlich 1.304,12 DM und einem als statisch beurteilten Versorgungsteil (Sonderzuwendung) in Höhe von 1.238,92 DM jährlich zusammensetzen; der statische Versorgungsanteil wurde mittels der Barwertverordnung und der amtlichen Rechengrößen in eine dynamische Leistung von 16,92 DM monatlich umgerechnet. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde des Ehemannes, mit der geltend gemacht wird, die Sonderzuwendung sei ohne jegliche Umrechnung als dynamisch zu behandeln.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Zutreffend geht das Oberlandesgericht allerdings davon aus, daß Ausschlußgründe nach § 1587 c Nrn. 1 und 3 BGB hinsichtlich des Versorgungsausgleichs nicht gegeben sind.
§ 1587 c BGB gibt keine Möglichkeit, einen nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleich generell für die Fälle zu korrigieren, in denen der Ausgleichsverpflichtete auf ehegemeinschaftlichen Schulden „sitzen bleibt”. Ein Ausschluß bzw. eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs kommt nur in Betracht, soweit einer der Regelungstatbestände nach Nrn. 1 – 3 des § 1587 c BGB erfüllt ist. Ob und inwieweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig nach § 1587 c Nr. 1 BGB erscheint, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung (vgl. Senatsbeschluß vom 5. September 2001 – XII ZB 56/98 – FPR 2002, 86 im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 18. Februar 1987 – IVb ZB 112/85 – BGHR BGB § 1587 c Nr. 1 Grobe Unbilligkeit 3 = NJW-RR 1987, 578, 579), die im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind und das Gericht sein Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluß vom 5. September 2001, aaO, im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 12. November 1986 – IVb ZB 67/85 – BGHR ZPO § 621 e Abs. 2 Satz 3 Ermessensentscheidung 1). Die vom Oberlandesgericht insoweit getroffenen Wertungen lassen weder Rechtsfehler noch eine fehlerhafte Ermessensausübung erkennen. Entsprechendes gilt, soweit das Oberlandesgericht davon ausgeht, daß das Vorbringen der Ehefrau nichts für eine gröbliche Unterhaltsverletzung nach § 1587 c Nr. 3 BGB hergibt, die nach der Rechtsprechung des Senates jedenfalls nur dann vorliegen kann, wenn über die Nichterfüllung der geschuldeten Unterhaltsleistung hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen, z.B. wenn ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung seines Lebensbedarfs geraten ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Februar 1987 – IVb ZB 112/85 – aaO 578 m.w.N.; Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 – IVb ZB 4/85 – FamRZ 1987, 49, 50; Senatsbeschluß vom 26. März 1986 – IVb ZB 37/83 – FamRZ 1986, 658, 660 m.w.N.).
2. Die Entscheidung kann aber dennoch nicht bestehen bleiben. Das Oberlandesgericht hat den Teil des Ruhegehalts, der auf der Sonderzuwendung beruht, als nicht dynamisch bewertet und ist dabei der Berechnungsweise des weiteren Beteiligten zu 1 gefolgt, der die ermittelte Sonderzuwendung in Höhe von 1.238,92 DM jährlich mittels der Barwertverordnung und der Sozialversicherungsrechengrößen in eine dynamische Rentenanwartschaft von 16,92 DM monatlich umgerechnet hat.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, unterliegt die zum Ruhegehalt gezahlte jährliche Sonderzuwendung als einheitlicher Bestandteil der Beamtenversorgung keiner Dynamisierung in entsprechender Anwendung des § 1587a Abs. 3 und Abs. 4 i.V. mit Abs. 5 BGB (Beschluß vom 3. Februar 1999 – XII ZB 124/98 – FamRZ 1999, 713 f.). Für die Berechnung der jährlichen Sonderzuwendung – die seit 1994 nicht mehr in Höhe der jeweils laufenden Bezüge für Dezember gewährt wird, sondern hinsichtlich ihrer Bemessungsgrundlagen auf den Stand von Dezember 1993 eingefroren und jährlich mit Hilfe eines Bemessungsfaktors ermittelt wird – ist jeweils der zur Zeit der Entscheidung geltende Bemessungsfaktor heranzuziehen (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2000 – XII ZB 24/96 – FamRZ 2000, 748, 749 m.w.N. und vom 23. Februar 2000 – XII ZB 55/97 – FamRZ 2000, 749, 750).
3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden. Die Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1 vom 15. November 1996 und vom 9. September 1998 können hinsichtlich der Sonderzuwendung naturgemäß noch nicht den zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung geltenden Bemessungsfaktor heranziehen. Darüber hinaus berücksichtigen die genannten Auskünfte über die beamtenrechtlichen Versorgungsanrechte der Ehefrau, die die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben, aber auch nicht die bereits zum 1. Juli 1997 in Kraft getretenen Änderungen der Rechtslage durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 (Dienstrechtsreformgesetz 1997 – BGBl. I 322 ff.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist auch für die Höhe des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden, wenn es sich – wie hier – nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den zu entscheidenden Sachverhalt erstreckt (vgl. nur Senatsbeschluß vom 9. Februar 2000 aaO m.w.N.; Senatsbeschluß vom 23. Februar 2000 aaO). Gesetzesänderungen sind dabei auch dann zu berücksichtigen, wenn das Ehezeitende zeitlich vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung liegt, unabhängig davon, ob sie zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Versorgungsanspruchs führen (vgl. Senatsbeschluß vom 28. September 1994 – XII ZB 178/93 – FamRZ 1995, 27 m.w.N.). Denn Berechnungen des Ausgleichs auf der Grundlage von fiktiven Werten sind nach Möglichkeit zu vermeiden, um verfassungsrechtlich bedenkliche Abweichungen vom Halbteilungsprinzip auszuschließen (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 9. Mai 1990 – XII ZB 58/89 – NJW-RR 1990, 1155). Danach hat die Bewertung der beamtenrechtlichen Anwartschaften der Ehefrau nach den Maßgaben des Dienstrechtsreformgesetzes 1997 zu erfolgen, das nach §§ 27, 28 BBesG n.F. auf den vorliegenden Sachverhalt zurückwirkt (vgl. dazu auch ausführlich Senatsbeschluß vom heutigen Tag – XII ZB 46/98 –).
Die Sache muß daher an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit das Oberlandesgericht die Versorgungsanrechte der Parteien anhand aktueller Auskünfte feststellen und auf dieser Grundlage den Versorgungsausgleich durchführen kann.
Unterschriften
Hahne, Weber-Monecke, Wagenitz, Ahlt, Bundesrichterin Dr. Vézina ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne
Fundstellen
Haufe-Index 875432 |
FamRZ 2003, 437 |
FuR 2003, 32 |
EzFamR aktuell 2003, 19 |
FPR 2003, 124 |