Leitsatz (amtlich)
Nach Rechtskraft der Scheidung kann zwischen den geschiedenen Ehegatten kein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss mehr entstehen (im Anschluss an die BGH v. 25.11.2009 - XII ZB 46/09, FamRZ 2010, 189; v. 23.3.2005 - XII ZB 13/05, FamRZ 2005, 883 sowie BGH BGHZ 89, 33 = FamRZ 1984, 148).
Normenkette
BGB § 1360a Abs. 4 S. 1, § 1361 Abs. 4 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG München vom 27.4.2016 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Rz. 1
Die geschiedene Antragstellerin macht einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss geltend.
Rz. 2
Die Beteiligten, die am 9.10.1987 geheiratet hatten, trennten sich im Februar 2003. Der Scheidungsantrag wurde der Antragstellerin am 4.6.2004 zugestellt. Zum Verbund machte sie u.a. die Folgesache Zugewinnausgleich anhängig. Am 3.6.2011 gab das AG einem Antrag des Antragsgegners auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Die Folgesache Zugewinnausgleich wurde daraufhin mit Beschluss des AG vom 2.5.2012 abgetrennt und als selbständiges Zugewinnausgleichsverfahren weitergeführt. Seit 30.7.2012 sind die Beteiligten rechtskräftig geschieden. Durch Beweisbeschluss vom 9.12.2015 legte das AG im Zugewinnausgleichsverfahren der Antragstellerin einen Sachverständigenvorschuss i.H.v. 10.000 EUR auf.
Rz. 3
Im Wege einer einstweiligen Anordnung vom 12.2.2009 hatte das AG den Antragsgegner im Scheidungsverbund verpflichtet, einen Prozesskostenvorschuss i.H.v. 59.363,15 EUR zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 30.8.2011 beantragte die Antragstellerin, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, sämtliche zur Fortführung und Beendigung des güterrechtlichen Verfahrens anfallenden Sachverständigengebühren und die Kosten des Anordnungsverfahrens im Wege des Verfahrenskostenvorschusses zu zahlen. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass der Antragsgegner hinsichtlich der noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten gegenüber der Antragstellerin verfahrenskostenvorschusspflichtig ist. Diese Anträge wies das AG zurück.
Rz. 4
Mit Schriftsatz vom 18.7.2012, dem Antragsgegner zugestellt am 24.7.2012, hat die Antragstellerin hinsichtlich der zukünftigen Gerichts- und Sachverständigenkosten im Zugewinnausgleichsverfahren in der Hauptsache einen Feststellungsantrag erhoben. Insoweit begehrt sie zuletzt neben der Feststellung der Verfahrenskostenvorschusspflicht des Antragsgegners für alle im güterrechtlichen Verfahren noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses i.H.v. 10.000 EUR für die Sachverständigenkosten aus dem Beweisbeschluss vom 9.12.2015.
Rz. 5
Das AG hat festgestellt, dass der Antragsgegner hinsichtlich der im güterrechtlichen Verfahren noch anfallenden Gerichts- und Sachverständigenkosten bis zu einem Betrag von 47.943,45 EUR verfahrenskostenvorschusspflichtig ist. Auf die hiergegen gerichteten Beschwerden beider Beteiligter hat das OLG unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin den Antrag der Antragstellerin insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag vollumfänglich weiterverfolgt.
II.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie das Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG). Der Senat ist an die Zulassung gebunden.
Rz. 7
In der Sache ist die Rechtsbeschwerde indessen nicht begründet.
Rz. 8
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin könne weder im Wege des Leistungsantrags den geforderten Verfahrenskostenvorschuss verlangen, noch habe sie Anspruch auf die Feststellung, der Antragsgegner schulde ihr einen Verfahrenskostenvorschuss in unbegrenzter Höhe oder bis zu einer Höhe von 47.943,45 EUR. Soweit sie einen Leistungsantrag erhebe, gebe es keine gesetzliche Grundlage für einen Verfahrenskostenvorschuss, weil die Ehe der Beteiligten bereits rechtskräftig geschieden worden sei. Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss sei unterhaltsrechtlicher Natur. Ein solcher Anspruch werde in § 1360a Abs. 4 BGB allein für den Familienunterhalt postuliert. Die Anordnung einer entsprechenden Anwendung in § 1361 Abs. 4 BGB beziehe sich nur auf den Trennungsunterhalt. Für den nachehelichen Unterhalt, der als Nachwirkung früherer ehelicher Verantwortung nur unter den Voraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB geschuldet sei, habe der Gesetzgeber bewusst keine Regelung für einen Verfahrenskostenvorschuss getroffen.
Rz. 9
Eine Säumnis des Antragsgegners dahingehend, dass er etwa den vor Rechtskraft der Scheidung zuerkannten Vorschuss bis zur Rechtskraft nicht gezahlt oder sich hinsichtlich des Vorschusses in Verzug befunden hätte, liege hier nicht vor. Auch sei vorliegend nicht ein Antrag auf Vorschuss rechtshängig geworden, über den bis zur rechtskräftigen Entscheidung noch nicht entschieden worden sei. Das AG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner zumindest in Höhe eines Betrages von 47.943,45 EUR hinsichtlich des Verfahrenskostenvorschusses in Verzug befunden habe. Wenn die Antragstellerin auch in dem Verfahren, das zu der einstweiligen Anordnung vom 12.2.2009 über 59.363,15 EUR führte, insgesamt 107.306,60 EUR an Verfahrenskostenvorschuss verlangt habe, sei der weitergehende Antrag nicht rechtshängig geblieben. Auch der auf Feststellung gerichtete Antrag vom 30.8.2011 sei vom AG zurückgewiesen worden. Und der Feststellungsantrag vom 18.7.2012 habe wegen des anderen Verfahrensgegenstands keine Rechtshängigkeit hinsichtlich des Leistungsantrags über 10.000 EUR begründen können.
Rz. 10
Durch den Feststellungsantrag habe auch kein Leistungsanspruch begründet werden können, da § 256 ZPO keinen sachlich-rechtlichen Anspruch gewähre, sondern nur für bestehende sachlich-rechtliche Ansprüche unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere Rechtsschutzform gewähre. Dass der Antragsgegner nach der Gesetzesänderung im Jahr 2009 von der Möglichkeit der vorzeitigen Aufhebung des Güterstands Gebrauch gemacht habe, lasse keine Arglist oder Säumnis des Antragsgegners erkennen. Im Übrigen setze ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss einen konkreten Bedarf wegen einer entstandenen Verpflichtung zur Zahlung von Verfahrens- oder Rechtsanwaltskosten voraus. Eine solche Verpflichtung habe aber unstreitig für die Antragstellerin vor Rechtskraft der Scheidung über die ihr bereits zugesprochenen - und vom Antragsgegner gezahlten - 59.363,15 EUR hinaus nicht bestanden. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich eines Verfahrenskostenvorschusses in unbegrenzter Höhe oder bis zu einer Höhe von 47.943,45 EUR bestehe daher nicht. Schließlich wäre der Feststellungsantrag der Antragstellerin auch unbegründet, da die im Rahmen des § 1360a Abs. 4 BGB erforderliche Billigkeitsabwägung derzeit mangels konkreter Anhaltspunkte nicht vorgenommen werden könnte.
Rz. 11
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 12
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats schuldet ein geschiedener Ehegatte seinem früheren Ehegatten keinen Verfahrenskostenvorschuss. Zwar umfasst das Maß des Anspruchs auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nach § 1578 BGB - ebenso wie im Fall des Familienunterhalts nach § 1360a Abs. 1 BGB - grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf. Gleichwohl ist dem Ehegatten in § 1360a Abs. 4 BGB ausdrücklich ein über diesen allgemeinen Lebensbedarf hinausgehender Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses zugebilligt worden. Diese Regelung ist indessen nach ihrem Wortlaut auf den Familienunterhalt - und durch die Bezugnahme in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auf den Trennungsunterhalt - beschränkt. Für den nachehelichen Unterhalt ist § 1360a Abs. 4 BGB auch nicht entsprechend anwendbar, weil diese unterhaltsrechtliche Beziehung nicht in gleichem Umfang Ausdruck einer besonderen Verantwortung des Verpflichteten für den Berechtigten ist, die derjenigen von Ehegatten vergleichbar ist (vgl. BGH v. 25.11.2009 - XII ZB 46/09, FamRZ 2010, 189 Rz. 8; v. 23.3.2005 - XII ZB 13/05, FamRZ 2005, 883, 885 sowie BGH BGHZ 89, 33, 39 f. = FamRZ 1984, 148 f. a.A. [für abgetrennte Folgesachen]: beck-online. Großkommentar/Preisner [Stand: 1.4.2017] § 1360a Rz. 212; Palandt/Brudermüller BGB, 76. Aufl., § 1360a Rz. 10).
Rz. 13
b) Ob eine Vorschusspflicht für eine im Verbund anhängig gemachte Folgesache auch nach deren Abtrennung und nach Rechtskraft der Scheidung fortbestehen kann, wenn zuvor rechtzeitig ein entsprechender Antrag gestellt wurde und der Berechtigte damit alles zur Verwirklichung seines Anspruchs getan hat (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 431 zur Weiterverfolgung des Vorschussanspruchs im Unterhaltsrechtstreit des Kindes gegen den Vater nach Beendigung der Instanz; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 1465) oder wenn der Verpflichtete sich hinsichtlich des Vorschusses in Verzug befand (vgl. dazu OLG Frankfurt MDR 2005, 590 f. m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Rz. 14
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein weiterer Verfahrenskostenvorschussanspruch der Antragstellerin vor Rechtskraft der Scheidung nicht entstanden ist. Ein Vorschuss nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB kann nur verlangt werden, wenn und solange (vgl. dazu BGH BGHZ 94, 316, 321 = FamRZ 1985, 802, 803) der bedürftige Ehegatte selbst dem Gericht (oder seinem Rechtsanwalt) gegenüber vorschusspflichtig ist. Die Vorauszahlungspflicht der Antragstellerin für die Sachverständigenkosten ist aber nicht bereits dadurch eingetreten, dass sie die güterrechtliche Folgesache zum Verbund anhängig gemacht hat, sondern nach §§ 112 Nr. 2, 113 Abs. 1 FamFG, 402, 379 ZPO, 16 FamGKG erst durch die Anordnung der Vorschusszahlung im Beweisbeschluss vom 9.12.2015 (vgl. Meyer GKG/FamGKG 15. Aufl., § 16 FamGKG Rz. 1, § 17 GKG Rz. 24). Zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten bereits über zwei Jahre rechtskräftig geschieden und jegliche Vorschusspflicht des Antragsgegners damit erloschen. Auch ein Verzug des Antragsgegners hinsichtlich der Vorschusszahlung scheidet danach aus.
Rz. 15
c) Schließlich konnte die Antragstellerin einen Verfahrenskostenvorschuss auch nicht dadurch erlangen, dass sie sechs Tage vor Rechtskraft der Scheidung einen entsprechenden Feststellungsantrag erhoben hat. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Antrag mangels Feststellungsinteresses bei einer erst nach der Rechtskraft der Scheidung angeordneten Vorauszahlungspflicht unzulässig ist. Denn ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO setzt ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis voraus.
Fundstellen
Haufe-Index 10803475 |
NJW 2017, 1960 |
NJW 2017, 8 |
FamRZ 2017, 1052 |
FuR 2017, 3 |
FuR 2017, 449 |
JurBüro 2017, 316 |
JA 2017, 549 |
JZ 2017, 410 |
MDR 2017, 720 |
FF 2017, 262 |
FF 2017, 320 |
FamRB 2017, 291 |
FK 2017, 111 |