Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 24.04.2002) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. April 2002
im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig ist
- im Komplex II. 2 der Urteilsgründe des unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken in 306 tateinheitlich begangenen Fällen;
- im Komplex II. 9 a bis c der Urteilsgründe der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter in fünf tateinheitlich begangenen Fällen;
mit den Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte in den Komplexen II. 3, II. 4, II. 5, II. 6, II. 7 und II. 8 der Urteilsgründe verurteilt wurde;
- im Ausspruch über die in den Komplexen II. 2 und II. 9 a bis c der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen, im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes.
II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte im Komplex IX. 1 der Urteilsgründe hinsichtlich der angeklagten Taten am 29. Januar 1998, am 12. und 25. Februar 1998, am 4. und 27. März 1998, am 14., 21. und 23. April 1998, am 20. Juli 1998, am 4. und 24. August 1998, am 21. September 1998, am 6. 7. und 8. Oktober 1998, am 3. März und 16. April 1999 sowie am 4. Mai 2000 freigesprochen wurde;
- im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe;
- im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes und
- soweit von der Anordnung eines Berufsverbots abgesehen wurde.
III. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
IV. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten in 861 Fällen wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, davon in 25 Fällen in Tateineit mit Urkundenfälschung und in 21 Fällen in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Patentgesetz, und in einem weiteren Fall wegen eines Verstoßes gegen das Tierseuchengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt. Darüber hinaus hat es den Verfall des Wertersatzes für einen Geldbetrag von 150.000 EUR angeordnet. Vom Vorwurf weiterer Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg. Die allein auf die Sachrüge gestützte, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist ebenfalls teilweise begründet.
A.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte seine Tierarztpraxis mit durchschnittlich zwölf angestellten Tierärzten und weiterem nichttierärztlichen Personal und seine tierärztliche Hausapotheke so organisiert, daß er einen möglichst großen Arzneimittelumsatz erzielte, da ihm von den Pharmafirmen Rabatte in Form von unberechneten Zusatzlieferungen gewährt wurden, deren Umfang sich an seinen Bezugsmengen orientierte (UA S. 476). Seinen Anweisungen entsprechend wurden verschreibungspflichtige Arzneimittel aus seiner tierärztlichen Hausapotheke daher auch an andere, nicht bei ihm angestellte Tierärzte verkauft. Derartige Medikamente wurden außerdem an Tierhalter weitergegeben, ohne daß deren Tiere durch den Angeklagten oder einen bei ihm angestellten Tierarzt ordnungsgemäß behandelt wurden. Schließlich wurden verschreibungspflichtige Arzneimittel – teilweise unter irreführender Bezeichnung – ausgereicht, die nicht für die Tierart zugelassen waren, bei der sie angewendet werden sollten.
I. Zu den Verurteilungen hat das Landgericht im einzelnen folgende Feststellungen und rechtliche Wertungen getroffen:
1. Fälle II. 2 bis 7 – Arzneimittelverkauf an Tierärzte – :
Zwischen Januar 1998 und Dezember 2000 wurden an 726 Tagen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke des Angeklagten an sechs nicht bei ihm angestellte Tierärzte verkauft. Als Entgelt erhielt der Angeklagte von einem als freier Mitarbeiter bei ihm tätigen Tierarzt (Komplex II. 2) und von zwei weiteren Tierärzten (Komplexe II. 5 und 7) den Einkaufspreis der jeweiligen Medikamente zuzüglich eines prozentual aus diesem Betrag bestimmten Aufschlags. Drei weiteren Tierärzten (Komplexe II. 3, 4 und 6) wurde lediglich der Einkaufspreis in Rechnung gestellt, was die Kammer als Verkauf ohne Gewinn gewertet hat. Zu den Tathandlungen des Angeklagten hat die Kammer in den Fällen II. 4 und II. 6 festgestellt, daß es sich um Einzelgeschäfte handelte, die er persönlich vornahm. In den Fällen II. 2 und 3 ergeben sich aus den Feststellungen der Kammer keine Anhaltspunkte für eine konkrete Beteiligung des Angeklagten an einzelnen Verkaufsvorgängen. Für die Fälle II. 5 und II. 7 hat sie ohne nähere Konkretisierung festgestellt, daß die Tierärzte die Medikamente „in den meisten Fällen” selbst abholten und der Angeklagte dann auch „zumeist” persönlich anwesend war.
Die Kammer sah in allen Fällen, in denen der Angeklagte vor dem 11. September 1998 – dem Zeitpunkt, zu dem das Achte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 1998 (BGBl. I S. 2649) in Kraft trat – Arzneimittel verkaufte (39 der Verkaufsvorgänge aus II.3, 33 der Verkaufsvorgänge aus II. 5 und 17 der Verkaufsvorgänge aus II. 7), den Tatbestand des unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl I S. 3018, im folgenden AMG a. F.) als erfüllt an. In den in der Zeit ab dem 11. September 1998 liegenden Fällen sah sie ein unerlaubtes Handeltreiben mit Arzneimitteln nach § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG, wenn der Angeklagte mit Gewinn verkaufte (sämtliche Verkaufsvorgänge aus II. 2, sowie die verbleibenden Verkaufsvorgänge aus II. 5 und II. 7), und eine „vorsätzliche unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG”, wenn der Angeklagte ohne Aufschlag auf den Einkaufspreis verkaufte (verbleibende Verkaufsvorgänge aus II. 3 und die Fälle II. 4 und II. 6). In allen Fällen hat die Kammer für jeden einzelnen festgestellten Abgabetag eine selbständige Handlung des Angeklagten angenommen.
2. Fälle II. 8 – Arzneimittelverkauf an einen Pharmareferenten –:
An zwei Tagen wurden einem Pharmareferenten vor dem 11. September 1998 verschreibungspflichtige Tierarzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke des Angeklagten zum Einkaufspreis ausgehändigt.
Diesen Sachverhalt würdigt die Kammer als unerlaubtes Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken nach § 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a.F. in zwei selbständigen Fällen.
3. Fälle II. 9a bis c – Arzneimittelverkauf an Tierhalter durch Mitarbeiter in der tierärztlichen Hausapotheke –:
Der Angeklagte hatte das nichttierärztliche Personal seiner Praxis angewiesen, verschreibungspflichtige Arzneimittel an Tierhalter ohne Zuziehung eines Tierarztes zu verkaufen, wenn die Kunden den Namen des Arzneimittels kannten. Daraufhin wurden derartige Medikamente aus seiner Hausapotheke an drei Landwirte in fünf Einzelfällen verkauft. Der Angeklagte war an den Verkaufsvorgängen selbst nicht beteiligt.
Das Landgericht hat den Sachverhalt als fünf in Tatmehrheit stehende Fälle der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter gewürdigt, §§ 95 Abs. 1 Nr. 8, 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG.
4. Fälle II. 10 bis 12 – Arzneimittelverkauf an Tierhalter ohne persönliche Untersuchung der Tiere durch einen Tierarzt bzw. ohne Anweisungen zur Anwendung der Arzneimittel und ohne Überwachung des Behandlungserfolges –:
Vor Weihnachten 2000 ließ der Angeklagte an einen Zuchtsauenbetrieb ein verschreibungspflichtiges Tierarzneimittel gegen Räude ausliefern, das die Tierhalter nach telefonischer Rücksprache mit ihm in seiner Praxis bestellt hatten (Fall II. 10). An einen Legehennenhalter, dessen Tiere an Kokzidiose litten, verkaufte er im September 1998 das verschreibungspflichtige Tierarzneimittel Baycox (Fall II. 11). In beiden Fällen untersuchte er die Tiere zu keinem Zeitpunkt. Darüber hinaus lieferte der Angeklagte im Jahr 2000 bei 13 Gelegenheiten verschreibungspflichtige Tierarzneimittel an einen Schweinemastbetrieb mit einem Bestand von 25.000 Tieren (Fälle II. 12). Die Tierpflege war hier in zwei Abteilungen organisiert, wobei je einem Abteilungsleiter zwei weitere Tierpfleger zugeordnet waren. Vor der ersten Lieferung im Juni 2000 hatte der Angeklagte den Tierbestand bei einem zweistündigen Stalldurchgang mit einem der Abteilungsleiter untersucht. Mit diesem Abteilungsleiter telefonierte er zwischen Juni und September vier bis sechs mal. Mit dem anderen Abteilungsleiter führte der Angeklagte in der Folgezeit drei bis vier Stalldurchgänge durch, die ca. ein bis zwei Stunden dauerten. Zwei weitere Stalldurchgänge führte er mit zwei angestellten Tierärzten zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten durch. Mit dem übrigen Stallpersonal hatte der Angeklagte keinen Kontakt. Neben dem Angeklagten war eine ortsansässige Tierärztin in dem Betrieb tätig. Sie führte wöchentlich einen ca. dreistündigen Stalldurchgang durch und beriet das Stallpersonal bei der Dosierung und Anwendung der vom Angeklagten gelieferten Arzneimittel. Sie wurde auch konsultiert, wenn einzelne Tiere erkrankten. Bei der Behandlung mußte sie die vom Angeklagten gelieferten Medikamente verwenden und durfte nicht auf den Bestand ihrer eigenen Hausapotheke zurückgreifen.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliche unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG in 15 tatmehrheitlichen Fällen gewürdigt.
5. Fall II. 13 – Anabolikaverkauf an einen Bodybuilder –:
Nach Rücksprache mit dem Angeklagten verkaufte eine seiner Praxisangestellten zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Januar 2001 aus der tierärztlichen Hausapotheke gewinnbringend ein Anabolikum an einen Bodybuilder, das dieser, wie der Angeklagte wußte, bei sich selbst anwenden wollte.
Diesen Sachverhalt hat die Kammer als vorsätzliches unerlaubtes Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe von Arzneimitteln zu Dopingzwecken gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2a, Nr. 4, 6a Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 2 AMG gewürdigt.
6. Verkauf von Tierarzneimitteln, die nicht oder nicht für die Tierart, bei der sie angewendet werden sollten, zugelassen waren, und von Tierarzneimitteln unter irreführender Bezeichnung nach dem 10. September 1998.
a) Fall II. 14 – Acetylsalicylsäure –:
In 31 jeweils von ihm veranlaßten Lieferungen mit einem Gesamtgewicht von 2.900 kg bezog der Angeklagte nicht verschreibungspflichtige Acetylsalicylsäure, um das Medikament anschließend entweder selbst oder überwiegend durch seine angestellten Tierärzte an Tierhalter gewinnbringend zu verkaufen. Das Arzneimittel ist nicht in Reinform, sondern nur als Kombinationspräparat zur Anwendung bei Tieren zugelassen.
Die Kammer hat diesen Sachverhalt als Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, ohne Zulassung entgegen § 21 Abs. 1 AMG gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 5 AMG in 31 selbständigen Fällen gewürdigt. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens hat sie bei jeder der 31 Bestellungen bereits durch die Einlagerung in der Hausapotheke in der Absicht, das Medikament als Tierarzneimittel zu verkaufen, als erfüllt angesehen. Die späteren Verkäufe hat sie als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit behandelt. Soweit die Verkäufe durch angestellte Tierärzte vorgenommen wurden, hat die Kammer angenommen, daß der Angeklagte als mittelbarer Täter gehandelt habe. Aufgrund seiner führenden Rolle als uneingeschränkter Chef der Tierarztpraxis habe er zu jedem Zeitpunkt Tatherrschaft gehabt.
b) Fall II. 15 – Nergen – „T 1” –:
In 13 jeweils von ihm selbst georderten Einzellieferungen bezog der Angeklagte das cortisonhaltige Medikament Nergen, das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren zugelassen war. Da er sich über dieses Verbot hinwegsetzen wollte, ließ er die Etiketten jeweils kurz nach der Lieferung von einem Angestellten ablösen und die Flaschen mit der Aufschrift „T1” versehen, um den Medikamentenwirkstoff zu verschleiern. Auf Empfehlung des Angeklagten wurde das Mittel in der Folge von seinen angestellten Tierärzten an Tierhalter zur Behandlung Lebensmittel liefernder Tieren gewinnbringend verkauft.
Die Kammer hat den Sachverhalt als unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs.1 Nr. 3 AMG in Tateinheit mit unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung in 13 selbständigen Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 8, 96 Nr. 3 AMG gewürdigt. Auch hier hat die Kammer alle Verkäufe aus einer Lieferung zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt und ist in den Fällen, in denen angestellte Tierärzte verkauften, von mittelbarer Täterschaft des Angeklagten ausgegangen.
c) Fall II. 16 – Leptospirose-Impfstoff –:
Der Angeklagte verkaufte einen in der Bundesrepublik nicht zugelassenen amerikanischen Impfstoff gegen Leptospirose an einen Zuchtsauenhalter.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliche unerlaubte Abgabe nicht zugelassener Impfstoffe gemäß §§ 75 Nr. 1, 17c Abs. 1 Satz 1 Tierseuchengesetz gewürdigt.
d) Fall II. 17 – Baytril orale Lösung – Injektionslösung –:
Das verschreibungspflichtige Medikament Baytryl ist als orale Lösung für Hühner und Puten zugelassen. Als Injektionslösung enthält es einen anderen Konservierungsstoff und ist für Schweine und Rinder zugelassen. Der Angeklagte ließ Teilmengen aus 25 jeweils von ihm gesondert angeforderten Lieferungen der oralen Lösung des Medikaments unter unhygienischen Umständen durch seinen Lagerarbeiter auf Injektionsflaschen umfüllen. Auf den Flaschen mit der nun nicht mehr sterilen Lösung hatte das Personal ein den Originaletiketten für Baytril-Injektionslösung vollständig nachgebildetes Etikett anzubringen, das der Angeklagte eigens hatte drucken lassen. Der Angeklagte verkaufte die so gekennzeichneten Flaschen selbst gewinnbringend an die Inhaber eines Schweinezuchtbetriebs, die das Medikament „nach seinen Vorgaben zur Anwendung” bei ihren Tieren brachten (UA S. 243).
Die Kammer hat diesen Sachverhalt als Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB in 25 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs. 1 Nr. 3 AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG, weiter in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG und in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit nicht unerheblicher Qualitätsminderung entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 AMG gemäß § 96 Nr. 2 AMG gewürdigt.
e) Fall II. 18: Strepdipen – „Straubitrad” –:
Teilmengen aus 22 jeweils vom Angeklagten veranlaßten Einzellieferungen des verschreibungspflichtigen Depot-Penicillins „Strepdipen” wurden auf Anweisung des Angeklagten mit einem neuen Etikett versehen. Dieses bezeichnete den Angeklagten als Hersteller des Medikaments „Straubitrad” und deklarierte dessen Inhaltsstoffe falsch. Durch das Verbergen des wahren Hersteller- und Produktnamens sollten die Kunden an den Angeklagten gebunden werden. Er verkaufte das Medikament mit Gewinn an Tierhalter.
Die Kammer hat den Sachverhalt als vorsätzliches unerlaubtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG in 22 tatmehrheitlichen Fällen gewürdigt. Auch in diesem Fall hat sie die Weiterverkäufe aus jedem Beschaffungsvorgang zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt. Soweit der Verkauf durch seine angestellten Tierärzte erfolgte, hat sie mittelbare Täterschaft des Angeklagten angenommen.
f) Fall II. 19: Metacam – „Straubinger Plus” –:
In 21 Einzellieferungen bezog der Angeklagte das verschreibungspflichtige, nur zur Anwendung bei Rindern zugelassene Medikament „Metacam”, für dessen Wirkstoff „Meloxicam” im Tatzeitraum ein Schutzzertifikat der Firma Dr. Karl Thomae GmbH bestand. Teile jeder Lieferung wurden auf Anweisung des Angeklagten von seinen Angestellten mit einem selbst hergestellten Etikett „Straubinger Plus – Injektionslösung für Schweine” beklebt. Durch die Umetikettierung wollte er die Landwirte enger an sich binden. Aus dem Verkauf des Medikaments – teilweise durch seine angestellten Tierärzte – an Landwirte, die ausschließlich Schweine hielten, aber auch an Tierhalter, die ausschließlich Rinder oder auch Rinder und Schweine hatten – erzielte der Angeklagte Gewinn.
Die Kammer hat diesen Sachverhalt gewürdigt als 21 Fälle des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens eines Arzneimittels unter Verletzung eines ergänzenden Schutzzertifikats gemäß §§ 142 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 16a, 49a Patentgesetz jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter entgegen § 56a Abs. 1 Nr. 3 AMG gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG, außerdem in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG gemäß § 96 Nr. 3 AMG.
II. Soweit die erfolgten Freisprüche von der Revision der Staatsanwaltschaft angegriffen sind, hat die Kammer folgendes festgestellt:
1. Fälle IX. 1 – weitere Verkäufe an den Tierarzt aus dem Komplex II. 3 –:
Nach der zugelassenen Anklage lag dem Angeklagten zur Last, über die unter II. 3 abgeurteilten Fälle hinaus an 29 Tagen zwischen Januar 1998 und Mai 2000 weitere verschreibungspflichtige Arzneimittel an den Tierarzt abgegeben zu haben. Die Beweisaufnahme ergab, daß es sich bei den an diesen Tagen verkauften Arzneimitteln nicht um verschreibungspflichtige Medikamente handelte. Teilweise waren die verkauften Produkte freiverkäuflich. Daneben wurden Impfstoffe einer Art verkauft, auf die gemäß § 80 Nr. 1 AMG das Arzneimittelgesetz keine Anwendung findet, außerdem lediglich apothekenpflichtige Arzneimittel oder beides.
Nach Auffassung der Kammer fehlt es hinsichtlich der apothekenpflichtigen Arzneimittel an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage. Denn diese habe die Tat nur durch die Beschreibung „Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel” bezeichnet. Von diesem Begriff seien lediglich „apothekenpflichtige Arzneimittel” nicht erfaßt. Soweit Impfstoffe weitergegeben worden seien, sei das Arzneimittelgesetz nicht einschlägig. Auch § 31 Tierimpfstoffverordnung sei nicht erfüllt, da der Schutzzweck der Norm durch die Weitergabe an einen anderen Tierarzt nicht berührt werde.
2. Fälle IX. 3 – Weiterer Medikamentenverkauf an Tierhalter in der tierärztlichen Hausapotheke des Angeklagten –:
Nach der zugelassenen Anklage lagen dem Angeklagten weitere zehn Verkaufsvorgänge in seiner tierärztlichen Hausapotheke zur Last, bei der die Angestellten Medikamente an Tierhalter weitergaben, ohne daß deren Tiere durch den Angeklagten oder einen seiner angestellten Tierärzte behandelt worden seien.
Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, daß die Ausreichungen, die tatsächlich stattfanden, mit Wissen und Wollen des Angeklagten geschahen. In allen Fällen konnte sie nicht ausschließen, daß die Weitergabe durch einen der beim Angeklagten angestellten Tierärzte veranlaßt worden war. Eine Anweisung des Angeklagten an seine Tierärzte, Medikamente auch ohne Behandlung oder ohne ordnungsgemäße Behandlung abzugeben, konnte die Kammer nicht feststellen.
Entscheidungsgründe
B. Revision des Angeklagten
I. Die Verfahrensrüge, der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Prof. Dr. U. sei zu Unrecht abgelehnt worden, ist unbegründet.
1. Der Ablehnungsantrag stützt sich auf einen Artikel des Sachverständigen im Deutschen Tierärzteblatt, in dem er sich mit einem vom Bundesrat eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung tierarzneimittelrechtlicher Vorschriften” befaßte. Dort finden sich nach einer Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens und der Reaktionen darauf in der Tierärzteschaft unter der gemeinsamen Zwischenüberschrift „Bestand des tierärztlichen Dispensierrechts war und ist stark gefährdet” folgende insbesondere beanstandeten Aussagen: „Der aktuelle Anlaß für die Reform des Dispensierrechts war der so genannte Schweinemastskandal, der durch eine Großrazzia der Polizei bei Tierärzten und Schweinemästern in Bayern am 17. Januar 2001 aufgedeckt wurde. … Es war und ist unbestritten, daß die überwiegende Mehrzahl der Tierärzte sorgfältig mit ihrem Dispensierrecht umgeht und daß es andererseits nicht nur einzelne schwarze Schafe in ihren Reihen sind, die vorsätzlich und wiederholt gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen haben.” In der Folge beschreibt der Autor die Vorteile des tierärztlichen Dispensierrechts, die Gründe für die Notwendigkeit einer Reform, die Ziele des Reformentwurfs und die beabsichtigten Einzelregelungen.
2. Diese Äußerungen gaben keinen Anlaß, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Die Kammer hat den gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag daher zu Recht als unbegründet verworfen.
Denn in der Regel liegt kein Grund zu Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen vor, wenn er sich im Rahmen seiner Berufsausübung – etwa in Publikationen, bei Lehrveranstaltungen oder auf Fachtagungen – zu einer Frage aus seinem Fachgebiet allgemein äußert oder hierzu im Rahmen der Erstattung eines Gutachtens besonders Stellung nimmt. Innerhalb dieses Rahmens abgegebene Äußerungen rechtfertigen die Besorgnis seiner Befangenheit grundsätzlich nicht, mag der Sachverständige dabei auch eine wissenschaftliche Meinung vertreten, die sich in einem anhängigen Strafverfahren zum Nachteil des Angeklagten auswirken würde (BGH, Urt. vom 2. August 1995 – 2 StR 221/94).
Der Artikel des Sachverständigen stellt eine solche allgemeine Äußerung im Rahmen seiner Berufsausübung dar. Nach Thematik und Adressatenkreis ist er nicht darauf gerichtet, auf das Verfahren gegen den Angeklagten Einfluß zu nehmen. Vielmehr geht es darin um allgemeine Fragen aus dem Fachgebiet des Sachverständigen. Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, daß der Artikel die Durchsuchungen erwähnt, die zugleich beim Angeklagten und bei anderen Tierärzten sowie bei Schweinemästern durchgeführt worden waren. Denn in diesem Zusammenhang werden lediglich die allgemein bekannt gewordenen Vorgänge und die Reaktionen der Öffentlichkeit darauf berichtet, ohne daß der Angeklagte individualisiert und ohne daß eine eigene Meinung des Sachverständigen gerade zum Verhalten des Angeklagten geäußert würde. Auch die zweite zitierte Passage vermag bei einem vernünftigen Leser nicht den Eindruck zu erwecken, daß der Sachverständige den Angeklagten persönlich als „schwarzes Schaf” unter den Tierärzten betrachte, der sein Dispensierrecht mißbraucht habe. Das gilt selbst dann, wenn sie im Zusammenhang mit dem Hinweis auf den „Schweinemastskandal” betrachtet wird. Ersichtlich soll nämlich nicht das konkrete Verhalten bestimmter Personen bewertet werden, sondern es wird allgemein abgeschätzt, in welchem Ausmaß es unter der bisherigen Regelung zu Mißbräuchen des tierärztlichen Dispensierrechts gekommen war.
II. Die Sachrüge ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen der Arzneimittelgeschäfte mit Tierärzten und einem Pharmareferenten (Komplexe II. 2 bis II. 8) und gegen die Verurteilung wegen des Arzneimittelverkaufs an Tierhalter durch Mitarbeiter seiner tierärztlichen Hausapotheke (Komplexe II. 9a bis II. 9 c) richtet. Damit unterliegt auch die Verfallsanordnung der Aufhebung. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
1. Zurecht beanstandet die Revision die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken nach § 43 Abs. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG a.F. in den Komplexen II. 3, II. 5, II. 7 und II. 8 sowie die Verurteilung wegen unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken in den Komplexen II. 3, II. 4 und II. 6. Darüber hinaus ist die Annahme rechtlich jeweils selbständiger Taten für jeden einzelnen Verkaufsvorgang in den Fällen II. 2, II. 3, II. 5, II. 7 und II. 9a bis c nicht tragfähig begründet.
a) Entgegen der Auffassung der Revision erweist sich die Verurteilung in den Komplexen II. 2 bis II. 8 nicht bereits deshalb als rechtsfehlerhaft, weil sich aus der Regelung des Arzneimittelgesetzes eine Erlaubnis zur Abgabe von Arzneimitteln von Tierarzt zu Tierarzt oder von Tierarzt zu Pharmareferent ergäbe. Denn das Arzneimittelgesetz verbietet eine solche Weitergabe. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 6 AMG dürfen Großhändler und pharmazeutische Unternehmer Tierarzneimittel an Tierärzte abgeben. Jedem, der nicht zu diesem Kreis gehört – also auch Tierärzten –, ist gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 AMG das Handeltreiben mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln verboten. Insbesondere ergibt sich aber aus § 47 Abs. 2 Satz 1 AMG, daß Tierärzte nicht zugleich als Großhändler tätig sein dürfen. Sie dürfen nämlich nur in dem Umfang Arzneimittel beziehen, in dem sie sie bei den von ihnen behandelten Tieren einsetzen. Nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AMG ist ein Verstoß gegen diese Bezugsbeschränkung strafbewehrt. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß der Tierarzt die für Großhändler geltenden Nachweisbestimmungen in § 47 Abs. 1a und 1b AMG umgeht, die für ihn nicht gelten. Durch die Vorschriften soll der illegale Markt mit Tierarzneimitteln eingedämmt werden, der insbesondere durch die Gewährung von Naturalrabatten geschaffen wird (BT-Drucks. 9/2221, S. 27).
Diesem Zweck dienen auch § 54 Abs. 2a AMG und die danach ergangene § 9 BetriebsVO-Großhandel (Kloesel/Cyran Arzneimittelrecht Kommentar A 1.6), wonach eine amtliche Anerkennung benötigt, wer Großhandel mit Arzneimitteln betreibt, die bei nahrungsmittelliefernden Tieren angewendet werden sollen. Wer ohne eine solche Anerkennung einen Großhandel betreibt, handelt ordnungswidrig, § 10 Nr. 1b BetriebsVO-Großhandel.
b) Jedoch tragen die Feststellungen des Landgerichts zu 39 Geschäften aus II. 3, zu 33 Geschäften aus II. 5 und zu 17 Geschäften aus II. 7, bei denen der Angeklagte vor dem 11. September 1998 verschreibungspflichtige Arzneimittel an Tierärzte verkaufte, sowie die Feststellungen zu den Verkäufen an einen Pharmareferenten (Fälle II. 8) nicht die rechtliche Würdigung, dies erfülle den Tatbestand des unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a.F..
Nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a. F. machte sich strafbar, wer verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegen § 43 Abs. 1 AMG im Einzelhandel außerhalb einer Apotheke in den Verkehr brachte. Unter Einzelhandel verstand die Rechtsprechung jede auf unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers gerichtete berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit (BGH StV 1998, 663).
Der Angeklagte handelte zwar auch bei den Geschäften berufsmäßig, bei denen er die Arzneimittel nach der Wertung des Landgerichts zum Selbstkostenpreis abgab (vgl. Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 54 Nr. 18). Die Kammer hat jedoch keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, daß die Abgaben auf unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers gerichtet waren. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann der Käufer – hier ein Tierarzt oder auch der Pharmareferent – nämlich Endverbraucher oder aber selbst Händler sein. Wendet der Arzt das Medikament selbst am Patienten an, ohne daß es seine Verfügungsgewalt verläßt, wie etwa im Fall des Sprechstundenbedarfs, ist er Endverbraucher. Gelangt das Medikament vor der Anwendung in die Verfügungsgewalt eines anderen, ist der Käufer nicht mehr Endverbraucher; dies ist dann derjenige, der es am Patienten anwendet (vgl. zu dieser für den Bereich der Humanmedizin gängigen Differenzierung Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 43 Nr.7). Die Kammer hat jeweils offen gelassen, ob die kaufenden Tierärzte die Medikamente den Tieren selbst verabreichten – und dann Endverbraucher waren – oder ob sie die Arzneimittel an die Tierhalter zur Anwendung bei ihren Tieren weitergaben (UA 428, 432, 437). Nur im ersten Fall wäre eine Strafbarkeit aus den §§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1 AMG a. F. gegeben. In den Fällen der Abgabe an den Pharmareferenten fehlen Feststellungen dazu, wie dieser die Arzneimittel verwendete. In allen Fällen sind daher weitere Feststellungen erforderlich.
c) Darüber hinaus erfüllt die Weitergabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zum Selbstkostenpreis, wie sie für die jeweils nach dem 10. September 1998 abgewickelten verbleibenden 232 Einzelgeschäfte aus dem Komplex II. 3 und für die Fälle II. 4 und 6 festgestellt wurde, den Tatbestand von § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 S. 2 AMG entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht.
aa) Nach der am 11. September 1998 in Kraft getretenen Fassung des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wird bestraft, wer „entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 Satz 1 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt”. Einschlägige Verbotsnorm ist im vorliegenden Fall § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG, der verlangt, daß außerhalb der Apotheken mit den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein „Handel getrieben” werden darf. Soweit in der Strafnorm des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG auch die „Abgabe” von Arzneimitteln angeführt ist, kann sich dies nur auf die beiden anderen Verbotsnormen des § 43 Abs. 2 AMG (Abgabe durch juristische Personen an ihre Mitglieder) und des § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG (Abgabe auf Verschreibung außerhalb der Apotheken) beziehen. Da in § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG nur von Handeltreiben und nicht von Abgabe die Rede ist, setzt ein Verstoß gegen diese Vorschrift ein Handeltreiben voraus. Eine andere Auslegung würde schon die Grenze des Wortlauts der Vorschrift überschreiten.
Diese Abgrenzung des Handeltreibens nach § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG von der Abgabe nach § 43 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AMG, die bereits die bis 1998 geltende Fassung der § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 AMG durch die Gegenüberstellung des „Inverkehrbringens im Einzelhandel außerhalb einer Apotheke entgegen § 43 Abs. 1” und der „Abgabe entgegen § 43 Abs. 2 oder 3” unzweideutig zum Ausdruck brachte, wird auch durch systematische Überlegungen bestätigt. Das Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel entgegen § 43 Abs. 1 S. 1 AMG stellt nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG eine Ordnungswidrigkeit dar. Wollte man § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wie das Landgericht dahin interpretieren, daß jede Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken strafbar wäre, würde danach die Strafbarkeit weiter reichen als das arzneimittelrechtliche, nur bußgeldbewehrte Verbot in § 43 Abs. 1 S. 1 AMG, das lediglich das berufs- und gewerbsmäßige Inverkehrbringen für den Endverbrauch erfaßt.
bb) Ein Handeltreiben i. S. von § 43 Abs. 1 S. 2, 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG ergibt sich – wovon das Landgericht zu Recht ausgeht – nicht bereits aus der festgestellten Entgeltlichkeit der Geschäfte.
Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens ist hier ebenso zu verstehen wie im Betäubungsmittelrecht. Danach reicht die bloße Entgeltlichkeit nicht. Vielmehr muß sich für den Täter bei objektiver Betrachtung eigener Nutzen aus dem Umsatzgeschäft selbst ergeben, so daß der Verkauf zum Selbstkostenpreis zwar eine entgeltliche Veräußerung, aber kein Handeltreiben darstellt (st. Rspr., vgl. dazu BGH StV 1985, 235; BGH, Beschl. vom 4. September 1996 – 3 StR 355/96, BGH, Beschl. vom 15. November 2000 – 2 StR 431/00; Körner, BtMG 5. Aufl. Teil B Vorbem. Rdn. 97, Pelchen in Erbs/Kohlhaas AMG § 95 Rdn. 9).
Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich keine durchgreifenden Einwände gegen diese Auffassung. Allerdings erfolgte die Änderung des § 43 Abs. 1 AMG im Jahre 1998, um klarzustellen, inwieweit berufs- und gewerbsmäßige sowie entgeltliche Arzneimittelgeschäfte verboten sein sollten. Durch die Änderung von § 43 Abs. 1 S. 1 AMG sollte die bis dahin in der Rechtsprechung nicht endgültig entschiedene Frage geklärt werden, ob das Tatbestandsmerkmal „im Einzelhandel” i. S. des § 43 AMG a. F. neben einer Berufs- oder Gewerbsmäßigkeit auch die Entgeltlichkeit des Geschäfts erfordere. Darüber hinaus wurde im neu eingefügten Absatz 1 S. 2 bestimmt, daß außerhalb von Apotheken mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur in den im Gesetz genannten Ausnahmefällen (insbesondere Großhandel) Handel getrieben werden dürfe. In der Gesetzesbegründung wird dies in dem Sinn verstanden, daß apothekenpflichtige Arzneimittel außerhalb von Apotheken selbst dann nicht entgeltlich abgegeben werden dürften, wenn dies nicht berufs- oder gewerbsmäßig geschehe (BT-Drucks. 13/9996, S. 16; Pelchen in Erbs/Kohlhaas AMG § 43 Rdn. 4; Kloesel-Cyran Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 43 Nr. 9). Selbst wenn damit ein entsprechender Wille des Gesetzgebers vorgelegen haben sollte, jedes entgeltliche Geschäft mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken zu verbieten, hat sich dieser Wille im Gesetzeswortlaut nicht niedergeschlagen. Eine vom Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Handeltreiben” im Betäubungsmittelrecht abweichende Interpretation im Arzneimittelrecht wäre wegen des engen Zusammenhangs zwischen beiden Gesetzesmaterien nicht sachgerecht.
cc) Die bloße Abgabe von Arzneimitteln stellt sich auch nicht als Unterfall des Handeltreibens dar, wie das Landgericht wohl meint, indem es ausführt, die Abgabe sei „im Handeltreiben erfaßt” (UA 404). Denn beide Tatbestände überschneiden sich, ohne daß einer vollständig in anderen enthalten wäre. Während eine Arzneimittelabgabe nur dann vorliegt, wenn einem anderen die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Medikament verschafft wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob damit Gewinn erzielt werden soll, verlangt das Handeltreiben gerade die Absicht zur Gewinnerzielung. Dagegen ist der Tatbestand des Handeltreibens nicht nur dann erfüllt, wenn die Verfügungsgewalt über das Medikament bereits tatsächlich weitergegeben ist. Es sind daher Fälle denkbar, in denen beide Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, aber auch solche, in denen nur eines der beiden Merkmale vorliegt.
d) Darüber hinaus beanstandet die Revision zu Recht, daß die Kammer in den Komplexen II. 2 (Dr. E.), II. 3 (Dr. N.), II. 5 (Dr. Ne.), II. 7 (Dr. v. R.) und II. 9 a bis c (Abgabe durch Mitarbeiter an Tierhalter in der tierärztlichen Hausapotheke) jeden Abgabevorgang als selbständige Tat des Angeklagten gewertet hat.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob mehrere Straftaten, die im Rahmen einer Deliktserie von mehreren Personen in verschiedenen Rollen als Täter oder sonst Beteiligte begangen werden, tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist der konkrete Umfang des Tatbeitrages jedes Tatbeteiligten. Hat ein (mittelbarer) Täter durch lediglich eine Einflußnahme – z. B. die Organisation des Geschäftsbetriebes oder eine Anweisung – auf den oder die Tatmittler oder Gehilfen bewirkt, daß diese mehrere für sich genommen selbständige Taten begehen, werden diese in der Person des (mittelbaren) Täters zur Tateinheit verbunden, da sie letztlich allein auf dessen einmaliger Einwirkung auf die übrigen Beteiligten beruhen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 10. Mai 2001 – 3 StR 52/01 m.w.N., BGH, Urt. v. 11. Dezember 1997 – 4 StR 323/97). Läßt sich nicht klären, durch wie viele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ein Angeklagter die festgestellte Tat gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß er nur eine Handlung begangen hat (BGH, Beschl. vom 19. November 1996 – 1 StR 572/96 m.w.N.).
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Annahme von selbständigen Handlungen des Angeklagten für jeden einzelnen Abgabevorgang in den Komplexen II. 2 (Dr. E.), II. 3 (Dr. N.), II. 5 (Dr. Ne.), II. 7 (Dr. v. R.) und II. 9 a bis c (Abgabe in der tierärztlichen Hausapotheke durch Mitarbeiter an Tierhalter) rechtsfehlerhaft.
Für keine der Ausreichungen im Komplex II. 2 an Dr. E. und im Komplex II. 3 an Dr. N. sind konkrete Handlungen des Angeklagten festgestellt. Der Verkauf an beide Tierärzte war institutionalisiert und in den fortlaufenden Betriebsablauf der Praxis integriert. An Dr. E. erfolgte die Ausgabe wie bei den übrigen angestellten Tierärzten in der Form, „daß die Arzneimittel vom Lager des Angeklagten in der Straubinger Praxis mit dessen Wissen und Wollen in den vom Tierarzt Dr. E. benutzten Pkw umgeladen wurden” (UA S. 19). Die buchhalterische Erfassung (UA S. 16) und die Abrechnung (UA S. 357) erfolgte hier wiederum über die Mutter des Angeklagten. Für Dr. N., den früheren Praxismitinhaber des Angeklagten, wurden die Arzneimittel in der Praxis des Angeklagten mitbestellt. Er hat die Arzneimittel bei der Zeugin U. … mindestens einmal in der Woche bestellt. Daraufhin wurden sie an seine Praxis geliefert und ihm in Rechnung gestellt (UA 135, 360).
Bei Dr. Ne. und Dr. v. R. stellt die Kammer zwar Beteiligungen des Angeklagten an einzelnen Ausreichungen fest. Diese Beteiligungen sind jedoch nur dahingehend konkretisiert, daß die beiden Tierärzte die Medikamente „in den meisten Fällen” selbst abholten und der Angeklagte dann auch „zumeist” persönlich anwesend war. Selbst eine Mindestzahl von Fällen, bei denen der Angeklagte über die Praxisorganisation hinaus an der einzelnen Ausreichung beteiligt gewesen wäre, läßt sich hieraus nicht entnehmen.
Für die Fälle II. 9 a bis c hat die Kammer ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte an diesen Verkäufen durch seine Angestellten in der tierärztlichen Hausapotheke nicht beteiligt war. Sie knüpft seine Täterschaft an die von ihm getroffene Praxisorganisation und damit an eine einmalige Handlung.
2. Im übrigen sind die Beanstandungen unbegründet; der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
a) In den Fällen des Arzneimittelverkaufs an Tierhalter ohne persönliche Untersuchung der Tiere durch einen Tierarzt bzw. ohne Anweisungen zur Anwendung der Arzneimittel und ohne Überwachung des Behandlungserfolges (Komplexe II. 10 bis II. 12) hat die Kammer den Sachverhalt rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt, daß der Angeklagte verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ordnungsgemäße Behandlung an Tierhalter abgegeben und dadurch den Tatbestand von § 95 Abs. 1 Nr. 8, § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG erfüllt hat.
aa) Nach § 43 Abs. 4 i.V.m. § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG darf der Tierarzt Tierarzneimittel nur an Halter der von ihm behandelten Tiere abgeben. Dabei ergeben sich aus der gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 12 AMG ergangenen Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) Anforderungen an die Art und Weise der Behandlung, die der Tierarzt zu erfüllen hat, wenn er das Dispensierrecht ausübt. Nach dem zur Tatzeit gültigen § 12 TÄHAV durften und dürfen Tierärzte apothekenpflichtige Stoffe nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen tierärztlichen Behandlung an Tierhalter abgeben (vgl. auch BVerwGE 94, 341, 348). Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Rechtsvorschriften begründet daher nicht jede beliebige Behandlung ein Dispensierrecht. Erforderlich ist vielmehr einerseits, daß das Tier oder der Tierbestand nach den Regeln der tierärztlichen Wissenschaft in einem angemessenen Umfang untersucht werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 TÄHAVO). Außerdem muß der Tierarzt die Anwendung der Arzneimittel sowie den Behandlungserfolg kontrollieren (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 TÄHAV). Bei der Behandlung von Großtierbeständen, die die TÄHAVO in § 12 Abs. 3 ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich einbezieht, ist danach zwar nicht die Untersuchung eines jeden einzelnen Tieres erforderlich; der Tierarzt muß aber die Bestandsuntersuchung nach den Regeln der Tiermedizin vornehmen und die Anwendung der Arzneimittel sowie den Behandlungserfolg kontrollieren.
bb) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Tiere in den Fällen II. 10 bis 12 nicht ordnungsgemäß behandelt.
In den Fällen II. 10 und 11 verließ sich der Angeklagte bei der Diagnose der Krankheit auf die Angaben der Tierhalter, die ihm ebenso unbekannt waren wie die Tiere selbst. Er stellte allein auf dieser Grundlage die Diagnose und untersuchte die erkrankten Tiere auch später nicht. Im Fall II. 10 gab er keine Dosieranweisung für das ausgehändigte Arzneimittel. Die Anwendung des Arzneimittels oder den Erfolg der Behandlung kontrollierte er in keinem der beiden Fälle.
Nach den Feststellungen der Kammer hatte der Angeklagte im Fall II. 12 die 25.000 in dem Betrieb gehaltenen Schweine bereits nicht in dem Umfang untersucht, der nach den Regeln der Tiermedizin für die Behandlung eines derart großen Tierbestandes erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus gab nicht der Angeklagte, sondern eine bei ihm nicht angestellte Tierärztin die Dosieranweisungen für die von ihm gelieferten Medikamente und kontrollierte ihre Wirkung.
b) Rechtsfehler sind nicht ersichtlich, soweit die Kammer den Angeklagten in den Fällen II. 14, 15, 18 und 19 wegen des Verkaufs der Arzneimittel Acetylsalicylsäure, Nergen – T1, Strepdipen – Straubitrad und Metacam – Straubinger Plus verurteilt hat.
aa) Insbesondere hat das Landgericht im Komplex II. 14 (Acetylsalicylsäure) rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Therapienotstandes nach § 21 Abs. 2a AMG verneint. Die dagegen gerichtete Beanstandung der Revision wird der Bedeutung dieser Vorschrift nicht gerecht. Durch § 21 Abs. 2a AMG wird die Befugnis des Tierarztes zur Herstellung von Arzneimitteln nämlich nicht erweitert. Die Regelung schränkt vielmehr sein Recht aus § 21 Abs. 2 Nr. 4 AMG, Medikamente für bestimmte Tiere oder Tierbestände ohne eigene Zulassung herzustellen, auf diejenigen Fälle ein, in denen ein zugelassenes Arzneimittel für die Tierart nicht vorhanden ist (Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar AMG § 21 Nr. 38, 22). Geht es aber nicht um die Herstellung für bestimmte Tiere oder einen bestimmten Tierbestand, ist bereits § 21 Abs. 2 Nr. 4 AMG nicht anwendbar und es kommt nicht mehr auf § 21 Abs. 2a AMG an. So verhielt es sich im gegebenen Fall, denn der Angeklagte bezog die Acetylsalicylsäure bereits nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Tierbestand. Er legte sich vielmehr einen Vorrat an, aus dem er und die bei ihm angestellten Tierärzte bei Bedarf verkauften.
bb) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß die Kammer die Grundsätze der Entscheidung BGHSt 40, 126 (Nationaler Verteidigungsrat der DDR) zu den Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft angewendet habe, um in den Fällen II. 14 (Acetylsalicylsäure), II. 15 (Nergen – T1), II. 18 (Strepdipen – Straubitrad) und II. 19 (Metacam – Straubinger Plus) eine mittelbare Täterschaft des Angeklagten auch insoweit zu begründen, als die Arzneimittel durch bei ihm angestellte Tierärzte ausgehändigt wurden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter kraft Tatherrschaft auch derjenige sein, der bestimmte Rahmenbedingungen durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen, wenn er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Nach diesem Maßstab bejaht der Bundesgerichtshof mittelbare Täterschaft auch bei unternehmerischer Betätigung unabhängig davon, ob die unmittelbaren Täter schuldhaft handeln (BGH, Urt. v. 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99; BGH, Urt. v. 6. Juni 1997 – 2 StR 339/96; BGH, Urt. v. 11. Dezember 1997 – 4 StR 323/97).
Danach lag hier in allen fraglichen Fällen mittelbare Täterschaft vor. Der Angeklagte hatte durch die streng hierarchische Organisation seiner Praxis, durch die Umbenennung der Medikamente und die Anweisungen an die bei ihm angestellten Tierärzte, diese Medikamente in bestimmter Weise zu gebrauchen, die Rahmenbedingungen für die Medikamentenabgabe geschaffen. In diesem Rahmen kam es entsprechend seinen Vorgaben zu dem von ihm gewünschten Medikamentenverkauf. Er hat diese Rahmenbedingungen nicht nur geschaffen, sondern bewußt ausgenutzt, um zu erreichen, daß auch seine angestellten Tierärzte die Arzneimittel für Tiere abgaben, zu deren Behandlung sie nicht zugelassen waren. Den angestellten Tierärzten gegenüber hatte er bei wertender Betrachtung Tatherrschaft, denn aufgrund seiner Stellung als Arbeitgeber waren sie rein faktisch an seine Weisungen gebunden und auf die Medikamententnahme aus der Hausapotheke angewiesen. Seine beherrschende Rolle wurde durch seine Verschleierungsmaßnahmen verstärkt, auch wenn der Vorsatz der angestellten Tierärzte damit nicht ausgeschlossen war, da davon ausgegangen werden kann, daß sie wußten, welche Medikamente zugelassen waren und daß den „Straubinger Produkten” die Zulassung fehlte.
3. Die festgestellten Rechtsfehler haben folgende Konsequenzen:
a) In den Komplexen II. 2 und II. 9 a bis c erweist sich die rechtliche Würdigung lediglich hinsichtlich der Konkurrenzen als fehlerhaft. Der Senat schließt für den Komplex II. 2 aus, daß sich insoweit in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen hierzu treffen lassen. Der Schuldspruch war daher in beiden Komplexen zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Im Komplex II. 2 hat sich der Angeklagte danach des unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken gemäß § 43 Abs. 1 S. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG in 306 tateinheitlich begangenen Fällen schuldig gemacht. Im Komplex II. 9 a bis c ist er der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter gemäß § 56 a Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG in fünf tateinheitlich begangenen Fällen schuldig.
Für einen Teilfreispruch in diesem Zusammenhang ist kein Raum. Anklage und Eröffnungsbeschluß behandelten die Verkaufsvorgänge zwar in beiden Tatkomplexen als rechtlich selbständigen Taten. Die vorgenommene Schuldspruchberichtigung ändert jedoch nichts daran, daß der Angeklagte wegen der angeklagten Taten verurteilt wurde (vgl. BGHSt 44, 196, 201).
b) In den Komplexen II. 3 bis 8 war der Schuldspruch vollständig aufzuheben.
aa) Soweit die Verkaufsvorgänge vor dem 11. September 1998 lagen, sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Käufer Endverbraucher waren.
bb) Soweit die Geschäfte nach dem 10. September 1998 abgewickelt wurden, ist zwar für 56 Arzneimittelgeschäfte im Komplex II. 5 (Dr. Ne.) und 41 Arzneimittelgeschäfte im Komplex II. 7 (Dr. von R.) eine Gewinnerzielungsabsicht festgestellt; der Schuldspruch kann jedoch auch in diesem beschränkten Umfang nicht aufrecht erhalten werden, weil nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen ist, daß diese Verkaufsvorgänge mit den vorangegangenen, nicht rechtsfehlerfrei gewürdigten Geschäften als eine Tat im Rechtssinn aufzufassen sind und daher eine getrennte Aburteilung nicht möglich ist.
Auch soweit die Verkaufsvorgänge nach dem 10. September 1998 zum Selbstkostenpreis erfolgten, kommt ein Freispruch nicht in Betracht. In diesen Fällen sind die Feststellungen der Kammer zur Frage der Gewinnerzielung lückenhaft. Das Landgericht hat „Abgabe zum Einkaufspreis” mit „Abgabe zum Selbstkostenpreis” gleichgesetzt. Im Rahmen der Strafzumessung hat sie jedoch mitgeteilt (UA 476), daß der Angeklagte umfangreiche, unberechnete Naturalrabatte von den Pharmafirmen erhalten habe. Nur wenn diese Naturalrabatte bei der Berechnung des Einkaufspreises berücksichtigt worden sind, spiegeln sich in diesem Preis die vom Angeklagten tatsächlich aufgewendeten Kosten wieder. Andernfalls, nämlich wenn als Einkaufspreis der von den Pharmafirmen unter Außerachtlassung des gewährten Naturalrabattes berechnete Preis zugrunde gelegt wurde – wofür einiges spricht –, hätte der Angeklagte auch bei Verkauf zu diesem nur nominellen Einkaufspreis einen Gewinn erzielt und seinen eigenen Vorteil aus den Naturalrabatten nicht an seine Käufer weitergegeben. Auch insoweit muß daher erneut über die Sache verhandelt werden.
c) Die Schuldspruchänderungen erforderten die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelfreiheitsstrafen. Dies und die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs ziehen die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
d) Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt darüber hinaus zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall des Wertersatzes.
4. Für die neue Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Sollte festgestellt werden, daß Arzneimittel bei den Geschäftsvorgängen vor dem 11. September 1998 im Einzelhandel in den Verkehr gebracht wurden, so daß dadurch der Tatbestand von § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 AMG a.F. erfüllt wäre, wäre § 2 StGB zu beachten.
Grundsätzlich ist zwar das zur Zeit der Tat geltende Gesetz anzuwenden, § 2 Abs. 1 StGB. Jedoch ist nach § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz heranzuziehen, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat (§ 8 StGB, Gribbohm in LK 11. Auflage, § 2 Rdn. 13) gilt, vor der Entscheidung geändert wurde. Auch die Umwandlung eines Straftatbestands in eine Ordnungswidrigkeit stellt eine solche mildere gesetzliche Beurteilung des Verstoßes dar (BGHSt 12, 148, 154 f.; vgl. zur Frage des Vorliegens eines milderen Gesetzes generell: BGHSt 26, 167). Im gegebenen Fall hat der Gesetzgeber das bis einschließlich 10. September 1998 nach § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 AMG a.F. strafbare Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Einzelhandel in eine Ordnungswidrigkeit nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG umgewandelt, wenn das Verhalten nicht zugleich ein Handeltreiben darstellt.
Sollten sich in der neuen Hauptverhandlung wiederum keine konkreten Feststellungen zu einer Beteiligung des Angeklagten an einzelnen Verkaufsvorgängen treffen lassen, so daß alle Abgaben an einen Tierzarzt als eine Handlung im rechtlichen Sinn zu verstehen wären, müßte das für jeden der beiden Zeitabschnitte anzuwendende Recht nach diesen Grundsätzen bestimmt und der Angeklagte gegebenenfalls wegen tateinheitlicher Verstöße bestraft werden (vgl. zu dieser Behandlung der Konkurrenzen: BGH, Beschl. vom 25. Mai 1993 – 5 StR 214/93).
b) Hinsichtlich der in den Komplexen II. 2 und II 9 a bis c jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe weist der Senat darauf hin, daß das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) der Verhängung einer höheren als der bisherigen Einzelfreiheitsstrafe nicht grundsätzlich entgegensteht. Vom Landgericht als selbständig erachtete Taten (Tatmehrheit) sind als solche mit den zugehörigen Einzelstrafen entfallen; sie sind jetzt mit anderen Taten zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser nur zur Tateinheit zusammengefaßten Taten ist damit erhöht. Das Verschlechterungsverbot, welches grundsätzlich auch für Einzelstrafen gilt, gebietet bei dieser Sachlage deshalb nur, daß die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Überdies darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als die frühere ausfallen (BGH, Beschl. vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02 m.w.N.).
C. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft hat ihr auf die Sachrüge gestütztes Rechtsmittel in der Revisionsbegründung beschränkt. Sie greift zwölf der Freisprüche unter IX. 1 (Abgabe von Tierimpfstoffen im Komplex „Verkäufe an Dr. N.”, den auch die Verurteilungen in den Fällen II. 3 betrafen) und die Freisprüche unter IX. 3 (weitere Verkäufe an Tierhalter) an. Außerdem wendet sie sich gegen den Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen, insbesondere gegen die für die Verkaufsvorgänge D. – Abgabevorgang II. 9b – und V. – Fall II. 10 – festgesetzten, und die Gesamtfreiheitsstrafe, gegen die Strafaussetzung der Gesamtstrafe zur Bewährung, gegen das Unterbleiben der Anordnung eines Berufsverbots und die Beschränkung des Wertersatzverfalles auf den Betrag von 150.000 EUR.
I. Das Rechtsmittel, das hinsichtlich des Komplexes „Verkäufe an Dr. N.” nicht wirksam auf die Freisprüche unter IX. 1 beschränkt werden konnte, erweist sich hinsichtlich eines Teils der Freisprüche und darüber hinaus auch hinsichtlich der Nichtanordnung eines Berufsverbotes sowie hinsichtlich des Umfangs der Verfallsanordnung als begründet.
1. Im Komplex der Verkäufe an Dr. N., der sowohl die Verurteilung im Komplex II. 3 als auch die Freisprüche im Komplex IX. 1 umfaßt, halten sowohl die Verurteilungen als auch ein Teil der Freisprüche rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, in zwölf der 29 Freisprüche aus IX. 1, für die die Kammer den Verkauf von Tierimpfstoffen, die gemäß § 80 Nr. 1 AMG nicht unter das Arzneimittelgesetz fallen, festgestellt habe, habe der Angeklagte zumindest wegen einer Ordnungswidrigkeit nach den § 31, § 38 Abs. 2 Nr. 8a Tierimpfstoffverordnung verurteilt werden müssen, ist die darin liegende Revisionsbeschränkung unwirksam. In Fällen, in denen der Tatrichter die von ihm festgestellten Geschehnisse als mehrere rechtlich selbständige Taten bewertet, obwohl bei richtiger rechtlicher Würdigung nur eine Tat vorliegt, kann die Revision nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner dieser Geschehnisse beschränkt werden (BGH, Urt. v. 17. Oktober 1995 – 1 StR 372/95).
Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, daß hier bei richtiger rechtlicher Würdigung Tateinheit für alle Verkaufsvorgänge anzunehmen wäre, unabhängig davon, ob die Kammer verurteilt oder freigesprochen hat. Soweit es um die Verurteilungen im Komplex II. 2 geht, tragen die Feststellungen der Kammer die Würdigung als rechtlich selbständige Taten nicht (vgl. oben, B II. 1. d). Im Zusammenhang mit den Freisprüchen im Komplex IX. 1 hat sie keine weitergehenden Feststellungen zu konkreten Tathandlungen des Angeklagten getroffen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß insgesamt alle Verkaufsvorgänge eine Tat im Rechtssinn darstellen. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist insoweit im Wege der Auslegung als beschränkt auf den Komplex „Verkauf an Dr. N.” zu verstehen. Sie erfaßt danach die Verurteilungen unter II. 3 und die Freisprüche unter IX. 1.
b) Die Verurteilung des Angeklagten unter II. 3 erweist sich aus den oben unter B II.1.) genannten Gründen als rechtsfehlerhaft.
c) Die Freisprüche unter XI. 1 halten teilweise einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Ohne Rechtsfehler hat die Kammer den Angeklagten wegen der Verkaufsvorgänge am 21. Januar 1998, am 3., 25. und 30 März 1998, am 24. Juli 1998, am 11. und 13. August 1998, am 16. September 1998, am 7. Dezember 1998 sowie am 9. und 24. November 1999 freigesprochen. An diesen Tagen wurden entweder freiverkäufliche Waren geliefert oder es ließ sich nicht mehr klären, was verkauft wurde. Ein Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften ließ sich daher nicht nachweisen.
Zu Recht erfolgte wegen dieser Verkaufsvorgänge ein Teilfreispruch. Anklage und Eröffnungsbeschluß gingen von materiellrechtlich selbständigen Taten aus. Der Sachverhalt hat sich in der Hauptverhandlung nicht erwiesen. Da für die erschöpfende Erledigung des Prozeßstoffs die durch den Eröffnungsbeschluß zugelassene Anklage maßgeblich ist, war ein Teilfreispruch geboten (vgl. nur BGH, Beschl. v. 17. Dezember 1991 – 5 StR 592/91).
bb) Soweit der Angeklagte wegen der Verkäufe am 29. Januar 1998, am 12. und 25. Februar 1998, am 4. und 27. März 1998, am 14., 21. und 23. April 1998, am 20. Juli 1998, am 4. und 24. August 1998, am 21. September 1998, am 6., 7. und 8. Oktober 1998, am 3. März und am 16. April 1999 sowie schließlich am 4. Mai 2000 freigesprochen wurde, erweisen sich die Freisprüche als rechtsfehlerhaft.
(1) An diesen Tagen wurden entweder solche Impfstoffe weitergegeben, auf die das Arzneimittelgesetz nach § 80 Nr. 1 AMG keine Anwendung findet, oder bloß apothekenpflichtige Arzneimittel oder beides. Dieser Sachverhalt wird entgegen der Auffassung des Landgerichts von der zugelassenen Anklage, die von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgeht, erfaßt. Gegenstand der Urteilsfindung ist der in der Anklage bezeichnete, einheitliche geschichtliche Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet, also die Tat im prozessualen Sinn, und zwar so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, § 264 StPO. Deshalb führen Änderungen im Tatsächlichen, die nicht zu einer Auswechslung des durch Anklage und Eröffnungsbeschluß konkretisierten geschichtlichen Sachverhaltes durch einen neuen führen und die daher die Individualisierung des Sachverhalts als ein bestimmtes, von anderen unterscheidbares historisches Ereignis nicht betreffen, nicht dazu, daß dieser in der Hauptverhandlung festgestellte Sachverhalt nicht mehr von der Anklage erfaßt würde. Die so konkretisierte Tat unterliegt der Kognitionspflicht des Gerichtes in vollem Umfang (BGHSt 16, 200).
Um solche die Individualisierung des geschichtlichen Vorgangs nicht berührende Änderungen handelte es sich bei dem Umstand, daß an genau bezeichneten Tagen an Dr. N. anstatt verschreibungspflichtiger Arzneimittel bloß apothekenpflichtige oder solche Tierimpfstoffe, die dem Arzneimittelgesetz nach § 80 Nr. 1 AMG nicht unterfallen, weitergegeben wurden. Die Beschreibung in der Anklage individualisiert einen bestimmten historischen Vorgang – nämlich den Abgabevorgang aus der Hausapotheke des Angeklagten an bestimmten Tagen an einen bestimmten Käufer – hinreichend und unterscheidet ihn dadurch von ähnlichen vergleichbaren Handlungen des Angeklagten. Im Hinblick auf diese Konkretisierungsmerkmale kommt es daher im gegebenen Fall für die Individualisierung des angeklagten Lebenssachverhalts und seine Unterscheidung von anderen vergleichbaren nicht auf die Art der abgegebenen Medikamente an. Der Umstand, daß nicht die von der Anklage benannten Medikamente, sondern andere Arzneimittel verkauft wurden, stellt sich hier lediglich als Konkretisierung des bereits auf andere Weise individualisierten Geschehens dar.
(2) Die vom Landgericht festgestellten und von der Anklage erfaßten Sachverhalte können den Tatbestand von Ordnungswidrigkeiten erfüllen.
Soweit es um die Abgabe von bloß apothekenpflichtigen Arzneimitteln geht, kann der Tatbestand des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG je nach der Tatzeit sowohl in der Fassung vom 19. Oktober 1994 als auch in der Fassung vom 11. September 1998 erfüllt sein. Dazu hat die Kammer bislang keine Feststellungen getroffen.
Soweit es um die ausschließliche Abgabe von solchen Tierimpfstoffen geht, auf die das Arzneimittelgesetz nach § 80 Nr. 1 AMG keine Anwendung findet, macht die Staatsanwaltschaft zu Recht geltend, daß Ordnungswidrigkeiten nach § 38 Abs. 2 Nr. 8a, § 31 Tierimpfstoffverordnung, § 76 Abs. 2 Nr. 2 Tierseuchengesetz in Frage kommen. Anders als § 47 AMG regelt § 31 Tierimpfstoffverordnung nämlich den Vertriebsweg lückenlos bis zum Endverbraucher. Dabei bestimmt die Vorschrift für sämtliche Stationen des Vertriebsweges – Pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler, Tierarzt, Tierhalter – abschließend, an wen der Impfstoff weitergegeben werden darf. Gleichzeitig verbietet er Abgaben an andere Personengruppen. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Tierimpfstoffverordnung dürfen Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Impfstoffe an Tierärzte nur zur Anwendung der von ihnen behandelten Tiere und zur nach § 31 Abs. 3 Satz 2 Tierimpfstoffverordnung – nur für bestimmte Fälle – erlaubten Weitergabe an Tierhalter abgeben. Daraus ergibt sich, daß die Abgabe durch Tierärzte an andere Tierärzte verboten ist. Auch hier würden durch einen von Tierärzten betriebenen Handel die spezifischen Nachweisvorschriften für Großhändler und Pharmazeutische Unternehmer in § 31 Abs. 4 Satz 4 Tierimpfstoff-Verordnung umgangen. Insbesondere unter diesem Gesichtspunkt erweist sich das aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Verbot der Impfstoffweitergabe von Tierarzt zu Tierarzt auch als durch den Zweck der Vorschrift gedeckt, die die Verschleppung von Tierseuchen verhüten sowie einen ordnungsgemäßen Umgang, eine sachgerechte Anwendung und die erforderliche Qualität der Impfstoffe sichern soll, § 17d Abs. 6 Tierseuchengesetz. Wenn danach die Abgabe von Tierarzt zu Tierarzt verboten ist und gegen die Vorschrift über den Vertriebsweg verstößt, stellt dieser Verstoß eine Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 2 Nr. 8a Tierimpfstoffverordnung dar.
Die Ordnungswidrigkeiten wären nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Die Durchsuchungsbeschlüsse vom 10. und 16. Januar 2001 (Strafakten Bd. 1a, Bl. 244 und 308) haben die Verjährung hinsichtlich aller Taten wirksam unterbrochen. Bis zum Urteil erster Instanz am 24. April 2002 ist keine Verjährung eingetreten. Seitdem ruht sie, § 32 Abs. 2 OWiG. Freisprüche hätten daher nicht erfolgen dürfen.
2. Die Ablehnung der Anordnung eines Berufsverbotes ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Die Kammer hat in die Gesamtwürdigung von Tat und Täter zur Frage der Wiederholungsgefahr nicht alle relevanten Gesichtspunkte eingestellt. Zwar hat die Kammer gesehen, daß ein Berufsverbot auch bei erstmaliger Verurteilung des Täters in Frage kommt (BGH NStZ 2002, 198), obwohl grundsätzlich in solchen Fällen besonders strenge Anforderungen an die Annahme weiterer Gefährlichkeit des Täters zu stellen sind (BGH, Urt. vom 6. April 2001 – 2 StR 356/00; BGH StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 6). Sie hat jedoch einerseits unberücksichtigt gelassen, daß der Angeklagte die gezielt auf die Begehung der Straftaten eingerichtete Organisation seiner Praxis auch nach der Durchsuchung am 17. Januar 2001 nicht sofort geändert hat, so daß es am 23.1.2001 zu einem weiteren Verkauf an einen Tierhalter kommen konnte (II 9b). Außerdem hat sie eine berufsgerichtliche Vorahndung des Angeklagten aus den Jahren 1998 wegen zweier Verstöße gegen seine Berufspflichten nicht in ihre Erwägungen einbezogen. Es ist daher zu besorgen, daß die Kammer dem Umstand, daß der Angeklagte noch nicht wegen einschlägiger Taten vorgeahndet ist, im Hinblick auf die weiteren besonderen Umstände des Falles – der Tatzeitraum erstreckt sich insbesondere über drei Jahre (Januar 1998 bis Januar 2001) – zu großes Gewicht beimaß. Darüber hinaus hat die Kammer nicht begründet, weswegen auch ein auf die selbständige Ausübung des Tierarztberufes beschränktes Berufsverbot nicht verhältnismäßig wäre (UA 488). Über die Anordnung eines Berufsverbots wird daher erneut zu entscheiden sein.
3. Die Verfallsanordnung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Anordnung war bereits deshalb aufzuheben, weil die Verurteilungen unter II.3. nicht bestehen bleiben konnten und sich ein Teil der Freisprüche als rechtsfehlerhaft erwies.
b) Darüber hinaus wendet sich die Staatsanwaltschaft zu Recht gegen die Annahme, sowohl die zwingende Härteregelung nach § 73c Abs. 1 S. 1 StGB als auch die Regelung über die Ermessensentscheidung bei Entreicherung in § 73c Abs. 1 S. 2 1. Alt. StGB ließen nur die Anordnung des Wertersatzverfalls über 150.000 EUR zu.
aa) Das Landgericht stützt sich zur Begründung einer Härte nach § 73c Abs. 1 S. 1 StGB im wesentlichen darauf, daß es ungerecht wäre, die Aufwendungen des Angeklagten für die rechtswidrigen Arzneimittelgeschäfte nicht in Abzug zu bringen. Dieser Gesichtspunkt vermag die Annahme einer unbilligen Härte ebensowenig zu begründen wie die weiteren von der Kammer aufgeführten Gesichtspunkte.
Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB in erster Linie Sache des Tatrichters (BGH, Urt. vom 8. August 2001 – 1 StR 291/01). Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte maßgeblichen Umstände ist daher der revisionsrechtlichen Beanstandung nicht zugänglich. Mit der Revision kann aber angegriffen werden, daß das Tatbestandsmerkmal „unbillige Härte” selbst unzutreffend interpretiert wird, indem diese auf Umstände gestützt wird, die in diesem Rahmen nicht zum Tragen kommen können (BGH, Urt. v. 21. Oktober 1994 – 2 StR 328/94, insoweit in BGHSt 40, 287 nicht abgedruckt).
So liegt der Fall hier. Denn eine unbillige Härte i. S. von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB kann nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden, daß Aufwendungen für ein rechtswidriges Geschäft – etwa der bezahlte Einkaufspreis, die aufgewendete Mehrwertsteuer und die betrieblichen Aufwendungen wie Personalkosten – in den Verfallsbetrag fallen, obwohl sie den Gewinn mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine „unbillige Härte” i. S. von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vor, wenn die Härte „ungerecht” wäre und das „Übermaßverbot” verletzen würde (BGH, Urt. v. 11. April 1995 – 1 StR 836/94; BGH, Urt. v. 23. Februar 2000 – 3 StR 583/99). Das Übermaßverbot bezieht sich dabei auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (BGH, Urt. vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02). Es geht also darum, ob die Auswirkungen der Maßnahme im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber damit angestrebten Zweck stehen würden. Es müssen dabei besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 7). Die mit dem Bruttoprinzip in jedem Fall verbundene Folge, daß Aufwendungen bei der Berechnung des Verfallsbetrages gerade nicht berücksichtigt werden, führt hingegen zu der mit der Maßnahme bezweckten Präventionswirkung. Sie stellt daher als solche grundsätzlich keine unbillige Härte i. S. v. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB dar. Anders kann es etwa liegen, wenn der Betroffene durch die Verfallserklärung in seiner Existenz gefährdet würde (BGH aaO). Denn dabei handelt es sich um eine außerhalb des Verfallszwecks liegende außergewöhnliche Folge, die dem Betroffenen auch nicht zuzumuten ist.
Aus § 73c Abs. 1 S. 2 StGB folgt darüber hinaus, daß die Entreicherung des Täters als solche keine Härte bildet, die zwingend zum Ausschluß der Verfallsanordnung führen muß. Denn § 73c Abs. 1 S. 2 StGB räumt dem Gericht für den Fall der Entreicherung ein Ermessen ein und erlaubt damit eine Verfallsanordnung in Höhe des Wertes des Erlangten selbst dann, wenn dessen Wert im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Dadurch wollte der Gesetzgeber klarstellen, daß der Richter nicht allein deshalb unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte vom Verfall absehen darf, weil dem Täter kein Gewinn verblieben ist, da dieser sonst „gereizt würde, den Gewinn alsbald nach der Erlangung auszugeben.” (Prot. V/545, zitiert nach W. Schmidt, aaO Rdn. 9). Auch aus der Regelung des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB wird daher hergeleitet, daß Aufwendungen und sonstige Rechnungsposten, die den Gewinn zwar mindern, nach dem Bruttoprinzip aber nicht bei der Ermittlung des für verfallen zu erklärenden Vermögensvorteils berücksichtigt werden dürfen, keine besondere Härte i. S. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB bilden, sondern in den Anwendungsbereich der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB fallen (W. Schmidt, aaO Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 73c Rdn. 2).
Die Berücksichtigung der Aufwendungen des Angeklagten ist hier auch nicht ausnahmsweise deshalb erlaubt, weil er die von ihm erworbenen Medikamente, wie das Landgericht meint, hätte erwerben dürfen und er die Aufwendungen damit nicht bewußt für rechtswidrige Geschäfte einsetzte. Denn dabei läßt das Landgericht außer Acht, daß ein Tierarzt nur in dem Umfang Tierarzneimittel kaufen darf, in dem er sie selbst zur Behandlung von Tieren benötigt. Der Bezug darüber hinausgehender Mengen verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel ist nach § 95 Abs. 1 Nr. 5, 47 Abs. 2 AMG strafbar.
Soweit das Landgericht die Umstände heranzieht, daß der Angeklagte bei einer Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe sich ein Jahr in Untersuchungshaft befand und seine Tierarztpraxis nicht weiterführen kann, handelt es sich nicht um Folgen der Verfallserklärung.
bb) Auch die Ermessensausübung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
(1) Zwar geht die Kammer von einer Entreicherung aus.
Wie der Gesetzeswortlaut, der auf den „Wert des Erlangten” abstellt, zeigt, kommt es für die Frage der Entreicherung weder darauf an, daß das Erlangte selbst sich noch im Vermögen des Täters befindet, noch darauf, ob das durch die Tat Erlangte unmittelbar zum Erwerb noch vorhandener Vermögenswerte führte. Vielmehr braucht das noch vorhandene Vermögen keinen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten haben, derentwegen der Verfall angeordnet wird (BGH, Urt. v. 5. April 2000 – 2 StR 500/99, Urt. v. 8. August 2001 – 1 StR 291/01). Von Fällen abgesehen, in denen zweifelsfrei feststeht, daß ein Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde (BGH, Urt. v. 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02), ist für die Frage der Entreicherung entscheidend, ob ein Vermögen vorhanden ist, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurück bleibt. Dabei sind Vermögensgegenstände mit ihrem Nettowert, also dem Verkehrswert abzüglich etwaiger Belastungen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 5. April 2000 – 2 StR 500/99).
Die Kammer hat auch eine Vermögensaufstellung des Angeklagten nach Vermögenswerten und diese belastenden Verbindlichkeiten mitgeteilt (UA 9-15). Danach wären sämtliche vorhandenen Vermögensgegenstände mit gleichwertigen Verbindlichkeiten belastet, so daß ein positiver Vermögenssaldo fehlen würde.
(2) Dabei hat die Kammer jedoch maßgebliche Umstände nicht berücksichtigt.
In die Berechnung der Bereicherung und die Abwägung einzubeziehen sind neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verfallsbetroffenen insbesondere die Gründe für den Wegfall der Bereicherung (BGHSt 33, 37, 40; W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 12). Hier können daher die Aufwendungen berücksichtigt werden, die mit dem Geschäft verbunden waren und möglicherweise dazu führten, daß die Tat wirtschaftlich gesehen ein Verlustgeschäft war (Lackner-Kühl, StGB 24. Aufl. § 73 Rdn. 4c, W. Schmidt, aaO Rdn. 5). Berücksichtigt kann auch werden, ob der Verfallsbetroffene die Mittel in einer Notlage für seinen Lebensunterhalt verbrauchte, was für eine Anwendung der Ermessensvorschrift spräche, oder ob er die Mittel für Luxusartikel oder zum Vergnügen verbrauchte (BGH NJW 1982, 774), was als Argument gegen ihre Anwendung herangezogen werden kann. Das Eingreifen der Härtevorschrift wird auch dann nicht in Frage kommen, wenn der Betroffene Vermögenswerte bewußt an Dritte weiter gab, um sie dem Verfall zu entziehen.
Nach diesen Maßstäben durfte die Kammer unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zwar berücksichtigen, daß die Untersuchungshaft erhebliche finanzielle Nachteile für ihn mit sich brachte und er seine Tierarztpraxis nicht weiter betreiben kann. Sie durfte grundsätzlich auch berücksichtigen, daß ein Teil des Verkaufserlöses als Aufwendungen zur Ermöglichung des Geschäfts verbraucht wurde. Dabei hätte sie jedoch die Feststellung bedenken müssen, daß der Angeklagte von den Pharmafirmen „erhebliche Naturalrabatte” (UA S. 476) erhalten hatte und er daher trotz seiner Preispolitik, bei der die tierärztlichen Leistungen im Arzneimittelpreis enthalten waren, „Gewinne zu erzielen” (UA S. 476) vermochte und eine persönliche Entnahme von monatlich 5.000 DM (UA S. 352) für ihn möglich war. Nach dieser Feststellung hat es sich bei den Verkäufen gerade nicht um Verlustgeschäfte gehandelt, sondern das Vorgehen hat sich für den Angeklagten gelohnt.
Die Kammer hätte aber unter den hier gegebenen Umständen insbesondere klären müssen, ob der Angeklagte bewußt Teile seines Vermögens im Hinblick auf das Verfahren an Dritte weitergab und er sich damit bewußt entreicherte. Nach den Feststellungen der Kammer wurde den Eltern des Angeklagten am 24. Januar 2001, also sieben Tage nach der bei ihm stattgefundenen Durchsuchung und kurz vor seiner Verhaftung, eine Grundschuld über 1.000.000 DM auf das Grundstück des Angeklagten in Straubing eingetragen, das inzwischen seinen einzigen Vermögenswert darstellt. Welche Gegenleistung der Angeklagte dafür erhielt, hat das Landgericht nicht festgestellt. Ebenfalls am 24. Januar 2001 verkaufte der Angeklagte seinen verbliebenen Miteigentumsanteil von 2/3 an dem Grundstück in Miltach, auf dem Dr. N. … die früher gemeinsam mit ihm betriebene Tierarztpraxis unterhielt, an seine Mutter. Den Wert des Miteigentumanteils teilt das Landgericht nicht mit. Der Verkaufspreis betrug 350.000 DM (UA S. 14). Für seinen ursprünglichen Anteil von 1/3 an dem verkauften Grundstück hatte der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer im Jahre 1996 von Dr. N. dagegen 900.000 DM erhalten (UA S. 13). Das legt nahe, daß der Angeklagte den 2/3-Anteil an dem Grundstück wesentlich unter Wert an seine Mutter veräußerte. Es drängt sich daher auf, daß er wesentliche Teile seines Vermögens im Hinblick auf das Verfahren auf seine Eltern übertrug. Dazu hätten Feststellungen getroffen werden müssen.
Um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten abschätzen zu können, hätte auch geklärt werden müssen, warum der Pachtzins für die von dem Angeklagten verpachtete Praxis über immerhin 7.158 EUR monatlich im Zeitpunkt der Entscheidung gestundet war. Lag der Grund in wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Pächter und war davon auszugehen, daß sie nicht würden behoben werden können, wäre die wirtschaftliche Situation des Angeklagten dadurch erheblich beeinträchtigt worden. War dagegen zu erwarten, daß die Zahlungen nach Ende der Stundungsvereinbarung wieder aufgenommen würden, würde er über regelmäßige Einkünfte verfügen. Das könnte insbesondere im Hinblick darauf, daß hinsichtlich des Verfallsbetrages Ratenzahlung gewährt werden kann, § 73c Abs. 2 StGB, Bedeutung haben.
II. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Insbesondere weisen weder die Beweiswürdigung der Kammer hinsichtlich der Freisprüche im Komplex IX. 3 noch die Strafzumessung Rechtsfehler auf.
III. Die festgestellten Rechtsfehler haben folgende Konsequenzen:
1. Im Komplex Verkäufe an Dr. N. waren die Freisprüche im aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts war nicht möglich. Für die neue Entscheidung wird vorsorglich auf § 21 Abs. 1 OWiG hingewiesen.
Darauf, daß das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Verurteilungen im Komplex II. 3 auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO), kommt es nicht an, da der Schuldspruch schon auf die Revision des Angeklagten aufzuheben war (BGH VRS 50, 369, Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 301 Rdn. 3, Gollwitzer in LR § 301 Rdn. 9).
2. Aufgrund der Aufhebung eines Teils der Freisprüche war die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben.
3. Die Aussprüche über den Verfall des Wertersatzes und das Unterbleiben der Anordnung eines Berufsverbots waren aufzuheben.
Unterschriften
Nack, Wahl, Schluckebier, Kolz, Frau Richterin am Bundesgerichtshof Elf ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert Nack
Fundstellen
Haufe-Index 2558561 |
JR 2004, 245 |
NStZ 2004, 457 |
wistra 2003, 424 |
RÜ 2004, 40 |
ApoR 2004, 125 |