Leitsatz (amtlich)
Schaden im Sinne des § 116 Abs. 2 SGB X ist der gesamte Schaden des Geschädigten.
Normenkette
SGB X § 116 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.02.1996) |
LG Wuppertal |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen zu 2/3 den Beklagten als Gesamtschuldnern und zu 1/3 der Klägerin zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Sozialversicherungsträger, begehrt aus übergegangenem Recht von den Beklagten die Erstattung von Aufwendungen anläßlich eines Verkehrsunfalls, bei dem die Minderjährige S. am 17. Februar 1988 im Alter von zwei Jahren durch einen vom Erstbeklagten geführten, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkw schwere Verletzungen erlitten hat, u.a. ein schweres gedecktes Schädelhirntrauma und eine fortbestehende inkomplette Querschnittslähmung. Aufgrund eines von S. erstrittenen rechtskräftigem Feststellungsurteils sind die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet, ihr den aus dem Unfall entstandenen Schaden nach den Vorschriften des StVG bis zum Höchstbetrag des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht gemäß § 116 SGB X auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist bzw. übergeht. Auf eine von S. nach Erlaß des Urteils geltend gemachte Schadensersatzforderung von DM 465.540 haben die Beklagten bisher keine Zählungen geleistet.
Die Klägerin beziffert ihre bisherigen Aufwendungen bis zum 30. April 1993 auf insgesamt 250.446,96 DM. Die Beklagten berufen sich gegenüber ihrem Anspruch auf § 116 Abs. SGB X, wonach Ersatzansprüche der Geschädigten vorrangig zu befriedigen seien.
Das Landgericht hat den auf Zahlung eines Teilbetrags von 11.000 DM nebst Zinsen gerichteten Hauptantrag der Klägerin ebenso wie die negative Feststellungswiderklage der Beklagten abgewiesen und auf den Hilfsantrag der Klägerin festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin alle Sozialleistungen, die sie aufgrund des Verkehrsunfalls vom 17. Februar 1988 für die Minderjährige S. tragen mußte und die zur Behebung des bei dem Unfall eingetretenen Schadens dienten, bis zur Höchstsumme des § 12 Abs. 1 StVG zu ersetzen, soweit diese nicht durch vorgreifliche Leistungen an die Verletzte selbst aufgezehrt würden oder in Zukunft werden. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel der Parteien sind ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils den Feststellungsausspruch im Weg ergänzender Auslegung auf künftige Sozialleistungen der Klägerin erstreckt.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagten haben die von ihnen eingelegte Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin sei für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs zur Zeit nicht aktiv legitimiert. Auch wenn an sich die Regreßvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 SGB X erfüllt seien, gehe ein Schadenersatzanspruch, der wie hier der Höhe nach begrenzt sei, nach § 116 Abs. 2 SGB X nur insoweit über, als er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich sei. Deshalb setze ein Zahlungsanspruch der Klägerin voraus, daß die Höchstsumme aus § 12 Abs. 1 StVG (500.000 DM Kapital oder 30.000 DM Jahresrente) nicht in vollem Umfang benötigt werde, um den eigenen Schaden des verletzten Kindes auszugleichen. Davon könne nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht ausgegangen werden. Das gelte jedenfalls dann, wenn sich – was zu bejahen sei – das durch § 116 Abs. 2 SGB X begründete Quotenvorrecht der Geschädigten auf ihren gesamten und nicht nur auf den zu Sozialleistungen der Klägerin kongruenten Schaden erstrecke.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Mit dem Berufungsgericht geht sie davon aus, daß die Voraussetzungen eines Forderungsübergangs nach § 116 Abs. 1 SGB X an sich vorliegen, weil die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Sozialversicherungsträgerin aufgrund des Unfalls vom 17. Februar 1988 Leistungen erbracht hat, die sachlich und zeitlich mit dem von den Beklagten geschuldeten Schadensersatz deckungsgleich sind. Dem hat das Berufungsgericht durch den Feststellungsausspruch auch Rechnung getragen.
2. Erfolglos bekämpft die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts, daß dem von der Klägerin hauptsächlich geltend gemachten Zahlungsantrag die Regelung des § 116 Abs. 2 SGB X entgegenstehe.
a) Die Revision zieht nicht in Zweifel, daß diese Vorschrift auf den Streitfall Anwendung findet, weil der Schadensersatzanspruch des verletzten Kindes durch § 12 StVG der Höhe nach begrenzt ist und andere – etwa deliktische – Haftungsgrundlagen sowie eine Mithaftung der Geschädigten nicht in Betracht kommen.
b) Die Revision sieht jedoch einen Verfahrensfehler nach § 286 ZPO darin, daß es an ausreichenden Feststellungen für die Erwartung des Berufungsgerichts fehle, daß die Haftungshöchstsumme zum Ausgleich des noch offenen Schadens des Kindes erforderlich sei. Sie macht geltend, einziger Anhaltspunkt sei insoweit das Anwaltsschreiben des Kindes vom 6. Juni 1995, mit dem jedoch nur ein Betrag von 465.540 DM verlangt werde. Indessen sind mit diesem Schreiben ersichtlich nur Ansprüche für die Zeit bis zum 31. Januar 1995 geltend gemacht worden. Deshalb liegt bei Art und Ausmaß der Verletzungen sowie im Hinblick darauf, daß sie ein Kind von nur zwei Jahren getroffen haben und sich dessen Ansprüche schon für die Zeit bis 31. Januar 1995 der Haftungshöchstsumme nähern, die Annahme nahe, daß diese Summe durch die eigenen Ansprüche des Kindes ausgeschöpft wird.
3. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich entsprechend der Auffassung des Berufungsgerichts das durch § 116 Abs. 2 SGB X begründete sog. Quotenvorrecht der Geschädigten auch auf solche Ansprüche erstreckt, die den Aufwendungen der Klägerin nicht sachlich kongruent, d.h. auf den Ersatz anderer Schäden gerichtet sind, als sie durch die Leistungen der Klägerin ausgeglichen werden sollten. Bei einem solchen Verständnis der Vorschrift sind nämlich alle Schadensersatzansprüche des Verletzten vorrangig zu befriedigen, so daß es nur dann zum Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger kommt, wenn der gesamte Schaden des Verletzten, also in dessen Rahmen – ganz oder teilweise – auch der den Sozialleistungen kongruente, mit dem Haftungshöchstbetrag ausgeglichen werden kann. Gegen diese Auslegung des § 116 Abs. 2 SGB X durch das Berufungsgericht wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Mit rechtsfehlerfreien Erwägungen hat das Berufungsgericht aus dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift sowie aus ihrer Entstehungsgeschichte die Auffassung hergeleitet, daß § 116 Abs. 2 SGB X dem Geschädigten ein uneingeschränktes Quotenvorrecht gewährt, so daß er bei höhenmäßiger Begrenzung der Haftung seine gesamten Schadensersatzansprüche vorab befriedigen kann (ebenso Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozeß Kap. 30 Rn. 61; Wussow/Schloen Unfallhaftpflichtrecht, Rdn. 2462; Lauterbach/Watermann, SGB X § 116 Anm. 8 b; v. Maydell in GK SGB X 3 § 116 Rn. 33 f., 349, 362; Deinhardt, VersR 1984, 697, 700). Demgegenüber vermag die im Schrifttum vertretene Auffassung nicht zu überzeugen, der Geschädigte habe nur für solche Ersatzansprüche ein Quotenvorrecht, die der jeweiligen Leistung des Sozialversicherungsträgers kongruent seien, (Wannagat/Eichenhofer, SGB X/3 § 116 Rn. 35, 38; Hauck/Haines/Bürsch SGB X/3 § 116 Rn. 30; Schroeder-Printzen/Schmalz, SGB X § 116 Rn. 21; Kater in Kasseler Korn, zum Sozialversicherungsrecht § 116 Rn. 217; Pickel, SGB X § 116 Rn. 39, 41; Verb-Kom SGB X § 116 Rn. 12; Küppersbusch, VersR 1983, 193, 202; Denck, VersR 1987, 629, 630 f.).
aa) Diese Einschränkung findet im Wortlaut des § 116 Abs. 2 SGB X keine Stütze. Danach wird nämlich ein Vorrang des Verletzten für seinen Schaden begründet, ohne daß sich Anhaltspunkte für eine Begrenzung auf kongruenten Schaden finden lassen. Demgegenüber hätte es angesichts der einschneidenden Wirkung einer Beschränkung des Quotenvorrechts auf den kongruenten Schaden nahegelegen, eine solche Einschränkung ausdrücklich vorzunehmen, wenn sie dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Dies kann jedoch auch den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden (vgl. BT-Drucks. 9/95 S. 28; BT-Drucks. 9/1753 S. 44).
bb) Auch die unterschiedliche Formulierung in § 116 Abs. 2 SGB X und Abs. 4 der gleichen Vorschrift läßt keinen Schluß darauf zu, daß durch Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 4 eine inhaltliche Begrenzung des Quotenvorrechts erfolge. Eine im Schrifttum vertretene Auffassung (Küppersbusch a.a.O. 202) will eine solche Unterscheidung daraus herleiten, daß Abs. 2 der Vorschrift den „Anspruch” des Geschädigten, Abs. 4 hingegen dessen „Ansprüche” regelt. Indessen zeigt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, daß auch für Abs. 4 zunächst die Formulierung „Anspruch” gewählt worden war und dies erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens geändert werden ist, um sicherzustellen, daß das Befriedigungsvorrecht nicht nur bei Ansprüchen gilt, die nach § 116 Abs. 1 SGB X übergehen, sondern daß auch die anderen, nicht von dieser Vorschrift erfaßten Ansprüche wie etwa diejenigen auf Schmerzensgeld einbezogen werden (vgl. BT-Drucks.
9/1753 S. 44; zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. Gitter in SGB-Sozialversicherung § 116 SGB X Anm. 1, 21, 22 sowie Pickel SGB § 116 Rn. 51). Für eine Beschränkung des Quotenvorrechts in Abs. 2 der Vorschrift gibt die unterschiedliche Formulierung deshalb nichts her.
cc) Eine Einschränkung des Quotenvorrechts kann auch aus der bisherigen Rechtsprechung zu § 1542 RVO, soweit sie im Rahmen des § 116 SGB X übernommen und fortentwickelt worden ist, nicht hergeleitet werden. Diese Rechtsprechung ging im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage bei nur begrenztem, zum vollständigen Schadensausgleich nicht ausreichendem Schadensersatzanspruch (anders als bei rein tatsächlichen Durchsetzungshindernissen entsprechend § 116 Abs. 4 SGB X) von einem Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers aus (Senatsurteile vom 29. November 1977 – VI ZR 222/74 – VersR 1978, 179, 180 und vom 7. November 1978 – VI ZR 86/77 – VersR 1979, 30, 31, jeweils m.w.N.). Da der Gesetzgeber mit der Einführung des § 116 Abs. 2 SGB X eine ausdrückliche Abkehr von dieser Rechtslage vollzogen hat (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines SGB, BT-Drucks. 9/95 S. 16, 28; Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines SGB, BR-Drucks. 526/1/80 S. 29), können schon vom Ansatz her aus der bisherigen Rechtsprechung zum Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers keine Rückschlüsse auf den Umfang des nunmehr durch § 116 Abs. 2 SGB X begründeten Quotenvorrechts des Geschädigten (gezogen werden.
dd) Eine Beschränkung dieses Quotenvorrechts auf kongruente Ansprüche läßt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus einem Vergleich mit der Rechtslage im Privatversicherungsrecht entnehmen (a.A. Schroeder-Printzen/Schmalz, SGB X § 116 Rn. 21 sowie Küppersbusch a.a.O. 202). Allerdings ist im Privatversicherungsrecht die Einschränkung des Quotenvorrechts durch das Kongruenzprinzip seit langem bekannt. Obwohl unter diesem Blickpunkt die Problematik des Umfangs des Quotenvorrechts in § 116 SGB X vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens auch im Schrifttum erörtert wurde, ist, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, gleichwohl die Formulierung des § 116 Abs. 2 SGB X zum Quotenvorrecht des Geschädigten im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens unverändert geblieben. Dies spricht für die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es sich um eine eigenständige Entscheidung des Gesetzgebers handelt, die das bisherige Richterrecht ablösen sollte (vgl. Marschall v. Bieberstein, ZVersWiss 1983, 99, 109).
Entgegen der Auffassung der Revision kann deshalb aus der Einschränkung des Quotenvorrechts im Privatversicherungsrecht nicht gefolgert werden, daß das durch § 116 Abs. 2 SGB X neu geschaffene Quotenvorrecht des Geschädigten entgegen dem Wortlaut der Vorschrift eingeschränkt sei und nur kongruente Schäden erfassen solle. Den Gesetzgebungsmateriallen läßt sich insoweit lediglich eine Äußerung des Bundesrats dahin entnehmen, daß mit der grundsätzlichen Einführung des Quotenvorrechts des Geschädigten eine Annäherung an die im Privatversicherungsrecht bestehende Rechtslage vollzogen werde (vgl. BT-Drucks. 9/95 S. 40), ohne daß, wie oben bereits dargelegt, Anhaltspunkte dafür sprechen, daß auch inhaltlich eine völlige Gleichstellung und insbesondere eine Beschränkung der Reichweite des Quotenvorrechts in § 116 Abs. 2 SGB X erfolgen sollte. Soweit die Revision dem in BGHZ 13, 28, 32 abgedruckten Senatsurteil eine vom Berufungsgericht abweichende Wertung der Interessenlage entnehmen will, verkennt sie, daß sich der dort hervorgehobene Unterschied in der Interessenlage auf die damals geltende Rechtslage nach § 1542 RVO bezog, aus der im Gegensatz zur jetzigen Regelung ein Quotenvorrecht des Sozialvertsicherungsträgers folgte. Im übrigen lassen die strukturellen Unterschiede zwischen privater Sachversicherung (vgl. hierzu BGHZ 25, 340, 342) und dem System sozialer Sicherung eine Gleichbehandlung des Quotenvorrechts auch nicht als zwingend geboten erscheinen, wie das Berufungsgericht Zutreffend ausführt.
b) Schließlich sprechen sowohl der Regelungszusammenhang der Abs. 1 und 2 des § 116 SGB X wie auch der in Abs. 2 der Vorschrift zum Ausdruck gekommene Schutzzweck dafür, mit dem Berufungsgericht ein unbeschränktes Quotenvorrecht des Geschädigten anzunehmen.
Schon die frühere Regelung des Forderungsübergangs nach § 1542 RVO zielte darauf ab, beim Eingreifen von Sozialleistungen eine unerwünschte Entlastung des Haftpflichtigen einerseits wie auch eine Bereicherung des Verletzten durch doppelte Entschädigung andererseits zu vermeiden (Senatsurteile vom 29. Oktober 1968 – VI ZR 280/67 – NJW 1969, 98, 100 und vom 29. November 1977 – VI ZR 222/74 – VersR 1978, 179, 180). Auch der neuen gesetzlichen Regelung des § 116 Abs. 1 SGB X, die insoweit von § 1542 RVO ausgeht (BT-Drucks. 9/95, S. 16, 27), liegt die Bestrebung zugrunde, daß der Individualausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem durch parallel laufende Sozialleistungen möglichst wenig beeinträchtigt werden soll. Dieser Regelungsgedanke eines ungestörten Schadensausgleichs wird durch das in § 116 Abs. 2 SGB X gewährte Quotenvorrecht des Geschädigten sinnvoll ergänzt. Diese Vorschrift läßt nämlich einerseits die Leistungspflicht des Schädigers unberührt und gibt andererseits dem Geschädigten einen Anspruch auf vorrangige Befriedigung seiner Ansprüche vor dem Sozialversicherungsträger, wenn der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger von Gesetzes wegen der Höhe nach beschränkt ist. Damit hat sich der Gesetzgeber eindeutig für eine Bevorrechtigung des Individualausgleichs zwischen Schädiger und Geschädigtem entschieden, so daß in Abweichung von der früheren Rechtslage der Geschädigte bevorzugt wird, der ja auch durch den Schadensfall unmittelbar und in erster Linie betroffen ist, während das Interesse des Sozialversicherungsträgers am wirtschaftlichen Ausgleich zurücktreten muß. Dieser Schutzzweck des § 116 Abs. 2 SGB X (hierzu Lauterbach/Watermann, SGB X § 116 Anm. 8 b; Wussow/Schloen, Unfallhaftpflichtrecht Rn. 2462) wird indessen vollständig nur dann erreicht, wenn sich das Quotenvorrecht des Geschädigten auf seinen gesamten Schaden erstreckt.
Diese Auslegung ermöglicht daneben auch eine weitgehende Angleichung mit der Regelung des § 116 Abs. 4 SGB X. Dort gehen nämlich, wenn auch nicht im Rahmen eines Quoten-, sondern eines Befriedigungsvorrechts, nach allgemeiner Auffassung sämtliche, also auch die inkongruenten Ansprüche des Geschädigten denjenigen des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. auch Senatsurteil vom 9. November 1956 – VI ZR 196/55 – VersR 1957, 26, 28). Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber hier eine unterschiedliche Wertung treffen wollte, ohne dies durch eine ausdrückliche Einschränkung des Quotenvorrechts in, Abs. 2 der Vorschrift zu kennzeichnen, sind nicht ersichtlich (vgl. oben 3 a bb).
4. Mithin ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, daß die Haftungshöchstsumme voraussichtlich durch eigene Ansprüche des geschädigten Kindes aufgezehrt würde, zutreffend von dessen uneingeschränktem Quotenvorrecht ausgegangen. Jedenfalls bei dieser Rechtslage bedurfte es, wie die Revision im Grundsatz auch nicht verkennt, keiner zusätzlichen Feststellungen dazu, mit welchen Schadensersatzforderungen des verletzten Kindes für die Zukunft im einzelnen zu rechnen ist.
Unterschriften
Groß, Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler, Dr. Greiner
Fundstellen
Haufe-Index 1398938 |
BGHZ |
BGHZ, 170 |
NJW 1997, 1785 |
NWB 1997, 1809 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 637 |