Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung von Gewerberaummietverhältnissen. Kündigungsfrist nach § 565 Abs. 1a BGB a.F.
Leitsatz (amtlich)
Kann ein Mietverhältnis über Gewerberäume außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden, gilt für die Zeit vor Anwendbarkeit der Bestimmungen des Mietrechtsreformgesetzes (§ 580 a Abs. 2, Abs. 4 BGB n.F.) die Kündigungsfrist des § 565 Abs. 1 a BGB a.F.
Normenkette
BGB § 565 Abs. 1a, 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. September 2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem Beklagten als Konkursverwalter Mietzins aus einem mit dem Gemeinschuldner abgeschlossenen Mietvertrag über Gewerberäume. Der Beklagte hat den bis 31. Juli 2000 fest abgeschlossenen Mietvertrag mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 gemäß § 19 KO gekündigt.
Die Parteien streiten darüber, ob sich die für § 19 KO geltende gesetzliche Kündigungsfrist nach § 565 Abs. 5 i.V. mit Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. oder nach § 565 Abs. 1 a BGB a.F. bestimmt.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Mietvertrag sei gemäß § 565 Abs. 5 i.V. mit Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. zum 31. Januar 1999 beendet worden. Der Kläger geht demgegenüber von einer Beendigung gemäß § 565 Abs. 1 a BGB a.F. zum 30. Juni 1999 aus. Der Beklagte hat die Miete bis einschließlich Januar 1999 bezahlt. Der Kläger verlangt Mietzinszahlung für die Monate Februar und März 1999.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Kammergericht hat den Beklagten bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in KGR Berlin 2001, 91 veröffentlicht ist, ist der Ansicht, § 565 Abs. 1 a BGB a.F. sei auch bei Sonderkündigungsrechten anzuwenden, die – wie der hier noch maßgebliche § 19 KO – auf die gesetzliche Kündigungsfrist Bezug nehmen. Die in § 565 BGB a.F. bestimmten Fristen seien die ordentlichen gesetzlichen Fristen. Denn das Gesetz differenziere nicht zwischen ordentlicher und gesetzlicher Kündigungsfrist. § 565 Abs. 5 BGB enthalte deshalb erkennbar keine Definition des Begriffs der gesetzlichen Kündigungsfrist, sondern modifiziere die gesetzlichen Kündigungsfristen im Falle von Sonderkündigungsrechten. Dies ergebe sich auch aus dem Wortlaut und der Systematik des § 565 BGB a.F. Die in Absatz 5 genannten Fristen bezögen sich nur auf den jeweils genannten Absatz. Wenn der Gesetzgeber einen neuen Absatz (hier: Absatz 1 a) einfüge und in Absatz 5 nichts dazu regele, dann gelte diese neue Frist unverändert, weil in Absatz 5 hierauf gerade nicht (einschränkend) Bezug genommen werde. Die Gegenauffassung, die für die Sonderkündigung von Geschäftsraummietverträgen gemäß § 565 Abs. 5 BGB a.F. die kurze Frist des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. als die gesetzliche Frist ansehe, überzeuge demgegenüber nicht. Sie vermöge vor allem die Diskrepanz zu den Fällen nicht zu erklären, in denen bereits im Vertrag die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart sei. Dann führe das Sonderkündigungsrecht nämlich nicht, wie § 565 Abs. 5 BGB a.F. es voraussetze, zu einer vorzeitigen Kündigung, weshalb es bei den unveränderten gesetzlichen Kündigungsfristen verbleibe, also auch bei der Frist des Absatzes 1 a.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten – jedenfalls im Ergebnis – einer rechtlichen Überprüfung stand.
2. Das Kündigungsrecht des Klägers ergibt sich aus § 19 KO, der anzuwenden ist, weil das Konkursverfahren vor dem 1. Januar 1999 – dem Tag des Inkrafttretens der Insolvenzordnung – beantragt worden ist (Art. 103 EGInsO). Danach war der Konkursverwalter berechtigt, unter Einhaltung der „gesetzlichen” Frist zu kündigen.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß gesetzliche Frist für die Kündigung von Geschäftsraummietverträgen durch den Konkursverwalter nach § 19 KO die in § 565 Abs. 1 a BGB a.F. bestimmte Frist war.
Mit der Einfügung von § 565 Abs. 1 a BGB a.F. durch das Gesetz zur Änderung des BGB vom 29. Oktober 1993 (BGBI. I, S. 1838) ist streitig geworden, ob gesetzliche Frist für die Sonderkündigung die (kurze) Frist des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. oder die (lange) Frist des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. ist. Durch die Einfügung von Absatz 1 a wurde die bis dahin geltende gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsraummiete von drei Monaten zum Quartalsende auf sechs Monate zum Quartalsende verlängert. Absatz 5 blieb unverändert.
a) Daraus hat ein Teil der Rechtsprechung und Literatur geschlossen, daß die für die Geschäftsraummiete eingeführte neue Kündigungsfrist des Absatzes 1 a für die Sonderkündigung nicht gilt, daß sich vielmehr die gesetzliche Frist für die Sonderkündigung von Geschäftsraummiete nach der in § 565 Abs. 5 BGB a.F. ausdrücklich genannten allgemeinen Regelung des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. bestimmt. Diese Auffassung sieht in § 565 Abs. 5 BGB a.F. eine abschließende Rechtsfolgenverweisung für die gesetzlichen Kündigungsfristen (OLG Naumburg, ZlnsO 2000, 287, m. Anm. Bender, EWiR § 109 InsO, 2000, 583; Thüringer OLG, OLG-NL 2002, 14, m. Anm. Blank, EWiR § 109 InsO, 2001, 1155; Krull, ZMR 1998, 125 ff.; ders. ZlnsO 2001, 247 ff.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 932 f.; Kübler/Prütting/Tintelnot InsO Stand: März 2002, § 109 Rdn. 9 a; Schmidt-Futterer-Blank, MietR, 7. Aufl. § 565 Rdn. 42).
b) Die Gegenmeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, die Kündigungsfrist für die Sonderkündigung von Geschäftsraummietverträgen richte sich nach § 565 Abs. 1 a BGB a.F., weil dieser die gesetzliche Kündigungsfrist bestimme (OLG Hamm, NZI 2000, 372; OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 817; Landgericht Kiel, NJW-RR 1995, 585; Staudinger/Sonnenschein, BGB 13. Bearb., § 565 Rdn. 98; Palandt/Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 565 Rdn. 27; Jauernig/Teichmann, BGB, 9. Aufl. § 565 Rdn. 1; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. IV Rdn. 202). Diese Auffassung wird unterschiedlich begründet. Zum Teil wird in der unterbliebenen Einfügung des neu geschaffenen § 565 Abs. 1 a BGB a.F. in den bestehenden Absatz 5 ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gesehen. Die Vertreter dieser Ansicht wollen die nach ihrer Meinung entstandene Gesetzeslücke im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung durch Anwendung des Absatzes 1 a auch auf Sonderkündigungsrechte von Geschäftsraummiete schließen (vgl. OLG Düsseldorf aaO, 817 m.w.N.). Dabei berufen sie sich auf den vom Gesetzgeber mit der Einfügung von Absatz 1 a verfolgten Zweck, den Mieter vor einem kurzfristigen Räumungsverlangen des Vermieters zu schützen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, müsse Absatz 1 a auch in den Fällen der Kündigung mit gesetzlicher Frist gelten.
Eine andere Begründung (vgl. Staudinger aaO), der das Berufungsgericht folgt, verneint zwar mit der Gegenauffassung das Vorliegen einer Gesetzeslücke, weil § 565 Abs. 1 a BGB a.F. eine Sonderregelung zu § 565 Abs. 1 BGB a.F. darstelle. Diese Auffassung geht davon aus, daß die in § 565 Abs. 1-4 BGB a.F. bestimmten Fristen die gesetzlichen Fristen sind und daß § 565 Abs. 5 BGB a.F. keine Definition des Begriffs der gesetzlichen Kündigungsfrist enthält, sondern lediglich die gesetzlichen Kündigungsfristen für die Absätze 1, 2, 3 und 4 modifiziert.
3. Dieser letzten Meinung schließt sich, jedenfalls im Ergebnis, der Senat an. § 19 KO verweist auf die „gesetzlichen Kündigungsfristen”. Darunter versteht man allgemein die Fristen, mit denen ordentlich gekündigt werden kann, wenn in dem Vertrag nichts Entgegenstehendes wirksam vereinbart ist. Indem der Gesetzgeber für die ordentliche Kündigung von Gewerbemietverträgen mit der Einfügung des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. eine neue Frist eingeführt hat, hat er damit auch die „gesetzliche” Frist geändert, auf die § 19 KO verweist. Aus dem Umstand, daß er die neue Vorschrift nicht in den Katalog des § 565 Abs. 5 BGB a.F. aufgenommen hat, kann man nicht schließen, daß er – abweichend von dem bisherigen Recht – für die Kündigung von Gewerbemietverträgen die gesetzliche Kündigungsfrist abweichend von der ordentlichen Kündigungsfrist regeln wollte.
Die Vertreter der Gegenmeinung übersehen oder berücksichtigen nicht hinreichend, daß der Gesetzgeber gleichzeitig mit der Einführung des neuen § 565 Abs. 1 a BGB a.F. zum 1. Januar 1994 auch den § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. geändert hat. In dieser Vorschrift ist zunächst allgemein geregelt, daß Mietverträge (u.a.) über Räume, wenn der Mietzins nach Monaten oder längeren Zeitabschnitten bemessen ist, spätestens am dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats – also mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten – gekündigt werden können. In der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. hieß es weiter, daß die ordentliche Kündigung von Mietverhältnissen (u.a.) über Geschäftsräume nur für den Ablauf eines Kalendervierteljahres zulässig sei. Gleichzeitig mit der Einführung des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. hat der Gesetzgeber in § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. diese besondere Regelung für Geschäftsraummietverträge gestrichen. Diese Streichung, die in den Materialien nicht besonders kommentiert wird, wäre nicht einleuchtend, wenn der Gesetzgeber, wie die Gegenmeinung annimmt, dennoch auch für Gewerbemietverträge die Verweisung in § 565 Abs. 5 BGB a.F. auf den Absatz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift hätte aufrechterhalten wollen. Er hätte dann die bisherige „gesetzliche” Kündigungsfrist auch nicht etwa beibehalten, er hätte sie vielmehr verkürzt, weil die Kündigung nun zwar mit der bisher geltenden Frist, aber nicht mehr nur zum Ende eines Kalendervierteljahres, sondern zum Ende jeden Monats zulässig geworden wäre.
Dies wird im vorliegenden Fall exemplarisch deutlich. Die Kündigung ist mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 ausgesprochen worden. Nach der vor Einführung des § 565 Abs. 1 a und der Änderung des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. geltenden Rechtslage wäre sie zum Ende des nächsten Kalendervierteljahres, also zum 31. März 1999 wirksam geworden. Der Kläger macht Mietzinsansprüche geltend für die Monate Februar und März 1999. Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – unterstellt, die Kündigungsfrist richte sich im vorliegenden Fall nach § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F., nicht nach Absatz 1 a dieser Vorschrift, käme eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 31. Januar 1999 nur in Betracht, weil Absatz 1 Nr. 3 geändert worden ist.
Nach § 19 KO konnte, wenn der Mieter nach Überlassung der Mietsache in Konkurs gefallen war, sowohl der Vermieter als auch der Verwalter kündigen. Die Kündigungsfrist war in beiden Fällen gleich geregelt. Die Anwendbarkeit des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. kann also nicht davon abhängen, ob der Verwalter oder der Vermieter gekündigt hat. Aus den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. durch Gesetz vom 29. Oktober 1993 (BT-Drucks. 12/3339, 1, 4; 12/5715, 1, 5) ergibt sich, daß durch die Verlängerung der Kündigungsfrist es den Gewerbetreibenden erleichtert werden sollte, sich auf die Beendigung des Mietverhältnisses einzustellen. Es ergeben sich aus den Materialien keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß dies nur für die ordentliche Kündigung, nicht aber für die Kündigung nach einem Konkurs gelten sollte. Aufgrund dieser Intention des Gesetzgebers kann man ausschließen, daß er durch die Neufassung des § 565 BGB a.F. für den Fall eines Konkurses die bisherige Kündigungsmöglichkeit nicht nur beibehalten, sondern sogar erleichtern wollte.
Für die hier vertretene Lösung spricht auch, daß der Gesetzgeber mit der Einführung des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. die Kündigungsfrist für Gewerbemietverträge der entsprechenden Frist für gewerbliche Pachtverträge weitgehend angenähert hat und wohl auch bewußt annähern wollte (vgl. im einzelnen Gerber/Eckert, Gewerbliches Miet- und Pachtrecht, 4. Aufl. Rdn. 6). Die Abgrenzung zwischen gewerblichen Mietverträgen und gewerblichen Pachtverträgen kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. Senatsurteil vom 27. März 1991 – XII ZR 136/90 – ZMR 1991, 257). Bei Pachtverträgen beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist, auch nach einem Konkurs, sechs Monate (§ 584 BGB). Es wäre nicht einzusehen, daß die Annäherung der Kündigungsfrist von gewerblichen Mietverträgen an die Kündigungsfrist von Pachtverträgen nur bei einer ordentlichen Kündigung gelten sollte, nicht aber bei einer Kündigung nach einem Konkurs.
Schließlich hat der Gesetzgeber in der seit dem 1. September 2001 geltenden neuen Fassung des § 580 a (Abs. 2 und Abs. 4) BGB ausdrücklich geregelt, daß die für Gewerbemietverträge geltende ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten auch dann gilt, wenn in besonderen Fällen außerordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Aus den Materialien hierzu ergibt sich, daß es sich dabei aus der Sicht des Gesetzgebers nicht um eine Neuregelung handelt, daß vielmehr angesichts des bestehenden Streits lediglich klargestellt werden sollte, daß die Regelung in diesem Sinne zu verstehen ist (vgl. BT-Drucks. 14/4553, 75).
Unterschriften
Gerber, Sprick, Weber-Monecke, Ahlt, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 763772 |
DB 2003, 337 |
NJW 2002, 2562 |
BGHR 2002, 711 |
DWW 2002, 228 |
EWiR 2002, 769 |
KTS 2003, 237 |
NZM 2002, 657 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1768 |
ZAP 2002, 861 |
ZIP 2002, 1811 |
ZMR 2002, 655 |
ZfIR 2002, 978 |
MDR 2002, 1113 |
NJ 2002, 541 |
NZI 2002, 429 |
WuM 2002, 518 |
ZInsO 2002, 724 |
GuT 2002, 139 |
IWR 2002, 73 |
MK 2002, 133 |