Leitsatz (amtlich)
Beauftragen Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds einen Rechtsanwalt, den Initiator gemeinsam zu verklagen, um Schadensersatzansprüche wegen Prospekthaftung geltend zu machen, kann gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit gegeben sein, auch wenn die Klageaufträge einzeln und zeitlich versetzt erteilt werden. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschafter den Anwalt nacheinander beauftragen, gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil Berufung einzulegen.
Normenkette
RVG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 06.09.2013; Aktenzeichen 4 S 13/13) |
AG Bremen (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 9 C 105/12) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bremen vom 6.9.2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltssozietät, vertritt die rechtsschutzversicherte Beklagte in einem Schadensersatzprozess wegen Prospekthaftung im Zusammenhang mit einem geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer BGB-Gesellschaft gegen die Initiatorin des Projekts. Die Klage wurde als Sammelklage im Namen der Beklagten und weiterer 36 Gesellschafter, die jeweils eigene Schadensersatzansprüche geltend machen, sukzessive vom 29.12.2006 bis zum 12.11.2008 eingereicht. Gegen das die Klage abweisende Urteil des LG legte die Klägerin im Auftrag der Beklagten und weiterer 16 Kläger Berufung ein. Die Beklagte ist an dem Wert des Berufungsverfahrens i.H.v. 2.582.530,19 EUR (Summe sämtlicher geltend gemachten Einzelansprüche) mit einem Teilbetrag i.H.v. 125.062 EUR (Zahlungsantrag: 48.572,73 EUR; Feststellungsantrag: 76.489,27 EUR) beteiligt. Das Berufungsverfahren läuft noch.
Rz. 2
Die Klägerin verlangt von der Beklagten durch Kostenrechnung vom 27.1.2010 für das Berufungsverfahren einen Vorschuss und berechnet ihn wie folgt:
1,6-Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 3200 RVG-VV aus dem Gegenstandswert von 125.062 EUR: |
2.412,80 EUR |
./. Rabatt wegen "AAA-Mitgliedschaft": |
- 482,56 EUR |
Auslagenpauschale: |
20 EUR |
Zwischensumme: |
1.950,24 EUR |
Umsatzsteuer (19 %): |
+ 370,55 EUR |
|
2.320,79 EUR |
Rz. 3
Die Rechtsschutzversicherung der Beklagten zahlte auf die Vorschussrechnung 1.061,98 EUR (4,8 % einer 2,0-Gebühr aus dem Gesamtstreitwert zzgl. Umsatzsteuer). Die verbleibende Differenz i.H.v. 1.258,91 EUR macht die Klägerin mit der Klage als weiteren Vorschuss geltend. Sie vertritt dabei die Ansicht, dass vorliegende Sammelklage gebührenrechtlich so zu behandeln sei, als sei in 17 getrennten Verfahren Berufung eingelegt worden. Demgegenüber will die Beklagte sich an den aus dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens zu berechnenden Rechtsanwaltskosten im Verhältnis ihres Anteils am Gesamtstreitwert beteiligen.
Rz. 4
Das AG hat die Klage ab- und das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Verurteilung der Beklagten erreichen will.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei zulässig; die Klägerin könne nicht auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG verwiesen werden, weil sich diese Regelung nur auf die Anwaltsvergütung, nicht aber auf die Vorschussforderung nach § 9 RVG beziehe. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil es sich bei den 17 Berufungen um eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG handele.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
Rz. 8
1. Die Vorschussklage der Klägerin ist zulässig. Allerdings ist eine Vergütungsklage unzulässig, soweit eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG in Betracht kommt, weil es insoweit an dem Rechtsschutzinteresse für eine förmliche Klage fehlt (BGH, Urt. v. 20.11.1980 - III ZR 182/79, NJW 1981, 875, 876; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 11 Rz. 350; Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, 6. Aufl., § 11 Rz. 4; Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 11 Rz. 6). Das Vergütungsfestsetzungsverfahren bietet eine einfachere und kostengünstigere Möglichkeit, zum begehrten Rechtsschutzziel zu gelangen (N. Schneider, a.a.O.). Doch hätte die Klägerin den begehrten Vorschuss nicht nach § 11 RVG gerichtlich festsetzen lassen können. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG kann, soweit hier von Bedeutung, nur die gesetzliche Vergütung festgesetzt werden. Mit der Beanspruchung eines Vorschusses nach § 9 RVG macht der Anwalt jedoch diese gesetzliche Vergütung noch nicht geltend, sondern lediglich eine Vorauszahlung hierauf (vgl. N. Schneider in Schneider/Wolff, AnwK RVG, 7. Aufl., § 9 Rz. 77; Mayer/Kroiß/Klees, RVG, 6. Aufl., § 9 Rz. 34; Klüsener in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rz. 41; Burhoff, RVGreport 2011, 365, 368).
Rz. 9
2. Die Klägerin kann, soweit sie die 1,6-Verfahrensgebühr Nr. 3200 RVG-VV als Vorschuss nach § 9 RVG verlangt, keine weitere Zahlung von der Beklagten verlangen.
Rz. 10
a) Nach dieser Regelung kann ein Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber für die entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gebühren einen angemessenen Vorschuss fordern. Grundlage und Grenze der Vorschussforderung bilden mithin die voraussichtlich anfallenden Gebühren (BGH, Urt. v. 29.9.1988 - 1 StR 332/88, BGHSt 35, 357, 362; OLG Bamberg, NJW-RR 2011, 935, 936; Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 9 Rz. 10; Klüsener in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rz. 25; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 9 Rz. 7; Burhoff, RVGreport 2011, 365, 367). Deswegen kann ein Rechtsanwalt jedenfalls in Höhe der bereits entstandenen, wenn auch wegen § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG noch nicht fälligen Gebühren einen Vorschuss verlangen (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 9 Rz. 45).
Rz. 11
Die Klägerin kann von der Beklagten als Vorschuss die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer verlangen, weil sie von der Beklagten den Auftrag erhalten hat, Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG Berlin einzulegen, die Gebühr mithin entstanden ist (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., VV 3200 Rz. 6; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 6. Aufl. Nrn. 3200 bis 3205 VV Rz. 2).
Rz. 12
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts zur Höhe der als Vorschuss geltend gemachten Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV begegnet unter den Umständen des Streitfalls keinen Bedenken.
Rz. 13
aa) Nach § 7 Abs. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühr nur einmal. Gemäß § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Nach § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Mithin hängt die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV aus dem Gegenstandswert, mit dem diese an dem Verfahren beteiligt ist, also i.H.v. 125.062 EUR, in Gänze verdient hat oder ob die Verfahrensgebühr sich aus dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens berechnet, der sich aus der Addition sämtlicher geltend gemachter Einzelansprüche der am Berufungsverfahren beteiligten Kläger ergibt, und die Beklagte an dieser Gebühr nur im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesamtstreitwert beteiligt ist, davon ab, ob die geltend gemachten Ansprüche der Kläger im Ausgangsverfahren eine Angelegenheit im Sinne der genannten Vorschriften sind.
Rz. 14
Dies lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insb. der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.
Rz. 15
Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH, Urt. v. 21.6.2011 - VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 Rz. 9 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.12.2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045; v. 29.6.1978 - III ZR 49/77, JZ 1978, 760, 761).
Rz. 16
Der Annahme derselben Angelegenheit steht nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei ggf. durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen gesondert tätig werden soll. Die Annahme derselben Angelegenheit kommt dann in Betracht, wenn dem Schädiger eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist. Der BGH hat solches insb. für den Fall bejaht, dass ein Rechtsanwalt zur Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einer Presseberichterstattung getrennte Abmahnungen für mehrere Anspruchssteller verfasst und die Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben (BGH, Urt. v. 21.6.2011, a.a.O., Rz. 11).
Rz. 17
bb) Vorliegend ist von einer Angelegenheit in diesem Sinne, wenn auch von mehreren Gegenständen, auszugehen.
Rz. 18
(1) Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens die Klägerin beauftragt haben, sie in einem "Sammelklageverfahren" zu vertreten. Die Klägerin und ihre Mandanten hätten sich entschieden, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens als Streitgenossen einer Sammelklage auftreten und die Einzelansprüche gemeinsam einklagen sollten. Mithin haben die Beklagte und die anderen Kläger des Ausgangsverfahrens die Klägerin zu einem gemeinsamen Vorgehen beauftragt. Diese hätte nicht ohne Zustimmung aller Streitgenossen von sich aus verschiedene Auftragsverhältnisse in einer Sammelklage zu einer Angelegenheit verbinden und den Umstand der Beauftragung durch die jeweils anderen Kläger und die von ihren Mandanten erworbenen Informationen in den jeweils anderen Prozessverhältnissen offenlegen dürfen (Volpert in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 7 Rz. 26). Das gemeinsame Vorgehen in einer Sammelklage kann sowohl prozesswirtschaftlich wie auch prozesstaktisch sinnvoll sein. Gegebenenfalls war die Klägerin gegenüber ihren Mandanten sogar verpflichtet, zu einem solchen Vorgehen zu raten, wenn das Gebühreninteresse der Auftraggeber eine gemeinsame Klageerhebung ratsam erscheinen ließ (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045). Wenn aber die Kläger des Ausgangsverfahrens sich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Initiatorin bereit gefunden haben, musste ihnen auch klar sein, dass sie, sofern und soweit sie - vertreten durch die Klägerin - gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil vorgehen wollten, wiederum gemeinsam auftreten mussten. Sofern sie deswegen die Klägerin damit beauftragt haben, für sie Berufung einzulegen, waren sie damit einverstanden und ist ihr Auftrag in diesem Sinne zu verstehen, dass auch das Berufungsverfahren gemeinsam mit denjenigen Streitgenossen durchgeführt werden sollte, die das erstinstanzliche Urteil ebenfalls nicht hinnehmen wollten. Das ergibt sich auch aus dem Formular, mit dem die Klägerin ausdrücklich beauftragt wurde, "in Sachen Sammelklage" Berufung einzulegen.
Rz. 19
Dass der Klageauftrag und der Auftrag, Berufung gegen das klageabweisende Urteil einzulegen, von den Mandanten nicht zeitgleich und gemeinsam und ggf. nicht nach einer Absprache zwischen ihnen der Klägerin erteilt worden ist, ist rechtlich unerheblich. Auch wenn die Beklagte der Klägerin den Prozessauftrag viel später als die anderen erteilt hat - sie ist dem Rechtsstreit erst durch die Klageerweiterung vom 12.11.2008 beigetreten -, kann eine Angelegenheit vorliegen, wie der BGH bereits entschieden hat (BGH, Urt. v. 21.6.2011 - VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 Rz. 14). Hier war die Beklagte damit einverstanden, dem schon rechtshängigen Rechtsstreit zu dem relativ späten Zeitpunkt noch als Streitgenossin beizutreten, wollte also, wie die anderen Streitgenossen, gerade nicht ein gesondertes Tätigwerden der Klägerin, sondern ein gemeinsames Vorgehen zusammen mit den anderen Geschädigten des wirtschaftlich erfolglosen Immobilienfonds. Dies gilt auch für das Berufungsverfahren, soweit sich neben der Beklagten noch weitere Streitgenossen dazu entschließen sollten, Berufung einzulegen.
Rz. 20
(2) Auch der erforderliche innere Zusammenhang besteht und die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen stimmten sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann, wie von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen wird. Denn die Kläger des Ausgangsverfahrens machen der Initiatorin des geschlossenen Immobilienfonds falsche Angaben in dem Prospekt zum Vorwurf. Insoweit muss der Vortrag der Klägerin für alle Kläger des Ausgangsverfahrens sowohl in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht einheitlich sein. Diese werfen der Initiatorin vor, in dem Prospekt verschwiegen zu haben, dass es sich bei dem beworbenen Grundstück um ein Altlastengrundstück handele, falsch behauptet zu haben, die künftige öffentliche Förderung der Immobilie sei gesichert, und die Haftungsrisiken der Gesellschafter dadurch verharmlost zu haben, dass der Immobilienwert und die Schuldenhöhe falsch angegeben worden seien. Die Berufungsbegründung, die die Klägerin für die Berufungskläger des Ausgangsverfahrens gefertigt hat, enthält deswegen auch für alle Berufungskläger einheitliche Ausführungen zu den falschen Angaben in dem Prospekt und zu den Feststellungen des LG. Nur die Berufungsanträge sind individuell auf die konkreten Ansprüche des einzelnen Berufungsklägers des Ausgangsverfahrens bezogen.
Rz. 21
Zwar machen die Kläger des Ausgangsverfahrens individuelle Ansprüche gegen die Initiatorin geltend. Auch muss die Klägerin konkret bezogen auf die einzelnen Kläger des Ausgangsverfahrens zu deren Beitritt zur BGB-Gesellschaft, zu deren Beteiligungen und dazu vorgetragen haben, ob ihnen der beanstandete Prospekt bei der Anlagenentscheidung vorgelegt worden ist. Auch musste zu den individuellen Schadensersatzansprüchen vorgetragen werden, mussten diese berechnet und beziffert und für jeden klagenden Gesellschafter ein konkreter Antrag gestellt werden. Das bedeutet jedoch nur, dass hier im Hinblick auf die unterschiedlichen individuellen Ansprüche der jeweiligen Kläger des Ausgangsverfahrens unterschiedliche Gegenstände vorliegen, was dem Vorliegen derselben Angelegenheit jedoch nicht entgegensteht.
Rz. 22
cc) Zu Unrecht meint die Revision, der Gesetzeszweck der Begrenzung des anwaltlichen Gebührenanspruchs in §§ 7, 15 RVG passe auf Fälle wie den vorliegenden nicht. Der Gesetzgeber wollte die Vergütung des Anwalts möglichst daran orientieren, wie die Justiz für ihre Leistungen entschädigt wird. Das unterstreichen der Aufbau des Gesetzes mit seinem Vergütungsverzeichnis und die neue Struktur der Regelgebühren. Deswegen bestimmen §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 1, 22 RVG, dass sich die Gebühren allein nach dem sachlichen Gegenstand oder der Anzahl der Gegenstände einer Angelegenheit richten, nicht hingegen nach der Anzahl der daran beteiligten Personen (Volpert in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 7 Rz. 27). Die Angelegenheit als solche umschreibt den Abgeltungsbereich der Gebühren; jede Angelegenheit lässt die Regelgebühren erneut anfallen. Deshalb ist es für die Vergütung des Anwalts in erster Linie von Bedeutung, um wie viele Angelegenheiten es geht. Das kann er insb. bei mehreren Auftraggebern mitbeeinflussen, weil er als deren Vertragspartner auch darüber zu entscheiden hat, ob er für sie zusammen oder in getrennten Vorgängen tätig werden will (Volpert, a.a.O., Rz. 28).
Rz. 23
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erkennt allerdings an, dass ein Anwalt, wenn er durch mehrere Auftraggeber beauftragt wird, mutmaßlich zusätzlichen Aufwand hat (Volpert, a.a.O., Rz. 29). Wenn ihn mehrere Auftraggeber mit der Erledigung derselben Angelegenheit und des nämlichen Gegenstands beauftragen, erhält er zwar die Gebühr nur einmal, zusätzlich erhöht sich jedoch nach Nr. 1008 RVG-VV die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr um 0,3 für jede weitere Person bis höchstens 2,0. Bezieht sich der Auftrag mehrerer Auftraggeber auf eine Angelegenheit, die mehrere Gegenstände umfasst, wird der Mehraufwand des Anwalts dadurch vergütet, dass sich durch die Beauftragung mehrerer Auftraggeber der Streitwert durch die Addition der Einzelansprüche erhöht (§ 22 Abs. 1 RVG). Das gilt auch für das dieser Vergütungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren, das sich durch nichts von anderen Verfahren unterscheidet, in denen ein Anwalt für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit, aber mit verschiedenen Gegenständen tätig wird.
Rz. 24
c) Eine anders lautende Honorarvereinbarung haben die Parteien entgegen der Ansicht der Revision nicht getroffen. Die Beklagte hat die Klägerin auf einem von dieser vorbereiteten Formular mit der Einlegung der Berufung beauftragt, und zwar auch für den Fall, dass die Rechtsschutzversicherung die Deckung ablehne. Sie hat weiter erklärt, sich darüber im Klaren zu sein, dass sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert richten und dieser sich nach ihrem persönlichen Streitwertanteil bestimme. Diesem von der Klägerin gestellten Formular war für die Beklagte nicht eindeutig zu entnehmen, dass sie mit der Klägerin eine von den gesetzlichen Gebühren abweichende Gebührenvereinbarung treffen sollte. Gegen eine solche Auslegung spricht schon, dass auch die Mandanten, die Rechtsmittel nur einlegen wollten, wenn ihre Rechtsschutzversicherung diese Kosten übernehme, die entsprechende Erklärung abgeben sollten, auch wenn sie nach den Versicherungsbedingungen die Anwaltsgebühren, soweit sie die gesetzlichen Gebühren überstiegen, von der Rechtsschutzversicherung nicht erstattet erhielten (vgl. Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., § 5 ARB 2000 Rz. 22). Gegen diese Auslegung spricht zudem, dass die Klägerin selbst auch heute noch der Ansicht ist, ihre Berechnung entspreche den gesetzlichen Gebühren. Mithin wollten beide Seiten keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Gebührenvereinbarung treffen.
Rz. 25
d) Demnach kann die Klägerin von der Beklagten als Vorschuss nur einen Bruchteil der 1,6-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert für das Berufungsverfahren i.H.v. 2.582.530,19 EUR verlangen, wobei der Bruchteil der Höhe ihres Anteils an dem Gesamtstreitwert entspricht (4,8426 %; 14.973,60 EUR + 20 EUR zzgl. 19 % = 17.723,38 EUR, davon 4,8426 % macht 858,27 EUR). Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV, auf die sich die Klägerin hilfsweise berufen hat, fällt vorliegend nicht an, weil es sich bei den Einzelansprüchen der Kläger im Ausgangsverfahren um unterschiedliche Gegenstände handelt. Mithin hat die Beklagte durch die Zahlung ihrer Rechtsschutzversicherung i.H.v. 1.061,98 EUR den geltend gemachten Vorschuss gezahlt.
Fundstellen
Haufe-Index 6797352 |
DStR 2014, 13 |
NJW 2014, 2126 |
EBE/BGH 2014, 186 |
JurBüro 2014, 471 |
NZG 2015, 312 |
WM 2014, 1082 |
ZIP 2014, 1144 |
AnwBl 2014, 963 |
JZ 2014, 456 |
MDR 2014, 866 |
Rpfleger 2014, 554 |
AGS 2014, 263 |
RVGreport 2014, 388 |
ZBB 2014, 187 |
PAK 2014, 110 |