Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 2 HWiG. Kreditverträge als Haustürgeschäfte. Widerruf von Kreditverträgen
Leitsatz (amtlich)
a) § 5 Abs. 2 HWiG ist unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99) richtlinienkonform einschränkend auszulegen.
b) Kreditverträge gehören danach insoweit nicht zu den Geschäften, die im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG „die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz” erfüllen, als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht einräumt wie das Haustürwiderrufsgesetz.
c) Dies gilt für alle Kreditverträge, die Haustürgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG a.F. sind, auch wenn sie die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts im Sinne der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen („Haustürgeschäfterichtlinie”) nicht erfüllen.
Normenkette
HWiG § 1 Abs. 1 a.F., § 5 Abs. 2; VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 01.02.1999) |
LG München I |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines Realkreditvertrages. Sie begehren die Erstattung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und entstandener Aufwendungen in Höhe von insgesamt 118.443,81 DM zuzüglich Zinsen sowie die Feststellung, daß der Beklagten aus dem Darlehen keine Ansprüche mehr zustehen.
Zur Finanzierung des Kaufpreises für eine im März 1993 gekaufte Eigentumswohnung nahmen die Kläger mit Vertrag vom 28. April/7. Mai 1993 bei der Beklagten ein Darlehen über 150.000 DM auf, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe abgesichert wurde. Eine Widerrufsbelehrung im Sinne des Haustürwiderrufsgesetzes wurde ihnen nicht erteilt.
Mit ihrer im Januar 1998 erhobenen Klage haben die Kläger gemäß § 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.) ihre auf den Abschluß des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen widerrufen. Die Kläger behaupten, ein ihnen bekannter, freiberuflich auch für die Beklagte tätiger Immobilienmakler habe sie mehrfach unaufgefordert zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme überredet. Kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz haben sie außerdem geltend gemacht, der Darlehensvertrag sei sittenwidrig, weil der Wert der Eigentumswohnung erkennbar nur 50.000 DM betragen und die Beklagte eine „versteckte Innenprovision” von 18,4% gezahlt habe.
Das Landgericht (WM 1998, 1723) hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht (WM 1999, 728) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Der erkennende Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um Vorabentscheidung ersucht (WM 2000, 26); die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 ist abgedruckt in WM 2001, 2434.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ein Widerrufsrecht der Kläger verneint. Bei dem streitbefangenen Darlehen handele es sich um einen Realkredit im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG. § 7 VerbrKrG finde deshalb keine Anwendung. Der Rückgriff auf § 1 HWiG a.F. scheide wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG aus. Mit Rücksicht auf diese Vorschrift sei das Haustürwiderrufsgesetz zwar in den Fällen des § 3 Abs. 1 VerbrKrG anwendbar, nicht aber in den Fällen des § 3 Abs. 2 VerbrKrG, in denen nur die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes ausgeschlossen sei. Die Gegenauffassung, nach welcher das Haustürwiderrufsgesetz stets zum Zuge komme, wenn und soweit eine Ausnahme nach § 3 VerbrKrG eingreife, sei weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 VerbrKrG vereinbar. Durch die Anwendung des Haustürwiderrufsgesetzes werde die differenzierte Regelung des § 3 Abs. 2 VerbrKrG unterlaufen und dem Willen des Gesetzgebers zuwidergehandelt. Dieser habe das Widerrufsrecht bei Realkreditverträgen ganz bewußt wegen der damit einhergehenden Gefährdung der taggenauen Refinanzierung vieler Realkredite ausgeschlossen, auf der wiederum deren günstige Verzinsung beruhe. Der Vortrag der Kläger zur angeblichen Sittenwidrigkeit des Darlehens sei unsubstantiiert und überdies verspätet.
II.
Diese Beurteilung hält, soweit sie ein Widerrufsrecht der Kläger gemäß § 1 Abs. 1 HWiG a.F. wegen der Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG verneint, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar entspricht sie der Auslegung der §§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, 5 Abs. 2 HWiG, wie sie der Senat in seinem Vorlagebeschluß vom 29. November 1999 (WM 2000, 26) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei ausschließlich nationaler Betrachtung befürwortet hat. Sie berücksichtigt aber nicht, daß mit dem Haustürwiderrufsgesetz die Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (im folgenden: Haustürgeschäfterichtlinie) in nationales Recht umgesetzt worden ist und die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes daher richtlinienkonform auszulegen sind.
Der Senat hat in dem Vorlagebeschluß zwar die Auffassung vertreten, die Verbraucherschutzvorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts erforderten keine andere Auslegung von § 5 Abs. 2 HWiG als sie sich bei ausschließlich nationaler Betrachtung ergebe (aaO S. 28); es bleibe auch bei Berücksichtigung der Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG, nach welcher das Haustürwiderrufsgesetz auf Realkreditverträge im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG unanwendbar sei. Im Hinblick auf insoweit verbleibende Zweifel hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften aber folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Erfaßt die Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (ABl. Nr. L 372/31 vom 31. Dezember 1985, „Haustürgeschäfterichtlinie”) auch Realkreditverträge (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz) und kommt ihr in bezug auf das in Art. 5 vorgesehene Widerrufsrecht Vorrang vor der Richtlinie 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit vom 22. Dezember 1986 (ABl. Nr. L 42/48 vom 12. Februar 1987, „Verbraucherkreditrichtlinie”) zu?
- Für den Fall, daß der Gerichtshof diese Frage bejaht: Ist der nationale Gesetzgeber durch die Haustürgeschäfterichtlinie gehindert, die in § 7 Abs. 2 Satz 3 Verbraucherkreditgesetz geregelte Befristung des Widerrufsrechts auch in den Fällen anzuwenden, in denen ein Haustürgeschäft die Gewährung eines Realkredits im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz zum Gegenstand hat und die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehene Belehrung unterblieben ist?
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Fragen mit Urteil vom 13. Dezember 2001 (WM 2001, 2434) dahingehend beantwortet, daß
- die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen ist, daß sie auf einen Realkreditvertrag wie den im Ausgangsverfahren fraglichen anwendbar ist, so daß der Verbraucher, der einen derartigen Vertrag in einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Fälle geschlossen hat, über das Widerrufsrecht nach Art. 5 der Richtlinie verfügt und
- der nationale Gesetzgeber durch die Richtlinie 85/577/EWG daran gehindert ist, das Widerrufsrecht nach Art. 5 dieser Richtlinie für den Fall, daß der Verbraucher nicht gemäß Art. 4 dieser Richtlinie belehrt wurde, auf ein Jahr nach Vertragsabschluß zu befristen.
1. An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV (Art. 189 Abs. 3 a.F.) und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 10 EGV (Art. 5 a.F.) zudem verpflichtet, zur Durchführung einer europäischen Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (EuGH, Urteil vom 10. April 1984 – Rs 14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 Rz. 26, 28 – von Colson und Kamann; EuGH, Urteil vom 10. April 1984 – Rs 79/83, Slg. 1984, 1921, 1942 Rz. 26, 1943 Rz. 28 – Harz; EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – Rs C-106/89, Slg. I 1990, 4135, 4159 Rz. 8 – Marleasing). Diese gemeinschaftsrechtliche Dimension der Auslegung hat auch der Bundesgerichtshof gerade beim Haustürwiderrufsgesetz wiederholt hervorgehoben (Senatsurteil vom 9. März 1993 – XI ZR 179/92, WM 1993, 683, 684; BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 – XII ZR 24/93, WM 1994, 1390, 1391; BGH, Beschluß vom 11. Januar 1996 – IX ZR 56/95, WM 1996, 384, 386).
2. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung gebietet es in Verbindung mit der vom Senat eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, die maßgeblichen nationalen Vorschriften, soweit ein Auslegungsspielraum besteht, dahingehend auszulegen, daß dem Verbraucher, der einen in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie fallenden Realkreditvertrag geschlossen hat, ein Art. 5 der Richtlinie entsprechendes Widerrufsrecht zusteht.
Dies hat zur Folge, daß § 5 Abs. 2 HWiG unter Beachtung der für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften richtlinienkonform einschränkend auszulegen ist. Kreditverträge gehören danach insoweit nicht zu den Geschäften, die im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG „die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz” erfüllen, als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht wie das Haustürwiderrufsgesetz einräumt.
a) § 5 Abs. 2 HWiG, wonach auf ein Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG a.F., das zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllt, nur die Vorschriften dieses Gesetzes anwendbar sind, läßt eine solche Auslegung zu.
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten und einer in der Instanzrechtsprechung (OLG Bamberg WM 2002, 537, 545; LG München I BKR 2002, 230, 233 f.; LG München I WM 2002, 285, 287) und Literatur (Edelmann BKR 2002, 80, 81 f.; Habersack/Mayer WM 2002, 253, 257; von Heymann/Annertzok BKR 2002, 234; Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529, 532; Piekenbrock/Schulze WM 2002, 521, 524; Sauer BB 2002, 431, 432) vertretenen Auffassung wird die Auslegung weder durch den Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG noch den des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen.
(1) § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG regelt seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG. Er enthält zur Frage der Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes keine Aussage (Frisch BKR 2002, 84, 85).
(2) Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG legt für sich genommen, wie im Vorlagebeschluß des Senates vom 29. November 1999 (WM 2000, 26, 27) näher ausgeführt, zwar eher das Ergebnis nahe, daß in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG das Haustürwiderrufsgesetz insgesamt von den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes verdrängt werden sollte. Zwingend ist diese Auslegung jedoch nicht, da der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 HWiG greift die Subsidiaritätsklausel nur, wenn ein Geschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 HWiG a.F. zugleich die „Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz” erfüllt. Da nicht näher geregelt wird, wann die so umschriebenen Voraussetzungen im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG vorliegen, ist die Norm auslegungsfähig (Reiter/Methner VuR 2002, 90, 92 f.).
Möglich sind eine weite und engere Auslegungen. Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG kann einmal mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. hierzu den Vorlagebeschluß des Senats vom 29. November 1999, WM 2000, 26, 27 m.w.Nachw.) dahin verstanden werden, daß das Verbraucherkreditgesetz das Haustürwiderrufsgesetz für Realkredite vollkommen verdrängt, wenn der Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes überhaupt eröffnet ist, weil das Verbraucherkreditgesetz das speziellere Gesetz ist. Möglich und vertretbar ist aber auch eine Auslegung des Wortlauts dahin, daß das Haustürwiderrufsgesetz durch § 5 Abs. 2 HWiG nicht vollständig verdrängt wird, wenn ein Kreditvertrag nur Teilen des Verbraucherkreditgesetzes unterfällt oder – noch weitergehend – dieses dem Verbraucher nicht den gleichen effektiven Schutz bietet wie das Haustürwiderrufsgesetz (Reich/Rörig EuZW 2002, 87, 88). Für eine solche einschränkende Auslegung werden insbesondere der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 HWiG und die Begründung zu § 5 des Entwurfs eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (BT-Drucks. 10/2876 S. 14) angeführt. Dem Gesetzgeber erschien es danach möglicherweise sinnvoll, jeweils das sachnähere Gesetz für anwendbar zu erklären, solange dieses einen dem Haustürwiderrufsgesetz vergleichbaren Schutz gewährleistet (Fischer/Machunsky, HWiG 2. Aufl. Grundlagen Rdn. 83).
Dies ist bei Realkreditverträgen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG indes nicht der Fall. Bei ihnen steht dem Kreditnehmer nach dem Verbraucherkreditgesetz kein Widerrufsrecht zu. Da das Verbraucherkreditgesetz damit erheblich hinter dem durch das Haustürwiderrufsgesetz bezweckten Schutz zurückbleibt und der Schutzbedürftigkeit eines Verbrauchers in einer Haustürsituation nicht Rechnung trägt, ohne daß dafür ein zwingender sachlicher Grund ersichtlich ist, waren ein Teil der Rechtsprechung (OLG München – 5. Zivilsenat – WM 2000, 1336, 1338 f.) und eine bedeutsame Mindermeinung in der Literatur (Staudinger/Werner, BGB 13. Bearb. 1997 § 5 HWiG Rdn. 24, 27; Erman/Klingsporn, BGB 9. Aufl. § 5 HWiG Rdn. 5; Fischer/Machunsky, HWiG 2. Aufl. Grundlagen Rdn. 80-86; § 51 Rdn. 31; Steppeler, VerbrKrG 2. Aufl. S. 209; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite 3. Aufl. S. 32; Peters, in: Lwowski/Peters/Gößmann, VerbrKrG 2. Aufl. S. 173-175; ders. DZWir 1994, 353, 357; ders. WuB I E 2 b.-6.93; Spickhoff/Petershagen BB 1999, 165, 169 f.; Stüsser NJW 1999, 1586, 1589) schon vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 (WM 2001, 2434) und ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung der Auffassung, § 1 HWiG a.F. werde durch § 5 Abs. 2 HWiG nur dann verdrängt, wenn das vorrangig anzuwendende Verbraucherkreditgesetz einen gleich effektiven Schutz biete.
Dieser Auffassung haben sich nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001 mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG das Oberlandesgericht München (20. Zivilsenat, WM 2002, 694, 695) und weitere Autoren angeschlossen (Pfeiffer EWiR 2002, 261, 262; Reich/Rörig EuZW 2002, 87, 88; Hoffmann ZIP 2002, 145, 149; Kulke ZBB 2002, 33, 45 ff.; Staudinger NJW 2002, 653, 655; Fischer ZfIR 2002, 19, 21; Frisch BKR 2002, 84, 85; Reiter/Methner VuR 2002, 90, 92 f.; Rott VuR 2002, 49, 52). Nur wenn man die Ansicht aller dieser Stimmen aus Rechtsprechung und Schrifttum für schlechthin unvertretbar hielte (so unter Hinweis auf den angeblich eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG: OLG Bamberg WM 2002, 537, 545; LG München I BKR 2002, 230, 234; LG München I WM 2002, 285, 287; Edelmann BKR 2002, 80, 81; Habersack/Mayer WM 2002, 253, 257; Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529, 531; Piekenbrock/Schulze WM 2002, 524; Markus Roth WuB IV D. § 5 HWiG 1.02; Sauer BB 2002, 431, 432), wäre eine richtlinienkonforme Auslegung ausgeschlossen. Der erkennende Senat ist, wie er schon durch die Vorlage vom 29. November 1999 an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und insbesondere durch die Frage nach der Zulässigkeit einer Befristung des Widerrufsrechts entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG zum Ausdruck gebracht hat, nicht dieser Ansicht, sondern hält die von der Mindermeinung befürwortete Auslegung für möglich.
Erweist sich der Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG danach als auslegungsfähig, so ist der Senat gezwungen, die Vorschrift richtlinienkonform auszulegen. Mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften steht fest, daß die Haustürgeschäfterichtlinie die Gewährung eines Widerrufsrechts auch für Realkreditverträge fordert, die zugleich die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen. Das bedeutet für die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG, daß die Subsidiaritätsklausel bezüglich der Widerrufsvorschriften nur dann greift, wenn im konkreten Fall auch das Verbraucherkreditgesetz ein Widerrufsrecht gewährt. Wird das Widerrufsrecht – wie hier – nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen oder ist es nach den Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes bereits erloschen, muß es bei der Anwendbarkeit des § 1 HWiG a.F. bleiben.
bb) Der Wille des Gesetzgebers hindert – entgegen der Meinung der Beklagten und einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Felke MDR 2002, 226, 227; von Heymann/Annertzok BKR 2002, 234; Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529, 531 f.; Piekenbrock/Schulze WM 2002, 521, 524) – die vorgenannte Auslegung nicht. Zwar ergibt sich – wie der Senat im einzelnen in dem Vorlagebeschluß vom 29. November 1999 (aaO S. 27) ausgeführt hat – aus den Materialien zum Verbraucherkreditgesetz (BT-Drucks. 11/5462 und BT-Drucks. 11/8274), daß der Gesetzgeber das Widerrufsrecht nach § 1 HWiG a.F. für Kreditverträge im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausschließen wollte. Dem Gesetzgeber kann aber nicht unterstellt werden, er habe bei der Konkurrenzregel des § 5 Abs. 2 HWiG sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollen; der Privilegierung von Realkreditverträgen in einer Haustürsituation lag vielmehr die Annahme zugrunde, sie sei richtlinienkonform (Staudinger NJW 2002, 653, 655). Der Gesetzgeber des Haustürwiderrufsgesetzes war davon ausgegangen, mit diesem Gesetz die europarechtlichen Vorgaben der seinerzeit kurz vor dem Erlaß stehenden Haustürgeschäfterichtlinie bereits umgesetzt zu haben (Rechtsausschuß zum RegE HWiG sowie zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 10/4210, S. 9; so auch BGHZ 139, 21, 26). Die Übereinstimmung von nationalem Recht und Richtlinieninhalt entsprach danach seinem Willen.
cc) Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes spricht (entgegen Felke MDR 2002, 226, 227) nicht gegen die richtlinienkonforme Auslegung. Daß gerichtliche Entscheidungen zur Auslegung einer Vorschrift Auswirkungen auf in der Vergangenheit liegende, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte haben, steht nicht einmal der Zulässigkeit einer Änderung der Rechtsprechung entgegen (BGHZ 132, 119, 129; Schimansky WM 2001, 1889, 1890). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß von einem schützenswerten Vertrauen in die von der Beklagten befürwortete Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG nie die Rede sein konnte: Wie oben dargelegt, war die Auslegung dieser Vorschrift bereits vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften seit langem umstritten. So wurde etwa von Steppeler (VerbrKrG 1. Aufl. S. 186) die Ansicht vertreten, die von der Beklagten befürwortete Auffassung sei „äußerst bedenklich und gefährlich”; es sei „völlig unstreitig und offenkundig, daß mit der Vorrangregelung in § 5 Abs. 2 HWiG ausschließlich ein Nebeneinander von zwei gleichgerichteten Widerrufsrechten vermieden werden” solle, das bei Realkrediten im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG gerade nicht bestehe.
dd) Ohne Erfolg bleibt ferner der Einwand, ein Rückgriff auf das Haustürwiderrufsgesetz im Wege richtlinienkonformer Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG sei nach nationalem deutschen Recht systemwidrig, weil dann dem Verbraucher bei – nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich privilegierten – Realkreditverträgen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ein stärkeres Widerrufsrecht zustünde als bei Personalkreditverträgen (Edelmann BKR 2002, 80, 81 f.). Richtig hieran ist, daß eine auf Realkreditverträge beschränkte Eröffnung des Widerrufsrechts gemäß § 1 HWiG a.F. system- und wertungswidrig wäre. Sie würde dazu führen, daß Realkreditverträge im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG im Falle einer Haustürsituation in weiterem Umfang als Personalkreditverträge widerrufbar wären. Die auf den Abschluß eines Realkreditvertrags gerichteten Willenserklärungen könnten nämlich innerhalb der längeren Frist des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.) widerrufen werden und nicht nur wie bei Personalkreditverträgen innerhalb der Frist des § 7 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (im folgenden: a.F.).
Der vorgenannten richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG steht dies jedoch nicht entgegen. Der Wertungswiderspruch läßt sich nämlich dadurch vermeiden, daß die richtlinienkonforme Auslegung nicht auf Realkreditverträge im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG beschränkt, sondern auf Personalkreditverträge erstreckt wird. Nur dies wird auch dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gerecht. Zwar beschränkt sich die Entscheidung in ihrem Tenor – entsprechend der Fragestellung – auf die Feststellung, daß bei in Haustürsituationen geschlossenen Realkreditverträgen ein Widerrufsrecht gemäß der Haustürgeschäfterichtlinie zu gewähren sei. Nach der Begründung der Entscheidung kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß es für die Frage, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einzuräumen ist, nicht darauf ankommt, ob ein Real- oder ein Personalkreditvertrag vorliegt, sondern allein auf die Entstehung des Vertrages in einer Haustürsituation. Dem Urteil ist daher zu entnehmen, daß die für Realkreditverträge geltende Vorgabe der Haustürgeschäfterichtlinie in gleicher Weise für die in Haustürsituationen zustande gekommenen Personalkreditverträge gelten würde, die nach nationalem deutschem Recht dem Verbraucherkreditgesetz unterliegen (so auch Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529).
Eine solche Auslegung ist mit § 5 Abs. 2 HWiG nicht unvereinbar (a.A. Edelmann BKR 2002, 80, 82). Angesichts der dargelegten Auslegungsfähigkeit der Norm und der Tatsache, daß der Gesetzgeber mit dem Haustürwiderrufsgesetz die Vorgaben der Haustürgeschäfterichtlinie erfüllen wollte, sind die Gerichte auch bei Personalkreditverträgen zu einer entsprechenden richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet.
ee) Die vorbezeichnete Auslegung führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer methodisch bedenklichen Sinnentleerung bzw. Derogation des § 5 Abs. 2 HWiG (so aber Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529 ff.). Da die Subsidiaritätsklausel nur hinsichtlich der Widerrufsvorschriften der beiden konkurrierenden Gesetze eine einschränkende Auslegung erfährt und dies auch nur für den Fall, daß das Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht gibt wie das Haustürwiderrufsgesetz, bleibt für die Subsidiaritätsklausel in § 5 Abs. 2 HWiG ein Anwendungsbereich erhalten. So schließt § 5 Abs. 2 HWiG – wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache XI ZR 32/99 entschieden und näher ausgeführt hat – bei Realkreditverträgen einen Rückgriff auf § 7 HWiG aus. Im übrigen ist für die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HWiG nur dann kein Raum, wenn ein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder bereits erloschen ist. In den Fällen, in denen das Verbraucherkreditgesetz selbst ein Widerrufsrecht gewährt, bleibt es demgegenüber bei der in § 5 Abs. 2 HWiG geregelten Subsidiarität des Haustürwiderrufsgesetzes.
ff) Der richtlinienkonformen Auslegung läßt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, sie begründe in Wahrheit eine horizontale Direktwirkung der Richtlinie, die dieser gerade nicht zukomme (hierzu Piekenbrock/Schulze WM 2002, 521, 527 f.). Der Senat beschränkt sich auf eine richtlinienkonforme Auslegung. Eine solche ist – wie ausgeführt – im Rahmen des vom nationalen Recht eingeräumten Beurteilungsspielraums möglich. Sie gibt dem Verbraucher ein im nationalen Recht in § 1 HWiG a.F. geregeltes Widerrufsrecht.
b) Das Argument, die Richtlinienkonformität des nationalen Rechts lasse sich auf andere Weise besser erreichen, greift ebenfalls nicht durch. Eine in der Literatur (Edelmann BKR 2002, 80, 82; Fischer ZfIR 2002, 19, 22) erörterte Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG dahingehend, daß bei in Haustürsituationen geschlossenen Realkreditverträgen das in § 7 VerbrKrG a.F. geregelte Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei, kommt nicht in Betracht. Sie würde nur zu einem befristeten Widerrufsrecht führen, das nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs den Anforderungen der Haustürgeschäfterichtlinie nicht genügt.
3. Die durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG erfaßt auch den vorliegenden Fall, obwohl die Beklagte zu Recht darauf hinweist, daß nach dem für die Revision zugrunde zu legenden Sachverhalt die – streitige – Haustürsituation nur bei der Vertragsanbahnung, nicht hingegen beim Vertragsabschluß selbst vorlag. Dies hätte zwar zur Folge, daß der Kreditvertrag mit Rücksicht auf die richtlinienüberschießende Umsetzung im deutschen Recht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfüllte, nicht aber den Tatbestand der Haustürgeschäfterichtlinie: Während letztere gemäß Art. 1 Abs. 1, 3 und 4 voraussetzt, daß in der konkreten Haustürsituation der Vertrag geschlossen oder jedenfalls ein entsprechendes Vertragsangebot abgegeben worden sein muß, genügt nach § 1 HWiG a.F. eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluß ursächlich war.
Der gegenüber dem Haustürwiderrufsgesetz engere Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie rechtfertigt eine abweichende Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG nicht. Vielmehr erstreckt sich die richtlinienkonforme Auslegung auch auf solche Verträge, die zwar nicht unmittelbar der Richtlinie unterfallen, die aber nach nationalem Recht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen. Die von einem Teil der Literatur (Habersack WM 2000, 981, 991; Habersack/Mayer WM 2002, 253, 257; Edelmann BKR 2002, 80, 81; Piekenbrock/Schulze WM 2002, 521, 527 f.; Wagner BKR 2002, 194, 195) befürwortete „gespaltene Auslegung”, nach der die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG auf Sachverhalte beschränkt bleiben soll, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, überzeugt nicht (so auch Frisch BKR 2002, 84, 86; Hoffmann ZIP 2002, 145, 149; Kulke ZBB 2002, 33, 44 f.; Staudinger NJW 2002, 653, 655). Sie widerspricht der durch das deutsche Recht geforderten Gleichbehandlung der verschiedenen Haustürsituationen.
Befürworter der „gespaltenen Auslegung” räumen denn auch selbst ein, daß sich eine solche Auslegung deutlich vom Wortlaut des § 1 HWiG a.F. entfernen würde (so Habersack WM 2000, 981, 991). § 1 HWiG a.F. unterscheidet gerade nicht danach, ob der Vertrag in einer Haustürsituation geschlossen oder nur angebahnt wurde (Hoffmann ZIP 2002, 145, 149; Kulke ZBB 2002, 33, 44 f.).
Darüber hinaus widerspricht eine „gespaltene Auslegung” Sinn und Zweck des § 1 HWiG a.F.. Dieser gebietet die Gleichstellung aller Willenserklärungen, die in der Haustürsituation selbst oder aufgrund einer Einflußnahme in der Haustürsituation abgegeben worden sind. Diese gesetzgeberische Zielsetzung würde eine differenzierte Auslegung unterlaufen. Der deutsche Gesetzgeber hat für sie keinen Raum gelassen. Mit seiner Entscheidung, den Begriff des Haustürgeschäfts weiter zu fassen als die Haustürgeschäfterichtlinie dies fordert, hat er vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß er den Kunden in sämtlichen dem § 1 HWiG a.F. unterfallenden Situationen – unabhängig davon, ob sie vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfaßt werden – in gleicher Weise für schutzwürdig hält.
Eine „gespaltene Auslegung” würde zudem zu erheblichen Rechtsanwendungsproblemen führen, da in jedem Einzelfall die genaue Abgrenzung zwischen Haustürgeschäften nach der Haustürgeschäfterichtlinie und sonstigen Haustürgeschäften erforderlich wäre. Abgesehen davon, daß dies in vielen Fällen zu umfangreichen Feststellungen zwingen würde, wäre es auch deshalb bedenklich, weil damit das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 1 HWiG a.F. letztlich von Zufällen des tatsächlichen Geschehensablaufs abhinge.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall die Frage, ob das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur zweiten Vorlagefrage über den Wortlaut des Tenors hinaus im Lichte der Entscheidungsgründe dahingehend zu verstehen ist, daß auch die Befristung der Ausübung des Widerrufsrechts in § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. der Richtlinie widerspricht, und ob auch dem noch durch eine richtlinienkonforme Gesetzesanwendung Rechnung getragen werden könnte. Die Kläger haben ihre Willenserklärungen mit der im Januar 1998 erhobenen Klage vor Ablauf der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. widerrufen, da bislang die beiderseitigen Leistungen aus dem Vertrag noch nicht vollständig erbracht sind.
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Dieses wird, da die Umstände des Vertragsschlusses zwischen den Parteien streitig sind, zunächst Feststellungen zu den Voraussetzungen des Widerrufsrechts gemäß § 1 HWiG a.F. zu treffen haben.
Sollte danach ein Widerrufsrecht zu bejahen sein, wird das Berufungsgericht bei der Prüfung der sich aus § 3 HWiG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) ergebenden Rechtsfolgen des Widerrufs zu berücksichtigen haben, daß § 9 VerbrKrG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung) gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf Realkreditverträge im Sinne dieser Vorschrift nicht anwendbar ist (Edelmann BKR 2002, 80, 83; Felke MDR 2002, 226, 227; Fischer ZfIR 2002, 15, 22 f.). Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Senatsurteile vom 17. September 1996 (insbesondere BGHZ 133, 254, 259 ff. und XI ZR 197/95, WM 1996, 2103) insoweit nicht einschlägig. Diese Urteile betreffen nicht Realkreditverträge, sondern die Finanzierung einer Gesellschaftsbeteiligung, bei der der Darlehens- und der Beteiligungsvertrag aufgrund besonderer Umstände als ein verbundenes Geschäft anzusehen waren. Um ein solches Geschäft handelt es sich hier nicht.
Nach ständiger langjähriger Rechtsprechung mehrerer Senate des Bundesgerichtshofs sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen (BGH, Urteile vom 18. September 1970 – V ZR 174/67, WM 1970, 1362, 1363; vom 12. Juli 1979 – III ZR 18/78, WM 1979, 1054; vom 13. November 1980 – III ZR 96/79, WM 1980, 1446, 1447 f.; vom 9. Oktober 1986 – III ZR 127/85, WM 1986, 1561, 1562; vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 905 und vom 19. Mai 2000 – V ZR 322/98, WM 2000, 1287, 1288). Denn bei einem Immobilienkauf weiß auch der rechtsunkundige und geschäftsunerfahrene Laie, daß Kreditgeber und Immobilienverkäufer in der Regel verschiedene Personen sind. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG bestimmt hat, daß die Regelungen über verbundene Geschäfte (§ 9 VerbrKrG) auf Realkredite im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG keine Anwendung finden.
Der Widerruf des Realkreditvertrages berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung deshalb grundsätzlich nicht. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG ändert daran nichts. Sie hat nicht zur Folge, daß das Verbraucherkreditgesetz für Geschäfte der vorliegenden Art generell nicht zu beachten wäre. Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditgesetz stehen insoweit vielmehr ebenso nebeneinander wie Haustürgeschäfte- und Verbraucherkreditrichtlinie (vgl. Pfeiffer EWiR 2002, 261, 262). Ob der Kaufvertrag aus anderen Gründen unwirksam ist, was für die Rückabwicklung des Realkreditvertrages nach § 3 HWiG von Bedeutung sein kann, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls noch zu prüfen haben.
Unterschriften
Nobbe, Bungeroth, Müller, Joeres, Mayen
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 248 |
BB 2002, 1221 |
DB 2002, 1262 |
NJW 2002, 1881 |
BGHR 2002, 595 |
BGHR |
DWW 2002, 242 |
DWW 2003, 37 |
EBE/BGH 2002, 188 |
DNotI-Report 2002, 101 |
EWiR 2002, 523 |
IBR 2002, 366 |
NZM 2002, 539 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1181 |
WuB 2002, 889 |
ZAP 2002, 692 |
ZAP 2002, 869 |
ZIP 2002, 1075 |
ZMR 2002, 498 |
ZfIR 2002, 434 |
DNotZ 2002, 859 |
EuZW 2003, 448 |
JuS 2002, 1021 |
MDR 2002, 893 |
NJ 2002, 242 |
VersR 2002, 1035 |
VuR 2002, 203 |
VuR 2002, 281 |
AUR 2002, 200 |
BKR 2002, 338 |
NotBZ 2002, 262 |
RNotZ 2002, 281 |
RdW 2002, 463 |
ZBB 2002, 194 |
ZGS 2002, 129 |
ZNotP 2002, 471 |
ZVI 2002, 147 |
FB 2002, 348 |
KammerForum 2002, 298 |
LL 2002, 586 |