Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungspflichten eines Steuerberaters. Beweislast im Haftungsfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Vermögensübertragungen hat ein Steuerberater davon auszugehen, daß der Ratsuchende den Wunsch hat, die steuerliche Belastung möglichst gering zu halten und bereit ist, zum Zweck der Steuerersparnis auch eine komplizierte Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse in Kauf zu nehmen, wobei der Steuerberater entsprechende „Modelle” zu entwerfen hat. Vorschläge dieser Art werden von den Mandanten nicht nur akzeptiert, sondern auch erwartet.
2. Für die Annahme, der klagende Mandant sei nur zur Vornahme „schlichter Rechtsgeschäfte” (hier: Grundstücksübertragung) bereit gewesen und hätte deshalb eine komplizierte Gestaltung der Vermögenszuwendung abgelehnt, wäre der Steuerberater beweispflichtig.
3. Bereits die falsche Beantwortung einer vom Mandanten gestellten Frage stellt eine Vertragsverletzung dar, durch die der Mandant betroffen ist; die Frage, ob durch diese Vertragsverletzung ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist, ist nicht nach § 286, sondern nach § 287 ZPO zu beurteilen.
Normenkette
BGB § 675; ZPO § 287; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 22.04.1986; Aktenzeichen 25 U 4732/85) |
LG München II (Urteil vom 09.07.1985; Aktenzeichen 1 O 4235/83) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenates des Oberlandesgerichts München vom 22. April 1986 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger nehmen den Beklagten, der 1979/1980 ihr Steuerberater war, auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung in Anspruch.
Die Kläger sind Inhaber eines landwirtschaftlichen Anwesens. Um ihrer Tochter H W-D die Mittel zum Erwerb eines Grundstücks und zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit eigener Apotheke in Ingolstadt zuzuwenden, übertrugen sie ihr im Frühjahr 1980 vier zum landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger gehörende Grundstücke. Ein Grundstück verkauften sie ihr zum Preis von 125.000 DM; es wurde von der Tochter anschließend eingetauscht gegen das zu bebauende Grundstück. Drei weitere Grundstücke, und zwar Bauplätze in der Größe zwischen 0,0869 ha und 0,1022 ha, übertrugen sie ihr unentgeltlich mit Notarvertrag vom 20.3.1980 in Anrechnung auf zukünftige erbrechtliche Ansprüche. Die Tochter verkaufte diese Grundstücke einige Monate später und erzielte hierfür 534.000 DM. Der Beklagte war vor dem Grundstücksvertrag vom 20.3.1980 von den Klägern zur steuerlichen Beratung zugezogen worden. Er fertigte auch noch im April 1981 die Steuererklärung der Kläger für 1979 und 1980.
Nach einer Außenprüfung im August 1981 stellte das Finanzamt I hinsichtlich der drei geschenkten Grundstücke die Entnahmegewinne der Kläger (Auflösung stiller Reserven, § 6b Abs. 2 EStG) in Höhe von über 400.000 DM fest. Dies hatte für die Kläger eine einkommensteuerliche Mehrbelastung von über 100.000 DM zur Folge. Dem Rechtsanwalt, der anstelle des Beklagten die steuerliche Beratung der Kläger übernahm, gelang es, eine Änderung der Steuerbescheide zu erreichen. Den Klägern wurde der doppelte Freibetrag von je 60.000 DM gemäß § 14a Abs. 4 EStG zugebilligt. Dadurch verringerte sich der zu versteuernde Entnahmegewinn auf 158.030 DM und die Einkommensteuermehrbelastung auf 54.832 DM. Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger Ersatz dieses Betrages sowie der durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts entstandenen Kosten von 1.177,01 DM; sie begehren ferner die Feststellung, daß der Beklagte den Klägern zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, der ihnen in Zukunft durch den Verlust des Freibetrages aus § 14a EStG entstehen werde.
Die Kläger behaupten, der Beklagte habe ihnen beim Beratungsgespräch gesagt, daß außer einer etwaigen Schenkungssteuer keine weitere Abgabe anfallen würde. Wenn sie, die Kläger, gewußt hätten, daß die Steuermehrbelastung nicht zu vermeiden gewesen wäre, so hätten sie von der Zuwendung an ihre Tochter Abstand genommen. Im übrigen wäre es bei einer sachgerechten Gestaltung der Rechtsgeschäfte möglich gewesen, die Vermögenstransaktion schenkungs- und einkommensteuerfrei zu verwirklichen. Sie werfen dem Beklagten vor, daß er sie über diese Möglichkeiten nicht informiert habe.
Das Landgericht hat den Beklagten zum Ersatz der Rechtsanwaltskosten von 1.177,01 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sowohl die Berufung der Kläger als auch die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger den von den Vorinstanzen abgewiesenen Anspruch von 54.832 DM nebst Zinsen sowie den Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. Das Berufungsgericht sieht die positive Vertragsverletzung, auf die die Klage gestützt wird, in der von den Klägern behaupteten „Schadensverursachung” (BU S. 7 Mitte). Es meint deshalb, daß die Schadensverursachung schlüssig dargelegt und bewiesen werden müsse. Insbesondere hätten die Kläger zu beweisen, daß sie im Falle einer zutreffenden Belehrung die Absicht der Vermögenszuwendung überhaupt aufgegeben oder sie in einer weniger steuerschädlichen Form vorgenommen hätten. Dieser Beweis sei nicht erbracht.
Diese Auffassung ist mit der gesetzlichen Regelung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Der Beklagte schuldete den Klägern eine richtige Beratung. Bereits die falsche Beantwortung der von den Klägern gestellten Frage stellt daher eine Vertragsverletzung dar, durch die die Kläger betroffen worden sind; die Frage, ob durch diese Vertragsverletzung ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist, ist nicht nach § 286, sondern nach § 287 ZPO zu beurteilen (Senatsurteil vom 28. April 1982 – IVa ZR 8/81 – NJW 1983, 998).
2. Die Behauptung der Kläger, sie seien vom Beklagten über die bei der vorgesehenen Transaktion anfallenden Steuern unzutreffend belehrt worden, sie seien insbesondere nicht auf die entstehende zusätzliche Einkommensteuerlast hingewiesen worden, muß in der Revisionsinstanz schon deshalb als richtig unterstellt werden, weil das Berufungsgericht keine gegenteiligen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Es bedarf daher keiner Erörterung der Frage, ob sich aus dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (§ 314 ZPO) entnehmen läßt, daß der Beklagte die Richtigkeit dieser Behauptung in der ersten Instanz zugestanden hat. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob im zweitinstanzlichen Vortrag des Beklagten ein wirksamer (§ 290 ZPO) Widerruf des eventuellen Geständnisses gesehen werden kann. Auf die Frage, welche Partei an sich für den Inhalt des Beratungsgesprächs beweispflichtig ist (vgl. dazu BGHZ 83, 260, 267; BGH Urteil vom 22. Januar 1986 – IVa ZR 105/84 – WM 1986, 486), wird es nur dann ankommen, wenn das Berufungsgericht ein Geständnis verneinen sollte. Andernfalls trifft den Beklagten die Beweislast für die Unrichtigkeit seines Geständnisses (§ 290 ZPO). Daß die von den Klägern behauptete Auskunft des Beklagten unzutreffend war, steht fest; auch der Beklagte bezweifelt nicht, daß die Mehrsteuer von 54.832 DM zu Recht erhoben wurde.
3. Bei der Prüfung der Frage, wie sich die Kläger verhalten hätten, wenn sie richtig belehrt worden wären, muß von dem wirtschaftlichen Zweck ausgegangen werden, den sie mit der Transaktion verfolgten. Ihnen ging es unstreitig darum, ihrer Tochter die Mittel zum Erwerb eines Grundstücks und zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit eigener Apotheke zuzuwenden. Dagegen kam es ihnen nicht darauf an, in welcher Form diese Zuwendung geschah. Sie legten also keinen entscheidenden Wert darauf, der Tochter Grundstücke zu schenken; sie hätten erforderlichenfalls ihr die Geldmittel auch auf andere Weise zur Verfügung gestellt, wenn sich dies ihnen als zweckmäßiger dargestellt hätte. Davon geht auch das Berufungsgericht aus (BU S. 8).
Auf der anderen Seite waren sie daran interessiert, daß bei der Übertragung der Vermögenswerte möglichst wenig Steuern anfielen. Dies Interesse bedarf keiner besonderen Darlegung; es kann, sofern keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, bei jedermann vorausgesetzt werden. Dem kann nicht, wie dies auf Seite 8 des Berufungsurteils geschieht, entgegengehalten werden, die Steuerlast habe, „nur” etwa 1/10 der zugewendeten Vermögenswerte betragen und habe keine die Kläger zur Einschränkung ihrer Lebensführung zwingende Belastung bedeutet. Für den Kläger E W., einen pensionierten Bundesbahnbeamten, dem als Lohnsteuer ein Betrag von 1.412 DM einbehalten worden war und der nach dem ersten Einkommensteuerbescheid zusätzlich 118 DM zu zahlen hatte, war die Nachforderung von 54.832 DM eine spürbare Belastung.
Die Kläger behaupten, daß sie die Schenkung unterlassen hätten, wenn sie über die Höhe der dadurch entstehenden Einkommensteuerbelastung aufgeklärt worden wären. Das Berufungsgericht hält dies nicht für erwiesen. Es verlangt, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, Vollbeweis im Sinne des § 286 ZPO. Dies beruht auf dem fehlerhaften materiellrechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, das, wie bereits oben erwähnt, die dem Beklagten zur Last gelegte positive Vertragsverletzung nicht in der fehlerhaften Beratung, sondern in der „Schadensverursachung” sieht. Es wäre möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen, wenn es, wie es richtig gewesen wäre, § 287 ZPO angewandt hätte. Diese Vorschrift verlangt nicht, wie § 286 ZPO, volle Überzeugung des Tatrichters von der Richtigkeit der vom Beweisführer aufgestellten Behauptung; er kann sich vielmehr mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit begnügen. Steht eine Forderung dem Grunde nach fest, so darf der Richter die Klage nicht mangels Beweises (ganz oder teilweise) abweisen, sondern muß zur Schätzung nach § 287 ZPO greifen (BGHZ 54, 45, 55). Wäre dem Berufungsgericht bewußt gewesen, daß den Klägern die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute kommt, dann hätte es auch die Möglichkeit in Betracht ziehen können und müssen, die Kläger gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO zu vernehmen.
4. Die Klage wäre jedoch auch dann begründet, wenn eine zutreffende Belehrung der Kläger dazu geführt hätte, daß man für die Vermögenszuwendung an die Tochter einen anderen rechtstechnischen Weg gewählt hätte, bei dem keine (oder zumindest eine geringere) zusätzliche Einkommensteuerbelastung eintrat.
a) Das Berufungsgericht meint in Übereinstimmung mit dem Landgericht, daß es einen solchen Weg nicht gegeben habe. Es stützt sich dabei auf das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Ilg. Gegen die Einholung und Verwertung dieses Gutachtens ist grundsätzlich nichts einzuwenden. In Schadensersatzprozessen gegen steuerliche Berater bedienen sich die Tatrichter teilweise der sachverständigen Hilfe eines Steuerrechtsfachmanns. Die hiergegen im Schrifttum erhobenen Bedenken (Tipke NJW 1976, 299; Geimer in Zöller ZPO 15. Aufl. § 293 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 45. Aufl. § 293 Anm. 1) sind im Endergebnis nicht begründet. Das Steuerrecht hat sich heute zu einem Spezialgebiet entwickelt. Die sachgerechte Beurteilung steuerrechtlicher Fragen erfordert nicht nur wirtschaftliches Verständnis, sondern auch Kenntnis der Grundsätze des kaufmännischen Rechnungswesens. Dies kann die Zuziehung eines sachverständigen Beraters rechtfertigen und u. U. sogar als geboten erscheinen lassen. Der Richter ist allerdings verpflichtet, Rechtsausführungen des Sachverständigen im vollen Umfang nachzuprüfen. Sie unterliegen auch, soweit sie revisibles Recht betreffen, uneingeschränkt der revisionsrichterlichen Kontrolle.
b) Das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ilg enthält zumindest in einem Punkt eine rechtsfehlerhafte Überlegung. Er bemerkt, es hänge von der künftigen Wirtschaftsentwicklung und insbesondere auch von der künftigen – nicht voraussehbaren – Steuergesetzgebung ab, welche steuerlichen Folgen eingetreten wären, wenn die Kläger die Grundstücke an ihre Tochter entgeltlich veräußert hätten. Auch wenn der Beklagte den Klägern eine entgeltliche Veräußerung der Grundstücke angeraten hätte und die Kläger eine solche entgeltliche Veräußerung tatsächlich durchgeführt hätten, sei es nicht möglich, den Schaden zu substantiieren, da eine Gegenüberstellung der zunächst eingetretenen Steuerbelastung mit einer in näherer oder weiterer Zukunft eintretenden Steuerbelastung „mangels hellseherischer Fähigkeiten nicht vorgenommen werden könne”. Der Sachverständige verkennt dabei, daß die Höhe des Schadens, der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung entstanden ist, nicht des vollen Beweises bedarf, sondern vom Gericht nach § 287 ZPO festzustellen ist. Welche steuerlichen Folgen eine bestimmte Maßnahme hat, wird sich häufig nicht exakt ermitteln lassen. Der Tatrichter wird dann gezwungen sein, – mit oder ohne sachverständiger Hilfe – eine Prognose über die zukünftige Entwicklung zu erstellen.
Das Landgericht hat sich den fehlerhaften Ausführungen des Sachverständigen ausdrücklich angeschlossen (Seite 13 Abs. 4). Das Berufungsgericht spricht sich zwar nicht so deutlich aus; es bezeichnet jedoch die Auffassung des Landgerichts als „zutreffend” und das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ilg als „überzeugend” (Seite 7 Abs. 3). Die Möglichkeit, daß seine Entscheidung durch den Rechtsfehler des Sachverständigen beeinflußt worden ist, läßt sich demnach nicht ausschließen, zumal es auch in anderer Hinsicht aus fehlerhaften rechtlichen Überlegungen die Anwendung des § 287 ZPO nicht in Betracht gezogen hat.
c) Die Kläger haben in ihrem Schriftsatz vom 4. Februar 1986 mit substantiierten Berechnungen einen Weg aufgezeigt, auf dem sich ihrer Auffassung nach die beabsichtigte Vermögenszuwendung an die Tochter ohne zusätzliche steuerliche Belastung verwirklichen ließ. Mit diesen Ausführungen hätte sich das Berufungsgericht im einzelnen auseinandersetzen müssen. Ob sich die Ausführungen auf Seite 8 des Berufungsurteils auf diesen Schriftsatz beziehen, ist nicht klar ersichtlich; sie lassen auf jeden Fall das erforderliche nähere Eingehen auf die Erwägungen des Anwalts der Kläger vermissen.
An der genannten Stelle führt das Berufungsgericht aus, Geschäftszweck sei die unentgeltliche Zuwendung der von der Tochter der Kläger zum Hausbau benötigten, dem veranschlagten Verkehrswert der drei einzusetzenden Grundstücke entsprechenden Geldmittel. Da die Kläger diese Absicht dem Beklagten mitgeteilt hätten, sei es nicht naheliegend, daß sie allein zur Vermeidung der als Folge anfallenden Einkommensteuerlast diese Zielsetzung aufgegeben hätten. Denn den von ihnen als Möglichkeiten zur Vermeidung der Steuerlast aufgezeigten Wegen sei gemeinsam, daß sie letztlich nicht zur Ausstattung der Tochter mit den veranschlagten Baumitteln geführt hätten. Zudem stellten jene Alternativen rechtlich und wirtschaftlich komplizierte, zusammengesetzte Rechtsgeschäfte dar, mit zusätzlich hohem, größtenteils kreditbedingtem Finanzbedarf der Kläger auf lange Sicht. Auch von wohlhabenden Landwirten sei nicht zu erwarten, daß sie anstelle einer erklärtermaßen beabsichtigten schlichten Schenkung eines Teils ihres Vermögens an einen Abkömmling solchen völlig andersartigen Geschäften zuneigen, nur um der Einkommensteuerlast auszuweichen.
Diese Überlegungen sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft:
aa) Der Wunsch, die steuerliche Belastung möglichst gering zu halten, kann grundsätzlich, wie bereits ausgeführt, bei jedem Steuerpflichtigen vorausgesetzt werden. Wenn den Klägern die steuerlichen Folgen der Vermögensübertragung gleichgültig gewesen wären, wäre es unverständlich, warum sie überhaupt einen steuerlichen Berater zugezogen haben. Die Erfahrung zeigt auch, daß Steuerpflichtige bereit sind, zum Zweck der Steuerersparnis eine komplizierte Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse in Kauf zu nehmen. Ein großer Teil der beruflichen Tätigkeit der steuerlichen Berater besteht darin, entsprechende „Modelle” zu entwerfen. Vorschläge dieser Art werden von den Mandanten nicht nur akzeptiert, sondern auch erwartet. Für die Annahme, die Kläger seien nur zur Vornahme „schlichter” Rechtsgeschäfte bereit gewesen und hätten deshalb eine komplizierte Gestaltung der Vermögenszuwendung abgelehnt, fehlt es an jedem Anhaltspunkt; im übrigen wäre hierfür der Beklagte beweispflichtig (BGHZ 61, 118, 122; 64, 46, 51;94, 356, 363).
bb) Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die von den Klägern aufgezeigten Möglichkeiten letztlich nicht zur Ausstattung der Tochter mit den veranschlagten Baumitteln geführt hätten, trifft jedenfalls für den im Schriftsatz vom 4. Februar 1986 aufgezeigten Weg zum überwiegenden Teil nicht zu. Lediglich hinsichtlich eines Restbetrages wäre u. U. der Einsatz von Barmitteln des Schwiegersohnes oder eine Kreditaufnahme durch die Tochter erforderlich gewesen.
cc) Daß die im genannten Schriftsatz gemachten Vorschläge nur mit Hilfe eines von den Klägern aufzunehmenden Kredits zu verwirklichen gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zumindest hätte dies einer näheren Begründung durch das Berufungsgericht bedurft. Selbst wenn eine Kreditaufnahme unvermeidlich gewesen wäre, hätten die Kläger die Entscheidung bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise davon abhängig gemacht, in welchem Verhältnis die Kreditkosten zu der erwarteten Steuerersparnis standen. Dies hätte vom Tatrichter geprüft werden müssen.
II.
Das Berufungsgericht hält die Besorgnis der Kläger, ihnen könnte durch den Verlust des Freibetrages ein Schaden entstehen, wenn sie ihrer Tochter erneut eine Zuwendung machen, für gegenstandslos, weil die Frist zur Inanspruchnahme des Freibetrages Ende des Jahres 1985 verstrichen sei (BU S. 9, 2. Abs., letzter Satz). Damit wollte es offenbar ein Feststellungsinteresse der Kläger und damit die Zulässigkeit der Feststellungsklage verneinen. Da die Zulässigkeit vor der sachlichen Begründung der Klage zu prüfen ist, ist das Berufungsurteil dahin zu verstehen, daß die Klage, soweit mit ihr die Feststellung einer Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden begehrt wird, als unzulässig abgewiesen werden soll. Auch insoweit hält die Entscheidung einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß die Möglichkeit zur Geltendmachung des Freibetrages gemäß § 14a EStG durch Gesetz vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I, 2436) bis 31. Dezember 1991 verlängert worden ist.
Fundstellen