Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberater: Beendigung des Mandats
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerberater ist verpflichtet, bei Beendigung des Mandats auf die Gefahr des Ablaufs der Frist für eine Antragstellung hinzuweisen, wenn für ihn erkennbar ist, daß der Mandant – unabhängig vom Umfang des Mandats – aufgrund von dessen früherem Verhalten darauf vertraut, daß er (der Berater) den Antrag von sich aus stellen werde.
Normenkette
BGB § 675
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und ihres Streithelfers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 1999 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 290.002,50 DM nebst darauf entfallenden Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich derjenigen der Nebenintervention, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, kaufte durch notariellen Vertrag vom 30. November 1989/22. Januar 1990 von ihrem Gesellschafter und jetzigen Streithelfer ein Grundstück für 20 Mio. DM. Die dadurch anfallende Grunderwerbsteuer setzte das Finanzamt auf 400.000 DM fest. Auf Einspruch, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergesellschaft (im folgenden: Beklagte), im Auftrag der Klägerin einlegte, wurde die Steuerschuld auf 386.870 DM herabgesetzt. Da die Klägerin die ihr im Grundstückskaufvertrag auferlegte Verpflichtung, in Höhe eines Kaufpreisteils von 16 Mio. DM die Befreiung des Verkäufers von der persönlichen Haftung für die dinglichen Belastungen des Grundstücks zu erwirken, nicht erfüllen konnte, machte der Streithelfer vor Eigentumsübertragung von dem ihm für diesen Fall eingeräumten Recht, den Vertrag rückgängig zu machen, Gebrauch. Die Beklagte übersandte ihm am 18. September 1992 den Entwurf eines an das Finanzamt gerichteten, von ihr zu unterzeichnenden Schreibens, mit dem die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG beantragt werden sollte. Die Unterzeichnung und Absendung des Schreibens unterblieb. Mit Schreiben vom 1. September 1993 legte die Beklagte das Mandat nieder.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe nicht, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, durch rechtzeitige Antragstellung bis zum Ablauf der dafür maßgeblichen Frist am 31. Dezember 1994 dafür gesorgt, daß ihr, der Klägerin, nach Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrages die gezahlte Grunderwerbsteuer erstattet wurde. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 386.670 DM nebst 10,25 % Zinsen seit dem 1. März 1993 gerichtete Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 96.667,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. August 1996 stattgegeben und im übrigen die Klageabweisung bestätigt. Dieses Urteil haben sowohl die Klägerin und ihr Streithelfer als auch die Beklagte im Rahmen ihrer jeweiligen Beschwer mit dem Rechtsmittel der Revision angegriffen. Der Senat hat die Revision der Beklagten nicht zur Entscheidung angenommen und die Revision der Klägerin und ihres Streithelfers durch Beschluß als unzulässig verworfen, soweit die Klage wegen eines Teils der Zinsen auf den zuerkannten Betrag abgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Klage in Höhe von 290.002,50 DM nebst darauf entfallenden Zinsen abgewiesen worden ist.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme weder bewiesen, daß die Beklagte von der Klägerin ein umfassendes steuerliches Mandat, noch, daß sie „definitiv” einen Auftrag zur Einreichung eines Antrags auf Rückerstattung der Grunderwerbsteuer erhalten habe. Die Beklagte habe gleichwohl „im Zusammenhang mit dem Grunderwerbsteuervorgang” seit 1992 mit der Klägerin „in vertraglichen Beziehungen” gestanden. Sie habe sich gutachtlich mit der Angelegenheit befaßt, ein Schreiben an das Finanzamt entworfen und angekündigt, die Rückerstattung beantragen zu wollen. Selbst wenn sie hierzu aus ihrer Sicht im November 1992 einer endgültigen Auftragserteilung noch entgegengesehen habe, habe sie die naheliegende Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß die Klägerin im Hinblick auf die soeben erwähnten Umstände auf eine umgehende Vollziehung der bereits vorbereiteten Antragstellung vertrauen könnte. Das habe für sie in Form einer rechtlichen Nebenverpflichtung die Notwendigkeit begründet, auf die unterbliebene Antragstellung hinzuweisen. Die Klägerin treffe jedoch an dem Verlust des Erstattungsanspruchs ein überwiegendes Mitverschulden. Sie habe bis zur Mandatsniederlegung durch die Beklagte nicht „definitiv” gewußt, ob der Antrag tatsächlich beim Finanzamt eingereicht worden sei, und hätte deshalb nachfragen müssen. Die Untätigkeit der Klägerin bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist Ende 1994 sei ein schwerer Verstoß gegen ihre eigenen Obliegenheiten und habe zur Folge, daß sie den ihr entstandenen Schaden zu 3/4 selbst tragen müsse.
II.
Das Berufungsurteil kann mit dieser Begründung, soweit es um die Frage des Mitverschuldens geht, nicht bestehen bleiben.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin der Beklagten zwar nicht „definitiv” den Auftrag erteilt, den von dieser schon vorbereiteten Antrag beim Finanzamt einzureichen. Es bestanden danach aber in der Grunderwerbsteuerangelegenheit von 1992 bis zur Mandatsbeendigung „vertragliche Beziehungen” zwischen den Parteien. Daraus ergab sich, ohne daß es darauf ankommt, ob die Beklagte umfassend mit der Bearbeitung der steuerlichen Angelegenheiten der Klägerin beauftragt war, für die Beklagte die Verpflichtung, die Klägerin über Möglichkeit und Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung der bereits gezahlten Grunderwerbsteuer zu unterrichten. Tatsächlich hat sie das insoweit getan, als sie ein Antragsschreiben an das Finanzamt entwarf und den Entwurf der Klägerin zu Händen des Streithelfers zur Prüfung übersandte. Ein entsprechendes Schreiben konnte so, wie es konzipiert war, ohne ihr, der Beklagten, weiteres Tätigwerden nicht an das Finanzamt abgesandt werden, denn es sah ihre Unterschrift vor. Solange ihr diese nicht abverlangt wurde, konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, daß der Antrag beim Finanzamt gestellt war. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, die Beklagte habe damit rechnen müssen, daß die Klägerin darauf vertraute, daß sie, die Beklagte, nach dem vom Streithelfer erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag die Antragstellung umgehend „vollziehen” werde.
Unter diesen besonderen Umständen war die Beklagte verpflichtet, spätestens bei Beendigung des Mandats die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, daß der Antrag noch nicht beim Finanzamt eingereicht war, und sie außerdem darüber zu unterrichten, bis wann der Antrag gestellt werden mußte. Der Auftraggeber hat zwar keinen Anspruch darauf, bei Mandatsende umfassend über die Sach- und Rechtslage sowie die sich daraus ergebende zweckmäßige künftige Sachbehandlung unterrichtet zu werden (BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 – IX ZR 4/96, WM 1997, 77, 78; v. 28. November 1996 – IX ZR 39/96, WM 1997, 321, 322, jew. für einen Fall der Anwaltshaftung). Der Steuerberater muß aber, ebenso wie der Rechtsanwalt, auf eine ihm erkennbare Gefahr, die dem Auftraggeber bei Beendigung des Mandats insbesondere durch den mit einem Rechtsverlust verbundenen Ablauf einer Frist droht, jedenfalls dann hinweisen, wenn er die Gefahr selbst mitverursacht hat (BGH, Urt. v. 28. November 1996 aaO). Dem steht der hier gegebene Fall gleich, daß der Mandant für den Berater erkennbar aufgrund von dessen früherem Verhalten darauf vertraut, daß dieser das Erforderliche von sich aus veranlassen werde.
Aus diesen Gründen hat der Senat die Revision der Beklagten nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht der Klägerin ein – überwiegendes – Mitverschulden zur Last gelegt hat. Damit hat sie Erfolg.
Grundsätzlich trifft denjenigen, der sich auf die ordnungsgemäße Ausführung des einem Fachmann übertragenen Auftrags verläßt, auch dann kein Mitverschulden, wenn er die Unzulänglichkeit der Auftragserfüllung bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können. Anders ist es nur, wenn er etwas versäumt, was in den Bereich seiner Eigenverantwortung fällt (BGH, Urt. v. 15. April 1997 – IX ZR 70/96, WM 1997, 1396, 1398 m.w.N.; v. 11. Dezember 1997 – IX ZR 278/96, WM 1998, 302, 304). Das Berufungsgericht hat letzteres der Sache nach angenommen, weil es sich nicht feststellen lasse, daß die Klägerin der Beklagten im Rahmen des die Grunderwerbsteuerangelegenheit betreffenden Beratungsauftrags auch die Aufgabe übertragen habe, für sie den Erstattungsantrag unmittelbar beim Finanzamt einzureichen. Blieb die Antragstellung als solche die Sache der Klägerin, dann stellte es in der Tat eine Außerachtlassung ihrer eigenen Obliegenheiten dar, wenn sie sich darum nicht weiter kümmerte. Die Würdigung, der das Berufungsgericht den Tatsachenstoff unterzogen hat, ist jedoch, wie die Revision zutreffend rügt, insoweit verfahrensfehlerhaft.
Das Berufungsgericht hat gemeint, es lasse sich nicht feststellen, daß die Beklagte von der Klägerin beauftragt worden ist, einen Antrag auf Erstattung der Grunderwerbsteuer zu stellen. Demgegenüber rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht bei seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Prozeßstoff nicht ausgeschöpft hat. Das Berufungsgericht hat den Umstand, daß die Beklagte dem Streithelfer am 18. September 1992 den Entwurf eines an das Finanzamt gerichteten Antrags übersandte, noch nicht als ein sicheres Indiz für eine „definitive” Auftragserteilung gewertet. Dabei hat es nicht erkennbar berücksichtigt, daß der Entwurf des Antragsschreibens so abgefaßt war, daß er von der Beklagten als offener Stellvertreterin der Klägerin zu unterzeichnen war. Die sich daraus ergebende Indizwirkung wird nicht ohne weiteres durch den Hinweis der Revisionserwiderung auf die Praxis entkräftet, wonach ein Rechtsmittelanwalt oftmals eine Rechtsmittelbegründung entwirft, ohne bereits einen Auftrag erhalten zu haben, den Entwurf auch einzureichen; denn mit einem solchen Entwurf sollen zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels dargelegt werden, und es bleibt der Entscheidung des Mandanten überlassen, ob er auf der Grundlage des Entwurfs das Rechtsmittelverfahren durchführen will. Eine solche Bedeutung kam dem Antragsschreiben, mit dem ein feststehender Anspruch beim Finanzamt geltend gemacht werden sollte, nicht zu.
Das Berufungsgericht hat dem im September 1992 verfaßten und übersandten Antragsschreiben auch deswegen keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, weil damals die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung noch nicht geschaffen gewesen seien. Das läßt indessen – auch dies beanstandet die Revision zu Recht – eine Auseinandersetzung mit der an anderer Stelle des Berufungsurteils erwähnten Aussage des durch das Landgericht vernommenen Zeugen W. vermissen, wonach bei einer Besprechung im November 1992 Klarheit darüber bestanden habe, daß Dr. P., der damals bei der Beklagten mit der Bearbeitung der Angelegenheit befaßt war, den Antrag beim Finanzamt stellen werde, „sobald die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages vollzogen sein sollte”. Der Beklagten wurde der Rücktritt des Streithelfers vom Vertrag unmittelbar durch den beurkundenden Notar mit Schreiben vom 15. Dezember 1992 mitgeteilt.
III.
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Da der Rechtsstreit, soweit er nicht durch den Beschluß des Senats vom 5.Oktober 2000 erledigt ist, nicht entscheidungsreif ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat in seiner Annahme, daß die Klägerin für die Beklagte erkennbar „auf eine umgehende Vollziehung der bereits vorbereiteten Antragstellung” vertraut haben könnte, keine Grundlage für einen diese Aufgabe umfassenden Vertragsschluß gesehen. Dabei hat es in rechtlicher Hinsicht in Betracht gezogen, daß in einem solchen nach außen zum Ausdruck gekommenen Vertrauen der Klägerin und der widerspruchslosen Hinnahme einer derartigen Erwartung durch die Beklagte ein stillschweigender Vertragsschluß liegen könnte. Wie eine – auch stillschweigende – Willenserklärung zu verstehen ist, richtet sich nach dem objektiven Gehalt, den sie aus der Sicht des Empfängers hat. Das Berufungsgericht wird das Verhalten der Parteien unter diesem Gesichtspunkt bei der erneuten Prüfung der Mitverschuldensfrage zu würdigen und im übrigen, soweit dann noch erforderlich, die Ausführungen zu II zu beachten haben. In seine abschließende tatrichterliche Beurteilung wird es dann auch, falls es darauf noch ankommt, das in der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz von der Klägerin vorgelegte Schreiben vom 13. Juli 1992, dessen Berücksichtigung es bisher unter Verspätungsgesichtspunkten abgelehnt hat, einzubeziehen haben. Die Zulassung dieses Beweismittels kann nach der Zurückverweisung der Sache die Erledigung des Rechtsstreits nicht mehr verzögern. In der neuen Berufungsverhandlung haben die Klägerin und ihr Streithelfer auch Gelegenheit, die in der Revisionsbegründung enthaltenen weiteren Einwendungen gegen die bisherige Beweiswürdigung des Berufungsgerichts vorzutragen.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.01.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547374 |
BFH/NV Beilage 2001, 80 |
DB 2001, 1361 |
DStRE 2001, 612 |
DStZ 2001, 300 |
WPg 2001, 406 |
NJW 2001, 1644 |
Inf 2001, 351 |
BGHR 2001, 282 |
EWiR 2001, 465 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 739 |
ZIP 2001, 425 |
MDR 2001, 539 |
VersR 2002, 501 |
MittRKKöln 2001, 266 |
BFH/NV-Beilage 2001, 80 |
BRAK-Mitt. 2001, 118 |