Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausscheiden eines Gesellschafters aus BGB-Gesellschaft. Auseinandersetzungsbilanz mit negativem anteiligen Verlust. Fälligkeit des Verlustausgleichsanspruchs. Verjährung. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis über mangelnde Deckung der Gesellschaftsschulden
Leitsatz (amtlich)
a) Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert den Eintritt der Fälligkeit des Verlustausgleichsanspruchs der BGB-Gesellschaft nicht.
b) Für die subjektiven Voraussetzungen des Beginns der Verjährungsfrist genügt es, wenn die Gesellschaft - neben der Kenntnis des Ausscheidens - auch ohne exakte Berechnung in einer Auseinandersetzungsbilanz wusste oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte wissen müssen, dass das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht.
Normenkette
BGB § 199 Abs. 1, § 739
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.01.2009; Aktenzeichen 51 S 126/08) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 24.04.2008; Aktenzeichen 223 C 73/07) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 51 des LG Berlin vom 8.1.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagten waren Gesellschafter der Klägerin, eines geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und kündigten den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2000. Nach dem Gesellschaftsvertrag wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgeführt. Zur Auseinandersetzung bestimmt § 17 des Gesellschaftsvertrages u.a.:
"1. Der Geschäftsbesorger hat bei Ausscheiden eines Gesellschafters eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, in der sämtliche Wirtschaftsgüter unter Auflösung stiller Reserven mit ihrem Verkehrswert einzustellen sind. Etwaige immaterielle Werte bleiben außer Betracht. ... 4. Die Auseinandersetzungsbilanz der Gesellschaft wird mit Ablauf von zwei Monaten seit Absendung an den ausscheidenden Gesellschafter verbindlich, es sei denn, der Gesellschafter verlangt binnen der Zweimonatsfrist die Einleitung des unter Abs. 3 vorgeschriebenen Verfahrens mittels eines an den Geschäftsbesorger gerichteten Briefes. 5. Das Auseinandersetzungsguthaben ist in fünf gleichen Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist zwölf Monate nach dem Ausscheiden fällig. ... 7. Bei negativem Abfindungsanspruch ist der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach seinem Ausscheiden den erforderlichen Betrag einzuzahlen. Erst mit erfolgter Zahlung wird der Gesellschafter von den Verbindlichkeiten freigestellt. ..."
Rz. 2
Mit Schreiben vom 27.12.2002 übersandte die Klägerin den Beklagten und anderen ausgeschiedenen Mitgliedern eine Auseinandersetzungsbilanz. Unter dem 21.7.2003 erstellte die Klägerin eine überarbeitete Auseinandersetzungsbilanz, die einen negativen anteiligen Verlust zum Zeitpunkt des Ausscheidens i.H.v. 7.454,34 EUR ergab. Diese Auseinandersetzungsbilanz wurde mit Schreiben vom 25.7.2003 den Beklagten übersandt. Ein ebenfalls ausgeschiedener Gesellschafter legte gegen die Auseinandersetzungsbilanz Widerspruch ein, den er am 6.1.2004 begründete und zusätzlich vermerkte, dass sich auch die Beklagten dem Widerspruch anschließen.
Rz. 3
Am 20.9.2004 beantragte die Klägerin für einen Teilbetrag i.H.v. 1.864,07 EUR aus der Auseinandersetzungsbilanz den Erlass eines Mahnbescheids, der den Beklagten am 5./6.11.2004 zugestellt wurde. Nach Eingang ihres Widerspruchs forderte das Mahngericht die Klägerin am 23.11.2004 zur Einzahlung der weiteren Gerichtskosten auf. Die Klägerin zahlte diese am 2.1.2007 ein.
Rz. 4
Das AG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Anspruch sei nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt. Der Verlustausgleichsanspruch sei mit dem Ausscheiden der Beklagten mit Ablauf des 31.12.2000 fällig geworden, so dass die dreijährige Verjährungsfrist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB am 1.1.2002 begonnen habe. Die Verjährung sei durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, der am 20.9.2004 eingegangen sei, gehemmt worden; die Hemmung habe aber sechs Monate nach der Widerspruchsnachricht des Gerichts mit der Aufforderung zur Einzahlung der weiteren Gerichtskosten am 23.11.2004 geendet. Die Verjährungsfrist sei bei Einzahlung am 2.1.2007 bereits abgelaufen gewesen.
Rz. 7
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Klagabweisung wegen Verjährung nicht. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB i.d.F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB) begann am 1.1.2002 zu laufen, wenn der Anspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden war (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen - vorlagen (BGHZ 171, 1 Tz. 23; Urt. v. 7.3.2007 - VIII ZR 218/06, NJW 2007, 2034 Tz. 15; v. 25.10.2007 - VII ZR 205/06, NJW-RR 2008, 258 Tz. 23; v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89 Tz. 8; v. 3.6.2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Tz. 23).
Rz. 8
1. Der Anspruch ist vor dem 1.1.2002 entstanden. Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann (BGH, Urt. v. 8.7.2008 - XI ZR 230/07, ZIP 2008, 1762 Tz. 17; v. 18.6.2009 - VII ZR 167/08, ZIP 2009, 1821 Tz. 19). Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht - ebenso wie der Verlustausgleichsanspruch - grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Gesellschafters (BGH BGHZ 88, 205, 206; Urt. v. 11.7.1988 - II ZR 281/87, ZIP 1988, 1545; v. 14.7.1997 - II ZR 122/96, ZIP 1997, 1589) und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit Klage durchgesetzt werden (§ 271 Abs. 2 BGB). Da die Beklagten zum 31.12.2000 ausgeschieden sind, wurde der Verlustausgleichsanspruch Anfang Juli 2001 fällig. Die Fälligkeit des Verlustausgleichsanspruchs ist - was das Berufungsgericht übersehen hat - in § 17 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags geregelt. Danach war der Verlustausgleichsanspruch innerhalb von sechs Monaten nach dem Ausscheiden einzuzahlen. Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert den Eintritt der Fälligkeit nicht. Um eine Forderung mit Klage geltend machen zu können, reicht es aus, dass eine Feststellungsklage erhoben werden kann. Der Eintritt der Fälligkeit hängt nicht davon ab, dass eine Forderung auch beziffert werden kann (BGH, Urt. v. 18.6.2009 - VII ZR 167/08, ZIP 2009, 1821 Tz. 19).
Rz. 9
2. Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin vor dem 1.1.2002 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte haben müssen. Für die Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen oder ihre grobfahrlässige Unkenntnis beim Verlustausgleich genügt es nicht, dass sie vom Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft Kenntnis hatte. Anspruchsbegründender Umstand für den Verlustausgleichsanspruch ist neben dem Ausscheiden, dass der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht (§ 739 BGB). Die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die Klägerin auch ohne exakte Berechnung in einer Auseinandersetzungsbilanz wusste oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte wissen müssen, dass das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht. Dazu haben weder das AG noch das LG Feststellungen getroffen noch die Parteien bisher etwas vorgetragen.
Rz. 10
III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO). Für das weitere Verfahren weist er auf Folgendes hin:
Rz. 11
1. Die Kenntnis der Klägerin von einem Verlustausgleichsanspruch ist jedenfalls dann vorhanden, wenn bereits beim Ausscheiden der Beklagten am 31.12.2000 klar war, dass das vorhandene Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Gesellschaftsschulden nicht ausreicht, etwa weil mit den Banken Sanierungsverhandlungen geführt werden mussten.
Rz. 12
2. In Frage kommt auch, dass die Klägerin aufgrund der mit Schreiben vom 27.12.2002 übersandten vorläufigen Bilanz wusste, dass der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht. Feststellungen dazu, ob diese Bilanz bereits einen Verlustausgleichsanspruch auswies, der diese Kenntnis vermitteln konnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die unterbliebenen Feststellungen kann der Senat nach Vorlage eines Entwurfs der Bilanz im Revisionsverfahren nicht nachholen (§ 559 Abs. 1 ZPO).
Rz. 13
3. Schließlich kommt bei verzögerter Bilanzaufstellung durch die Klägerin in Frage, dass sie grob fahrlässig von den anspruchsbegründenden Tatsachen keine Kenntnis hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 2377085 |
DB 2010, 1872 |
DStR 2010, 2145 |