Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung des Grundbuchs
Leitsatz (redaktionell)
Mit dem Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB kann lediglich das Rechtsschutzziel „Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs” verlangt werden. Dieses Rechtsschutzziel ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. Das Rechtsschutzziel „(Rück-) Auflassung an den Berechtigten” kann nicht verlangt werden.
Normenkette
BGB § 894
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 27.01.2005; Aktenzeichen 22 U 128/04) |
LG Münster (Entscheidung vom 16.07.2004) |
Tenor
Auf die Revision des Streithelfers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des OLG Hamm v. 27.1.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Übertragungsvertrag v. 8.11.1987 schenkten die Klägerin und ihr im Jahr 1999 verstorbener Ehemann (Erblasser) eine noch zu vermessende, etwa 1.600 m2 umfassende Teilfläche eines Grundstücks ihren Enkeln, den Beklagten. Da das zu übertragende Teilstück damals nur über das bei den Großeltern verbleibende Teilstück zu erreichen war, sollte nach § 6 Abs. 3 des Vertrages an einer nach Vermessung verbleibenden Restparzelle zu Gunsten des hinteren Grundstücks ein Wegerecht bestellt werden. Vor diesem Hintergrund entstanden nach Vermessung das Flurstück 239, das bei den Großeltern verblieb, das den Beklagten zu übertragende Flurstück 241 sowie das 210 m2 große Flurstück 240, das mit dem Wegerecht belastet werden sollte. Zur Umsetzung dieser Vereinbarung hatten die Vertragsparteien eine Angestellte des dem Rechtstreit als Streithelfer der Beklagten beigetretenen Notars bevollmächtigt, die Auflassung zu erklären und die zur Berichtigung, Ergänzung, Abänderung und zum Vollzug des Vertrags notwendigen oder dienlichen Erklärungen abzugeben. Auf diesem Wege wurde den Beklagten am 15.5.1990 das Flurstück 241 aufgelassen.
In einem an den Streithelfer gerichteten und nur von der Klägerin unterzeichneten Schreiben v. 27.5.1990 heißt es: "... hiermit bestätigen wir, dass der ... eingemessene Weg, Parzelle 240, mit dem vertraglich vereinbarten Grundstück, Parzelle 241, unseren Enkeln ... übertragen werden soll". Über der Unterschrift stehen maschinenschriftlich die Namen beider Großeltern. Auf Grund dieses Schreibens beurkundete der Streithelfer am 28.5.1990 eine "Identitätserklärung und Auflassung", in der die Notariatsangestellte die Auflassung auch des Flurstücks 240 (im Folgenden "Weggrundstück") an die Beklagten erklärte.
Am 13.6.1990 wurden die Beklagten als Eigentümer beider Flurstücke in das Grundbuch eingetragen.
Die Kläger - beide Erben des Erblassers - verlangen die Auflassung des Weggrundstücks an sich und machen hierzu geltend, die Beklagten seien mangels Auflassung nicht Eigentümer des Grundstücks geworden. Für den Fall ihrer Verurteilung haben die Beklagten Widerklage mit dem Antrag erhoben, aus den Flurstücken 239 und 240 eine Teilfläche von 325 m2 auszumessen und auf sie aufzulassen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das OLG der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Streithelfer eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach § 894 BGB könne der Eigentümer nicht nur Zustimmung zur Grundbuchberichtigung verlangen, sondern auch Rückauflassung. Ein solcher Anspruch bestehe hier. Die Beklagten seien nicht Eigentümer des Weggrundstücks geworden. Auf Grund der in dem Vertrag v. 8.11.1987 enthaltenen Vollmachten sei die Notariatsangestellte nicht zur Auflassung dieses Flurstücks bevollmächtigt gewesen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für eine spätere Genehmigung der vollmachtlos erklärten Auflassung durch die Großeltern vor. Auf Grund des Schreibens v. 27.5.1990 lasse sich nicht feststellen, dass beide Großeltern eine Änderung des Übertragungsvertrags gewollt hätten, weil das Schreiben nur die Unterschrift der Klägerin trage.
II.
1. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Unzutreffend ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach § 894 BGB dem nicht im Grundbuch eingetragenen Eigentümer auch die Möglichkeit bieten soll, (Rück-)Auflassung zu verlangen. Zwar kann der Anspruch auf Berichtigung in der Form eines Auflassungsantrags geltend gemacht werden, wenn die gebotene Auslegung das richtige Rechtsschutzziel erkennen lässt (BGH, Urt. v. 20.9.2002 - V ZR 198/01, MDR 2003, 260 = BGHReport 2003, 57 = VIZ 2003, 36 [37]; RGZ 139, 353 [355 f.]; Wacke in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 894 Rz. 26). Daraus folgt jedoch nicht, dass das Gericht den Beklagten zur Abgabe einer Auflassungserklärung verurteilen dürfte, sondern lediglich, dass der Klageantrag als Bewilligungsbegehren i.S.v. § 894 BGB zu deuten ist, sofern das Rechtschutzziel "Grundbuchberichtigung" als Ergebnis einer möglichen Auslegung feststeht.
Für die von dem Berufungsgericht zu Grunde gelegte und auch sonst in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung (BayObLG v. 19.9.2001 - 2Z BR 101/01, BayObLGReport 2002, 123 = BayObLGReport 2002, 77 = Rpfleger 2002, 19 [20]; Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 894 Rz. 8; wohl auch Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 11. Aufl., § 894 Rz. 30; RGRK-BGB/Augustin, 12. Aufl., § 894 Rz. 33; a.A. RG JW 1902 Beil. S. 202; Staudinger/Gursky, BGB, 2002, § 894 Rz. 117; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 894 Rz. 21) bietet das Gesetz keinen Anhalt. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut kann der Rechtsinhaber lediglich "Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs" verlangen, mithin die Abgabe der Berichtigungsbewilligung in der nach § 29 GBO erforderlichen Form (Staudinger/Gursky, BGB, 2002, § 894 Rz. 90). § 894 BGB bezweckt die Auflösung des Widerspruchs zwischen dem Inhalt des Grundbuchs und der wirklichen Rechtslage durch Herbeiführung einer dem materiellen Recht entsprechenden Grundbucheintragung (vgl. Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. III, S. 234 f.). Folgerichtig ist die Berichtigungsbewilligung als reine Verfahrenshandlung lediglich darauf gerichtet, einen dem materiellen Recht entsprechenden Grundbuchstand herzustellen (vgl. nur Staudinger/Gursky, BGB, 2002, § 894 Rz. 90 f., m.w.N.). Demgegenüber zielt die Auflassungserklärung als materielles Rechtsgeschäft auf eine Änderung der bestehenden dinglichen Rechtslage, die jedoch in Fällen der vorliegenden Art gar nicht eintreten kann, weil der Anspruchsinhaber bereits Eigentümer ist. Wissen dies die die Auflassung Erklärenden, ist sogar zweifelhaft, ob überhaupt eine wirksame Auflassung vorliegt, auf Grund deren das Grundbuchamt nach dem Legalitätsprinzip die Eintragung des materiell Berechtigten vornehmen darf (kritisch auch Staudinger/Gursky, BGB, 2002, § 894 Rz. 93). Fehlt den Parteien der rechtliche Wille, den nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Rechtserfolg herbeizuführen, weil sie wissen, dass der Rechtserfolg nicht erreicht werden kann, liegt schon der Tatbestand einer Willenserklärung nicht vor (BGHZ 45, 376 [379]).
b) Davon abgesehen, hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen des § 894 BGB zu Unrecht bejaht. Rechtsfehlerhaft ist es davon ausgegangen, dass die Kläger Eigentümer des Weggrundstücks sind.
Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht im Kontext der Frage, ob die Notariatsangestellte auch zur Erklärung der Auflassung für das Weggrundstück bevollmächtigt war, eine Auslegung des Schreibens v. 27.5.1990 unterlassen und sich damit den Blick darauf verstellt hat, dass dieses bei verständiger Würdigung nicht die Erklärung eines Schenkungsversprechens beider Großeltern enthält - von einer solchen Erklärung geht das Berufungsgericht aus -, sondern den Auftrag an den Notar, die unentgeltliche Übertragung des Eigentums auch an dem Weggrundstück auf die Enkel zu bewerkstelligen. Da beide Großeltern wussten, dass die Notariatsangestellte auf Grund der erteilten Vollmachten die Auflassung des Flurstücks 241 erklären würde, lässt sich die Formulierung, das Weggrundstück solle "mit dem vertraglich vereinbarten Grundstück ... unseren Enkeln ... übertragen werden", nur so verstehen, dass eine Übertragung des Eigentums an dem Weggrundstück mit derselben Verfahrensweise erreicht werden sollte. In diesem Sinn hat denn auch der Streithelfer das Schreiben der Großeltern aufgefasst, was sich schon daraus ergibt, dass er unmittelbar nach Erhalt des Schreibens die Auflassung des Grundstücks veranlasst hat. Da die Bevollmächtigung zur Erklärung der Auflassung keiner besonderen Form bedarf (BGHZ 29, 366 [368]) und davon auszugehen ist, dass auch die Beklagten das Handeln der Notarangestellten genehmigt haben, ist für das Revisionsverfahren von einer wirksamen Auflassung und damit - wegen der zudem erfolgten Grundbucheintragung - von einem Eigentumserwerb der Beklagten auszugehen.
Dem steht nicht entgegen, dass das Schreiben v. 27.5.1990 nicht von beiden Großeltern, sondern nur von der Klägerin unterzeichnet wurde. Für die im Grundbuch eingetragenen Beklagten streitet die Eigentumsvermutung des § 891 BGB. Das hat zur Folge, dass die Kläger jede von den Beklagten vorgetragene Erwerbsmöglichkeit widerlegen müssen (BGH v. 13.11.1998 - V ZR 29/98, MDR 1999, 218 = NJW-RR 1999, 376 [377]), und zwar auch die Möglichkeit eines Rechtserwerbs durch Bevollmächtigung oder Genehmigung (BGH, Urt. v. 23.3.1979 - V ZR 163/75, NJW 1979, 1656). Es ist deshalb Sache der Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass der Vortrag der Beklagten, der Großvater sei mit dem Schreiben einverstanden gewesen, unzutreffend ist. Das schlichte Bestreiten der Kläger genügt nicht.
2. Das angefochtene Urteil ist nicht im Ergebnis aus anderen Gründen richtig.
a) Da die Voraussetzungen des § 894 BGB nach dem bisherigen Vorbringen der Kläger nicht vorliegen, kann die Frage, ob der Klageantrag bei verständiger Würdigung zumindest hilfsweise als Bewilligungsantrag auszulegen ist, für das Revisionsverfahren offen bleiben.
b) Das Klagebegehren ist auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gerechtfertigt, weil die Beklagten das Eigentum an dem Weggrundstück auf Grund der von dem Berufungsgericht unterstellten Schenkung beider Großeltern mit Rechtsgrund erworben haben. Rechtsgrund ist die Abrede der Unentgeltlichkeit (§ 516 Abs. 1 BGB). Für einen vorausgehenden Schenkungsverpflichtungsvertrag, der der notariellen Beurkundung bedurft hätte (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB), ergeben sich keine Anhaltspunkte. Im Übrigen wäre ein etwaiger Formmangel durch Auflassung und Grundbucheintragung geheilt (§ 313 S. 2 BGB a.F.).
3. Nach allem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil der Rechtstreit noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 ZPO). Die aus § 891 BGB folgende Darlegungs- und Beweislast hat in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt; folgerichtig ist den Klägern kein diesbezüglicher Hinweis erteilt worden (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die Zurückverweisung eröffnet den Klägern die Möglichkeit, das von den Beklagten behauptete Einverständnis des Großvaters auszuräumen. Sie bietet zudem Gelegenheit, bei der Antragstellung der Rechtsauffassung des Senats zu § 894 BGB Rechnung zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1454316 |
BGHR 2006, 147 |