Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkauf einers Grundstücks, welches einer Erbengemeinschaft gehört. Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrag
Leitsatz (amtlich)
a) Der Käufer, der wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages Ersatz von Aufwendungen verlangt, hat deren Entstehen unabhängig davon zu beweisen, ob er sie zur Erlangung der Gegenleistung oder im Vertrauen auf den Bestand des Kaufs für ein weiteres Geschäft erbracht hat; in beiden Fällen kommt ihm die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute.
b) Erwiesene Aufwendungen sind zu ersetzen, wenn die Vermutung, daß sie durch die Gegenleistung des Verkäufers aufgewogen worden wären („Rentabilitätsvermutung”), nicht ausgeräumt ist, oder wenn nach § 252 Satz 2 BGB mit Wahrscheinlichkeit aus einem weiteren Geschäft ein Vermögenszufluß zu erwarten gewesen wäre, der sie und die weiter zur Erzielung eines Gewinnes erforderlichen Aufwendungen aufgewogen hätte; daß ein Gewinn erzielt worden wäre, ist nicht Voraussetzung des Anspruchs (im Anschluß an BGHZ 114, 193).
c) Der Käufer, der wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages Ersatz des nach den besonderen Umständen zu erwartenden Gewinnes verlangt, hat die hierfür bereits erbrachten Aufwendungen sowie solche Aufwendungen gewinnmindernd in Rechnung zu stellen, die nach § 252 Satz 2 BGB mit Wahrscheinlichkeit zusätzlich zu erwarten gewesen wären; wäre unter Berücksichtigung aller Aufwendungen ein Gewinn erzielt worden, so kann er neben diesem auch den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er tatsächlich erbracht hat.
d) Eine Erbengemeinschaft kann dem Käufer eines Nachlaßgrundstücks die Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch dann nur gemeinsam setzen, wenn sie den Kaufpreis unter sich bereits in der Weise aufgeteilt hat, daß jedem ihrer Mitglieder eine eigenständige Forderung gegen den Verkäufer zusteht.
e) Die von einem Miterben dem Käufer gesetzte Nachfrist zur Zahlung des für ein Nachlaßgrundstück vereinbarten Kaufpreises kann von den übrigen Erben jedenfalls dann nicht wirksam genehmigt werden, wenn die Frist bereits verstrichen ist.
Normenkette
BGB §§ 249, 252, 326, 2038, 2041
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Aktenzeichen 8 U 1211/96) |
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2 O 8393/95) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels, die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. November 1996 aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Februar 1996 abgeändert. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Wegen der Höhe des geltend gemachten Anspruchs wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 verkauften die Beklagten der Klägerin das ihnen in Erbengemeinschaft gehörende Grundstück R. straße in N.. Der am 11. Januar 1995 zur Zahlung fällige Kaufpreis von 300.000 DM war zu einem Teilbetrag von 150.000 DM an den Beklagten zu 1, zu Teilbeträgen von je 75.000 DM an die Beklagten zu 2 und 3 zu zahlen. Die Klägerin beabsichtigte, auf dem Grundstück acht Eigentumswohnungen zu errichten, von denen die Beklagten zu 2 und 3 mit notariellem Vertrag vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 jeweils eine kauften. Der Klägerin war gestattet, auf den Kaufpreis von je 138.900 DM gegen die Stellung von Bankbürgschaften Teilzahlungen zu verlangen. Nach vorangegangener Mahnung forderte der Beklagte zu 1 die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 1995 auf, den auf ihn entfallenden Kaufpreisteil von 150.000 DM bis 24. Februar 1995 zu entrichten, anderenfalls er die Erfüllung des Kaufs durch die Klägerin ablehne. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 8. März 1995 erklärte er, wegen Ausbleibens der Zahlung vom Kaufvertrag zurückzutreten, forderte die Klägerin zur Erstattung von Anwaltskosten als vorläufigem Schaden auf und behielt sich die Geltendmachung weiteren Schadens vor. Die Klägerin stellte den Beklagten zu 2 und 3 am 25. April 1995 je eine Bankbürgschaft über 75.000 DM zu. Am 27. April 1995 ging bei ihr ein Schreiben der Beklagten zu 2 und 3 vom 19. April 1995 ein, in dem diese erklärten, sich an den Rücktritt des Beklagten zu 1 „anzuhängen” und vom Kauf der Eigentumswohnungen zurückzutreten. Die Klägerin wies mit Anwaltsschreiben vom folgenden Tage sämtliche Rücktrittserklärungen zurück und teilte mit, die dem Beklagten zu 1 zustehende Summe liege bei der Bank bereit, ihrer Auszahlung stehe nur dessen Weigerung entgegen, den Vertrag zu erfüllen.
Die Klägerin hat die Beklagten wegen Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrags vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 auf Schadensersatz in Höhe von 159.522,47 DM in Anspruch genommen. Dem Anspruch hat sie zunächst Aufwendungen in Höhe von 109.522,47 DM und einen Teilbetrag von 50.000 DM aus einem entgangenen Gewinn von insgesamt 478.000 DM zugrunde gelegt. Später hat sie unter Austausch einzelner Posten ihre Aufwendungen mit 140.764,57 DM beziffert, an der Höhe des eingeklagten Betrags aber festgehalten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 18.757,90 DM stattgegeben.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Teil der Klage weiter. Die Anschlußrevision der Beklagten erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, mit den Erklärungen vom 8. März und 19. April 1995 hätten die Beklagten die endgültige und ernstliche Weigerung, den Kaufvertrag zu erfüllen, zum Ausdruck gebracht. Ein Rücktrittsrecht habe den Beklagten nicht zugestanden. Zum einen sei die Klägerin nur hinsichtlich der dem Beklagten zu 1 geschuldeten Zahlung in Verzug geraten, zum anderen habe der Beklagte zu 1 die Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises von 300.000 DM nicht wirksam gesetzt. Eine Genehmigung seiner Erklärung vom 8. März 1995 durch die Beklagten zu 2 und 3 sei rechtlich nicht möglich gewesen. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichterfüllung erfasse die Aufwendungen nicht, denn sie wären auch bei Durchführung des Kaufvertrags entstanden. Der entgangene Gewinn in Höhe von 478.000 DM abzüglich eines Postens der Aufwendungen, nämlich der Vergütung für Eigenleistungen der Klägerin bei der Verwaltung und Projektsteuerung, sei schlüssig dargelegt und von den Beklagten nicht wirksam bestritten. Da die Klägerin indessen die Aufwendungen, deren Ersatz sie verlange, bei ungeändertem Klageantrag auf 140.764,67 DM erhöht habe, entfalle auf den entgangenen Gewinn nur noch ein Rest von 18.757,90 DM.
Dies hält den Angriffen der Revision und der Anschlußrevision nicht in allen Punkten stand.
II.
Ohne Erfolg greift die Anschlußrevision den Ausgangspunkt des Berufungsurteils an, wonach die Klägerin berechtigt ist, Ersatz des wegen der Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrages vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 entstandenen Schadens zu verlangen.
1. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Klägerin eine Nachfrist zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises nicht wirksam gesetzt wurde. Der Anspruch der Klägerin auf die Gegenleistung der Beklagten, die Übergabe und die Übereignung des Kaufgrundstücks, ist damit nicht nach § 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB ausgeschlossen (zum Erlöschen der Gegenleistungspflicht vgl. Senat, Urt. v. 25. Juni 1999, V ZR 190/98, WM 1999, 1726). Ob es darüber hinaus bereits an der Voraussetzung der Nachfristsetzung, dem Schuldnerverzug der Klägerin, fehlte, ob insbesondere die Anmahnung des ihm geschuldeten Kaufpreisteiles durch den Beklagten zu 1 zu einer Nachfristsetzung auch zugunsten der weiteren Beklagten berechtigte (§ 2038 BGB), braucht nicht entschieden zu werden.
a) Beim Verkauf eines Nachlaßgrundstücks entsteht der Kaufpreisanspruch nach § 2041 BGB zugunsten der Erbengemeinschaft. Über ihn können die Erben nur gemeinschaftlich verfügen, § 2040 Abs. 1 BGB. Als Verfügung in diesem Sinne ist auch das Setzen einer Nachfrist zur Erfüllung des Kaufpreisanspruchs nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB zu behandeln, denn ihm kommt, jedenfalls nach fruchtlosem Ablauf der Frist, Gestaltungswirkung zu. Der Beklagte zu 1 konnte mithin, abgesehen davon, daß sein Schreiben vom 15. Februar 1995 nur den ihm gebührenden Kaufpreisteil zum Gegenstand hatte, der Klägerin alleine nicht in wirksamer Weise eine Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises setzen.
Anderes könnte auch dann nicht gelten, wenn die Bestimmung der Empfänger der einzelnen Kaufpreisteile im Vertrag dahin zu verstehen wäre, daß die Beklagten in (Teil-)Auseinandersetzung des Nachlasses, sei es durch Abtretung von Teilrechten an die einzelnen Gemeinschafter, sei es durch Vertrag zugunsten des jeweiligen Gemeinschafters als Drittem (§§ 398, 328 BGB; RGZ 151, 304, 312), je ein selbständiges Forderungsrecht an den ihnen zugeteilten Kaufpreisteilen erworben hätten. Denn Gegenstand der bei fruchtlosem Fristablauf eintretenden Gestaltungswirkung ist die von der Gemeinschaft geschuldete und nur von ihr gemeinschaftlich erfüllbare Verkäuferpflicht (§§ 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs., 433 Abs. 2, 2038, 2040 Abs. 1 BGB).
b) Die Erklärung vom 15. Februar 1995 konnte auch nicht dadurch als Nachfristsetzung wirksam werden, daß die Beklagten zu 2 und 3 sich dem am 8. März 1995 erklärten „Rücktritt” des Beklagten zu 1 anschlossen. Bei Gestaltungserklärungen kann eine Genehmigung die in §§ 185 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB an sich vorgesehene Rückwirkung nicht entfalten (für die Nachfristsetzung nach § 326 BGB: BGHZ 114, 360, 366). Da der von den Beklagten zu 2 und 3 erklärte Anschluß an den „Rücktritt” am 19. April 1995, mithin nach Ablauf der bis 24. Februar 1995 gesetzten Nachfrist, erfolgt war, ging er, wenn man in ihm zugleich den Ausdruck der Genehmigung der Fristsetzung sehen wollte, ins Leere.
2. Rechtlich zutreffend geht das Berufungsgericht weiterhin davon aus, daß die Beklagten mit den „Rücktrittserklärungen” vom 8. März und 19. April 1995 keinen Zweifel daran gelassen haben, zur Vertragserfüllung nicht mehr bereit zu sein. Die Endgültigkeit der Erfüllungsverweigerung haben sie durch weitere Erklärungen bestätigt, nämlich die Anwaltschreiben des Beklagten zu 1 vom 4. und 24. Mai 1995 und das gemeinschaftliche Anwaltschreiben der Beklagten vom 20. Juni 1995. Als Folge der Weigerung der Beklagten, ihre Hauptpflicht aus dem Grundstückskaufvertrag vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 zu erfüllen, erwuchs der Klägerin der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, den sie ihrer Klage zugrunde legt.
a) Eine Erfüllungsverweigerung scheidet nicht deshalb aus, weil die Auflassung des Grundstücks bereits bei der Annahme des Angebots der Beklagten am 9. Dezember 1994 beurkundet worden war. Zur Leistungspflicht des Verkäufers nach § 433 Abs. 2 BGB zählt es, sämtliche Handlungen vorzunehmen, die zum Eigentumsübergang an der Kaufsache erforderlich sind. Ob dazu in jedem Falle auch das Stellen des Vollzugsantrags an das Grundbuchamt gehört, oder ob der Käufer, wenn dieser die Vollzugskosten zu tragen hat (vgl. § 449 BGB), darauf verwiesen werden kann, auch nach außen die Kostenschuldnerschaft zu übernehmen, indem er von seinem Antragsrecht nach § 13 GBO Gebrauch macht (vgl. § 2 Nr. 1 KostO), braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hatte sich, nachdem sie auf ihr Recht, vollständige, die Auflassung enthaltende, Abschriften bzw. Ausfertigungen der Kaufurkunden zu verlangen, wirksam verzichtet hatte (§ 51 Abs. 2 BeurkG), der Möglichkeit begeben, selbst den Eigentumswechsel herbeizuführen. Dies war nach den Vereinbarungen der Parteien dem Notar vorbehalten, der hierzu nur nach dem Empfang des Kaufpreises, den die Beklagten mit der Loslösung vom Vertrag verweigert hatten, berechtigt gewesen wäre.
b) Dem Recht der Klägerin, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, steht es auch nicht entgegen, daß diese zunächst wegen des dem Beklagten zu 1 geschuldeten Kaufpreisteils in Verzug geraten war. Der Schuldnerverzug hatte durch Eintritt des Annahmeverzugs des Gläubigers sein Ende gefunden. Der Beklagte zu 1 ist durch das wörtliche Angebot vom 28. April 1995 gemäß § 295 BGB in Gläubigerverzug geraten, da er mit der Lossagung vom Vertrag seine Weigerung zum Ausdruck gebracht hatte, den Kaufpreis anzunehmen.
c) Zu Recht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, daß die Abrede, den Eigentumswechsel erst nach Zahlung des Kaufpreises zu vollziehen, dem Anspruch nicht entgegensteht. Der Schadensersatzanspruch wegen Erfüllungsverweigerung setzt nicht voraus, daß der verweigerten Forderung keine Einwendung gegenübersteht. Entscheidend ist vielmehr, daß der Schuldner nicht das Gegenrecht in vertragskonformer Weise geltend macht, sondern sich vertragswidrig (BGH, Urt. v. 18. Dezember 1985, VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842, 843: Positive Forderungsverletzung) von seiner Leistungspflicht überhaupt lossagt. Ist der Vertragszweck hierdurch gefährdet und dem Gläubiger ein Festhalten an dem Vereinbarten deshalb nicht zuzumuten, ist er berechtigt, Schadensersatz zu verlangen. Die bestehende Einwendung vorweg auszuräumen, ist ihm wegen offensichtlicher Zwecklosigkeit nicht anzusinnen. So liegen die Dinge hier.
III.
Dagegen haben die gegen die Schadensberechnung gerichteten beiderseitigen Rechtsmittel Erfolg.
1. Die Meinung des Berufungsgerichts, die Aufwendungen der Klägerin könnten nicht Gegenstand des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung sein, verkennt die Auswirkungen der Gegenleistung der Beklagten auf die Vermögenslage, in der sich die Klägerin bei Durchführung des Vertrages befunden hätte. Die Aufwendungen wären zwar auch in diesem Falle erbracht worden, ihnen hätte aber die Leistung der Beklagten, die Einräumung von Eigentum und Besitz an dem Kaufgrundstück, als Äquivalent gegenübergestanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 71, 234, 238; 99, 182, 197; 114, 193, 197; zuletzt Urt. v. 26. März 1999, V ZR 364/97, ZIP 1999, 845 und vom 24. September 1999, V ZR 71/99, z. Veröff. bestimmt) besteht eine Vermutung dafür, daß alle zur Erlangung der Gegenleistung erbrachten Aufwendungen sowie, im Falle des Kaufs, die mit dem Besitz und dem Eigentum der Kaufsache notwendig verbundenen Kosten (z.B. Erschließungs- und Vermessungskosten, Grundsteuer, Brandversicherungssumme) durch den erwarteten Vorteil aufgewogen worden wären („Rentabilitätsvermutung”). Im Streitfalle gilt dies etwa für die Notar- und Gerichtsgebühren, soweit sie für die Beurkundung des Grundstückskaufvertrags vom 19. November 1993 / 9. Dezember 1994 (Beurkundung der Angebots- und Annahmeverhandlung), dessen Vollzug (Auflassungsvormerkung) und die Bescheinigung über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts angefallen sind. Die Notariatsgebühren für die Bestellung von Grundschulden in H. und P. zählen hierzu nur insoweit, als die Finanzierung der Aufbringung des Kaufpreises diente. Nicht von der Rentabilitätsvermutung erfaßt sind dagegen die Aufwendungen, die die Klägerin als Bauträgerin für das auf dem gekauften Grundstück geplante Bauvorhaben erbracht hat. Die Rentabilitätsvermutung beschränkt sich auf das Geschäft, dessen Erfüllung der Ersatzpflichtige schuldig geblieben ist. Eine allgemeine Vermutung, die Beteiligung am Wirtschaftsverkehr werde sich rentieren, mithin Aufwendungen der Klägerin für das Folgegeschäft, die Tätigkeit als Bauträgerin, durch dessen Ergebnis ausgeglichen werden, besteht nicht (BGHZ 114, 193, 200). Wohl aber kommt dem Gläubiger in diesem Bereich die Darlegungs- und Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zugute. Den Aufwendungen stehen die Vermögenszuflüsse gegenüber, die von dem Gläubiger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnten (BGHZ 114, 193, 202; Urt. v. 24. September 1999 aaO). Hätten sie zugereicht, die Aufwendungen, deren Ersatz verlangt wird, sowie weitere Aufwendungen, die zur Erzielung eines Gewinns mit Wahrscheinlichkeit hätten erbracht werden müssen, abzudecken, ist das Ersatzbegehren gerechtfertigt; daß darüber hinaus ein Gewinn zu erwarten gewesen wäre, ist nicht erforderlich.
Danach liegt im Streitfalle ein Großteil der geltend gemachten Aufwendungen außerhalb der Rentabilitätsvermutung, insbesondere gilt dies für die Kosten der Baugenehmigung, der Objektvermarktung, der Begründung und des Verkaufs von Wohnungseigentum und der Bauplanung.
2. Rechtlich keinen Bestand hat auch die Auslegung des Klagevortrags, die Klägerin habe den ihr nach Auffassung des Berufungsgerichts allein zustehenden Anspruch auf entgangenen Gewinn lediglich noch in Höhe eines Teilbetrags von 18.757,90 DM geltend gemacht. Eine solche Erklärung ist von der Klägerin nicht abgegeben worden und liegt bei einer, das Parteiinteresse berücksichtigenden Auslegung der Schadensberechnung (zur Auslegung prozessualer Willenserklärungen vgl. Senat, Urt. v. 16. März 1973, V ZR 38/71, WM 1973, 574, 575; BGH, Beschl. v. 8. Juli 1981, IVb ZB 660/80, NJW 1981, 2816, 2817), fern. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht aus Gründen der Sachlogik geboten, das Vorbringen so zu verstehen, daß die Klägerin ausschließlich Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt. Der Gläubiger, der entgangenen Gewinn geltend macht, hat zwar die zu seiner Erzielung erforderlichen Aufwendungen, seien sie tatsächlich erfolgt, seien sie hypothetischer Art, in Rechnung zu stellen. In beiden Fällen mindern sie den rechnerischen Saldo und damit den zu ersetzenden Gewinn. Sind die Aufwendungen dem Gläubiger aber tatsächlich entstanden, kann er ihren Ersatz zusätzlich verlangen. Sonst ginge die Differenzrechnung (§ 249 Satz 1 BGB) nicht auf. Übersehen hat das Berufungsgericht indessen die nach dem Vorbringen in der Tatsacheninstanz naheliegende und interessengerechte Möglichkeit, daß die Klägerin die über den ursprünglichen Betrag von 109.522,47 DM hinausgehenden Aufwendungen hilfsweise für den Fall geltend macht, daß vorangehende Schadenspositionen entfallen (hilfsweise Erweiterung des Klagegrundes). In diesem Falle ändert sich an der Aufteilung des Schadens in Aufwendungen in Höhe von 109.522,47 DM und entgangenen Gewinn von weiteren 50.000 DM nichts.
3. Das Urteil hat außerdem insoweit keinen Bestand, als es der Klägerin den Restbetrag von 18.757,90 DM an entgangenem Gewinn zugesprochen hat. Die Klägerin hat den entgangenen Gewinn nicht nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, sondern konkret anhand der besonderen Umstände berechnet. Die hierzu getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, die die Grundlage für das nach § 252 Satz 2 zu bildende Wahrscheinlichkeitsurteil sind, hat sie darzulegen und im Streitfalle nachzuweisen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987, IX ZR 117/86, BGHR BGB § 252 Satz 2 Ruhegeldzusage 1). Hierbei kommt ihr allerdings die verfahrensrechtliche Beweiserleichterung des § 287 ZPO zustatten. Sind, wie im Streitfalle, in dem das Bauvorhaben in der Planungsphase steckenblieb, die zur Erwirtschaftung des Gewinns erforderlichen Vorkehrungen und Anstalten noch nicht abgeschlossen, sind die zur Gewinnprognose notwendig zu berücksichtigenden hypothetischen Aufwendungen Teil der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Diese baut insoweit aber auf den konkret durchgeführten Maßnahmen auf. Den danach bestehenden Darlegungserfordernissen entspricht, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht, der Klagevortrag. Die Klägerin hat unter Einbeziehung der Aufwendungen, deren Erstattung sie verlangt, eine Gewinnkalkulation für das geplante Bauvorhaben aufgemacht, die, auch soweit sie hypothetische Kosten (Abbrucharbeiten, Bauwerkherstellung, Baunebenkosten u.a.) zum Gegenstand hat, den Anforderungen des § 252 Satz 2 BGB (zum geminderten Umfang der Darlegungslast: BGHZ 100, 36, 50) grundsätzlich genügt. Zu Unrecht meint aber das Berufungsgericht, die Beklagten hätten diese Rechnung nicht wirksam bestritten. Dies übersieht zum einen, daß die tatsächlich erfolgten Aufwendungen und die durch sie verursachten Kosten in weiten Teilen streitig sind. Zum anderen konnte sich die Beklagte damit begnügen, die Kalkulation der Klägerin, die auf deren Betriebsinterna zurückgeht, allgemein in Abrede zu stellen. Darüber hinaus hat sie sich auf Äußerungen des damaligen „faktischen Geschäftsführers” der Klägerin bezogen, wonach die geplanten Wohneinheiten nur schwer verkäuflich seien. Dies zielt insbesondere auf die in die Kalkulation eingestellten Kaufpreise ab. Da die in die Gewinnrechnung einzusetzenden Positionen noch weitgehend ungeklärt sind, ist die Grundlage für die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines bestimmten Betrages nicht vorhanden. Andererseits ist das Vorliegen eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls in irgendeiner Höhe zu erwarten. Die Voraussetzungen zum Erlaß eines Grundurteils sind deshalb gegeben (§ 304 ZPO).
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Klein, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.10.1999 durch Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 41 |
DB 2000, 513 |
NJW 2000, 506 |
BGHR |
FamRZ 2000, 817 |
EWiR 2000, 117 |
JurBüro 2000, 277 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 150 |
WuB 2000, 341 |
WuB 2000, 343 |
WuB 2000, 349 |
ZAP 2000, 85 |
ZIP 2000, 27 |
ZfIR 2000, 95 |
MDR 2000, 215 |
NJ 2000, 144 |
ZNotP 2000, 70 |
JAR 2000, 99 |