Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage der Befugnis des Mitglieds eines bei einer Kommanditgesellschaft gesellschaftsvertraglich begründeten Verwaltungsrats, dessen Informationsrechte gegenüber der Geschäftsführung selbständig geltend zu machen.
b) Läßt sich ein bestimmter Informationsanspruch gegen die geschäftsführenden Gesellschafter nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten, dann kann dieser auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio verlangen, daß die Information der Gesellschaft erteilt wird.
Normenkette
HGB §§ 161, 166
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 08.03.1991) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. März 1991 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1, eine Kommanditgesellschaft, ist im Jahre 1985 durch Zusammenschluß der Lebensmittelhandelsgesellschaften H. M. & Co. und O. B. GmbH & Cie entstanden. An der Gesellschaft sind die Gesellschaftergruppe Oe. mit sechs und die Gruppe B. mit drei Kommanditisten beteiligt. Zur ersteren Gruppe gehört der Beklagte zu 2 als persönlich haftender Gesellschafter, zur letzteren der Kläger als Kommanditist. Auf der Grundlage des § 11 des Gesellschaftsvertrages vom 15. Mai 1985 besteht bei der Gesellschaft ein Verwaltungsrat, dem der persönlich haftende Gesellschafter und je zwei von den beiden Gesellschafterstämmen entsandte Mitglieder sowie der die laufenden Geschäfte der Gesellschaft führende leitende Angestellte angehören, sofern dieser nicht bereits von einer Gesellschaftergruppe entsandt wird. Der Kläger ist als Angehöriger der B.-Gruppe Mitglied des Verwaltungsrats.
§ 13.1 des Gesellschaftsvertrages enthält über die Aufgaben des Verwaltungsrats folgende Bestimmung:
„Der Verwaltungsrat hat neben den anderen, ihm in diesem Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Aufgaben und Rechten die Aufgabe, über Fragen der Geschäftsführung zu entscheiden und die Führung der laufenden Geschäfte zu überwachen. Zu diesem Zweck kann er jederzeit Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und sich auch selbst darüber informieren; er kann insbesondere die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie deren Vermögensgegenstände einsehen und prüfen. Er kann mit dieser Prüfung auch einzelne seiner Mitglieder oder – sofern erforderlich – auf Kosten der Gesellschaft besondere Sachverständige beauftragen.”
Unterschiedliche Auffassungen der beiden Gesellschaftergruppen über Gründe und Zusammensetzung der in den Lebensmittelgeschäften aufgetretenen Mankobeträge führten in der Verwaltungsratssitzung vom 9. März 1989 zu dem Antrag des Klägers, den Verwaltungsratsmitgliedern die laufenden Unterlagen der Geschäftsführung zur allgemeinen Geschäfts- und Mankoentwicklung zur Verfügung zu stellen. Der Antrag wurde abgelehnt. Mit der Klage erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, dem Verwaltungsrat Einsicht in die im einzelnen bezeichneten Unterlagen zu gewähren.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Kläger hat den mit der Klage geltend gemachten Informationsanspruch in erster Linie auf die in § 13.1 Sätze 2 und 3 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung gestützt. Diese weist Ähnlichkeiten mit § 111 Abs. 2 AktG auf; zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die aktienrechtliche Vorschrift bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrages insoweit als Leitbild gedient hat. Der Kläger hat geltend gemacht, daraus folge, daß auch § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG heranzuziehen sei; danach kann auch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied vom Vorstand einen Bericht an den Aufsichtsrat verlangen. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt. Die Revision wendet sich dagegen mit dem Argument, es handele sich um „parate” – also nicht erst herzustellende – Unterlagen; es bestehe deshalb kein Grund, dem Kläger nicht entsprechend § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG die Einsicht zu gewähren. Damit setzt sie sich indessen darüber hinweg, daß der Gesellschaftsvertrag, der eine dem § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG entsprechende Bestimmung nicht enthält, nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Berufungsgerichts keine Befugnis des einzelnen Mitglieds des Verwaltungsrats vorsieht, die diesem Organ als solchem eingeräumten Rechte, seien es Berichts- oder Einsichtsrechte, selbständig geltend zu machen. Außerdem gewährt auch § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG nur das Recht auf Berichterstattung, nicht auch ein Einsichtsrecht (Mertens, KK z. AktG 2. Aufl. § 90 Rdn. 43). Das mag daran liegen, daß die Prüfung der Unterlagen unter Umständen einen stärkeren Eingriff in die Geschäftsführung bedeuten kann als die bloße Aufforderung, einen Bericht zu erstatten oder eine Auskunft zu erteilen (vgl. auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 51 a Rdn. 26).
2. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt der actio pro socio, also der Gesellschafterklage berufen. Das Berufungsgericht ist darauf nicht ausdrücklich eingegangen. Die Revision meint, der Klage hätte auf dieser rechtlichen Grundlage stattgegeben werden müssen.
a) Aus der Rechtsstellung des Klägers als Verwaltungsratsmitglied kann die Befugnis, die Auskunfts- und Einsichtsrechte des Verwaltungsrats im Wege der Prozeßstandschaft geltend zu machen, entgegen der Ansicht der Revision nicht hergeleitet werden. Der Kläger hat sich mit seinem Antrag, die Unterlagen, um die es ihm geht, von der Geschäftsführung anzufordern, im Verwaltungsrat nicht durchsetzen können. Der Senat hat in seinem eine Aktiengesellschaft betreffenden Urteil vom 28. November 1988 ausgesprochen, daß Konflikte, die im Aufsichtsrat zwischen Mehrheit und Minderheit auftreten, nicht auf dem Umweg über die Inanspruchnahme des Vorstands durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied ausgetragen werden dürfen (BGHZ 106, 54, 66). Er hat allerdings offengelassen, ob das anders ist, wenn der Aufsichtsratsbeschluß, mit dem ein Vorgehen gegen den Vorstand abgelehnt worden ist, nichtig oder zuvor im Klagewege erfolgreich angegriffen worden ist (BGHZ 106, 54, 67). Diese Frage, die sich in ähnlicher Weise auch stellen kann, wenn es sich um die Durchsetzung von Informationsrechten des Beirats- oder Verwaltungsratsmitglieds einer Kommanditgesellschaft handelt, ist hier nicht weiter zu vertiefen. Selbst wenn, wie die Revision meint, der Verwaltungsratsbeschluß vom 9. März 1989 rechtsfehlerhaft gewesen sein sollte, würde dies den mit der Klage geltend gemachten Anspruch nicht begründen.
Die Revision hält § 11.1 des Gesellschaftsvertrages insoweit für unwirksam, als der persönlich haftende Gesellschafter und der leitende Angestellte der Gesellschaft zu – ständigen – Mitgliedern des Verwaltungsrats erklärt werden. Sie meint, das sei mit der in § 13.1 des Vertrages aufgeführten Aufgabe des Verwaltungsrats, „die Führung der laufenden Geschäfte zu überwachen”, nicht zu vereinbaren. Träfe das zu, dann wäre der Verwaltungsrat nicht wirksam konstituiert worden. Der Kläger hätte dann die Stellung des Verwaltungsratsmitglieds, aus der er sein Recht, den Informationsanspruch des Verwaltungsrats selbständig geltend zu machen, in erster Linie herleitet, gar nicht erlangt.
Die Revision ist weiter der Ansicht, der Beklagte zu 2 und der dem Verwaltungsrat angehörende leitende Angestellte hätten als Mitglieder der eigentlichen Geschäftsführung über den Antrag des Klägers, die von ihm bezeichneten Unterlagen dem gesamten Verwaltungsrat zugänglich zu machen, nicht mitstimmen dürfen; außerdem weise die Art, wie die Ablehnung des Antrags begründet worden sei, Ermessensfehler auf. Das alles könnte, wenn die Revision recht haben sollte, allenfalls dazu führen, daß über den Antrag des Klägers erneut entschieden werden müßte. Daß dies aus Rechtsgründen im Sinne des Klägers zu geschehen hätte, läßt sich indessen aus seinem Sachvortrag nicht herleiten. Der Kläger hat eine bestimmte Vorstellung, wie man vorgehen müsse, um die Mankoquote herabzusetzen. Die Geschäftsleitung hält einen anderen Weg für richtiger; sie hat, wie der Kläger selbst vorgetragen hat, inzwischen eine „Problemlösegruppe Manko” eingesetzt, die den damit zusammenhängenden Fragen nachgehen soll. Wenn der Verwaltungsrat dies für ausreichend und die Einsicht in weitere Unterlagen nicht für erforderlich erachtet, dann handelt er damit nicht ohne weiteres pflichtwidrig. Der Kläger hat selbst zutreffend darauf hingewiesen, daß hier nicht zu entscheiden sei, welches „System zur Erfassung des Mankos das effektivere” sei.
b) Auch das Mitgliedschaftsrecht des Klägers als Gesellschafter bildet keine ausreichende Grundlage für das mit der Klage geltend gemachte Informationsrecht.
aa) Der Anspruch läßt sich von vornherein nicht auf § 166 Abs. 1 HGB stützen. Das dort geregelte Informationsrecht des Kommanditisten besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur in dem Recht, die Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere der Gesellschaft zu prüfen. Darum geht es dem Kläger nicht. Es wird allerdings zunehmend die Frage gestellt, ob angesichts des weitgehenden Informationsrechts des GmbH-Gesellschafters nach § 51 a GmbHG ein über § 166 Abs. 1 HGB hinausgehendes allgemeines Auskunfts- und Einsichtsrecht des Kommanditisten anzuerkennen ist (Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, 1980, S. 376 f.; Schlegelberger/Martens, HGB 5. Aufl. § 166 Rdn. 18 f.; Staub/Schilling, HGB 4, Aufl. § 166 Rdn. 1 f.; Goerdeler, FS Kellermann, 1991, S. 77 ff.; vgl. auch zur Frage der Abdingbarkeit des Informationsrechts des Kommanditisten Sen.Urt. v. 11. Juli 1988 – II ZR 346/87, WM 1988, 1447 f. = ZIP 1988, 1175 = GmbHR 1988, 434). Sollte das zu bejahen sein, so wäre ein solches Recht aber jedenfalls durch das Informationsbedürfnis des Kommanditisten begrenzt (K. Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 68 f.); das Auskunftsrecht des Kommanditisten ist „funktionsgebunden” (Schlegelberger/Martens aaO). Es mag ihm dort zur Verfügung stehen, wo er die Information zur Ausübung seiner Mitwirkungsrechte benötigt, also etwa zur Abstimmung über außergewöhnliche Geschäfte nach § 164 HGB oder auch im Zusammenhang mit Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Der mit der Klage verfolgte Anspruch ergibt sich daraus jedoch nicht. Das Anliegen des Klägers ist es, auf Maßnahmen hinzuwirken, die die Mankoquote beim Warenverkauf senken. Das ist eine Angelegenheit der laufenden Geschäftsführung. An ihr ist der Kommanditist als solcher typischerweise gerade nicht beteiligt. Ihm steht deshalb insoweit auch kein Auskunftsrecht zu.
bb) Neben dem Informationsrecht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft besteht deren Informationsanspruch gegen den geschäftsführenden Gesellschafter (vgl. K. Schmidt a.a.O. S. 15 ff.). Dieses ist von der Gesellschaftergesamtheit geltend zu machen. Daneben soll es in der Personengesellschaft auch vom einzelnen Gesellschafter im Wege der actio pro socio ausgeübt werden können (Huber, ZGR 1982, 539, 547; Ulmer, MüKo z. BGB 2. Aufl. § 713 Rdn. 7). Ob sich darauf der mit der Klage verfolgte Anspruch stützen ließe, ist schon deswegen zweifelhaft, weil im vorliegenden Fall wegen der Übertragung der Informationsrechte auf den Verwaltungsrat möglicherweise auch die Gesamtheit der Gesellschafter einen solchen Anspruch nicht gegen den geschäftsführenden Gesellschafter geltend machen könnte (vgl. Reuter, FS Steindorff, 1990, S. 229, 242). Es ist hier nicht zu entscheiden, ob ein vollständiger Übergang der Kontrollrechte der Gesellschafterversammlung auf ein anderes Organ möglich ist. Der Kläger kann die von ihm angestrebten Einsichtsrechte auch dann nicht geltend machen, wenn sie der Gesellschaftergesamtheit als solcher zustehen sollten. Die actio pro socio ist, selbst wenn man sie als gesetzliche Prozeßstandschaft begreift (so Ulmer, MüKo a.a.O. § 705 Rdn. 172 m.w.N.; anders aber Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 14 Rdn. 39), immer Ausfluß des Mitgliedschaftsrechts. Von dessen Ausgestaltung kann die Gesellschafterklage nicht unbeeinflußt bleiben. Dem Kommanditisten weist das Gesetz bestimmte Informations- und Kontrollrechte zu. Diese mögen dort zwar, wie weiter oben erörtert worden ist, nicht abschließend geregelt sein. Ihr Umfang und ihre Begrenzung richten sich aber jedenfalls nach dem Maß der einem Kommanditisten zugewiesenen Mitwirkungsrechte. Diese erstrecken sich, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, nicht auf Fragen der laufenden Geschäftsführung. Soweit das im vorliegenden Fall wegen der dem Verwaltungsrat zugewiesenen Befugnisse und des Rechts der Gesellschafter zur Entsendung der Verwaltungsratsmitglieder anders ist, handelt es sich um mittelbare Rechte, die dem Kommanditisten keine eigenen Geschäftsführungsbefugnisse einräumen. Läßt sich aber ein bestimmter Informationsanspruch gegen die geschäftsführenden Gesellschafter nicht aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten, dann kann dieser inn auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio geltend machen, deren Quelle ebenfalls das Mitgliedschaftsrecht ist. Es wäre ein nicht begründbarer Wertungswiderspruch, einem Gesellschafter mittels der Gesellschafterklage Informationsrechte einzuräumen, deren er für die Ausübung seiner ihm im eigenen oder im Interesse der Gesellschaft zugewiesenen Mitgliedschaftsrechte nicht bedarf (so zutreffend Staub/Schilling a.a.O. § 166 Rdn. 3; Schlegelberger/Martens a.a.O. § 166 Rdn. 17 a.E.). Auch im GmbH-Recht wird die Befugnis des einzelnen Gesellschafters, die in § 46 Nr. 6 GmbHG angesprochenen Maßnahmen zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung durchzusetzen, verneint (Scholz/K. Schmidt a.a.O. § 46 Rdn. 111; Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 46 Rdn. 79).
Unterschriften
Boujong, Dr. Henze, Stodolkowitz, Dr. Goette, Gerber
Fundstellen
BB 1992, 1024 |
NJW 1992, 1890 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1992, 758 |
JZ 1993, 46 |
GmbHR 1992, 365 |