Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterverbriefung des Kaufpreises. Nichtigkeit des Kaufvertrags. Anspruch auf Löschung der Vormerkung. Zurückbehaltungsrecht. Insolvenzverfahren. Abgesonderte Befriedigung aus dem Grundstück
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen des nichtberechtigten Besitzers zur Bebauung eines Grundstücks begründen im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des Eigentümers kein Recht zur Zurückbehaltung gegen einen von dem Verwalter in diesem Verfahren erhobenen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs.
§ 49 Abs. 1 Nr. 3 KO findet auf unbewegliche Sachen keine Anwendung.
Normenkette
BGB § 1003; KO § 49 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Entscheidung vom 11.07.2002) |
LG Neuruppin (Entscheidung vom 30.09.1999) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 11.7.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Neuruppin v. 30.9.1999 wird zurückgewiesen.
Das Urteil des LG wird wie folgt gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von S. Bl. 252, Flur 2, Flurstück 51/5 in Abteilung II eingetragenen Auflassungsvormerkung zu bewilligen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Michael S. ist Eigentümer eines im Grundbuch von S. eingetragenen Grundstücks. Mit Notarvertrag v. 16.8.1995 verkaufte er eine näher beschriebene Teilfläche des Grundstücks (im Folgenden: Grundstück) an die Beklagten. Der Kaufpreis beträgt nach dem Wortlaut der Urkunde 20.000 DM. Das Grundstück wurde den Beklagten übergeben. Zur Sicherung ihres Anspruchs auf den Erwerb des Eigentums wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen.
Außerhalb der Urkunde verpflichtete sich S. in einem "Bauvertrag", aus Materialien, die von den Beklagten "direkt" zu bezahlen waren, gegen eine Lohnverpflichtung ein Wohnhaus gemäß einer Baubeschreibung zu erstellen. Von dem von den Beklagten geschuldeten Lohn sollten 50.000 DM zwei Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes zu bezahlen sein.
Das Gebäude war Ende des Jahres 1996 erstellt. Über das Vermögen von S. wurde am 1.4.1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Der Kläger ist Verwalter in diesem Verfahren.
Mit der Behauptung, bei dem als Bestandteil des Lohns von S. bezeichneten Betrag von 50.000 DM habe es sich um eine verschleierte Zahlung auf den Kaufpreis für das Grundstück gehandelt, der zwischen den Vertragsparteien mit 70.000 DM vereinbart worden sei, hat er die Formnichtigkeit des Kaufvertrags geltend gemacht.
Der Kläger hat beantragt die Beklagten zu verurteilen, die Löschung der Vormerkung zu bewilligen. Das LG hat der Klage Zug um Zug gegen Rückzahlung von den Beklagten auf den Kaufpreis bezahlter 23.000 DM stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen Zahlungen auf den Kaufpreis verneint. Auf die Berufung der Beklagten hat es ausgesprochen, dass die von dem Kläger verlangte Erklärung nur Zug um Zug gegen Ausgleich der Wertsteigerung des Grundstücks durch seine Bebauung von 330.000 DM abzugeben sei. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht sieht die Beklagten gem. § 812 Abs. 1 BGB als verpflichtet an, die Löschung der Vormerkung zu bewilligen. Es meint, der Kaufvertrag v. 16.8.1995 sei gem. § 313 S. 1 BGB a. F., § 125 BGB nichtig. Als Kaufpreis seien 70.000 DM vereinbart worden. Auch ohne die Unterverbriefung sei der Kaufvertrag auch deshalb nichtig, weil S. den Beklagten erkennbar ohne den Abschluss des "Bauvertrags" zum Verkauf des Grundstücks nicht bereit gewesen sei und der "Bauvertrag" nicht beurkundet worden sei. Wegen ihrer Zahlungen auf den Kaufpreis stehe den Beklagten zwar kein Zurückbehaltungsrecht zu. Anders verhalte es sich jedoch, soweit die Baumaßnahmen dazu geführt hätten, dass der Wert des Grundstücks um 330.000 DM gestiegen sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch folgt aus § 894 BGB.
1. Die eingetragene Vormerkung besteht nicht, weil ein zu sichernder Anspruch nicht entstanden ist. Der Kaufvertrag v. 16.8.1995 ist gem. § 313 S. 1 BGB a.F, § 125 BGB nichtig. Ein Anspruch der Beklagten auf den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück, der durch die eingetragene Vormerkung gesichert wird, besteht nicht. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Vertragsparteien den Kaufpreis für das Grundstück auf 70.000 DM vereinbart haben. Entgegen der Meinung der Beklagten ist das Berufungsurteil insoweit nicht in sich widersprüchlich. Das Berufungsgericht hat die Nichtigkeit des Kaufvertrags vielmehr mit der Feststellung der Unterverbriefung des Kaufpreises und darüber hinaus damit begründet, dass der Kaufvertrag auch deshalb formnichtig ist, weil der "Bauvertrag" nicht zum Bestandteil der Urkunde v. 16.8.1995 gemacht worden ist. Auch insoweit lässt das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Die Beklagten sind nicht zur Zurückbehaltung berechtigt.
a) Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ist zwar auch gegenüber dem aus dem Eigentum folgenden Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer zu Unrecht eingetragenen Vormerkung möglich (BGH v. 5.10.1979 - V ZR 71/78, BGHZ 75, 288 [293] = MDR 1980, 299; Urt. v. 28.10.1988 - V ZR 94/87, MDR 1989, 341 = NJW-RR 1989, 201 f., v. 23.3.1990 - V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847 f.). Das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB bildet jedoch nur ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer persönlichen Forderung. Es läuft dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zuwider und versagt daher gegenüber den Gläubigern in einem Insolvenzverfahren (BGH v. 7.3.2002 - IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138 [145] = BGHReport 2002, 658; Urt. v. 20.1.1965 - V ZR 214/62, WM 1965, 408 [410 f.]) und damit gegenüber dem Verwalter in einem Gesamtvollstreckungsverfahren.
b) Anders verhält es sich auch mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 BGB nicht. Wer Verwendungen auf ein Grundstück gemacht hat und hierfür gem. §§ 994, 996 BGB Ersatz verlangen kann, ist nach § 1003 BGB zwar berechtigt, den Ersatzanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung in das Grundstück durchzusetzen. Das Befriedigungsrecht nach dieser Vorschrift ist jedoch persönlicher Natur (RGZ 71, 424 [426]; Erman/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 1003 Rz. 2; Medicus in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 1003 Rz. 15; Planck/Brodmann, BGB, 5. Aufl., § 1003 Anm. 1; RGRK-BGB/Pikart, 12. Aufl., § 1000 Rz. 19; Soergel/Mühl, BGB, 12. Aufl., § 1003 Rz. 2) und gewährt daher kein Recht auf Befriedigung außerhalb eines über das Vermögen des Eigentümers eröffneten Insolvenzverfahrens (Staudinger/Gursky, BGB, 1993, Vorbem. zu §§ 994 - 1003 Rz. 53, 56). Deshalb kann dahin gestellt bleiben, ob die Aufwendungen zur Bebauung des Grundstücks überhaupt geeignet sind, zu einem Anspruch der Beklagten auf Ersatz zu führen (vgl. BGH BGHZ 10, 171 [177]; BGHZ 41, 157 [160]; Urt. v. 2.3.1973 - V ZR 57/71, WM 1973, 560 [562]; v. 29.9.1995 - V ZR 130/94, MDR 1996, 1114 = WM 1995, 2109 [2110]).
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 3 KO, § 51 Nr. 2 InsO. Nach diesen Vorschriften kann der Besitzer wegen seiner Verwendungen auf eine Sache zwar abgesonderte Befriedigung aus der Sache verlangen. Die Gesamtvollstreckungsordnung enthält jedoch keine derartige Regelung. Ob § 49 Abs. 1 Nr. 3 KO, § 51 Nr. 2 InsO auf die Gesamtvollstreckungsordnung entsprechend anzuwenden sind (bejahend Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 12 Rz. 204; verneinend Smid/Zeuner, GesO, 2. Aufl., § 12 Rz. 48), bedarf keiner Entscheidung. Wegen eines Anspruchs auf Ersatz von Verwendungen kann abgesonderte Befriedigung nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 KO nämlich nur verlangt werden, wenn die Verwendungen auf eine bewegliche Sache gemacht worden sind (Hess, KO, 6. Aufl., § 49 Rz. 16; Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl., § 49 Rz. 44; Kilger/Karsten Schmidt, KO, 19. Aufl., § 49 Rz. 6; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 49 Rz. 25; Gottwald in Insolvenzrechtshandbuch, 1. Aufl., § 44 Rz. 42). Nach § 51 InsO verhält es sich nicht anders (Eickmann in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 51 Rz. 7; Hess, InsO, § 51 Rz. 34; Ganter in MünchKomm/InsO, § 51 Rz. 221). Verwendungen auf ein Grundstück berechtigen weder nach der Konkursordnung noch nach der Insolvenzordnung zur abgesonderten Befriedigung aus dem Grundstück. Etwas anderes kommt auch für ein Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung nicht in Betracht.
d) Dass die Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung die Bewilligung der Löschung der von ihnen ohne Rechtsgrund erlangten Buchposition schulden (vgl. Wacke in MünchKomm/BGB, § 894 Rz. 35; RGRK-BGB/Augustin, 12. Aufl., § 894 Rz. 28; Soergel/Baur, BGB, 13. Aufl., § 894 Rz. 25; Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 894 Rz. 155) und der so begründete Anspruch den Beschränkungen von § 818 Abs. 3 BGB unterliegt, schränkt den aus dem Eigentum von S. an dem Grundstück folgenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs nicht ein. Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Aufwendungen der Beklagten vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen von S. geeignet sind, gegenüber dem Kläger zu einer Beschränkung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung zu führen (vgl. BGH v. 20.12.2001 - IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326 [333 ff.] = BGHReport 2002, 303).
Fundstellen
Haufe-Index 959623 |
BGHR 2003, 1250 |
EWiR 2004, 351 |
KTS 2003, 618 |
WM 2003, 1540 |
WuB 2003, 1057 |
ZAP 2003, 994 |
ZIP 2003, 1406 |
ZfIR 2003, 728 |
InVo 2003, 426 |
MDR 2003, 1258 |
NJ 2003, 597 |
NZI 2003, 605 |
ZInsO 2003, 767 |
RENOpraxis 2004, 136 |